Vineta oder die Seekönige der Jomsburg - Wilhelm Dönniges - E-Book

Vineta oder die Seekönige der Jomsburg E-Book

Wilhelm Dönniges

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Beschreibung

Die sagenhafte Stadt Vineta - das Atlantis der Ostsee - galt als eine der reichsten Handelsstädte im mittelalterlichen Europa. Viele Quellen berichten von der Existenz Vinetas, dennoch konnte die genaue Lage der versunkenen Stadt bis heute nicht zweifelsfrei ausgemacht werden. Es heißt, die Stadt sei eines Tages, als Bestrafung für ihre Sünden, den moralischen Verfall und die Verschwendungssucht der Bewohner, bei einem Sturmhochwasser zerstört worden und untergegangen. Die Bewohner sollen zuvor durch Himmelszeichen gewarnt worden sein, haben die Zeichen aber ignoriert. Der Sage nach soll noch heute zu besonderen Zeiten Glockenläuten aus den Tiefen des Meeres zu hören sein. Im hier vorliegenden, Mitte des 19. Jahrhunderts erschienenen Buch werden die Geschichte und der Untergang Vinetas anhand der historischen Quellen dichterisch nacherzählt.

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Seitenzahl: 89

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Verzeih mir, große Göttin der Geschichte,

Daß ich der Sage faltenreich Gewand

Im buntgewebten Teppich der Gedichte

Dir um die wahrheitskeuschen Glieder band,

Daß ich die menschlich-schwächlichen Gesichte

Zum Blumenkranze mir zusammenwand,

Daß ich’s gewagt, ins reine Bild der Sagen

Den Ton der Phantasie hineinzutragen.

Doch Du, mein Vaterland, nimm Deinem Sohne

Die Erstlingfrüchte, die er zagend bringt,

Wohlwollend ab; und wenn Du darfst, belohne

Mit Deinem Beifall ihn, wonach er ringt.

Und wenn auch nicht die hohe Dichterkrone

Dem schwachen Sänger von Vineta winkt,

So bin ich gern und übergern zufrieden,

Wenn nur der Dank der Pommern mir beschieden. —

Inhaltsverzeichnis

I.

Vineta

II.

Der Traum

III.

Palnatokis Heerfahrt nach Britenland

IV.

Palnatoki und Björn werden Waffenbrüder

V.

Palnatoki freit

VI.

König Harald und Panatoki

VII.

Die erste Rache

VIII.

Die zweite Rache

IX.

Dritte Rache. Palnatoki bekennt sich zu seinem Pfeil

X.

Palnatoki und Odin

XI.

Vineta und die Jomsburg

XII.

Palnatokis Tod

XIII.

Die Rache Svens

XIV.

Die letzte Schlacht

XV.

Die Sage von Vineta

Schlußbemerkung

I.

Vineta.

Golden glüht der volle Mond hernieder,

Auf der Welle hüpft der Sterne Schimmer,

Rauschend singt das Meer die alten Lieder,

Es erheben sich Vinetas Trümmer.

Aus dem Wasser her mit trübem Blicke

Schauen sie zum einst’gen Heimatland,

Träumen von dem hingeschwundnen Glücke,

Sehnen sich zurück zum grünen Strand.

Doch die Brandung schäumet rasch hinüber,

Und die Woge kommt mit ihrem Graus,

Und der Sturmwind braust vom Land herüber,

Löscht das goldne Träumen wieder aus.

Nur wenn müde Wind und Welle schweigen,

Nur wenn Friede zwischen Meer und Land,

Darf das Bild der Heidenstadt sich zeigen,

Wie es einst als Nordens Zierde stand.

Damals winkten Tempel und Paläste

Himmelstrebend über Land und Meer,

Damals schifften weitgefahrne Gäste

Stets willkommen zu dem Julfest1 her.

Und im wellenweichen Wasserbette

Ruht des Vikings2 Haus vom weiten Gang

Hier im Hafen aus, um den die Kette

Goldgeschmiedet sich als Gürtel schlang.

Und die Jomsburg stand als Riesenwache

Drohend an des Hafens eh’rnem Tor,

Wie beim Golde liegt der hörne Drache,

Streckt den feuersprüh’nden Rachen vor.

Oft erklang in blut’ger Kriegessache

Erzerdröhnen und der Feinde Weh;

War doch das allein Jomsburger Sprache,

Sprachen so zu Lande wie zur See.

Doch nun ist die Sprache längst verklungen,

Hingesunken sind die Heldenhallen,

Alles hat das Meer hineingeschlungen,

Und man hört nur dumpf die Woge schallen. –

***

Und der Wandrer sitzt am fahlen Strande

Träumend, da erzählt im feuchten Ried

Ihm der Sturm vom alten Riesenlande,

Und beschließt das trotzdurchtönte Lied:

„Die Rache tötet immer! Wahngeboren

Lebt sie, der Leidenschaften lieblos Kind,

So lange nur, bis sie in Troß verloren

Sich gärend selbst verdirbt, und wütendblind

Den Strudel ihrer Lüste sich erkoren

Zum Grabe hat; denn ihre Keime sind.

Vernichtung, Haß, verkannter Pflicht Gebot,

Und wer den Tod gesät, der erntet Tod.“

„Die Liebe schaffet ewig! Gottgeboren

Spricht sie zu uns im heilgen Lebenswort:

„Gott ist das Wort und licht, und auserkoren

Hat er den Menschensohn zum Felsenhort

Der wahren Lehre. – Drum in Nacht verloren

Schwand Odins Stern vom dunklen Himmel fort,

Seitdem der Offenbarung Helle Sonne

Aufging, und uns umstrahlt mit Tageswonne.“

1 Großes Opferfest, wovon Julin seinen Namen haben soll.

2 Seekönig.

II.

Der Traum.

Toki hieß ein Mann zu Fünen in der alten Heldenzeit,

Hatte sich ein edles Mädchen, Namens Thorvdr, angefreit,

Hat mit ihr gezeugt den Aki und den Palnir, stark und gut,

Außerdem mit einer Fremden Fjölnirn, falsches Katzenblut.

Toki starb, die Söhne teilen nach dem Trauermahl die Hab’;

Fjdinirn gaben sie vom fahr’nden Gute auch ein Dritteil ab;

Aber dieser meint, es sei ein Dritteil wohl von allem sein,

Doch dazu sprach jeder Bruder sein gewichtig rechtlich „Nein.“

Fjdinirn will das übel dünken; drum geht er zum König hin,

Wird sein Dienstmann, und verleumdet Aki mit boshaftem Sinn.

Und der Fuchs besiegt den Bären, und die Zunge bricht das Schwert,

Armer Akt! Sterben mußt du fern von deiner Väter Herd.

Reich beschenkt kam Aki ruhig auf dem ebnen Meerespfad

Her von Gotland, von dem Jarle3, der ihn so entlassen hat;

Wie er schlief mit seinen Kämpen kam ein Königsschiff heran,

Und die Roskildleute4 schlugen tot den schlafgeschützten Mann.

Traurig ward der Bruder Palnir; stand er nun doch ganz allein,

Wie vom hehren Stammeshause liegt der letzte Säulenstein.

Nirgends sieht er Rach’ am König; mächtig ist der Herrschermann,

Wie die feste Felsburg steht er, die man nicht erstürmen kann.

Da trat einst sein Waffenbruder Sigurd zu ihm: „Höre Freund!

Laß das Trauern, hör? ein Wörtchen, wahrlich! es ist treu gemeint.

Ottars, Jarl von Gotlands Tochter, nun? Du kennst die holde Maid,

Nimm zum Weib sie, ob dich die nicht schnell von allem Gram befreit?“

Und die Segel schwellen sehnend, Sigurd fährt gen Gotland fort,

Und der Jarl wird überredet, gibt dem Sigurd, bald sein Wort;

Ingeborg ist auch zufrieden, Ottar reicht den Abschiedstrank,

Und nach Fünen geht’s hinüber bei der Wellen Brautgesang.

Nach der Hochzeit lauter Feier kam die stille Liebesnacht,

Dunkelblau schmückt sich der Himmel, ruhig glänzt der Sterne Pracht,

Ruhig liegt das Feld des Meeres, nur das ferne Nordlicht glüht,

Und die Brandung rauschet höher, singt ein altes Rachelied.

Palnir schläft, doch schwere Träume legen sich auf Ing’borgs Herz;

In der ersten Nacht schon seufzt sie; fühlt sie wohl der Reue Schmerz?

Bald erwacht sie früh’ am Morgen bei der Wolke goldnem Saum,

Weckt den Gatten, und erzählt ihm einen wundergrausen Traum:

„Hör’, ich träumt’, als wenn ich eben an den Stuhl das Steingewicht

Um’s Geweb’ zu schlagen, legte, zog die Fäden in die Richt,

Und da fiel, mich schaudert’s immer, wenn ich’s denk, aus Ungeschick

Auf einmal in meine Fäden mir der größte Stein zurück.

Auf heb ich den Stein und plötzlich – schien er mir ein Männerhaupt,

Offner Mund und starre Augen, alles Lebens schon beraubt;

Blutig halten meine Hände einen greisen, dünnen Schopf,

Und ich schaue furchtbar grinsend König Haralds5 Totenkopf.“

„ Ha!“, sprach Palnir, „freu dich Weibchen, Odin schickte diesen Traum,

Und Erfüllung ist sein Name, gibt der Rachehoffnung Raum,

Die ich lang gehegt im Busen, wie der Schnee die Saat bedeckt,

Die des Frühlings heiße Sonne erst zum blüh’nden Leben weckt.“

3 Jarl, ungefähr was im Altdeutschen Graf bedeutet.

4 Roskild, die alte Residenz und der Begräbnisplatz der dänischen Könige.

5 Harald Blatand (Blauzahn), der König Dänemarks, der von Otto dem Großen zum Christentum gezwungen wurde.

III.

Palnatokis Heerfahrt nach Britenland.

Zwanzig Jahre sind verschwunden, Palnir schläft im Hügel schon,

Doch es lebet Palnatoki, Palnirs einz’ger Rachesohn.

Vikingfahrten hat der Jüngling jeden Sommer kühn vollbracht,

Seinen Namen hat er weithin über’s Meer berühmt gemacht.

Zu der Zeit regierte Steffnir, hoher Jarl im Britenland,

Der hat eine kluge Tochter, Alof war sie zubenannt;

Hatten beide schon vernommen von dem Helden hochgeehrt

Durch das Lied der fremden Skalden, doch noch nicht geseh’n –

sein Schwert.

Als der Winter nun vergangen und des Eises Spiegel brach

Vor der linden Lüfte Wehen, und der Schnee im Scheiden lag,

Schlägt den Schild, den stahlbekränzten, Palnatoki laut am Strand:

„Auf! Wir machen Heerfahrt weithin nach dem reichen Britenland.“

Wie der Schwertfisch durch die Tiefe, fliegen Schiffe übers Meer,

Schnell zum Segeln, stark zum Kampfe, angefüllt mit blanker Wehr,

Drohend sieht sie Steffnir halten an der Küste Engellands,

Fernhin winken stolze Masten frohbereit zum Waffentanz.

Schlachtruf schallt durch Englands Täler, Scharen Kämpfer kühngemut

Fliegen zum Panier, wie Wolken sich bei des Gewitters Wut

Aneinanderreihn; den Himmel decken mit der Wetternacht,

Grausig schweigen, bis auf einmal los des Donners Stimme kracht.

Schlacht beginnt, wie Regen rasseln rasche Hieb’ auf Panzer dicht,

Hört! Wie hier im blutigen Felde Dänemark mit England spricht.

Ward am ersten Tag geschlagen, durchgekämpft den zweiten Tag,

Durchgehau’n den dritten, vierten, Stoß auf Stoß und Schlag auf Schlag.

Doch war noch nicht Sieg entschieden, da gebietet Steffnir Halt,

Plötzlich starrt der tapfern Briten vielbewegter Lanzenwald;

Und ein Herold tritt zu Toki, bringt vom Jarl ein Friedenswort,

Da verstummen aller Dänen schartige Schwerter auch sofort.

Sieh! da tritt von Steffnirs Seite breitgeschultert, rasch ein Mann,

Trotz im Schritte, Blitz im Auge Fünens jungen Fürsten an;

Mit der Rechten schwingt er dreimal über’s Haupt das scharfe Schwert,

Und dann spricht er diese Worte feindlich: stolz, doch ehrenwert:

„Du bist Palnatoki, lange hab’ ich Füne dich erkannt,

Gestern biß mir deine Klinge hart in meines Schildes Rand.

Du bist Palnirs Rachesprößling, ganz gewiß erkenn’ ich dich

Am Gesicht, am Gang, am Hiebe; Dänscher Wolf, nun kenne mich!

Björn der Brite! Kennst den Namen? Ja, er klingt wohl über’s Meer

Bis zu deinem öden Fünen, klingt nach scharfer Eisenwehr!

Bär von England heiß ich draußen, und der Arm hier sei noch heut,

Dieses Schwert, Allvater woll’ es, dir zum blutigen Tod geweiht.

Kampf zu Eise, Kampf zu Lande, Kampf zu Schiffe gilt mir gleich,

Doch nur Kampf auf Tod und Leben biet’ ich, Kampf für Walhalls Reich;

Stirbst du, sind die Fünen alle Knecht auf Englands hartem Strand,

Sterb’ ich, teilst du mit Jarl Steffnir Krone, Hochsitz und sein Land.“

So der Bär; doch Tokis Enkel rühret noch nicht an sein Schwert,

Zornig sprach er, und die Worte waren Palnatokis wert:

„Frei sind meine Fünen alle, wie die Luft am Himmelszelt,

Schmach dem Herren, der den Freien unter Knechtschafts Bürde stellt;

Doch für England biet ich Fünen und die Schiff’ am Strande dort,

Fall’ ich, ziehen die von Fünen friedlich weg, darauf mein Wort;

Fällst du, türm’ ich dir den Hügel, halt’ dir Trauermahl am Strand,

Denn du starbst für Walhalls Wonne, starbst den Tod für’s Vaterland.

Und nun schnallt mir meine Eisschuh unter zum Berserkertanz6.

Komm’ heraus mein Schwert, und blitze deinen vollen Runenglanz7.

Lehr den Björn, den Bär’ der Briten, daß mein Hieb ein Blitzstrahl sei;

Rette Fünen, bringe England, großer Odin steh’ mir bei!“

IV.

Palnatoki und Björn werden Waffenbrüder.

Alle Krieger stehn im Kreise

Um den eisbedeckten Ort,

Schön gescharet, gliederweise,

Dänen hier und Briten dort.

Nicht ein Wort wird rings gehöret,

Prahlen ziemt dem Starken nicht,

Stumm ist, wer sich tapfer wehret,

Für den Mann der Degen spricht.

Steffnir nun tritt aus der Mitte

Mit zwei Schwertern in der Hand,

Mißt mit regelrechtem Schritte

Ihren Kampfplatz aus vom Strand.

Auf dem Eise aber stehen

Palmirs Sohn, der hohe Mann,

Björn der Brite; beide sehen

Sich mit stolzem Schweigen an.

Wie zwei Burgen von den Höhen

Drohend sich entgegenschaun;

Ihre finstern Blicke wehen,

Um sich her ein Todesgraun. –

Und die Schwerter jetzt empfangen

Sie aus Steffnirs Richterhand,

Und mit blutigem Verlangen