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In diesem Buch werden Fragen rund um virtuelle Führung beantwortet und auch deren Grenzen aufgezeigt. Dabei stehen Tools und Methoden im Fokus, die konkret in der Praxis unterstützen können. Der Inhalt dieses Buches spannt den Bogen von der historischen Entwicklung virtueller Teams und dem Status quo in Unternehmen über allgemeine Anforderungen und Begrifflichkeiten zu den vielfältigen Herausforderungen und Stolpersteinen im Arbeitsalltag. Danach werden neben den Autor:innen weitere Interviewpartner:innen zu besonderen Themen und Zukunftsausblicken eingebunden. Frag doch einfach! Die utb-Reihe geht zahlreichen spannenden Themen im Frage-Antwort-Stil auf den Grund. Ein Must-have für alle, die mehr wissen und verstehen wollen.
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2022
Anke Brinkmann / Gabriele Dreilich / Christian Stadler
Virtuelle Teams führen? Frag doch einfach!
Klare Antworten aus erster Hand
UVK Verlag · München
Umschlagabbildung und Kapiteleinstiegsseiten: © bgblue – iStock
Abbildungen im Innenteil: Figur, Lupe, Glühbirne: © Die Illustrationsagentur
© UVK Verlag 2022— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
utb-Nr. 5780
ISBN 978-3-8252-5780-4 (Print)
ISBN 978-3-8463-5780-4 (ePub)
Wir als Autor:innenteam haben uns nicht nur lange Jahre mit dem Thema virtuelle Führung und Zusammenarbeit beschäftigt, wir haben in unseren verschiedenen Rollen in unterschiedlichen Branchen seit weitaus mehr als 15 Jahren die Vorteile von virtueller Führung erfahren. Wir haben hierbei neben den Vorteilen, die es hinsichtlich Flexibilität und virtueller Zusammenarbeit, auch die Schwierigkeiten kennengelernt, die diese Arbeitsform mit sich bringt. Darüber hinaus haben wir aktuelle Literatur zum Thema verfolgt, sind in den Austausch gegangen mit Kolleginnen und Kollegen, Kundinnen und Kunden, der HR-Community sowie Netzwerken. … Und das Ergebnis war das Schreiben dieses Buches!
Während unserer Recherchen konnten wir feststellen, durch eine stringente virtuelle Führungs-, Projekt-, Zusammenarbeit gelingt es einigen Organisationen besser in der zunehmend komplexer werdenden Zusammenarbeit Mitarbeitende für sich zu begeistern und zu halten. Was machen diese Organisationen anders? Was braucht es, damit dies gelingt? Gerade jetzt, wo beschleunigt durch die Maßnahmen in der Coronakrise, in Bereichen und Branchen, in denen es bisher „üblich“ war, in Präsenz zu arbeiten, virtuell zusammengearbeitet und geführt wird.
In diesem Buch wollen wir Fragen rund um virtuelle Führung beantworten und Grenzen aufzeigen. Dabei werden wir nicht wissenschaftlich in die Tiefe gehen, sondern anhand von Erfahrungen, Tools und Methoden vorstellen, die konkret in der Praxis unterstützen können. Der Inhalt dieses Buches gliedert sich in 7 Abschnitte: Von der Historie über alltägliche Probleme in virtuellen Teams bis hin zu Datenschutzfragen. Im Dritten und letzten Abschnitt des Buches gibt es einen zusammenfassenden Ausblick in die Zukunft und vertiefende Literaturhinweise.
In allen Teilen haben wir Erfahrungen von Expert:innen aufgenommen, die den Leser:innen praxiserprobte Inspiration geben für die eigene Umsetzung.
Wir möchten mit diesem Buch Mut machen, Dinge auszuprobieren und den übergreifenden „Best-Practice Austausch“ anregen, damit Führungskräfte den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden und bleiben und hierbei die individuelle eigene „DNA“ zu stärken.
Dieses Buch entstand unter Mitwirkung von folgenden Personen, bei denen wir uns bedanken, weil sie uns inspiriert haben und uns neue Perspektiven aufgezeigt haben.
Dr. Bernd Blessin Präsidiumsmitglied Bundesverband der Personalmanager (BPM), Leiter Personal und Organisation, L-Bank
Constanze Buchheim – Ökosystemexpertin, Managing Partnerin, i-potentials
Inga Dransfeld-Haase Präsidentin Bundesverband der Personalmanager (BPM), Direktor People & Culture DACH BP Europa SE
Dr. Nina Eilers König Physikerin, Senior Test Engineer bei Daimler TSS GmbH
Michael Fleischmann, Agiler Coach, Organisationsentwickler, Trainer. metafinanz Informationssysteme GmbH
Matthias Herzberg – Gründer best patterns GmbH – Trainer und Coach für Teams und Führungskräfte / Personalentwicklung
Katrin Krömer Präsidiumsmitglied Bundesverband der Personalmanager (BPM); Head of HR Development Deutsche Bahn
Kerstin Prothmann – Partnerin bei HRpepper Management Consultants GmbH
Kerstin Riesch – Leiterin der Mittel und Niedespannungsnetze bei Stromnetz Berlin GmbH
Jana Tepe, Gründerin und Geschäftsführerin von Tandemploy GmbH
Prof. Dr. Anabel Ternes Hattburg Director Institute for Sustainability Management and Future Strategies bei SRH, Unternehmerin
Toni verrät dir spannende Literaturtipps, YouTube-Seiten und Blogs im World Wide Web.
Die Glühbirne zeigt eine Schlüsselfrage an. Das ist eine der Fragen zum Thema, deren Antwort du unbedingt lessen solltest.
Die Lupe weist dich auf eine Expert:innenfrage hin. Hier geht die Antwort ziemlich in die Tiefe. Sie richtet sich an alle, die es ganz genau wissen wollen.
→
Wichtige Begriffe sind mit einem Pfeil gekennzeichnet und werden im Glossar erklärt.
Wenn wir über virtuelle Führung und Zusammenarbeit sprechen, denken wir zuerst an die Herausforderungen des →mobilen Arbeitens oder Homeoffice. Gerade seit dem Jahr 2020, wo wir durch die Pandemie physische Kontakte reduzieren oder vermeiden müssen, um dadurch eine Verbreitung des Virus Covid-19 einzuschränken, ist das Thema der virtuellen Zusammenarbeit stark in den Fokus gerückt. In diesem Abschnitt geht es um die Entwicklung der virtuellen Führung.
Dieses Thema ist keinesfalls neu. Bestimmte Branchen, wie Unternehmensberatungen, Logistikbranche oder Forschung, um nur einige zu benennen, arbeiten seit vielen Jahren in virtuellen Teams zusammen, ohne dass Führungskräfte vor Ort sind. In den letzten Jahren kamen noch Arbeitsbereiche hinzu, die früher nicht denkbar waren: Da, wo wir früher Experten und Führungskräfte quer durch die Welt gesendet haben, um Mitarbeiter:innen zum Beispiel neue technische Entwicklungen und deren Instandhaltung zu zeigen, kommen heute moderne Technologien, wie beispielsweise →VR (Virtual Reality) in der Automobilbranche zum Einsatz. Damit kann ein Beschäftigter in Indien angeleitet werden von einem Spezialisten in Deutschland und umgekehrt. Lange und zeitaufwendige Reisezeiten können für diese Tätigkeiten minimiert werden. Um näher auf die Entwicklung hin zur virtuellen Führung einzugehen, möchten wir mit einem historischen Rückblick starten.
Virtuelles Arbeiten heißt innerhalb einer Organisation oder eines Teams, räumlich voneinander getrennt zu arbeiten. Eigentlich nichts Neues, schon in der Vergangenheit wurde räumlich getrennt gearbeitet. Dennoch hat sich die virtuelle Führung, über die Jahrhunderte hinweg entwickelt, abhängig von den politischen Rahmenbedingungen und dem technischen Fortschritt.
In der Antike, in der sich der Handel entfaltete und die Seidenstraße sich zu einer der wichtigsten Handelsrouten entwickelte, bis hin in die frühe Neuzeit, zeichneten sich diejenigen als besonders erfolgreich heraus, die flexibel auf politische Änderungen reagieren konnten, offen für neue Sprachen und aufgeschlossen gegenüber anderen Religionen waren. Auf Ihren Reisen waren die Händler auf sich gestellt, mussten selbst die Entscheidungen treffen, sich organisieren, um Ihre Ziele zu erreichen.
Wir denken – nein, zumindest nicht mit unserem heutigen Verständnis und den Prämissen, die wir Führung heute geben. Diese Händler waren sehr risiko- und abenteuerbereit. Sie sind auf sich alleine gestellt gereist, auch wenn viele von ihnen gut betuchte Auftraggeber meistens in Europa hatten, die ein Startkapital für die Reise zur Verfügung stellten. Die Entlohnung gab es bei erfolgreicher Verrichtung des Auftrags und persönlicher Rückkehr – was häufig eben auch nicht der Fall war.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Ansicht bezüglich Führung mehr zur angeborenen Begabung, die man hatte – oder eben auch nicht. Der Glaube an die → „Great-Man Theorie“ verbreitete sich. Das Zeitalter der Industrialisierung brach an, hervorgerufen durch zahlreiche Erfindungen, die die Handarbeit durch Maschinen ersetzte. Fabriken wurden gebaut. Der Einsatz von moderner Technik, beispielsweise der Dampfmaschine, ermöglichte eine industrielle Produktion, bei der der Arbeitsrhythmus alleine von den Maschinen bestimmt wurde. Eine betriebliche Arbeitsteilung, mit konkreten Zeitvorgaben, klaren Strukturen und Abläufen (→Prozessen) für einzelne Aufgaben, wurde umgesetzt. Eine Wahlmöglichkeit hatten die Beschäftigten oftmals nicht, da gleichzeitig die Privatisierung von Grund und Boden weiterhin zunahm und um das Überleben zu sichern, waren die Arbeiter:innen gezwungen, ihre Arbeitsleistung in Betrieben und Fabriken anzubieten. Die Menschen zogen in die Städte. Führung zeichnete sich weitgehend durch einen autoritären Stil aus und die Motivation der Fabrikanten und Grundbesitzer bestand darin, Ihre Macht und Gewinne zu maximieren. Dies führte zu immer größeren Spannungen zwischen denen, die die Anweisungen gaben und denen, die diese umsetzen mussten, die Arbeiter:innen. Virtuelle Führung war in dieser Zeit nicht existent: Die Arbeit wurde vor Ort in Fabriken und Manufakturen erbracht.
Anfang des 20. Jahrhunderts, vor dem zweiten Weltkrieg, wies der Sozialpsychologe Kurt Lewin auf drei unterschiedliche Führungsstile hin und zeigte die Vor- und Nachteile auf. Diese prägen bis heute unsere Führungsseminare, wenn es darum geht die Phasen eines Veränderungsprozesses zu erklären. Lewin untersuchte in seinen Theorien zu gesellschaftspolitischen Veränderungen, die Dynamiken in Gruppen und führte Experimente durch, wo er Kinder in Gruppen einteilte, die autokratisch oder dynamisch geführt wurden. Das Ergebnis bestand darin, dass die dynamisch geführten Gruppen engagierter und motivierter waren. Es gab weniger Spannungen als in den autokratischen Gruppen. Lewin schlussfolgerte, dass der demokratische Führungsansatz der Bessere ist. Diese Erkenntnisse hatten einen wesentlichen Einfluss in den Untersuchungen des Verhaltens in Gruppen und den damit verbundenen Führungsstilen. Beispielsweise wurde in den folgenden Jahrzehnten bei der Führung der Fokus auf die erlernbaren Fähigkeiten der Menschen gelenkt. Dennoch wurden diese Erkenntnisse nicht uneingeschränkt in den wachsenden nationalen und internationalen Organisationen angewendet und waren immer wieder umstritten. Anweisungen und die Kontrolle der Ergebnisse wurden weiterhin „von oben nach unten“ in der Organisation vorgegeben. Also was? – soll wie? – getan werden. Wer kennt nicht den Satz „Wenn die da oben wüssten, wie es bei uns unten funktioniert.“ oder „…das wurde am Schreibtisch entschieden“.
Mit der Einführung des Internets gab es Ende des 20. Jahrhunderts den entscheidenden beeinflussenden Faktor, der die Möglichkeiten des Austauschs beschleunigte und virtuelle Führung unterstützte. Durch die Globalisierung der Märkte nimmt die Geschwindigkeit zur Informationsvorbereitung und Transparenz zu. Gleichzeitig wird das Umfeld komplexer und Führungskräfte können die Aufgaben nicht mehr in dieser Geschwindigkeit zentral steuern.
Besonders deutlich zeigt dies die folgende Graphik, die die (größer werdende) Kluft zwischen dem exponentiellen Wachstums der Technologie zu den Individuen, abgeschlagen bereits von den (Profit) Organisationen sowie weit im Abseits von der Verwaltung und dem öffentlichen Sektor beschreibt. Hier können nur noch disruptive Lösungen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen dieses Auseinandertriften stoppen. Die Organisationen in denen erkannt wird, welche Rolle die (virtuelle) Führung und damit auch die Kultur im Unternehmen einnimmt, werden zukünftig weiter erfolgreich sein.
Figure 2. What is really happening.
Quelle: Deloitte Global Human Capital Trends: Rewriting the rules for the digital age; 2017
Der Fokus der virtuellen Führung lenkt sich mehr auf Befähigen der Beschäftigten bzw. Führungskräfte vor Ort und die Dezentralisierung hervorgerufen durch die Globalisierung der Märkte, der Forderung nachhaltiger zu agieren und der zunehmenden Komplexität. Das Arbeiten auf Distanz – virtuell – wird zum Standard, seit 2020 auch da, wo die Unternehmen lokal ihre Dienstleistung erbringen.
„Von Luther zu Twitter“ von Raphael Gross, Melanie Lyon und Harald Welzer, 2020
„Antike Handelsmacht“, von Mayke Wagner, Patrick Wertmann, Pavel Tarasov und Desmond Durkin-Meisterernst, Spiegel 24.01. 2011
Kurt Lewin/Ralph White/Ronald Lippitt, Patterns of aggressive behavior in experimental created ‚social climates‘, in: Journal of Social Psychology vol. 10, 1939, S. 271–299
„Feldtheorie in den Sozialwissenschaften“ Kurt Lewin, Ausgewählte theoretische Schriften. Neuauflage. Hogrefe 2012
Um diese Frage zu beantworten, möchten wir einen Sprung in die →OrganisationsentwicklungOrganisationsentwicklung wagen. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Führungsverhalten mit den Organisationsformen, die Frederic Laloux in seinem Buch „Reinventing Organizations“ aufgeführt hat, in Zusammenhang gebracht werden. Die unterschiedlichen Evaluationsstufen existieren in einem Unternehmen häufig parallel, abhängig von den Strukturen, die in der jeweiligen Organisation und der Haltung der Führungskräfte, die in dieser vorherrschend ist.
Organisationsform
Beispiele
Führungsverhalten
Impulsive Organisationen