Vom Konsumenten zum Mandanten - Michael Gehlert - E-Book

Vom Konsumenten zum Mandanten E-Book

Michael Gehlert

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Beschreibung

In der heutigen Zeit müssen sich Kanzleien als Dienstleistungsunternehmen begreifen und die Anwälte sich als Unternehmer und Manager, die ihre Kanzlei nach marktwirtschaftlichen Regeln führen. Dazu gehören unter anderem ein gutes Kanzleimanagement, entsprechend ausgebildetes Personal, ein kunden- bzw. mandantenorientierter Service und insbesondere auch eine fundierte Internetpräsenz. Diese Studie befasst sich daher schwerpunktmäßig mit dem vielschichtigen Fragenkomplex der Mandantengewinnung über das Internet. Sie will Antworten auf die unten dargestellten Fragestellungen geben, Orientierung bieten, worauf bei einer Internetpräsenz von einem Anwalt oder einer Kanzlei aus Mandantensicht besonders zu achten ist und erhebt den Status Quo aus einer Stichprobe von Anwaltswebseiten bundesweit. Wenn sich Menschen verhalten, sich für dieses oder jenes Produkt entscheiden, dieser oder jener Webseite Aufmerksamkeit schenken, die Atmosphäre in einer Kanzlei angenehm oder unangenehm empfinden oder den Kontakt mit den Mitarbeitern als kompetent oder weniger kompetent beurteilen: immer sind es psychologische Fragestellungen, die dem Verhalten zugrunde liegen. Daher werden wir die aus unserer Sicht relevanten psychologischen Prozesse sowohl in Bezug auf die Entscheidungsfindung bei der Rechtsanwaltssuche als auch in Bezug auf Verhaltensweisen im Internet näher betrachten.

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Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2011

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Vom Konsumenten zum Mandanten

– Über die Rolle des Internets bei der Rechtsanwaltssuche –

Impressum

Vom Konsumenten zum Mandanten

Über die Rolle des Internets bei der Rechtsanwaltssuche

Michael Gehlert

Autor, Kanzlei- & Anwalt-SEO

Herausgeber und Vertrieb

epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

© Michael Gehlert und Xamit Bewertungsgesellschaft mbH 2011

ISBN 978-3-8442-0855-9

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotodruck oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers übersetzt, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Rechtliche Hinweise

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Executive Summary

3 Ausgangslage

3.1 Markthintergrund: Was nun, Herr Anwalt?

3.2 Rechtsberatung als Dienstleistung

4 Konsumentenverhalten: Vom Konsumenten zum Mandanten

4.1 Entscheidendes Vertrauen

4.1.1 Entscheidungsfindung

4.1.2 Vertrauen und Glaubwürdigkeit

5 Marketing für Anwälte – Marketing für Anwälte?

5.1 Strategische Entscheidung

5.2 Dienstleistungsqualität

5.2.1 Steuerung der Dienstleistungsqualität

5.3 Wege und Mittel zur Informations- und Anwaltssuche

5.3.1 Suchmaschinen

5.3.2 Vermittlungs- und Informationsplattformen im Internet

6 Die Webseite als Instrument zur Mandantengewinnung

6.1 Webseitengestaltung

6.1.1 Usability

6.1.2 Joy of Use, Ästhetik und User Experience

6.2 Die vertrauenswürdige Webseite

6.3 Inhalte: „Content is King“

6.4 Empfehlungsmarketing durch die eigene Webseite

6.5 Facebook-Profil als Ersatz für die eigene Homepage?

7 Bewertung von Anwaltswebseiten

7.1 Auffindbarkeit

7.2 Technische Hürden

7.3 Struktur

7.4 Inhalt

7.5 Rechtskonformer Webauftritt

7.6 Glaubwürdigkeits- und Vertrauensfaktoren

7.7 Gesamteindruck

7.8 Bilanz

8 Fazit

9 Literatur

1 Einleitung

Märkte und Technologien unterlagen schon immer einem Wandel. In den letzten Jahren hat sich durch die zunehmende Globalisierung in Kombination mit einer extrem hohen technologischen Veränderung eine rasante Veränderung auch für diejenigen Märkte und Produkte ergeben, die auf den ersten Blick einen rein regionalen oder nationalen Bezug haben. Diese rasanten Entwicklungen machen auch vor dem Berufsstand der Rechtsanwälte nicht halt.

Die starke Zunahme der Verbreitung, Nutzung und Bedeutung des Internets spiegelt sich anhand vieler Beispiele. Konsumenten stehen heute ganz andere Informationsmöglichkeiten offen. So ist das Internet auch für die „breite Masse“ schon lange kein reines Informationsmedium mehr, sondern auch ein Interaktionsmedium. Das Internet entwickelt sich rasant weiter und mit ihm die Nutzer. Durch die neuen Möglichkeiten ist bei Konsumenten ein schnelles Entscheiden und Handeln sehr viel stärker zu beobachten. Diesem Trend können sich auch Rechtsanwälte nicht entziehen.

Ein weiterer Indikator für den rasanten Zeitenwechsel im Rechtsanwaltsmarkt ist die bis dato nur sehr rudimentär vorhandene wissenschaftliche Literatur, die sich mit der Mandantengewinnung im Internet beschäftigt.

Neben den dramatischen Veränderungen auf der Nachfrageseite führt der stetige Anstieg an Rechtsanwälten zu starken Verschiebungen im Markt für Rechtsanwaltsleistungen. Der Kunden- und Mandantengewinnung kommt eine ganz neue Bedeutung zu. Das in der Vergangenheit gerne genutzte Empfehlungsmarketing durch Mund-zu-Mund-Propaganda reicht heute nicht mehr aus. Das haben viele Rechtsanwälte erkannt und präsentieren sich diesem Zeiten- und Paradigmenwechsel folgend mit ihrer Kanzlei im Internet. Aber nicht nur zum Selbstzweck, sondern auch, weil ihre potentiellen Kunden sie dort suchen.

Daher stellt eine eigene Webseite für einen Rechtsanwalt heute ein absolutes Muss dar. Wenn ein Unternehmen in der heutigen Zeit keinen eigenen Webauftritt hat, wirkt es schnell unseriös. Dazu passt die Hypothese, dass ein Rechtsanwalt mit einer schlechten Webseite Umsatz einbüßt. Denn die Webnutzer sind ungeduldig. Bei Widerständen und schlechter Usability (Nutzbarkeit) verlassen Sie einfach die Webseite und gehen zur nächsten. Denn der Wettbewerber ist ja nur einen Klick entfernt.

In der heutigen Zeit müssen sich Kanzleien als Dienstleistungsunternehmen begreifen und die Anwälte sich als Unternehmer und Manager, die ihre Kanzlei nach marktwirtschaftlichen Regeln führen. Dazu gehören unter anderem ein gutes Kanzleimanagement, entsprechend ausgebildetes Personal, ein kunden- bzw. mandantenorientierter Service und insbesondere auch eine fundierte Internetpräsenz. Diese Studie befasst sich daher schwerpunktmäßig mit dem vielschichtigen Fragenkomplex der Mandantengewinnung über das Internet. Sie will Antworten auf die unten dargestellten Fragestellungen geben, Orientierung bieten, worauf bei einer Internetpräsenz von einem Anwalt oder einer Kanzlei aus Mandantensicht besonders zu achten ist und erhebt den Status Quo aus einer Stichprobe von Anwaltswebseiten bundesweit.

Fragestellungen

Wenn sich Menschen verhalten, sich für dieses oder jenes Produkt entscheiden, dieser oder jener Webseite Aufmerksamkeit schenken, die Atmosphäre in einer Kanzlei angenehm oder unangenehm empfinden oder den Kontakt mit den Mitarbeitern als kompetent oder weniger kompetent beurteilen: immer sind es psychologische Fragestellungen, die dem Verhalten zugrunde liegen. Daher werden wir die aus unserer Sicht relevanten psychologischen Prozesse sowohl in Bezug auf die Entscheidungsfindung bei der Rechtsanwaltssuche als auch in Bezug auf Verhaltensweisen im Internet näher betrachten.

Des Weiteren soll diese Studie Antworten liefern zu folgenden Themenkomplexen:

Wie werden Rechtsanwälte gesucht? Welche Wege geht ein Konsument und welche Medien nutzt er?

§ Welche Suchwege haben bei der Rechtsanwaltssuche im Internet Bedeutung und Relevanz?

§ Welche Kriterien spielen bei der Bewertung von Anwaltswebseiten für potentielle Kunden eine Rolle?

§ Welchen Einfluss haben Anwaltsbewertungen und Referenzen auf das Meinungsbild des Suchenden?

§ Existieren besondere Kriterien, die die Rechtsanwaltssuche lenken können?

§ Welche Bedeutung und welchen Einfluss haben Preisaussagen von Rechtsanwälten für Konsumenten?

§ Wie relevant ist das physische Erleben der Anwaltskanzlei beim Erstkontakt?

2 Executive Summary

Die stetige Zunahme an Rechtsanwälten führt zu starken Verschiebungen im Markt für Rechtsanwaltsleistungen, weshalb der Mandantengewinnung deutlich mehr Bedeutung bekommt. Da Mund-zu-Mund-Propaganda alleine nicht mehr ausreicht, präsentieren sich viele Rechtsanwälte mit ihrer Kanzlei auch im Internet. Für eine moderne Kanzlei ist dies heute ein Muss.

Den Mandanten geht es fast immer darum, Risiken zu minimieren bzw. eingetretene Probleme zu lösen. Die Beratung kann nur in Interaktion mit dem Mandanten erfolgen. Daher ist die sog. „Integration des externen Faktors“ beim Dienstleistungsmarketing von enormer Bedeutung.

Ein weiteres Merkmal beim Absatz einer Dienstleistung ist die Informationsasymmetrie zwischen Nachfrager und Anbieter, die der Anwalt teilweise überwinden muss. Eine Kanzlei kann und muss mit Signaling-Aktivitäten, wie wiederholter Medienpräsenz, glaubwürdige Informationen über die Fähigkeiten der Kanzlei und ihrer Mitarbeiter verbreiten und so zum Vertrauensaufbau beitragen.

Entscheidungsfindung und Vertrauen

Da der Klient Mitproduzent des Dienstleistungsergebnisses ist, müssen psychologische Prozesse, die zu Entscheidungen führen, näher betrachtet werden. Zumal bei Rechtsdienstleistungen von Vertrauensgütern gesprochen wird und der Mandant schon für die Aufnahme der Geschäftsbeziehung ein Vertrauensverhältnis aufbauen muss.

Die Entscheidung für oder gegen einen Anwalt ist komplex, sie beruht auf vielerlei Merkmalen. Nach Art ihres kognitiven Aufwandes ist es eine „reflektierte Entscheidung“, bei der der potentielle Mandant erst einmal genau über seine Präferenzen für eine Option (Anwalt A oder Anwalt B) nachdenken muss. Dafür sucht er in seinem Umfeld oder seinem Gedächtnis nach Informationen, die ihm dabei helfen. Emotionale Faktoren spielen dabei eine herausragende Rolle.

Entscheidungen werden durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren gelenkt. Der Halo-Effekt ist ein wichtiger psychologischer Wahrnehmungsfehler. Er bewirkt, dass Personen Dinge oder Menschen durch die Wahrnehmung einer einzigen positiven oder negativen Eigenschaft insgesamt positiv oder negativ bewerten. So kann der erste Eindruck einer Webseite die Wahrnehmung aller anderen Faktoren beeinflussen bzw. überlagern.

Glaubwürdigkeit ist ein wichtiges Element für die Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Anwalt. Für anwaltliche Dienstleistungen spielt daher auch das Image des Rechtsanwalts bzw. das der Kanzlei eine große Rolle bei der „Kauf“entscheidung. Nach und während der Leistungserstellung wird die Beziehungsqualität zu einer Art „Beglaubigungsfaktor“. Dieser wird vom Mandanten für die Ergebnisevaluation herangezogen und wirkt sich direkt auf die Kundenzufriedenheit und -bindung aus. Außerdem wird Vertrauen im Internet oder auch Online-Vertrauen beeinflusst durch: Grafisches Design, strukturelles Design, Inhaltsdesign und das Design von sozialen Hinweisreizen.

Marketing für Anwälte

Marketing ist strategische Arbeit, die den Wert einer Kanzlei steigert und ihre Zukunft sichert. Integratives Dienstleistungsmarketing für Kanzleien hat die konsequente Orientierung an den Bedürfnissen des Mandanten zum Ziel. Einfach gesagt, sollen Marketingmaßnahmen bei (potentiellen) Kunden positive Gefühle auslösen.

Das Marketing betrifft alle Prozesse innerhalb der Kanzlei, die Auswirkungen auf den Mandanten haben. Durch Marketing-Maßnahmen sollen Mandanten gewonnen und ihre Bedürfnisse in den Prozess der Leistungserstellung eingebunden werden. Gelingt dies einer Kanzlei, kann ein Mandant langfristig an die Kanzlei gebunden werden.

Ohne eine genaue Festlegung der Unternehmens- und Kommunikationsziele verpuffen Marketingmaßnahmen jedoch ohne Wirkung, da sie weder an den Bedürfnissen der Kanzlei noch an denen der Mandanten orientiert sind. Nur 30% der Anwälte sehen sich als Unternehmer und Manager, die ihre Kanzlei nach marktwirtschaftlichen Regeln führen. Dazu gehört u. a. das Kanzleimanagement, entsprechend ausgebildetes Personal, eine gute Internetpräsenz sowie eine konsequente Kunden- bzw. Mandantenorientierung. All das wird aber nur bei gleich bleibender Leistungsqualität der gesamten Prozesse einer Kanzlei zum Erfolg führen.

Es ist von enormer Bedeutung, dass nicht nur diejenigen Prozesse gestaltet werden, die unmittelbar den Mandanten betreffen, sondern auch diejenigen, die sozusagen unsichtbar im Hintergrund ablaufen. Auch diese haben mittelbar durch das Kanzleipersonal Einfluss auf die Wahrnehmung des Mandanten und damit auf dessen Beurteilung der Dienstleistungsqualität. Ein gutes Dienstleistungsklima ist ausschlaggebende Voraussetzung für gute Dienstleistungsqualität.

Die Erwartungen des Mandanten an das Auftreten und den Service der Kanzlei, die z.B. durch Empfehlungen oder den Eindruck von der Webseite entstanden sind, müssen bei der späteren persönlichen Interaktion erfüllt werden. Das Ambiente einer Kanzlei spielt besonders in der Anfangsbeziehung zwischen Mandant und Anwalt eine nicht zu unterschätzende, wichtige Rolle. Denn bei der Nachfrage nach dem Vertrauensgut Rechtsdienstleitung greift der potentielle Mandant auch auf das Ambiente als Ersatzindikator für Glaubwürdigkeit und Kompetenz zurück.

Wege und Mittel zur Informations- und Anwaltssuche

Heute nutzen 49 Millionen Deutsche über 14 Jahre das Internet, am meisten mittels Suchmaschinen, wobei Google die primär genutzte Suchmaschine in Deutschland ist. Webnutzer verlassen sich bei ihrer Informationssuche zunehmend auf die individuellen, von Suchmaschinen gelisteten, Seiten. Daher ist es für die Webpräsenz einer Kanzlei wichtig, auf der Ergebnisliste eine möglichst gute Platzierung zu erhalten. Dafür müssen möglichst viele Links von außerhalb auf die betreffende Webseite verweisen.

Durch Online-Rechtsberatung wandert die klassische Beratertätigkeit des Rechtsanwalts nicht ins Internet ab. Rechtsforen im Internet können aber helfen, die Schwellenangst zur Kontaktaufnahme mit einem Anwalt zu reduzieren und die Einordnung des Rechtsfalles in ein Rechtsgebiet erleichtern. Rechtsberatungsforen sind insbesondere ein Marketinginstrument für Junganwälte. Diskussionen in Internetforen können Vertrauen bildend wirken, da die Beiträge i. d. R. nicht gelöscht werden sowie Beiträge z. T. bewertet werden können. Das führt zu mehr Transparenz für den zukünftigen Mandanten.

Die Webseite als Instrument zur Mandantengewinnung

Die Internet-Community ist für alle Unternehmen eine ernst zu nehmende Zielgruppe geworden, auf deren Bedürfnisse eingegangen werden muss. Internetnutzer erwarten heute von Unternehmen, dass sie im Internet präsent sind. Um kein Umsatzpotential zu verschenken, muss die Webseite bestimmten Standards entsprechen. Sie muss von Anfang an überzeugen, da ein Internetnutzer in der Regel innerhalb von zehn Sekunden entscheidet, eine Seite zu verlassen, wenn er diese für nicht zweckdienlich erachtet.

Je einfacher einer Person der Besuch einer Webseite gemacht wird, desto eher ist sie geneigt, sich mit dieser weiter zu beschäftigen. Ein Drittel der Internetnutzer verirren sich aber auf Webseiten. Gründe sind meistens eine unklare Benutzerführung sowie mangelnde Übersichtlichkeit der Webseiten.

Webseitengestaltung

3 Ausgangslage

In diesem Kapitel werden wir einen kurzen Blick werfen auf den sich ändernden Anwaltsmarkt (Kapitel 3.1). Anschließend erläutern wir die Eigenheiten der Rechtsberatung als Dienstleistung aus Sicht des Dienstleistungsmanagements, die sie als „Vertrauensgut“ klassifiziert (Kapitel 3.2).

3.1 Markthintergrund: Was nun, Herr Anwalt?

Eine politische Fernsehsendung, in der Politiker befragt werden, mit welchen Konzepten sie auf neue politische oder wirtschaftliche Situationen oder Krisen reagieren wollen, leiten die Journalisten stets mit der plakativ-kurzen Frage „Was nun, …?“ ein.

Auf ähnliche Krisen müssen heutzutage viele Anwälte eine Antwort finden, denn ihre berufliche Situation hat sich in den letzten 15 Jahren dramatisch gewandelt. Allein im kurzen Zeitraum zwischen 1996 und 2011 stieg die Zahl der in Deutschland zugelassenen Anwälte um fast das Doppelte von ca. 79.000 auf rund 156.000.

Abbildung 1: Rasanter Anstieg der zugelassenen Rechtsanwälte in Deutschland. Quelle: www.handelsblatt.de

Enthalten sind darin auch die Zulassungen von Anwälten, die ihre Qualifikation in einem anderen EU-Land erworben haben, aber auf dem deutschen Markt tätig sind. Seit dem Jahre 2000 ist ihre Zahl kontinuierlich von 127 auf 351 angewachsen.

Seit dem Sommer 2007 können Rechtsanwälte vor allen deutschen Landgerichten und Oberlandesgerichten auftreten. Oasen der Alleinstellung z.B. durch die früher begrenzte Zulassung für ein bestimmtes OLG sind daher weggefallen. Auch dieser Faktor trägt zum Wettbewerbsdruck bei.

Die explosionsartig gestiegene Zahl von Wettbewerbern beeinflusste auch die Umsatz- und Einkommensentwicklung der Anwälte. Die Umsätze stagnieren seit Jahren und erreichten erst in 2008 wieder das Niveau von 1999.

Das Einkommen von Anwälten in Einzelkanzleien sinkt stetig. Nach einer Untersuchung des Nürnberger Instituts für freie Berufe betrug der Jahresgewinn eines Anwalts in den alten Bundesländern im Jahre 2004 durchschnittlich 45.000 Euro. Macht man sich deutlich, dass im Jahr 2004 in Deutschland noch rund 30.000 weniger Anwälte als in 2010 miteinander konkurrierten, kann man erahnen, wohin die Reise für Einzelkämpfer gehen mag.

Zwar ist das gesamte Volumen des Rechtsdienstleistungsmarkts in Deutschland in den 11 Jahren zwischen 1996 bis 2007 von rund 10 Mrd. auf rund 17 Mrd. Euro gestiegen, doch profitierten von dieser Entwicklung am meisten die Großkanzleien mit 100 und mehr Mitarbeitern. Für Kanzleien mit bis zu 9 Mitarbeitern wurden in diesem Zeitraum dagegen leicht sinkende Umsatzanteile ermittelt. Viel spricht dafür, dass die Gewinne der Anwälte in kleinen Kanzleien in der Zwischenzeit weiter geschrumpft sind.

Während sich die Klienten der großen Sozietäten überwiegend aus Firmenkunden rekrutieren, haben es die kleineren Kanzleien überwiegend mit Normalbürgern zu tun. Sie müssen sich mit den rechtlichen Alltagsproblemen aus dem Bau-, Familien-, Erb-, Kauf-, Miet- und Verkehrsrecht auseinandersetzen. Dies kann man auch an der überproportionalen Zunahme der Fachanwälte im Bereich Arbeits- und Sozialrecht ablesen.

Auf dem umkämpften Markt der rechtlichen Dienstleistungen sind die Anwälte - ökonomisch gesehen - nur „normale Wirtschaftssubjekte“. Als solche müssen sie sich den Regeln des wirtschaftlichen Wettbewerbes anpassen. Dieser ist geprägt durch dynamisch ablaufende Prozesse: Neue Produktionsmethoden werden entwickelt, neue Dienstleistungen auf den Markt gebracht, neue Absatzwege erkundet und neue Werbemaßnahmen lanciert. Für Phlegmatiker ist dort kein Platz. Sie scheiden sang- und klanglos aus dem Wettbewerb aus.

Auf den Dienstleistungsmärkten nehmen rechtliche Leistungen eine Sonderstellung ein: Sie hängen von den existierenden Gesetzen ab. Diese können zur Erhöhung der Nachfrage nicht ständig variiert oder neue geschaffen werden. Eine Nachfrage entsteht vielmehr erst dann, wenn bei einem potentiellen Mandanten ein rechtliches Risiko bereits eingetreten ist oder erwartet wird. Der Anwalt kann darauf im Regelfall nur reagieren. Will er, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, seine Handlungsparameter verändern, bleibt ihm – anders als dem Anbieter eines Produkts oder einer anderen „normalen“ Dienstleistung – nur eine sehr geringe Auswahl an Möglichkeiten. Um seine Leistungen zu präsentieren, muss er für seine potentiellen Klienten eine Art von „öffentlicher Dauerpräsenz“ erzeugen.

Dafür gilt es, die besten Wege und Medien zu suchen und zu nutzen. Das können z.B. Vorträge auf Seminarveranstaltungen oder Veröffentlichungen in Fachzeitschriften oder Zeitungen sein. Diese Möglichkeiten nutzen jedoch nur verhältnismäßig wenige Anwälte. Die Mehrzahl von ihnen greift zu anderen Mitteln. Nach neuesten Untersuchungen platzieren 70 Prozent von ihnen Anzeigen in den „Gelben Seiten“. Früher waren diese neben der Mund-zu-Mund Propaganda sicherlich ein probates Mittel, um Kunden zu gewinnen. Inzwischen hat aber die Strahlkraft der „Gelben Seiten“ stark nachgelassen. Bei der von den Anwälten selbst wahrgenommenen Werbewirksamkeit landen sie nur abgeschlagen auf Platz 15 von insgesamt 24 Werbemaßnahmen. Die Einschätzung der Werbewirksamkeit des Internets kommt immerhin auf Platz 5, nach verschiedenen Fachseminaren, Vorträgen und Pressemitteilungen.

Wollen Anwälte mit ihren Leistungen wirksam werben, müssen sie die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnologien für sich nutzen. Im Jahre 2009 besaßen bereits 73% aller privaten Haushalte in Deutschland einen PC mit Internetanschluss. In diesem Jahr hat sich der Prozentsatz der PC-Besitzer wahrscheinlich noch erhöht. Aber schon die Zahlen aus 2009 belegen, dass das Internet für die meisten Deutschen eine ständige und bequem erreichbare Quelle für Informationen und – durch E-Mail-Korrespondenz und Beteiligung an Foren – auch für Interaktionen geworden ist.

Da der Wettbewerbsprozess bekanntlich innovative Handlungen belohnt, wäre es dann wegen der überragenden Verbreitung des Internets nicht ratsam, mit der Zeit zu gehen und einigen angelsächsischen Vorbildern folgend, die „mouth-to-mouth“-Propaganda durch eine „mouse-to-mouse“-Propaganda zu ergänzen?

3.2 Rechtsberatung als Dienstleistung

Rechtsberatung ist eine Dienstleistung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden Dienstleistungen gegen Produkt- oder Sachleistungen durch das Merkmal der Materialität abgegrenzt. Dienstleistungen sind demnach immaterielle Güter. In der Forschung und der Fachliteratur zum Dienstleistungsmarketing werden der Begriff Immaterialität und der im angloamerikanischen Sprachgebrauch übliche Begriff der Intangibilität (im Sinne von unberührbar bzw. nicht greifbar) zur Beschreibung von Dienstleistungen gebraucht. In dieser Studie werden beide Begriffe synonym verwendet.

„Der nicht greifbare Charakter von Dienstleistungen stellt die Wirtschaftswissenschaften vor große Probleme, denn dadurch geraten psychologische Qualitäten in den Prozess der Leistungserstellung und -vermarktung, die sich mit dem gängigen ökonomischen Vorgehen nur schwer beherrschenlassen.“

Sollen Sach- oder Dienstleistungen vermarktet werden, wird in einem Unternehmen üblicherweise über geeignete Marketingmaßnahmen nachgedacht. Doch ist das traditionelle Marketing eher an Konsumgütern orientiert, weshalb wir hier einige Besonderheiten des Dienstleistungsmarketings darlegen. Zwischen Produkt- und Dienstleistungsmarketing bestehen zwar recht große Schnittmengen, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Sach- und Dienstleistungen erfordern jedoch eine dementsprechend angepasste Marketingstrategie.

Über die charakteristischen Merkmale von Dienstleistungen wird in der Forschung viel diskutiert. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit über die sogenannte „Drei-Phasen-Auffassung“ von Dienstleistungen. Nach Meffert/Bruhn werden sie geprägt von prozess-, ergebnis- und potenzialorientierten Faktoren und Handlungen. Meffert/Bruhn kommen daher zu folgender Definition des Begriffs „Dienstleistung“:

Dienstleistungen sind selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung (z.B. Versicherungsleistungen) und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten (z.B. Friseurleistungen) verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne (z.B. Geschäftsräume, Personal, Ausstattung) und externe Faktoren (also solche, die nicht im Einflussbereich des Dienstleisters liegen) werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen (z.B. Kunden) und deren Objekten (z.B. Auto des Kunden) nutzenstiftende Wirkungen (z.B. Inspektion beim Auto) zu erzielen(Ergebnisorientierung).

Unabdingbar ist die sog. „Integration des externen Faktors“ bei der Erstellung einer Dienstleistung. Das heißt, dass die Leistung in Interaktion mit dem Nachfrager der Dienstleistung angefertigt wird.

Je nach Art und Weise der Dienstleistung wird der Nachfrager – beim Rechtsanwalt also der Mandant – mehr oder weniger stark in den Erstellungsprozess mit eingebunden. Damit ist eine Rechtsanwaltsberatung und dessen Ergebnis sehr stark von der Einwirkung eines fremden, wenig zu beeinflussenden Faktors mitbestimmt. Denn nur, wenn der Anwalt alle erforderlichen Informationen erhält, kann er adäquat beraten. Durch die Integration des Mandanten in den Erstellungsprozess ist die Dienstleistung nur schwer zu standardisieren und sehr individuell. Außerdem verlangt die Gegenwart des Mandanten nach einer gewissen Kundenorientierung im gesamten Dienstleistungsprozess. Für die vom Mandanten wahrgenommene Qualität der Leistung kann ein Qualitätsmanagement sorgen.

Als weiteres wird eine Dienstleistung prozessorientiert über die Leistungsfähigkeit des Anbieters beschrieben. Dabei verläuft die Leistungserstellung und -abgabe oftmals simultan. Dieses bezeichnet man auch als „Uno-actu-Prinzip“. Beispiele hierfür sind der Unterricht in einer Sprachenschule oder ein Beratungsgespräch beim Rechtsanwalt. Jedoch kann dieses Prinzip nicht als alleiniges Charakteristikum für Dienstleistungen dienen.

Aus der Vielzahl an Definitionsansätzen, die in der Literatur für Dienstleistungen diskutiert werden, lassen sich drei konstituierende Merkmale nennen:

Ich hab’ da ein Problem – der Marketing-Mix für Dienstleistungen

Wendet sich ein potentieller Mandant an einen Rechtsanwalt, möchte er ein rechtliches Problem entweder lösen oder vor seinem Auftreten vermeiden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: „Hallo ich habe ein Problem“, Forumseintrag bei 123recht.net

Der klassische Marketing-Mix aus Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik (die sog. 4 „P’s“: Product [Produktpolitik], Price [Preispolitik], Place [Distributionspolitik], Promotion [Kommunikationspolitik]), der für Sachgüter anerkannt ist, reicht daher für Dienstleistungen nicht aus. Dieser wird von Meffert/Bruhn ergänzt durch ein fünftes „P“, die Personalpolitik (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Marketing-Mix von Dienstleistungen. Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon.

Doch wird die alleinige Erweiterung des Marketing-Mixes durch die Personalpolitik dem interaktiven Charakter einer Dienstleistung nicht gerecht. Wir stimmen daher Bitner zu, die den klassischen Mix um insgesamt drei Variablen erweitert: um Prozesse (Process Management), das Umfeld (Ausstattungspolitik bzw. Physical Environment) und um die vorgenannten Personen (Personnel), die an der Erstellung der Leistung beteiligt sind (siehe Abbildung 4). Begründet werden diese Ergänzungen mit der großen Bedeutung der wahrgenommenen Qualität von Dienstleistungen.

Abbildung 4: Die 7 P’s des Dienstleistungsmarketings. Quelle: Business Fundas