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Buch 1 in der Serie - Hellsinger Als sein Onkel Mortimer starb und ihm Hoxne Grange hinterließ, die Familienvilla aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, wurde Tristan Pryce der Zweite in der Familie, der sich als Verwalter um das Anwesen kümmerte, einer Zwischenstation für Geister auf ihrem letzten Weg ins Leben nach dem Tode. Tristan ist auf die Herausforderung vorbereitet, wenn auch nicht unbedingt durch die Geister, die er seit seiner Kindheit sehen kann. Fest entschlossen, zu beweisen, dass Tristan geisteskrank ist, um Zugriff auf sein Erbe zu bekommen, heuern seine liebenden Verwandten Dr. Wolf Kincaid und seine paranormalen Ermittler, Hellsinger Investigations, an, um zu beweisen, dass es auf dem Grange nicht spukt. Der Skeptiker Wolf Kincaid hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, übernatürliche Phänomene zu entlarven. Nach Jahren voller Schwindel und Fälschungen kann er es nicht erwarten, zu beweisen, dass die Geister des Grange nur auf knarrende Bodendielen und ein zugiges, altes Haus zurückzuführen sind. Auf dem Grange erwarten ihn einige Überraschungen, inklusive des bissigen, verschlossenen Besitzers. Tristan Pryce ist viel attraktiver und viel weniger verrückt, als Wolf bereit ist zuzugeben, und als sein Team im Grange einen geisterhaften Serienmörder befreit, ist er hin und hergerissen zwischen seinem Skeptizismus und dem Verlangen, den Mann zu beschützen, den er eigentlich diskreditieren soll.
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Seitenzahl: 420
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Inhalt
Zusammenfassung
Prolog
1
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3
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5
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Epilog
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Copyright
Von Rhys Ford
Hellsinger: Book One
Als sein Onkel Mortimer starb und ihm Hoxne Grange hinterließ, die Familienvilla aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, wurde Tristan Pryce der Zweite in der Familie, der sich als Verwalter um das Anwesen kümmerte, einer Zwischenstation für Geister auf ihrem letzten Weg ins Leben nach dem Tode. Tristan ist auf die Herausforderung vorbereitet, wenn auch nicht unbedingt durch die Geister, die er seit seiner Kindheit sehen kann. Fest entschlossen, zu beweisen, dass Tristan geisteskrank ist, um Zugriff auf sein Erbe zu bekommen, heuern seine liebenden Verwandten Dr. Wolf Kincaid und seine paranormalen Ermittler, Hellsinger Investigations, an, um zu beweisen, dass es auf dem Grange nicht spukt.Der Skeptiker Wolf Kincaid hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, übernatürliche Phänomene zu entlarven. Nach Jahren voller Schwindel und Fälschungen kann er es nicht erwarten, zu beweisen, dass die Geister des Grange nur auf knarrende Bodendielen und ein zugiges, altes Haus zurückzuführen sind. Auf dem Grange erwarten ihn einige Überraschungen, inklusive des bissigen, verschlossenen Besitzers. Tristan Pryce ist viel attraktiver und viel weniger verrückt, als Wolf bereit ist zuzugeben, und als sein Team im Grange einen geisterhaften Serienmörder befreit, ist er hin und hergerissen zwischen seinem Skeptizismus und dem Verlangen, den Mann zu beschützen, den er eigentlich diskreditieren soll.
„RIECHST DU das?“ Wolf Kincaid blieb neben einer schmalen Tür stehen und lehnte sich mit seinen breiten Schultern gegen den knarrenden Holzrahmen. „Ein natürlicher Geruch. Frisch und ein wenig nach Schmutz.“
Er sprach von dem feinen Nebel, der über den ramponierten Fußboden waberte, und der von den unebenen Dielen und den beiden umherlaufenden Männern aufgewirbelt wurde. Um Wolf herum hallten Echos wider, winzige Geräusche, die die Männer verfolgten, die die Spukgeschichte des Plantagenhauses dokumentieren sollten.
Die Willow Hills Plantage wurde in den frühen Tagen der Besiedelung Louisianas erbaut und war einst der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens im Süden. Sie versorgte die Umgebung mit Nahrungsmitteln und war in düstereren Zeiten eine Durchgangsstation für entflohene Sklaven, die im Norden ein neues Leben beginnen wollten. Nachdem es von seinen alternden Bewohnern entkernt worden war, war Willow Hills als Bed-and-Breakfast wieder von den Toten auferstanden. An der letzten Station einer Untergrundbahn gelegen, verdiente sich die Plantage schnell den Ruf als ein Ort, an dem man wunderbar essen konnte, der aber auch das Zuhause von ruhelosen Geistern war.
Und Wolf Kincaid war gekommen, um genau diesen Ruf zu zerstören.
„Hey, Wolf, soll ich eine Luftprobe nehmen?“ Matt schaute hinter seiner Schulterkamera hervor, die gerade genug Licht warf, um in den dunklen Gängen der Plantage etwas sehen zu können. „Oder dringt das durch ein Loch von draußen herein? Sumpfgas?“
„Irgendein Gas auf jeden Fall“, murmelte Wolf. „Nein, ich weiß, was das ist. Keine Sorge.“
Nein, es würde ihm kein schlechtes Gewissen bereiten, die Willow Hills Geister zu entlarven.
Und wenn er die Möglichkeit hätte, würde er in der Zeit zurückreisen und den Erbauern kräftig in den Hintern treten. Mit einer Körpergröße von gut einem Meter achtzig hätte er gerne mehr Raum nach oben gehabt, wenn er durch die Flure im oberen Stockwerk ging. Stattdessen fühlte er sich wie Alice im Wunderland, die gewachsen war, nachdem sie zu viele Törtchen gegessen hatte. Seine Ellenbogen schmerzten, weil sie ständig gegen die Wände stießen, und das Personal würde keine Spinnweben entfernen müssen, denn Wolf war sich sicher, dass er durch alle auf dem Dachboden hindurchgelaufen war. Wenn er etwas vorausgedacht hätte, dann hätte er einen Staubwedel mitgebracht, um den Job anständig zu erledigen und dies dann den Eigentümern von Willow Hills zusammen mit der Spektral-Ermittlung in Rechnung zu stellen.
Er machte einen weiteren Schritt in einen weiteren winzigen Raum im Labyrinth der Bedienstetenquartiere, und Wolf fand sich Auge in Auge mit einer Erscheinung wieder.
Die Erscheinung war deutlich sichtbar. Starke Blässe, ein stöhnender schwarzer Mund, leere Augenhöhlen, mit dunklen Spuren auf der fleckigen Haut. Ihre Gesichtszüge waren schwer zu erkennen, aber die Brüste, die sich unter ihrem Leinenhemd abzeichneten, ließen Wolf nicht daran zweifeln, dass er sich einer Frau gegenübersah.
Dann öffnete sie den Mund und ein grauenhafter Schrei ließ seine Trommelfelle erzittern und seine Nerven vibrieren.
Irgendwo hinter ihm schrie Matt, darauf folgte ein Poltern. Wolf nahm an, dass er gestolpert war, wahrscheinlich mit der Kamera. Die Frau flackerte, ein blau-weißer Schleier aus Formen und Stoff. Ohne Vorwarnung stürzte sie sich mit ausgestreckten Armen und Händen, die zu Klauen geformt waren, auf Wolf.
Er duckte sich. Dies war ein menschlicher Instinkt und er verfluchte sich dafür, als er sich von dem Geist wegdrehte. Ein eisiger Luftzug traf ihn und fuhr über sein Gesicht und seine Arme. Dann ein weiterer Luftzug, stärker diesmal, und kalt genug, um Gänsehaut auf seiner Haut zu verursachen. Das Geschrei hielt an, ein mörderischer Laut, der irgendwo hinter seinem Kameramann widerhallte.
Etwas Feuchtes traf seine Wange, und Wolf drehte sich um und sah zu der schrägen Decke, von wo etwas Dunkles und Widerliches langsam auf sie hinuntertropfte. Es roch ranzig und metallisch. Wolf fuhr mit dem Finger über eine feuchte Stelle auf seiner Wange. Er probierte die dicke Flüssigkeit und zuckte zurück, als sie sich säuerlich auf seiner Zunge ausbreitete.
„Blut“, murmelte er und hielt Matt seinen feuchten Finger hin. „Nimmst du das auf?“
„Ich friere mir meine Eier ab und ich glaube, ich habe meine Zunge verschluckt.“ Der junge Mann kämpfte sich auf die Füße und zog sich das schlecht sitzende Hellsinger Investigations T-Shirt über seinen rundlichen Bauch. „Hast du das gesehen, verdammt? Scheiße, sag mir bitte, dass du Messwerte davon hast.“
„Oh, ich habe auf jeden Fall etwas“, gab Wolf mit einem Grinsen zurück. „Komm schon, Matty. Sieh zu, dass du mithalten kannst.“
Er ließ den jüngeren Mann stehen, drängte sich an ihm vorbei und eilte die schmale Treppe hinunter, die zur Küche führte. Seine Ellenbogen mussten erneut leiden. Offensichtlich hatte sein Körper, als er seine genetische Suppe umgerührt hatte, die enorme Größe seiner schottischen Vorfahren bevorzugt und seine Muskeln und Knochen mit großem Enthusiasmus zusammengebaut.
Während Größe und Muskelkraft in einem Kampf von Vorteil waren, brachten sie einem überhaupt nichts, wenn man versuchte, eine enge Wendeltreppe hinunterzurennen, die für zarte Frauen aus dem siebzehnten Jahrhundert gemacht worden war.
Matt folgte ihm stolpernd. Er hatte den jungen Mann wegen seiner Fähigkeiten im technischen Bereich und beim Filmen eingestellt, nicht um einen Hindernisparcours zu meistern, und das störte Wolf auch nicht. Meistens konnte Matt mithalten. Dieses Mal allerdings war es wichtiger, nach unten zu gelangen, wo die Erscheinung, Wolfs Meinung nach, ihren Ursprung hatte.
Denn er musste dem Spuk ein Ende setzen.
Dafür wurde er bezahlt. Das war es, was er liebte. Den Moment auf Film festzuhalten war nicht so wichtig, wie den Moment selbst zu erleben.
Und Wolf Kincaid war berühmt dafür, diese Momente oft zu erleben.
Donnernde Schritte hallten durch das hintere Ende des Hauses, laut genug, um die gespenstische Stille, die sich nach den Schreien des Geistes auf alles gesenkt hatte, zu zerstören. Die Wände um Wolf herum erzitterten und er duckte sich, als eine gerahmte Stickerei von ihrem Haken fiel, während er um eine Ecke bog.
Matt folgte ihm stampfend und über die enge Bauweise fluchend. Der junge Mann hatte offensichtlich Probleme. Die Kamera war zu groß und zu schwer, um die engen Kurven schnell zu bewältigen. Trotzdem bestand Matt darauf, sie auf der Schulter zu behalten, um weiter filmen zu können. Und das würde er auch tun. Das war es, wofür er von Wolf bezahlt wurde, auch wenn er dafür Hals über Kopf hinter seinem Boss eine Treppe hinunterstürmen musste.
Die Treppe führte in die Küche der Bediensteten, einen moderig riechenden, geschlossenen Raum, der an seinen schmutzigen Unterschicht-Wurzeln festzuhalten schien, auch wenn die Angestellten sich Mühe gegeben hatten, dies zu ändern. Wolf schlitterte über die Fliesen, bis seine Sneakers ihm auf den breiten Fugen etwas mehr Halt gaben als auf dem glänzend polierten Keramik-Fußboden.
Vor ihm wurden die Geräusche lauter, noch mehr ohrenbetäubendes Rasseln und Knallen. Es folgten weitere Schreie, die erst oben widerhallten und dann plötzlich ins unterste Stockwerk schossen, noch lauter und unheimlicher als die Banshee-Schreie zuvor. Wolf bog um eine Ecke und fand sich in einem rechteckigen Raum direkt unter der Treppe wieder, der auf der Plantage als Lagerraum genutzt wurde.
Ein Krug flog an Wolfs Kopf vorbei und traf ihn fast an der Schläfe. Die schwere Keramik zerschellte an der Wand hinter ihm und er fühlte, wie ein Splitter in seine Wange schnitt und das kurze Stechen zu etwas Schwerem und Feuchtem auf seiner Wange wurde. Ein weiterer Krug folgte, dann eine Platte, die groß genug für einen ganzen Truthahn war.
„Fuck!“ Matt begann, lauthals zu fluchen. Den Geräuschen nach zu urteilen, die hinter ihm erklangen, nahm Wolf an, dass ein Stück umherfliegenden Geschirrs sein Ziel in dem Kameramann oder seiner Ausrüstung gefunden hatte.
Wolf tastete nach dem Lichtschalter. Seine Finger fanden mehrere Schalter an der Wand neben der Tür und der Lagerraum wurde hell erleuchtet. Zwei Lampen mit Neonröhren tauchten alles in einen scharfen Kontrast aus Licht und Schatten. Im hellen Licht erstarrten zwei Frauen in historischen Kostümen mitten in der Bewegung, eine der beiden wollte gerade eine Dampfgarschale aus Metall werfen, während die Hände der anderen mit einem Gewirr aus AV-Leitungen beschäftigt waren. Die Kabel verschwanden durch ein kleines Loch in der Decke und in der Nähe lag ein Dreifuß auf der Seite neben etwas, das wie ein Kamerakoffer aussah. Beide Frauen waren kalkweiß dank vieler Schichten Make-up, ihre Augen erschienen hohl und trüb durch dicken Kajal.
Wolf verbeugte sich höhnisch grinsend und spottete: „Hallo, meine Damen.“
„SIE HABEN so getan, als wären sie Geister, damit die Leute dort übernachten?“ Nahryn setzte Wolf eine Tasse mit dampfendem schwarzen Kaffee vor und nahm in einem leeren Ohrensessel neben ihm Platz. „Warum würde jemand so etwas machen?“
Nahryn, eine lebhafte junge Frau armenischer Herkunft und Hellsingers Mädchen für alles, hielt ihr Büro am Laufen und, was für Wolf noch viel wichtiger war, stellte sicher, dass immer eine Kanne Ka’u Kaffee bereitstand, um ihn auf den Beinen zu halten, wenn er in ihrem Büro in San Francisco war.
Auch wenn ihr Kaffee manchmal stark genug war, um Wolfs dunkelbraunes Haar vor Schreck erbleichen zu lassen.
„Weil Geister Profit bedeuten“, stellte Gidget hinter ihrer Teetasse fest, während ihre dick getuschten Wimpern im Dampf, der von ihrem Earl Grey aufstieg, flatterten. „Es war aber trotzdem eine ziemlich dumme Idee. Etwas auf Trockeneis zu projizieren mit verkabelten Lautsprechern, die bis in den dritten Stock reichen. Sie werden das Schweineblut nie aus den Deckenstrahlern herausbekommen.“
Ihre Technikerin, die Matts Freundin war, sah heute Morgen aus wie eine Comicfigur. Ein senfgelbes Kopftuch hielt ihre flammend roten Locken aus ihrem Gesicht und ihr Overall quietschte, als sie sich auf ihrem Stuhl bewegte. Der schwere Jeansstoff war noch so neu, dass er nach Färbemitteln stank. Gläserne Kirschen baumelten von ihren Ohrläppchen, vier in jedem Ohr, und sie klimperten, wenn sie den Kopf bewegte. Sie passten zu den Kirschen, die auf ihre Bluse gedruckt waren, und Wolf dachte, dass sie aussah, als hätte sie einen Ringkampf mit einem Obstsalat verloren.
Das würde er Gidget sagen, sobald er mit Nahryn über ihren Kaffee gesprochen hatte. Ein falsches überhebliches Wort, und Gidget konnte dafür sorgen, dass seine Sensoren bei jedem Hundehaufen, an dem er vorbei ging, einen spektralen Treffer landeten.
Wenn er auch eher auf Männer mit langen Beinen in Jeans scharf war, so konnte er doch mit Hetero-Männern mitfühlen, wenn es um das Minenfeld ging, das es bedeutete, mit einer Frau zusammenzuleben. Er verbrachte seine Tage mit zwei von ihnen und musste auf jedes Wort achten. Außerdem – Wolf grinste in seinen Kaffee – hatte er immer noch Matt, den er ihnen zum Fraß vorwerfen konnte, wenn er eine Auszeit brauchte.
„Aber das ist gelogen“, beharrte Nahryn.
„Das ist es, was uns im Geschäft hält, Nahryn“, stellte Wolf fest. „Und da Willow Hills sich auf die Vertraulichkeitsklausel beruft und die Rechnung komplett bezahlt wurde, können wir nichts über die unberechenbaren Fremdenführerinnen verlautbaren lassen. Die Chefs wussten nichts davon und jetzt, da sie es wissen, wollen sie sichergehen, dass es auch sonst niemand erfährt.“
„Also können wir nicht einmal erzählen, dass sie lügen?“ Ihre großen braunen Augen verengten sich. „Das ist genauso falsch. Die Welt ist scheiße.“
„Die Leute engagieren uns, damit wir beweisen, dass ihre Geister echt sind, oder zumindest, dass wir zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen.“ Wolf schaltete sein Tablet an und tippte sich durch seine Termine. „Willow Hills hat gezockt und verloren. Sie wussten nicht, dass sie mit gezinkten Würfeln spielen. Das passiert hin und wieder. Viele Leute denken, sie können einem Ermittler etwas vor–“
„Aber das Equipment lügt nicht“, warf Gidget ein und legte ihre Füße auf die Ecke des Konferenztisches.
„Nein. Normalerweise nicht.“ Wolf nickte ihr mit der Kaffeetasse in der Hand zu. „Wir wollen mal sehen, was für heute auf dem Plan steht.“
„Du hast einen Termin mit einer Mrs. Walter Pryce dem Dritten in einer halben Stunde. Sie hat angerufen, als ich gerade Kaffee gemacht habe, also konnte ich es noch nicht in die Bücher eintragen.“ Nahryn nahm ihr eigenes Tablet zu Hand, legte es dann aber wieder hin, um ihre braunen Locken zu einem Zopf zu binden. „Sie will euch engagieren, um eine Heimsuchung zu untersuchen. Sie hält es für Bullshit.“
„Sie hat wirklich Bullshit gesagt?“ Wolfs Augenbrauen hoben sich. „Leute mit der Dritte im Namen benutzen für gewöhnlich keine Wörter wie Bullshit.“
„Nein, sie sagte übel beleumdet, aber ich wusste nicht, wie man das buchstabiert, also habe ich einfach Bullshit notiert.“ Nahryn grinste ihn an. „Ich dachte, das macht dir nichts aus.“
„Nein, tut es nicht“, gab Wolf zu. „Okay, ich werde mit Mrs. Pryce reden. Und danach gehen wir ins Pier 39 zum Mittagessen.“
„Krabben?“ Nahryn war von ihrem Sessel aufgestanden, aber hielt mitten in der Bewegung inne und schien auf der Polsterung zu tanzen. „Also, du weißt schon … Krabben.“
„Für dich, Nahryn, besorgen wir Krabben.“ Er kniff seinem Mädchen für alles in die Nase. „Zuerst die Hirngespinste von Mrs. Pryce, und jemand soll Matt ans Telefon holen. Es wird langsam Zeit, dass er zur Arbeit erscheint.“
„MEIN NEFFE ist verrückt.“
Wolf warf der Frau einen kurzen Blick zu, während er durch die Papiere blätterte, die sie mitgebracht hatte. Mrs. Walter Pryce III. war eine ältere Dame der Gesellschaft, die immer den kleinen Finger abgespreizt hielt. Sie berührte ihr kunstvoll hochgestecktes, blondes Haar, während sie einen Moment in der Tür innehielt, als sie sein Büro betrat, das zum Pier wies. Ihr kritischer Blick nahm die Möbel, die auch in einen Herrenclub gepasst hätten, und den weiten Blick über das Wasser auf. Fast hätte er nicht wahrgenommen, wie sich ihre Lippen leicht kräuselten und ihre Nasenflügel sich kaum wahrnehmbar blähten, aber er tat es dennoch. Das spröde Lächeln, das der angedeuteten Missbilligung gefolgt war, verschwand von ihrem Gesicht. Sie ließ sich in den Konferenzraum von Hellsinger führen, nachdem sie am Saum ihrer Strickjacke gezupft und ihren schwarzen Rock glattgestrichen hatte.
Jetzt, nachdem sie in einem Ledersessel Platz genommen hatte und mit einer Tasse Lavendel-Zitronen-Tee bewaffnet war, schien sie viel beherrschter zu sein, besonders, nachdem sie Wolf mit ihrer Aussage sprachlos gemacht hatte. Sie nickte Wolf auf seinen Blick hin kurz zu, wahrscheinlich missverstand sie seine Neugier. Oder vielleicht, überlegte Wolf, war ihr auch völlig egal, was er dachte, solange er den Job erledigte.
„Warum geben Sie mir nicht eine kurze Zusammenfassung, anstatt zu warten, bis ich all das hier durchgelesen habe, damit ich entscheiden kann, ob ich den Fall annehme?“ Wolf beantwortete Mrs. Pryces vornehmes Nippen an ihrem Tee mit einem lauten Schlürfen von seinem Kaffee.
„Mir war nicht bewusst, dass ich mich hier würde bewerben müssen.“ Ein weiteres Nippen und diesmal blähten sich ihre Nasenflügel zu lange, um es als Tick abzutun.
„Ich nehme nicht jeden Fall an, der uns angeboten wird“, antwortete Wolf. „Wenn ich das täte, bekäme ich überhaupt keinen Schlaf. Aber, bitte, erzählen Sie mir von Ihrem Neffen … dem Verrückten.“
„Machen Sie sich über mich lustig, Mr. Kincaid?“
„Keineswegs, Mrs. Pryce.“ Wolf schüttelte den Kopf. Viele Leute, die zu Hellsinger kamen, dachten entweder sie wären verrückt und hofften, dass sie es nicht waren, oder sie hätten eigentlich eine Zwangsjacke nötig und suchten jemanden, der das Gegenteil bewies. Es war auf jeden Fall das erste Mal, dass ihm jemand gegenübersaß, der einen anderen offen als irre bezeichnete. „Bitte sprechen Sie weiter. Ich bin ganz Ohr.“
„Tristan war schon immer ein seltsamer Junge.“ Ihr kleiner Finger zuckte leicht, ohne den Henkel der Tasse zu berühren, als wäre es ihr unangenehm. „Es hat alles angefangen, als Großonkel Mortimer Pryce gestorben –“
„Mortimer?“ Fast prustete Wolf Kaffee durch die Nase. „Wirklich?“
„Der Name liegt in unserer Familie“, gab sie elegant zurück. „Mein dritter Sohn ist nach ihm benannt.“
„Gott helfe ihm“, murmelte er zu sich selbst. „Tut mir leid, fahren Sie fort. Ich wollte Sie nicht unterbrechen.“
„Tristans Eltern waren normal. Sie haben ihr Bestes für ihn getan, aber er schien immer abwesend zu sein. Selbst wenn er direkt vor einem stand, war er trotzdem … nicht bei der Sache. Großonkel Mortimer mochte den Jungen und Tristan besuchte ihn immer den Sommer über. Ich persönlich denke, seine Eltern hätten ihn nicht allein nach Hoxne Grange gehen lassen sollen. Mortimer war … ein eingefleischter Junggeselle, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Irgendwie schaffte sie es, finster zu schauen, obwohl sie die Augenbrauen hochgezogen hatte. Wolf hätte nicht gedacht, dass das möglich war, bevor er die Frau kennengelernt hatte.
Er antwortete nicht, sondern tat ahnungslos, auf was sie anspielte. „Es war niemand da, mit dem er spielen konnte?“
„Nein, das ist nicht, was ich meinte“, sagte Mrs. Pryce fest. „Tristan war ein Junge und in einem Alter, in dem er leicht zu beeinflussen war. Großonkel Mortimer hätte keinen Umgang mit ihm haben dürfen. Er hat dem Jungen nur Flausen in den Kopf gesetzt.“
„Was für Flausen?“
„Dass es in Hoxne Grange spukt und er eine Art Hausmeister war … der Hausmeister der Geister.“ Sie erschauderte, entweder wegen dieses Unsinns oder wegen des kalt und bitter gewordenen Tees. „Mortimer war eine Sache. Ich meine, er war ein älterer Mann. Ziemlich eingefahren in seiner Art und der Grange ist … naja, das Familienerbe. Die Pryce-Familie hat ihn vor fast eineinhalb Jahrhunderten erbaut. Auf einem fantastischen Grundstück in Mill Valley. Großonkel Mortimer hat es geerbt, als sein Vater verstorben ist. Und er hat es Tristan hinterlassen. Das ist ein wunder Punkt in unserer Familie.“
„Also hat keiner damit gerechnet, dass Tristan das Anwesen erben würde?“ Wolf machte sich Notizen und erstellte den Stammbaum der Pryce-Familie.
„Nein, mein Ehemann ist der älteste Sohn in der Pryce-Familie. Tristans Vater war sein jüngster Bruder.“ Sie stellte ihre Tasse geräuschvoll ab. „Es hätte an ihn gehen sollen, aber stattdessen wurde Tristan sein Alleinerbe und, so weit wir es ersehen können, er hält an der verrückten Behauptung des Mannes fest, dass es auf dem Grange spukt.“
„Wie lange ist er schon der Eigentümer?“
„Seit seinem neunzehnten Geburtstag. Aber es ist wirklich eine zu große Aufgabe, um sie einem Teenager zu übertragen. Er ist jetzt fast achtundzwanzig.“ Mrs. Pryce presste die Lippen zusammen, was ihren pinkfarbenen Lippenstift zu verknittern schien. „Glücklicherweise hat er den Großteil der Landschaftsgärtner behalten und jeden Tag kommt Reinigungspersonal ins Haus, also wird das Anwesen wenigstens instand gehalten.“
„Also kümmert er sich darum?“
„Glücklicherweise hat Mortimer einen Fonds angelegt, aus dem Tristan bis zu seinem achtundzwanzigsten Geburtstag Geld erhält. Das ist wirklich ein Segen. Tristan ist … ein Art Künstler. Ein Kinderbuchautor, glaube ich. Auf keinen Fall reicht sein Einkommen aus, um den Grange zu unterhalten.“ Sie hob elegant ihre Schultern. „An seinem Geburtstag geht das gesamte Anwesen in Tristans Besitz über und er erhält die volle Kontrolle über das Vermögen. Die Familie ist besorgt, dass Tristan durch seine … Absonderlichkeit … leicht ausgenutzt werden könnte. Wir möchten, dass Sie uns helfen, dass das nicht passiert.“
„Was ist mit Tristans Eltern?“ Wolf neigte den Kopf zur Seite und tippte mit dem Bleistift auf zwei leere Kästchen in seinem Diagramm.
„Carol und Sandy … sein richtiger Name war Alexander … sind etwa sechs Monate, nachdem Tristan das Anwesen geerbt hat, beim Absturz eines Kleinflugzeugs vor der italienischen Küste ums Leben gekommen.“ Ihre Augenbrauen legten sich in Falten und sie spielte mit einem Knopf an ihrer Jacke. „Sandy war dagegen, dass Tristan dort lebt. Er dachte, Mortimer hätte seinen Sohn dazu angestiftet, sein kleines Geisterspiel weiterzuspielen. Natürlich verneint Tristan das. Er glaubt felsenfest, dass der Grange seine kleinen Freunde beherbergt. Er hat das Familienheim in ein Hotel verwandelt, Mr. Kincaid, und der Großteil seiner Gäste ist nicht real.“
Wolf musste über die Motivation der Pryces nicht lange nachdenken. Mortimers Geld und sein Anwesen schienen ihre oberste Priorität zu sein, obwohl er der Frau die Sorge um ihren Neffen nicht vollkommen absprechen wollte. Er tippte ein paar Mal auf sein Tablet und rief eine Luftaufnahme des Grange auf. Das Anwesen war im späten neunzehnten Jahrhundert inmitten einer Hügelgruppe erbaut worden. Wolf konnte erkennen, dass es mit großer Liebe für die Renaissance geplant worden war. Ein Foto von Hoxne Grange zeigte seine Auffahrt und die Gartenanlagen. Es war riesig – weitläufig schien ein zu schwacher Ausdruck für die W-förmige Anlage zwischen Mammutbäumen zu sein – und mit künstlichen Gärten verschönert.
„Was erwarten Sie von mir? Es ist nicht meine Aufgabe, jemanden für unzurechnungsfähig erklären zu lassen“, stellte Wolf klar. „Auch wenn ich einen Wisch habe, der mir dies erlaubt.“
„Die Familie möchte, dass Sie Tristans Behauptungen auf dem Grange untersuchen. Ihre Agentur ist dafür bekannt, ehrlich zu sein. Wir wollen nur, dass Sie Tristan zeigen, dass seine Geister nur in seiner Vorstellung existieren. Wenn Sie es schaffen, Mr. Kincaid, ihm zu zeigen, dass der Grange keine Zwischenstation für Phantome ist, werden wir Ihnen bezahlen, so viel Sie verlangen. Er muss die Realität erkennen, Mr. Kincaid, und ich glaube, Sie sind genau der richtige Mann dafür.“
SEIN ONKEL würde noch ein Loch in den Boden der Bibliothek laufen, da war Tristan sich sicher. Die vergangene halbe Stunde war vom Quietschen seiner italienischen Slipper erfüllt gewesen, und dieser Fünf-Sekunden-Rhythmus zerrte an Tristans Nerven. Er sah wahrscheinlich zum hundertsten Mal auf die Standuhr, seit Walter Pryce III. durch seine Eingangstür getreten war. Tristan wartete darauf, dass sein Onkel ein weiteres Argument anbrachte, warum er aus dem Grange ausziehen sollte.
„Deine Tante spricht gerade mit der Agentur –“ Walter begann eine weitere Runde, und seine fleischigen Hände waren hinter seinem Rücken verschränkt.
„Ist sie trotzdem meine Tante, auch wenn sie deine dritte Frau ist?“ Tristan versuchte, sich seine blonden Haare aus den Augen zu pusten. Wenn er die Finger benutzt hätte, hätte er bloß begonnen, mit seinem Haar zu spielen, und alles, was Walter ihm vorbetete, würde an ihm vorbeiziehen, während er darüber sinnierte, wie sich das Sonnenlicht in seinen Strähnen fing. „Ich meine, Tante Judith zählt, weil sie die Erste war, richtig? Sharon vielleicht, weil sie Mortie zu Welt gebracht hat, aber Ashley? Ist sie auch meine Tante?“
„Tristan, bitte konzentriere dich, wenn ich mit dir rede.“ Der Mann räusperte sich und atmete so kräftig aus, dass seine Lippen flatterten. Tristans Finger sehnten sich nach seinem Zeichenblock und wollten seine Idee von einem schlecht gelaunten Walross zu Papier bringen, das auf einer Eisscholle hin und her watschelte. „Wir hatten gehofft, du würdest Vernunft annehmen.“
„Vernunft …“, wiederholte Tristan leise. „Indem ich Leute in den Grange kommen lasse, die Geister jagen?“
„Sie sind Parapsychologen. Zumindest der Leiter der Agentur.“ Walter drehte sich wieder um und quietschte weiter. „Ich weiß, dass es schrecklich für dich wäre, wenn du erkennen müsstest, dass du dazu gedrängt wurdest, zu … ähm … mir liegt das Wort auf der Zunge.“
„Halluzinieren?“, schlug Tristan seinem Onkel vor. „Fledermausguano in meinem Glockenturm einzuatmen? Mit nur einem Ruder zu rudern?“
„Du bist nicht verrückt!“ Sein Onkel legte die Stirn in Falten und hielt mitten im Schritt inne, wodurch sein dicker Bauch unter seinem Anzug zu schaukeln begann. „Sieh mal, Junge, ich mag dich. Ich will nur dein Bestes. Lass sie einfach für eine Weile herkommen und sehen, was sie finden. Ist das zu viel verlangt?“
Tristan streckte seine Beine aus und rieb seine verkrampften Oberschenkel. Er hatte Mara heute Morgen nicht gebeten, die Heizung in der Bibliothek anzuschalten, bevor Onkel Walters Auto vor dem Grange vorgefahren war. Es war ein unangekündigter Besuch gewesen und sie hatten beide geflucht, als der Fahrer seines klein gewachsenen Onkels mit dem gepolsterten Bauch ihm die Autotür geöffnet hatte.
Also, er hatte geflucht. Mara hatte lediglich düster vor sich hingemurmelt und war dann davongeeilt, um die Heizung aufzudrehen und ein Tablett mit Kaffee für seinen Gast vorzubereiten. Er hatte genug für sie beide geflucht. Seine ältere Haushälterin, meistens eine angenehme Person, erledigte ihre täglichen Aufgaben gerne zügig, damit sie den Nachmittag damit verbringen konnte, die Fernsehsendungen anzuschauen, die sie in der Nacht zuvor aufgenommen hatte. Da ihre Aufgabe größtenteils darin bestand sicherzustellen, dass er etwas aß, war es Tristan egal, wie sie ihre Tage verbrachte, solange der Grange immer bereit für neue Gäste war. Mit Hilfe von zwei jungen Frauen aus der nahe gelegenen Stadt, die mit ihr die fünfzehn Räume abstaubten und wischten, hielt Mara den Grange in Ordnung und zitronenfrisch, und sie hasste das plötzliche Auftauchen seines Onkels an diesem geschäftigen Dienstagmorgen.
Tristan war auch nicht gerade begeistert über die Ankunft seines Onkels. Er hatte nur noch zehn Minuten Zeit, bis er an dem Schreibtisch an der Rezeption sein musste, und dem quietschenden Auf-und-Abgehen des Mannes nach zu urteilen, sah es nicht so aus, als würde Walter Pryce gehen, bevor Tristan ihm nicht irgendeine Art von Zugeständnis gemacht hatte.
„Und wenn sie herausfinden, dass ich nicht verrückt bin?“, brachte er stattdessen hervor. „Nehmen wir mal an, sie präsentieren euch einen Bericht, der besagt, dass ich klar im Kopf bin und der Grange das ist, was Onkel Mortimer und ich behaupten? Werdet ihr mich dann in Ruhe lassen?“
Der verwirrte Blick im Gesicht seines Onkels zeigte Tristan, dass der Mann diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hatte. Ein paar Lippenflatterer und eine quietschende Runde später brummte Walter Pryce: „Falls er zurückkommt und feststellt, dass hier tatsächlich etwas ist, dann ja, dann werde ich anerkennen, dass an deinen Behauptungen vielleicht etwas dran ist. Aber die Agentur muss bestätigen, dass es irgendeine Form von Aktivität gibt. Falls nicht, dann werde ich darauf bestehen, dass du mit diesem Unsinn aufhörst und nach Hause kommst.“
„Ich bin zu Hause, Onkel Walter“, sagte Tristan leise. „Ich habe den Großteil meines Erwachsenenlebens und fast jeden Sommer hier verbracht. Wenn dies nicht mein Zuhause ist, was dann?“
„Dann kommen wir zu dir.“ Die Hand des Mannes auf seiner Schulter sollte ihm Halt geben, aber für Tristan war sie ein schwereres Gewicht als nur Haut, Knochen und Fleisch seines Onkels. „Wir werden zu dir auf den Grange kommen. Schließlich ist es immer noch der Familiensitz.“
Er schaffte es, seinen Onkel mit einigen gemurmelten Versicherungen hinauszubefördern und atmete erleichtert aus, als sich die Tür hinter ihm schloss. Einen Moment später wurde das sanfte Brummen seines Autos immer leiser und Tristan blieb in dem stillen Grange zurück.
Das Klickklick von den Krallen eines Hundes auf dem Parkett des Foyers hallte an der hohen Decke wider und Tristan grinste, als ein strubbeliger grauer Kopf hinter dem Tresen aus Mahagoni hervorschaute, den Onkel Mortimer an der Rezeption des Grange errichtet hatte.
„Komm schon raus, Boris.“ Er pfiff nach dem Irischen Wolfshund. „Er ist weg.“
„Der Hund erkennt das Böse, wenn er es riecht.“ Mara erschien so leise neben Tristans Ellenbogen wie die Gäste des Hauses.
„Er weiß, dass Onkel Walter ihn nicht mag.“ Tristan beugte sich vor und kraulte die schlaffen Ohren des Hundes und Boris wedelte erfreut mit dem Schwanz. „Der Mann ist nicht böse, er ist einfach … engstirnig.“
„Naja, Geister oder nicht, er ist eine Bedrohung.“ Das Räuspern der Frau war weniger laut als das von Walter, aber dennoch beeindruckend. „Deine lieben Geister sind deine Angelegenheit. Dies ist dein Haus. Wenn du einen Feenball ausrichten willst, dann ist das dein gutes Recht, und jeder, der etwas dagegen hat, soll verdammt sein.“
Von ihrem Ellenbogen hing ein Staubwedel herab und ein leichter Hauch von grünem Tee von der Seife, die Tristan ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, duftete auf ihrer weichen, weißen Haut, aber der zarte Duft hatte gegen die Zitronenpolitur und die Salbe, die Mara gegen die Arthritis in ihren schmerzenden Knien verwendete, keine Chance. Sie war eine Frau mit sanften Kurven, die Tristan bis zur Schulter reichte und die Räume oft unbemerkt betrat und wieder verließ, und nur Teller mit Sandwiches oder Keksen blieben als Beweis zurück, dass sie überhaupt da gewesen war. Etwas hing in Maras silbernem Haar, das an Zuckerwatte erinnerte, und Tristan zog es heraus.
Es war ein einzelner Diamant-Ohrstecker und er reichte ihn ihr. „Hast du den Zweiten gefunden?“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf und schloss ihre Finger um den Stein. „Behalte den hier. Vielleicht kannst du ihn statt dieses albernen Ringes in dein Ohr machen. Du siehst aus wie ein kleiner Junge, der Pirat spielt.“
„Vielleicht.“ Er hatte Mara nie erzählt, dass der Ohrring seiner Mutter gehört hatte, ein kleines Stückchen Gold, dass ihm ein gesichtsloser Offizieller zusammen mit ihren Überresten übergeben hatte. Sie würde ihm vorhalten, das sei makaber. Sie würde nicht verstehen, dass er sich durch den Ring der Frau näher fühlte, die ihn zur Welt gebracht hatte, aber ihn, den Wechselbalg, mit dem sie geschlagen gewesen war, nie verstanden hatte. „Oder vielleicht auch ein zweites Loch?“
„Du brauchst nur noch einen Papagei, statt dieses Bigfoots, den du hier ins Haus geschleppt hast.“ Das tiefe Schlagen einer Uhr war aus der Bibliothek zu hören und Mara roch die sich abkühlende Luft. „Also, es ist wohl soweit. Ich verschwinde. Du kümmerst dich … darum. Rede nicht zu lange. Ich bringe dir um zwölf Uhr dein Mittagessen und vergiss nicht, die Gärtner kommen heute Nachmittag her, also lass dieses Biest nicht vorher raus.“
„Ja, Mara.“
Als die Standuhr der Bibliothek zuende geschlagen hatte, sprach er nur noch mit ihrem Rücken. Nachdem er sich auf den Stuhl hinter dem Tresen der Rezeption gesetzt hatte, bereute er sofort, dass er seinen Kaffee nicht mitgenommen hatte. Man konnte nicht vorhersagen, wann der Ankömmling des heutigen Morgens auftauchen würde, und er hatte nur eine halbe Tasse getrunken. Er würde noch eine Kanne aufsetzen müssen, bevor er in sein Büro im dritten Stock ging.
„Wenn ich richtig nachgedacht hätte, dann hätte ich meinen Zeichenblock auch mitgebracht“, sagte er zu Boris. Der Hund streckte ihm seine pinkfarbene Zunge heraus und begann, sich gemächlich an einer Stelle an seiner Backe zu kratzen. „Wirklich, dass Onkel Walter hier aufgetaucht ist, hat den ganzen Morgen durcheinandergebracht.“
Er musste nicht lange warten. Ein paar Minuten, nachdem er sich hingesetzt hatte, rappelte die Vordertür und schwang dann auf. Ein frischer Wind fegte durch das offene Tor und brachte den Geruch von Regen herein. So plötzlich, wie sie sich geöffnet hatten, schlossen sich die breiten Türen leise wieder. Boris wimmerte hinter dem Schreibtisch und kauerte sich zusammen, und Tristan tätschelte den großen Kopf des Hundes.
Ein nasser Fußabdruck erschien etwa einen halben Meter von der Tür entfernt, dann ein weiterer. Eine triefende Spur, die zeigte, dass jemand auf die Rezeption zukam. Schatten spielten auf einem Tisch und ein paar Stühlen in der Mitte des runden Raumes, und etwas berührte eine pinkfarbene Rose, die aus einem riesigen Gesteck in einer mintfarbenen Urne auf dem Tisch hervorstach.
Als sie etwa ein oder zwei Schritte an dem Tisch vorbeigegangen war, wurde sie sichtbar, eine durchnässte Frau in einem einfachen, geflickten Kleid. Sie klammerte sich mit weißen Knöcheln an ihren Koffer, als sie Tristan vorsichtig zunickte, und schließlich ein zögerndes Lächeln aufsetzte und sich räusperte, bevor sie sprach.
„Ich bin wegen der Stelle als Köchin hier, Sir.“ In ihrer melodischen Stimme war der Akzent von Nord-London deutlich zu hören und Tristan war sich sicher, dass er noch den Dreck unter ihren Fingernägeln sehen könnte, wenn er genau hinschauen würde. Der Rest von ihr war gepflegt und ordentlich, abgesehen vom Zustand ihrer Kleidung und der Erschöpfung in ihrem noch jungen Gesicht. „Ich habe keine Referenzen, weil die Lady mir dafür, was der Lord getan hatte, keine geben wollte, aber …“
„Ich brauche keine Referenzen. Du schaffst das bestimmt“, versicherte Tristan ihr. „Dein Lohn beträgt vierzig Pfund und du bekommst außerdem Tee, Bier und Zucker.“
„Das ist zu großzügig, Sir.“ Sie wurde rot, ein zartes Pink erhellte ihre Blässe. „Ich bin nicht ausgebildet –“
„Wir haben nur eine Stelle als Koch“, unterbrach er sie behutsam. „Die Küche befindet sich durch diese Tür und dann den Flur hinunter. Kannst du sofort anfangen? Die Zimmer sind fast alle belegt und das Abendessen für die Gäste muss hergerichtet werden. Deine Räume sind hinter der Küche.“
„Ja, Sir, ich kann sofort anfangen.“ Sie machte einen leichten Knicks und verlor dabei fast ihren Rucksack. „Mein Name ist Heather. Heather Cook, Sir. Vielen Dank. Ich werde Sie nicht enttäuschen.“
„Ich weiß, Heather. Ich weiß“, sagte Tristan und wies zur Tür. „Willkommen auf Hoxne Grange. Wir freuen uns, dass du hier bist.“
Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, löste sie sich auf, verschwand in schimmerndem Licht, bis nichts mehr von ihr zu sehen war außer den nassen Fußabdrücken auf dem Holzfußboden des Foyers. Er wollte gerade einen Mopp holen, als Mara aus der Tür kam, durch die er Heather gerade geschickt hatte.
„Sie ist also weg?“, fragte Mara, während sie einen metallenen Wischeimer vor sich herschob.
„Ja, das ist sie.“ Tristan lächelte. Die junge, tote Frau, mit der er gerade gesprochen hatte, machte ihn traurig.
„Also, dann wäre das bis zum nächsten Dienstag erledigt“, stellte seine Haushälterin nüchtern fest. „Ich kümmere mich um das hier und du gehst nach oben. Dort warten Kaffee und Frühstück auf dich. Vielleicht kannst du später ein Nickerchen machen. Ich weiß, wie sehr dir die Dienstage zusetzen.“
„Vielen Dank, Mara.“ Er küsste die silberweißen Locken an ihrer Schläfe. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.“
„Du würdest jeden Dienstag deinen eigenen verdammten Fußboden wischen, nachdem du wieder deine tote Köchin angeheuert hast.“ Sie gab ihm einen Klaps auf den Arm. „Na geh schon und nimm dieses feige Biest mit.“
„ACH DU heilige Scheiße, das ist eine Villa!“
Matt lag mit seiner Beschreibung von Hoxne Grange gar nicht so falsch. Das Bauwerk – kein anderes Wort schien passend für diesen Ort – erhob sich über eine Hügelgruppe, seine soliden, hohen Schornsteine überragten die Mammutbäume, die den Garten des Grundstücks umrahmten. Aus grauen Ziegeln erbaut, dominierte die Struktur das Grün um sich herum, seine solide, dreistöckige W-Form erhob sich in den Himmel und forderte ihre Aufmerksamkeit, als Wolfs SUV die geschmiedeten Eisentore passierte. Gewölbte Fenster unterbrachen die strengen Ziegel, ihre Form wiederholte sich in den überdachten Gängen, die die einzelnen Flügel des Gebäudes verbanden. Davor standen immergrüne Büsche, die in ovale Formen getrimmt worden waren und so die sanfte Linienführung des vergangenen Jahrhunderts widerspiegelten.
Dies war ein Ort, an dem Leute nicht nur mit einem Silberlöffel im Mund geboren wurden, sondern einem gesamten Besteckset mitsamt einer oder zwei Teekannen, nur um sicherzugehen.
Wolf gefiel es sofort, auch wenn er den überwältigenden Drang verspürte, um das Gebäude herum zur Rückseite zu fahren und an den Dienstboteneingang zu klopfen, um eingelassen zu werden.
„Das, Matt, ist ein Wochenendhaus“, informierte Wolf seinen Techniker. „Nur etwa dreißig Räume. Das hängt von der Zählweise ab. Manche dieser Bauten haben bis zu siebzig.“
„Wer zum Teufel putzt das alles?“ Gidget pfiff und zählte die Schornsteine. „Himmel, das sind bestimmt zehn Kamine.“
„Könnten auch mehr sein. Die Schornsteine haben manchmal zwei Kamine auf verschiedenen Etagen“, gab er zurück. „Man will ja nicht, dass die Familie friert.“
Die lange Auffahrt wand sich zur Eingangstür, vorbei an einem Brunnen mit einem riesigen Trio Fische, die direkt von der Schatzkarte eines Piraten entnommen zu sein schienen. Geschwärzt vom Alter versprühten die Figuren zarte Spritzer Wasser in das marmorne Becken darunter. Ein Weg zweigte vom Hauptweg ab und führte hinter das Haus, wo Wolf die Garagen vermutete. Er schielte auf die Ausrüstung, die sie in das Auto gequetscht hatten, und war sich nicht sicher, wo sie sie ausladen sollten.
„Okay, Kinder.“ Er hielt vor dem Haupteingang an und schnallte sich ab. „Machen wir uns auf die Suche nach den Geistern.“
Von Nahem sah der Grange noch Furcht einflößender aus. Wolf war sich sicher, dass der Architekt eine andere Vorstellung von der korrekten Größe eines Schlafzimmers gehabt hatte als er, vierundzwanzig Räume oder nicht. Als er die Vordertür öffnete, um Gidget und Matt zuerst hineinzulassen, senkten sich ihre Stimmen zu einem erstaunten Flüstern, und seine Vermutung, was das räumliche Verhältnis anging, wurde bestätigt, sobald er über die Schwelle getreten war.
Er war sich sicher, dass sein gesamtes Appartementhaus in die Eingangshalle des Grange gepasst hätte, und es gäbe trotzdem noch genug Platz für ein chinesisches Restaurant und ein paar Starbucks-Filialen.
„Heilige Scheiße“, flüsterte Matt und drehte sich zu Wolf um. „Und das ist ein Wochenendhaus?“
„So bezeichnen es diese Leute.“ Er ärgerte sich, dass sich seine Stimme senkte, und räusperte sich. Er wies mit dem Kopf zu den Sortierfächern und dem geschwungenen Möbelstück, die jemand von einem der großen alten Hotels in San Francisco ergattert haben musste. Der fast 2,50 m lange Tresen und das Regal dahinter, die in dem riesigen Foyer des Grange sofort auffielen, gehörten bestimmt nicht zur ursprünglichen Ausstattung.
Genau wie der blonde Mann, der mit sich selbst zu reden schien.
Eine schiere Explosion aus Blumen, die in teurem Porzellan drapiert war, verdeckte den jungen Mann, aber Wolf konnte durch kunstvoll arrangierte, regenbogenfarbene Blumen und pinkfarbene Rosen einen kurzen Blick erhaschen. Wolf hätte ihn als zerzaust bezeichnet, wenn ihm verdammt hinreißend nicht zuerst in den Sinn gekommen wäre. Selbst sein unordentliches Aussehen schien eine Absage an das Tadellose zu sein, das man in einer Multimillionen-Dollar Villa erwarten würde, die reiche Leute als Wochenendhaus bezeichneten.
Sein blondes Haar schien eine Mischung aus kristallartigen, goldenen und nerzbraunen Flecken zu sein, mit einem dunkleren Ton darunter. Gidget würde seufzen angesichts der strubbeligen Strähnen, die das aristokratisch anmutende Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der Adlernase, die offensichtlich nie mit einer geschwisterlichen Faust in Berührung gekommen war, umrahmten. Er sah auf und Wolf hätte schwören können, dass sich seine Augen vor Widerwillen verdunkelten. Sein dünner Pullover schien farblich auf die meerschaumfarbene Vase abgestimmt zu sein, aber sein Blick war eisiger als der kalte Hauch, der Wolf streifte, während er wartete. Von der anderen Seite des Raumes aus waren seine Augen so braun und intensiv erschienen wie der Schreibtisch, hinter dem er stand, aber als sie näherkamen, erkannte Wolf auch Bernstein und Grün in ihren Tiefen.
Was den Ärger anging, hatte er allerdings recht gehabt. Der Mund des Mannes, von dem Wolf annahm, dass er Tristan Pryce war, verkniff sich, und seine Augen verengten sich leicht. Er sprach weiter mit sich selbst, ein rollendes, weiches Krächzen mit dem silberlöffelartigen Tonfall und etwas Dunklerem, dass Wolf nicht zuordnen konnte.
Hinter ihm spazierten Matt und Gidget im Foyer umher, fasziniert von dessen künstlerischer Gestaltung und Möblierung, aber Wolf hatte nur Augen für den Mann vor sich.
„Es ist nicht schlimm, wenn Sie ihren Namen nicht schreiben können“, säuselte der Mann zu einem Punkt links von sich und nickte höflich ins Leere. „Viele Leute haben in ihrem Leben Besseres zu tun, als Schreiben zu lernen. Ich werde sie aufnehmen und ihnen ein Zimmer geben.“
Es schien, als hätte Tantchen Mrs. Walter Pryce der Dritte tatsächlich recht. Verdammt, sie hatte ja so was von recht.
„James Rhodes?“ Er buchstabierte den Nachnamen und ein wissendes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Sagen wir einfach, dass das so stimmt. Wo kommen Sie her?“
Er legte den Kopf schräg, und goldene Strähnen ergossen sich über seine Schulter. Wolf räusperte sich und der blonde Mann ignorierte ihn. Er gab weiterhin vor, der leeren Stelle vor sich genau zuzuhören. Gidget trat hinter Wolf. Sie war entweder neugierig oder gelangweilt von den Selbstgesprächen des Mannes.
„Was macht er da?“, flüsterte sie in Wolfs Ohr.
„Ich hab keine Ahnung“, antwortete er leise. „Ich denke, er tut so, als ob gerade jemand eincheckt. Immerhin ist das ein Hotel.“
„Also, soll ich unsere Sachen ausladen oder sagen wir einfach, er ist verrückt und fahren wieder nach Hause?“
„Ausladen.“ Wolf wies mit dem Kinn auf den Eigentümer. „Er scheint fast fertig zu sein. Ich nehme an, Mrs. Walter hat uns angekündigt. Wollen wir mal sehen, ob sie es damit leichter oder schwerer für uns gemacht hat.“
„Genießen Sie ihren Aufenthalt, Mr. Rhodes. Das Abendessen wird pünktlich um sieben Uhr in der großen Halle serviert und danach findet ein Tanz im Ballsaal statt. Ihr Zimmer ist im zweiten Stock auf der rechten Seite.“ Der Mann schloss das große Buch, in dem er geschrieben hatte, und zeigte auf einen Aufzug mit Metalltüren, der zwischen zwei Treppen in den zweiten Stock führte. „Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn Sie etwas benötigen. Herzlich willkommen in Hoxne Grange.“
Wolf überquerte den Fußboden der Lobby und ging auf den Blonden zu, dabei straffte er die Schultern. Die Art, wie der Mann sein Kinn reckte, zeigte Wolf, dass er in eine Schlacht zu ziehen schien, und das Knurren, das ihn begrüßte, bestätigte diese Annahme nur.
„Ich war mit einem Gast beschäftigt.“ Sein heiseres Brummen zeugte nicht von zur Schau gestellten Manieren. Der Mann hatte eine Schärfe in der Stimme, die sie rauchig und sinnlich machte. „Ich nehme an, Sie gehören zu den Leuten, von denen die Frau meines Onkels gesprochen hat.“
„Dr. Wolf Kincaid.“ Wolf bot ihm nicht die Hand an. Der andere schien es auch nicht zu erwarten, denn er schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans. „Ich nehme an, Sie sind Tristan Pryce?“
„Das bin ich“, gab er elegant zurück. „Kein Doktor. Ich habe kaum die High School überlebt. Da Sie also hier sind, finden wir besser ein Zimmer für Sie und Ihr Team. Nur Sie drei?“
„Ja.“ Wolf sah sich demonstrativ um. „Hier ist ja nicht viel los.“
„Der Grange ist fast ausgebucht. Ich wünschte, Sie hätten angerufen, bevor Sie hergekommen sind. Dann hätte ich Ihnen gesagt, dass wir nicht viel Platz haben. Onkel Walter hätte das eigentlich vorher Ihnen gegenüber erwähnen sollen.“
Er blickte nicht zu Wolf auf, als er das Register wieder öffnete und durch die Seiten blätterte. Die vergilbten Seiten waren mit Namen und Adressen bedeckt, mit Zimmernummern und Daten in drei rechtsbündigen Spalten. Soweit Wolf erkennen konnte, hatte der Grange viele Gäste, wenn auch unklar war, wie viele davon echt waren. Nachdem er fast zwei Drittel durchgeblättert hatte, stoppte Tristan und studierte das Buch. Er verglich die Einträge mit einem Lageplan, den er unter dem Tresen hervor holte.
„Ich habe tatsächlich nur noch zwei Räume frei und die sind recht klein. Zwei von Ihnen werden sich ein Zimmer teilen müssen.“ Pryce langte hinter sich, holte zwei Schlüssel mit Lederanhängern hervor und reichte sie Wolf. „Sie befinden sich im dritten Stock. Bitte denken Sie daran, dass die Tür, auf der ‘Betreten verboten’ steht, bedeutet, dass Sie und Ihre Angestellten dort nichts zu suchen haben. Das sind meine privaten Räume. Mara – die Haushälterin – lebt im Kutschenhaus, also gehen Sie dort ebenfalls nicht hin. Die Bedienstetenquartiere hinter der Küche gehören Cook, daher möchte ich Sie bitten, ihre Privatsphäre während Ihres Aufenthaltes zu respektieren. Die meisten der Hotelgäste werden Sie nicht bemerken, aber wenn Sie Geräusche oder Musik hören, dann denken Sie bitte daran, dass sie Gäste des Grange sind. Manche werden uns morgen verlassen. Wenn Sie vorhaben, länger als ein paar Tage zu bleiben, können Sie dann größere Räume beziehen, aber es ist möglich, dass Sie in den dritten Stock zurückkehren müssen, wenn wieder jemand eincheckt. Haben Sie alles verstanden, Mr. Kincaid?“
„Dritter Stock, zwei müssen sich ein Zimmer teilen, Ihre Räume sind Sperrgebiet. Mara ist die Haushälterin und Cook lebt hinter der Küche“, wiederholte Wolf, als er die Schlüssel annahm. „Dinner ist um sieben im großen Esszimmer und wir dürfen Ihre … Gäste nicht stören. Spektral oder nicht. Natürlich nur, wenn Sie tatsächlich nicht-spektrale Gäste haben.“
„Mir ist bewusst, dass meine Tante Ihnen wahrscheinlich erzählt hat, dass ich wahnsinnig bin, aber der Grange ist … naja, er ist, was er ist. Ja, manchmal kommen lebendige Gäste hierher, aber unsere Klientel besteht größtenteils aus Geistern, die diese Welt verlassen werden. Ich werde mich nicht für das entschuldigen, was ich tue oder was auf dem Grange passiert.“ Pryce zuckte mit den Schultern und schmetterte Wolfs Andeutungen mit einer Eleganz ab, die Wolf unmöglich kalt lassen konnte. „Die Tür befindet sich direkt hinter Ihnen, wenn Sie damit ein Problem haben, Dr. Kincaid.“
„Nicht im Geringsten“, gab Wolf zurück. „Sie wissen, dass Ihre Tante und Ihr Onkel mich beauftragt haben, den … Zweck des Grange zu dokumentieren.“
„Sie wollen mich irgendwo wegschließen lassen, wo man nur Erdbeerwackelpudding und Brei zu essen bekommt, und sie hoffen, dass Ihr Bericht dabei helfen wird, mich in eine Zwangsjacke stecken zu lassen. Ich bin nicht dumm, Dr. Kincaid.“ Das Grün in seinen Augen wurde smaragdgrün, und die Luft, die Wolf umgab, wurde eiskalt. „Oder verrückt.“
„Wir brauchen einen Ort, wo wir unsere Ausrüstung aufbauen können.“ Wolf hob beschwichtigend die Hände. „Ich bin unvoreingenommen, Pryce. Falls es hier paranormale Aktivität gibt, dann will ich sie dokumentieren, ja. Wenn es keine gibt, dann werde ich das an Sie und Ihre Verwandten weitergeben. Wie dem auch sei, mein Team und ich sind als Beobachter hier. Nichts weiter.“
„Sie können sich im Ballsaal einrichten.“ Pryce klatschte eine Kopie des Lageplans auf den Tresen und schob Wolf das Papier hin. „Im Orchestergraben. Dort gibt es Strom für Ihre Ausrüstung. Entweder dort oder im Keller, aber der steht manchmal unter Wasser. Ich nehme nicht an, dass Sie dort unten irgendetwas aufstellen wollen, dass Strom braucht. Schließlich erwarten wir Stürme.“
„Der Ballsaal sollte ausreichend sein“, antwortete Wolf, als Tristan sich umdrehen wollte. „Pryce, wenn Sie uns hier nicht haben wollen, warum haben Sie dann zugestimmt?“
„Weil meine Familie mich nicht in Ruhe gelassen hätte, bis ich irgendetwas zugestimmt hätte, um sie ruhig zu stellen.“ Pryces Mund entspannte sich. Er schob die Unterlippe vor und senkte die Schultern. „Und Sie sind das Resultat.“
„Ich verspreche, dass wir Ihnen nicht im Weg sein werden. Heute ist was? Freitag? Wir sollten … spätestens am Montag wieder verschwunden sein.“
„Ich bin nicht besorgt, dass Sie mir im Weg sein werden.“ Pryces Mundwinkel hob sich, wodurch ein Grübchen in seiner Wange sichtbar wurde. „Wenn Sie die Gäste verärgern, werden sie es Sie wissen lassen. Oh, eins noch, Dr. Kincaid.“
„Ja?“ Wolf hob die Augenbrauen.
„Das Abendessen in dem großen Esszimmer ist nur für die spektralen Gäste. Cook bereit ihre Mahlzeiten zu und ich glaube nicht, dass Sie dort viel zu essen finden werden.“ Pryce drehte sich um und warf das Haar über seine Schulter. „Sie und Ihr Team werden mit mir im Blauen Zimmer zu Abend essen. Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn es fertig ist. Normalerweise, wenn Mara damit fertig ist, sich zu beschweren, dass wir mehr saubere Laken brauchen.“
WOLF WAR überrascht, dass eine kurvige, ältere Frau in einer grauen Dienstmädchen-Uniform sie an der Treppe zum dritten Stock erwartete. Ihr rundliches Gesicht hatte nur angedeutete Krähenfüße, aber ihr Alter war in ihren sturmgrauen Augen zu erkennen. Ein Hauch silbernen Haares fiel in ihre Stirn und ihre Hände spiegelten ihre Jahre wieder, durch harte Arbeit geschwollene Gelenke und raue Finger. Sie trug einen goldenen Ring an ihrem Daumen, der viel zu wuchtig für eine Frau war, und er konnte das Siegel eines Siegelringes erkennen. Weiche Slipper bedeckten ihre Füße, und das steife Grau ihrer Uniform wurde durch eine weiße Schleife um ihre Hüfte und ihrem Kragen und den Ärmeln gemildert, die im selben weißen Satin gesäumt waren. Sie hatte die Hände vor dem Körper gefaltet und schien geduldig auf ihn zu warten.
„Sie müssen Mara sein.“ Er lächelte die Frau so charmant an, wie er konnte. ‘Man fängt mehr Fliegen mit Honig, als mit Essig’, hatte seine Mutter oft gesagt, aber er persönlich fand Essig wirkungsvoller. Er überdeckte den Honig und wusch seine klebrige Süße besser weg als alles andere, was er kannte. „Ich bin Wolf. Ich stehe dem Team vor, das hier bleiben wird.“
„Ja, das hat er mir erzählt.“ Ihr kluger Blick wanderte zu dem leeren Aufzug hinter ihm. „Er hat gesagt, es wären mehr als nur Sie allein. Sind die anderen noch unten?“
„Ja, sie bauen unsere Ausrüstung auf.“ Er gab sich weiterhin charmant, auch wenn die Frau davon überhaupt nicht beeindruckt zu sein schien. Sie war hart und direkt und Wolf nahm an, dass Mara, die Haushälterin, Tristans bissiger Aufpasser war, der sich auf keinen Unsinn einlassen würde. Er nahm die Koffer hoch, die Gidget mitgebracht hatte, hielt sie an der Seite fest und griff nach seinem Rucksack.
„Geben Sie mir die Schlüssel. Ich werde Ihnen Ihre Zimmer zeigen.“ Er hielt sie ihr hin, und sie las die Zimmernummern, die in die Anhänger eingraviert waren. „Ah, in diesen Räumen sind die Laken frisch. Ich habe sie erst gestern gewechselt, aber Sie werden mehr Handtücher brauchen. Die meisten Räume hier oben werden als Lagerräume genutzt, aber Tristans Räume und sein Atelier sind hier oben im rechten Flügel. Sie sind gegenüber im linken Flügel. Er hat Ihnen gesagt, dass zwei von Ihnen sich ein Zimmer werden teilen müssen.“
„Das ist in Ordnung.“ Wolf schnappte sich schnell zwei der Koffer, die anderen würde er später holen, als Mara sich umdrehte und auf leisen Sohlen in Richtung des linken Flügels davonging. „Gidget und Matt sind … verlobt.“
„Dann sollen sie das größere Zimmer bekommen.“
Die Frau war fast dreißig Zentimeter kleiner als er, aber ihr zu folgen brachte Wolf außer Atem. Er fühlte sich wie ein Wasserbüffel, der hinter ihren eleganten Schritten hertrampelte, während Gidgets Hartschalenkoffer gegen alles zu schlagen schien, was sich in dem Flur befand. Er hätte fast einen halbrunden Tisch mit einer pinkfarbenen Hutschachtel darauf zerstört und dann beinahe einen viktorianischen Ganzkörperspiegel irreparabel beschädigt, als er sich schnell umdrehte, um den wackelnden Tisch festzuhalten. Der Flur war schmaler als die Flure in den unteren Stockwerken und Wolf nahm an, dass der dritte Stock einst die Quartiere der Bediensteten beherbergt hatte, was Mara ihm schnell mit einem kurzen Nicken bestätigte.
