Von Marx zu Mao Tsetung - George Thomson - E-Book

Von Marx zu Mao Tsetung E-Book

George Thomson

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Beschreibung

Eine Untersuchung zur Dialektik der Revolution, ist der Untertitel: Der Autor fasst die Erfahrungen der Pariser Kommune, der russischen Oktoberrevolution und der Befreiung Chinas zusammen, weist deren Einheit und Kontinuität nach. Und die notwendige Auseinandersetzung, um die Wiederherstellung des Kapitalismus zu verhindern. So führt er gleichzeitig in Grundlagen des dialektischen und historischen Materialismus, in die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung ein.

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VON MARX ZU MAO TSETUNG

VON MARX ZU

MAO TSETUNG

GEORGE THOMSON

Es ist ihnen vollständig mißlungen, zu verstehen, was am Marxismus entscheidend ist, nämlich: seine revolutionäre Dialektik.

Lenin

Verlag Neuer Weg Stuttgart

Gewidmet

DOUGLAS GARMAN

(1903-1969)

3. Auflage 1978

Titel der englischen Originalausgabe:

FROM MARX TO MAO TSETUNG

A Study in Revolutionary Dialectics

© George Thomson, 1971. Herausgegeben von

China Policy Study Group, London

SBN 9502015 0 2

© der deutschsprachigen Ausgabe

Verlag Neuer Weg GmbH, Stuttgart, 1973

ISBN 3-88021-089-6

Alle Rechte Vorbehalten

Gesamtherstellung:

Repro + Druck GmbH, Haan

Vorwort des Verfassers

Dieses Buch ist eine marxistische Untersuchung der russischen Revolution von 1917 und der chinesischen Revolution von 1949. Es setzt sich das Ziel, die Einheit und Kontinuität dieser beiden Revolutionen als zweier aufeinanderfolgenden Etappen der sozialistischen Weltrevolution aufzuzeigen. Ihre gemeinsame theoretische Grundlage wird in zahlreichen Zitaten aus klassischen marxistischen Texten, insbesondere aus den Schriften von Lenin und Mao Tsetung, erläutert. Diese Zitate werden es dem Leser ermöglichen, die beiden Revolutionen mit den Augen derjenigen zu verfolgen, die sie führten. Gleichzeitig bieten sie dem Leser eine Einführung in die grundlegenden Prinzipien des dialektischen und historischen Materialismus, denn diese Theorie kann nur verstanden werden im Lichte der revolutionären Kämpfe, aus denen sie hervorging und in denen sie ihren vollständigsten und klarsten Ausdruck findet.

Das Buch ist dem Gedächtnis von Douglas Garman gewidmet, der mir meine Ausbildung im Marxismus gab. Als nationaler Schulungsorganisator der Kommunistischen Partei Großbritanniens schuf er ein Netz von Parteischulen, die Industriearbeiter aus allen Teilen des Landes besuchten und die er selber und andere leiteten, die er in seiner hervorragenden Methode ausgebildet hatte, durch kontrollierte Diskussion zu lehren. Er gab diese Arbeit 1950 auf wegen Differenzen mit der Parteiführung über die revisionistische Linie vom „Britischen Weg zum Sozialismus“, die er von Anfang an bekämpfte. In diesem Kampf erlitt er eine Niederlage, aber unter denen, die seine Parteischule besucht hatten, gab es viele, die, wie ich, niemals seine Schulung über die Dialektik der Revolution vergessen haben. Das hat ihnen geholfen, zu erkennen, wo heute der revolutionäre Weg liegt.

Birmingham, 1971

GEORGE THOMSON

Abkürzungen

LW=W.I. Lenin, Werke

LaW=W.I. Lenin, Ausgewählte Werke

MEW=Karl Marx/Friedrich Engels, Werke

MEaS=Karl Marx/Friedrich Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden

SW=J.W. Stalin, Werke

SFdL=J. Stajin, Fragen des Leninismus

MaW=Mao Tsetung, Ausgewählte Werke

MaS=Mao Tsetung, Ausgewählte Schriften

(Ein Verzeichnis der Titel der Aufsätze, Reden und Schriften, aus denen in dieser Untersuchung zitiert wurde, befindet sich auf den Seiten 210ff.)

Inhalt

I:DIE DIKTATUR DES PROLETARIATS

1. Die Macht der Arbeiterklasse

2. Der Klassenkampf geht weiter

3. Der ideologische Kampf

4. „Linker“ und rechter Opportunismus

II:VON DER BÜRGERLICHEN ZUR PROLETARISCHEN REVOLUTION

1. Die Klassenverhältnisse in der modernen Gesellschaft

2. Die russische Revolution

3. Die chinesische Revolution

III:DAS PROLETARIAT UND DIE BAUERNSCHAFT

1. Die führende Rolle des Proletariats

2. Das Bündnis zwischen Arbeitern und Bauern

3. Die Aufspaltung der Bauernschaft

4. Das Lumpenproletariat

5. Das Proletariat im Westen

IV:DIE NATIONALE FRAGE

1. Die Nation in der modernen Gesellschaft.

2. Nationale Selbstbestimmung

3. Nationale Befreiungskriege

4. Nationale Autonomie oder regionale Autonomie?

5. Nationale und internationale Kultur

VSOZIALISMUS IN EINEM LAND

1. Marx’ Theorie der ununterbrochenen Revolution

2. Der Sieg der Oktoberrevolution

3. Ungleichmäßige Entwicklung

4. Die Revolution im Osten

VIDIE PARTEI

1. Die Lehren der Pariser Kommune

2. Die Partei neuen Typs

3. Die führende Rolle der Partei

4. Demokratischer Zentralismus

5. Die Massenlinie

VIIDER ERSTE SOZIALISTISCHE STAAT

1. Die proletarische Revolution

2. Sozialistischer Aufbau

3. „Linke“ und rechte Abweichungen

4. Die neue Bourgeoisie

5. Die Notwendigkeit einer Kulturrevolution

6. Der Klassenkampf in der sozialistischen Gesellschaft

7. Der moderne Revisionismus

VIIIDIE PROLETARISCHE KULTURREVOLUTION

1. Nationale Befreiung

2. Die richtige Behandlung von Widersprüchen

3. Der Kampf zweier Linien

4. Die Beteiligung der Massen an der Verwaltung

5. Revolution und Produktion

6. Kommunistische Arbeit

QUELLENVERZEICHNIS

KAPITEL I

Die Diktatur des Proletariats

„Der erste Schritt in der Arbeiterrevolution ist die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie.“

Manifest der Kommunistischen Partei

1. DIE MACHT DER ARBEITERKLASSE

Lenin schrieb:

Damit geht der Begriff der Diktatur des Proletariats unmittelbar in Lenins Definition eines Marxisten ein. Wenn wir also diese Begriffsbestimmung annehmen, so müssen auch wir sie als den Prüfstein benutzen, um zwischen den im Widerstreit liegenden Auslegungen des Marxismus zu unterscheiden, die heute im Schwange sind.

Klassengesellschaft beruht auf Ausbeutung. Die Ausbeuter bilden die herrschende Klasse, die Ausgebeuteten die unterdrückten Klassen. Die herrschende Klasse übt ihre Herrschaft mit Hilfe des Staates aus, der ein Organ für die zwangsweise Unterdrückung einer Klasse durch eine andere ist. Seine Hauptwerkzeuge sind Armee und Polizei:

Jede Form der Klassengesellschaft — die Sklavenhaltergesellschaft, der Feudalismus, der Kapitalismus — ist also eine Diktatur einer herrschenden Klasse. Die Form des Staates verändert sich. In der kapitalistischen — der bürgerlichen — Gesellschaft mag sie mehr oder weniger demokratisch sein. Sie kann parlamentarische Wahlen auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts zulassen. Sie bleibt jedoch immer eine Diktatur, eine „Diktatur der Bourgeoisie, verhüllt durch parlamentarische Formen“ (LW 30, S. 84).

„Die bürgerliche Demokratie, deren Wert für die Erziehung des Proletariats und für seine Schulung zum Kampf unbestreitbar ist, bleibt stets beschränkt, heuchlerisch, verlogen und falsch, ist stets eine Demokratie für die Reichen und Betrug für die Armen.“ (LW 28, S. 97)

Lenin drängte folglich die Arbeiter einerseits, die bürgerlich-demokratischen Rechte voll auszunutzen, und zwar „im Geiste des konsequentesten und revolutionär entschiedensten Demokratismus“ (LW 21, S. 416). Er warnte sie jedoch gleichzeitig vor der Illusion, die Macht sei durch parlamentarische Mittel zu erobern. Das war der Hauptstreitpunkt der Auseinandersetzung zwischen ihm und den Revisionisten seiner Zeit:

„Das Gefährlichste an der Berner Internationale ist das Lippenbekenntnis zur Diktatur des Proletariats. ( ... ) Man versucht, die Diktatur des Proletariats in Worten anzuerkennen, um daneben insgeheim den ,Willen der Mehrheit’, das ,allgemeine Stimmrecht’ (wie es eben Kautsky tut), den bürgerlichen Parlamentarismus, den Verzicht auf die völlige Vernichtung, Zertrümmerung, das völlige Zerbrechen des gesamten bürgerlichen Staatsapparats durchzuschmuggeln. Diese neuen Ausflüchte, diese neuen Schlupflöcher des Reformismus muß man am meisten fürchten.

Die Diktatur des Proletariats wäre unmöglich, wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht aus Proletariern und Halbproletariern bestünde. Diese Wahrheit versuchen die Kautsky und Co. dahingehend zu verfälschen, daß die ,Mehrheit der Stimmen’ notwendig sei, um die Diktatur des Proletariats als ,zu Recht’ anzuerkennen.

Komische Pedanten! Sie haben nicht begriffen, daß das Stimmrecht im Rahmen, in den Institutionen, unter den Gepflogenheiten des bürgerlichen Parlamentarismus einen Teil des bürgerlichen Staatsapparats darstellt, den man von oben bis unten zertrümmern und zerbrechen muß, um die Diktatur des Proletariats zu verwirklichen, um von der bürgerlichen Demokratie zur proletarischen Demokratie überzugehen.“ (LW 29, S. 502)

Jeder Versuch also, mit Hilfe des bürgerlichen Staatsapparates das bürgerliche Recht abzuschaffen, ist zum Scheitern verurteilt — ist es doch gerade die Aufgabe dieses Staatsapparates, das bürgerliche Recht zu schützen.

So ist es klar, daß der bürgerliche Staat nur durch Gewalt gestürzt werden kann. Die Diktatur der Bourgeoisie muß durch die Diktatur des Proletariats ersetzt werden:

Diese Diktatur trat in Rußland dadurch in Erscheinung, daß das Proletariat, unterstützt von der annen Bauernschaft, die Staatsgewalt den feudalen Grundbesitzern und der Großbourgeoisie, der Kapitalistenklasse, aus der Hand nahm.

Nach seiner Machtergreifung schafft das Proletariat die bürgerliche Demokratie ab und ersetzt sie durch die proletarische Demokratie:

„Das Proletariat ergreift die Macht, wird zur herrschenden Klasse, zertrümmert den bürgerlichen Parlamentarismus und die bürgerliche Demokratie, unterdrückt die Bourgeoisie, unterdrückt alle Versuche aller anderen Klassen, zum Kapitalismus zurückzukehren; es gibt den Werktätigen wirkliche Freiheit und Gleichheit (was nur bei Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln zu verwirklichen ist), gibt ihnen nicht nur ,Rechte’, sondern die reale Nutzung dessen, was der Bourgeoisie weggenommen worden ist.“ (LW 29, S. 503f.)

Somit bedeutet die Diktatur des Proletariats Demokratie für das Volk und Diktatur über die Kapitalisten:

Im Jahre 1949 übernahmen die Arbeiter und Bauern Chinas unter Führung der Kommunistischen Partei mit Mao Tsetung an der Spitze die Macht durch Waffengewalt und errichteten die demokratische Diktatur des Volkes, d.h. eine Form der Diktatur des Proletariats, die den besonderen Bedingungen Chinas entsprach. Sie unterscheidet sich von der sowjetischen Form in bestimmten Zügen, die im nächsten Kapitel behandelt werden, dem Wesen nach aber ist sie das gleiche:

„Wer ist das Volk? Im gegenwärtigen Stadium setzt sich das Volk in China aus der Arbeiterklasse, der Bauernschaft, dem städtischen Kleinbürgertum und der nationalen Bourgeoisie zusammen. Unter Führung der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei schließen sich diese Klassen zusammen, um ihren eigenen Staat zu bilden und ihre eigene Regierung zu wählen; sie üben eine Diktatur, eine Alleinherrschaft über die Lakaien des Imperialismus aus — über die Grundherrenklasse und die bürokratische Bourgeoisie sowie ihre Repräsentanten, nämlich die Kuomintang-Reaktionäre und deren Helfershelfer —, unterdrücken diese Leute, gestatten ihnen nur, sich gut aufzuführen, und verbieten ihnen, sich in Wort und Tat ungehörig zu benehmen. Wenn sie sich in Wort oder Tat ungehörig benehmen, werden diese Leute sofort in ihre Schranken gewiesen und bestraft werden. Innerhalb des Volkes wird jedoch die Demokratie verwirklicht. Das Volk genießt das Recht auf Rede-, Versammlungs-, Koalitionsfreiheit und andere Freiheiten. Das Stimmrecht wird nur dem Volk, nicht aber den Reaktionären zugestanden. Diese beiden Seiten, die Demokratie für das Volk und die Diktatur über die Reaktionäre bilden zusammen die demokratische Diktatur des Volkes.“ (MaW 4, S. 445)

2. DER KLASSENKAMPF GEHT WEITER

Der Klassenkampf hört nach dem Sturz der Bourgeoisie nicht auf. Im Gegenteil, er hält für eine lange Zeit an, und in vieler Hinsicht wird er noch schärfer:

Während dieser Periode muß die Diktatur des Proletariats aufrechterhalten bleiben, um den andauernden Widerstand der Bourgeoisie zu unterdrücken, um die wirtschaftliche Basis durch die Ersetzung der kapitalistischen Produktion durch die sozialistische umzugestalten und um die Revolution auf den ideologischen Bereich auszudehnen:

Vor kurzem wurde Lenins Anschauung durch Mao Tsetung erneut bestätigt:

„Diese Große Proletarische Kulturrevolution ist absolut notwendig und wird genau zur rechten Zeit durchgeführt, um die Diktatur des Proletariats zu festigen, die Restauration des Kapitalismus zu verhüten und den Sozialismus aufzubauen.“ (Bericht des ZK auf dem IX. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas)

3. DER IDEOLOGISCHE KAMPF

Die besonderen Kennzeichen kleinbürgerlicher Ideologie stammen aus der sozialen Lage des Kleinbürgers als Kleineigentümer. Auf Grund dieser Eigenschaft hat er ein Interesse an der Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft. Aber da er gleichzeitig von den großen Eigentümern ausgebeutet wird, ist er in ständiger Gefahr, ruiniert und in das Proletariat hinabgestoßen zu werden. Da er sich in einer unsicheren Lage zwischen den beiden sich bekämpfenden Hauptklassen befindet, neigt er dazu, hin und her zu schwanken:

Im Kampf um die Gewinnung der Kleinbourgeoisie muß das Proletariat den gleichen Kampf in den eigenen Reihen führen. Es ist ja selbst historisch aus der kleinbürgerlichen Schicht in Stadt und Land entstanden und erhält darüberhinaus laufend Zuwachs aus derselben Quelle. Der Kampf gegen die Großbourgeoisie nimmt die Gestalt einer offenen Konfrontation zwischen Kapital und Arbeit an, der Kampf gegen die kleinbürgerliche Ideologie ist jedoch weitgehend ein Kampf in den Reihen der Arbeiterklasse selbst:

„Eine der tiefsten Ursachen, die periodisch taktische Differenzen erzeugen, ist die Tatsache des Wachstums der Arbeiterbewegung selbst. Mißt man diese Bewegung nicht mit dem Maß irgendeines phantastischen Ideals, sondern betrachtet sie als praktische Bewegung gewöhnlicher Menschen, dann wird klar, daß die Gewinnung immer neuer ,Rekruten’, die Einbeziehung neuer Schichten der werktätigen Masse unvermeidlich von Schwankungen in Theorie und Taktik, von Wiederholungen alter Fehler, von einer zeitweiligen Rückkehr zu veralteten Anschauungen und veralteten Methoden usw. begleitet sein muß.“ (LW 16, S. 354)

„Nirgends in der Welt ist die proletarische Bewegung ,mit einem Schlage’ entstanden, nirgends konnte sie so entstehen, konnte sie in klassenmäßig reiner Form fertig zur Welt kommen, so wie Minerva dem Haupte Jupiters entstieg. Erst durch lange Kämpfe und mühevolle Arbeit der fortgeschrittensten Arbeiter, aller klassenbewußten Arbeiter gelang es, die proletarische Klassenbewegung von kleinbürgerlichen Beimengungen, Beschränktheiten, Einengungen und Entartungen aller Art zu befreien und sie zu festigen. Die Arbeiterklasse lebt Seite an Seite mit dem Kleinbürgertum, dessen Ruin in die Reihen des Proletariats stets neue und neue Hinzukömmlinge treibt.“ (LW 20, S. 250)

„Überall in der Welt hat das Proletariat, das unvermeidlich in jeder kapitalistischen Gesellschaft durch Tausende von Verbindungsfäden mit dem Kleinbürgertum verknüpft ist, in der Periode der Entstehung der Arbeiterparteien eine Zeit mehr oder weniger langwieriger und beharrlicher ideologisch politischer Unterordnung unter die Bourgeoisie durchgemacht. Diese allen kapitalistischen Ländern gemeinsame Erscheinung nahm in den verschiedenen Ländern, je nach den historischen und ökonomischen Besonderheiten, verschiedene Formen an.“ (LW 20, S. 267)

Dieser Kampf innerhalb der Arbeiterbewegung ist eine notwendige Vorbereitung auf die Revolution, da in einer revolutionären Situation selbst solche Meinungsverschiedenheiten, die vorher unwichtig zu sein schienen, auf einmal entscheidend werden können:

Nach der Revolution muß das Proletariat den ideologischen Kampf durch die ganze Periode des sozialistischen Aufbaus weiterführen, solange die Basis kleinbürgerlicher Ideologie, die Kleinproduktion, noch vorhanden ist.

4. „LINKER“ UND RECHTER OPPORTUNISMUS

Die hauptsächlichen kleinbürgerlichen Strömungen in der Arbeiterbewegung sind in der Reihenfolge ihrer Entwicklung Anarchismus, Syndikalismus, Reformismus und Revisionismus.

Der Anarchismus entstand in Rußland. Einer seiner Führer, Bakunin, opponierte in der Ersten Internationale gegen Marx. Marx lehrt, daß der Staat als Instrument der Klassenherrschaft so lange besteht, wie die Gesellschaft in Klassen geteilt ist. Die Aufgabe des Proletariats ist es nicht, den Staat überhaupt abzuschaffen, sondern den bürgerlichen Staat durch den proletarischen Staat zu ersetzen. Denn nur so können die Bedingungen geschaffen werden zum endgültigen Verschwinden der Klassen. Nach Bakunin aber ist die Abschaffung des Staates die unmittelbare Aufgabe, die die Arbeiter lösen müssen; und zwar nicht durch die Bildung einer Arbeiterpartei, ja überhaupt nicht durch den politischen Kampf, sondern durch die direkte Aktion. Die Anarchisten konnten nicht verstehen, daß die Abschaffung des Staates einer zukünftigen historischen Etappe angehört, die allein über die Diktatur des Proletariats erreicht werden kann:

Der Syndikalismus ist dem Anarchismus eng verwandt. Auch die Syndikalisten lehnen die Diktatur des Proletariats ab. Sie behaupten, daß die Arbeiter durch die Gewerkschaften einen Generalstreik ausrufen, so die Kontrolle der Produktion übernehmen und auf diese Weise den Kapitalismus beseitigen können.

Der Reformismus entstand in England. Die Fabier waren eine Gruppe von Intellektuellen und Arbeiterführern, die die theoretische Grundlage für die Labour Party legten. Ihre Vorstellung von der „Unausweichlichkeit der graduellen Veränderung“ verkörpert das Wesen des Reformismus: die Vorstellung, daß durch eine Reihe von schrittweisen Veränderungen ohne jede qualitative Veränderung, d.h. ohne Revolution, der Kapitalismus in den Sozialismus verwandelt werden kann.

Von England ausgehend, verbreitete sich der Reformismus auch auf dem Festland, besonders in Deutschland, wo er die Form des Revisionismus annahm. Bernstein, ein früherer Marxist, begründete den Revisionismus. Viele seiner Ideen entlieh er den Fabiern (vgl. LW 12, S. 368f.). Der Revisionismus unterscheidet sich vom Reformismus schlicht darin, daß die reformistischen Gedanken als Verbesserungen des Marxismus ausgegeben werden. In Deutschland war der Marxismus zu tief unter den Arbeitern verwurzelt, als daß man ihn hätte ignorieren können. Deshalb wurde er in einer solchen Weise neu ausgelegt, daß er seines revolutionären Inhalts verlustig ging:

Als die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands im Jahre 1903 wieder gegründet wurde, existierten in ihr von Anfang an zwei gegensätzliche Linien, die durch die Bolschewiki vertretene revolutionäre Linie und die durch die Menschewiki vertretene opportunistische Linie:

„In den Sturmjahren 1905—1907 war der Menschewismus eine opportunistische Strömung, die von den liberalen Bourgeois unterstützt wurde und die Schrittmacherin bürgerlich-liberaler Tendenzen in der Arbeiterbewegung war. Anpassung des Kampfes der Arbeiterklasse an den Liberalismus — das war das Wesen dieser Richtung. Der Bolschewismus dagegen stellte den sozialdemokratischen Arbeitern die Aufgabe, die demokratisch gesinnte Bauernschaft allen Schwankungen und Verrätereien des Liberalismus zum Trotz zum revolutionären Kampf zu mobilisieren.“ (LW 21, S. 335)

So können wir sagen, daß beide, Anarchismus und Reformismus (oder Opportunismus), kleinbürgerliche Tendenzen in der Arbeiterbewegung sind, die, obwohl sie sich gegenseitig bekämpfen, gleichzeitig vereint den Kampf gegen den Marxismus führen. Um diese Einheit auszudrücken, benutzt Mao Tsetung den Begriff „Opportunismus“ für beide Strömungen und unterscheidet zwischen „linkem Opportunismus“ (Anarchismus und Syndikalismus) und „rechtem Opportunismus“ (Reformismus und Revisionismus):

„Die Geschichte lehrt uns, daß richtige politische und militärische Linien nicht spontan und friedlich, sondern im Kampf entstehen und sich entwickeln. Der Kampf für diese Linien muß einerseits gegen den ,linken’ Opportunismus, andererseits gegen den Rechtsopportunismus geführt werden. Wenn man diese schädlichen Abweichungen, die die Revolution und den revolutionären Krieg gefährden, nicht bekämpft und restlos überwindet, ist es unmöglich, eine richtige Linie auszuarbeiten und im revolutionären Krieg zu siegen.“ (MaW 1, S. 227)

Innerhalb der Partei zeigen sich opportunistische Tendenzen gewöhnlich in zwei Formen, Ängstlichkeit oder „Nachtrabpolitik“ als Konsequenz der Überschätzung des Feindes, und Ungestüm oder „Abenteurertum“ als Folge der Unterschätzung des Feindes. Der rechte Opportunist hinkt gewöhnlich hinterher, der „linke“ Opportunist hat die Angewohnheit vorauszurennen: