Von rohen Sitten und hohlen Köpfen - Hans-Jochen Vogel - E-Book

Von rohen Sitten und hohlen Köpfen E-Book

Hans-Jochen Vogel

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Beschreibung

Hans-Jochen Vogel, der bekannte Politiker und Jurist, stellt in diesem Buch ein weiteres Mal kuriose Rechtsvorschriften aus dem königlichen Bayern vor, mit denen er bei der damaligen Bereinigung des bayerischen Landesrechts befasst war. Humorvoll kommentiert er die manchmal skurril erscheinenden Verordnungen und Gesetze. So war es zum Beispiel verboten, in der Stadt seine natürlichen Geschäfte zu erledigen, da vor allem im Winter für andere Fußgänger Rutschgefahr bestand. Bei den vielen Kutschen mussten bestimmte Vorfahrtsregeln beachtet werden, damit niemand durch Überfahren oder Überreiten zu Schaden kam. Daneben galt es, vor allem Müßiggang abzuwenden. Mit dieser Sammlung lässt der ehemalige Oberbürgermeister von München ein Stück Geschichte wieder lebendig werden.

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LESEPROBE zuVollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2016

© 2016 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelbild: © Jörg Hackemann – Fotolia.com

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

eISBN 978-3-475-54567-2 (epub)

Worum geht es im Buch?

Hans-Jochen Vogel

Von rohen Sitten und hohlen Köpfen

Hans-Jochen Vogel, der bekannte Politiker und Jurist, stellt in diesem Buch ein weiteres Mal kuriose Rechtsvorschriften aus dem königlichen Bayern vor, mit denen er bei der damaligen Bereinigung des bayerischen Landesrechts befasst war. Humorvoll kommentiert er die manchmal skurril erscheinenden Verordnungen und Gesetze. So war es zum Beispiel verboten, in der Stadt seine natürlichen Geschäfte zu erledigen, da vor allem im Winter für andere Fußgänger Rutschgefahr bestand. Bei den vielen Kutschen mussten bestimmte Vorfahrtsregeln beachtet werden, damit niemand durch Überfahren oder Überreiten zu Schaden kam. Daneben galt es, vor allem Müßiggang abzuwenden. Mit dieser Sammlung lässt der ehemalige Oberbürgermeister von München ein Stück Geschichte wieder lebendig werden.

Inhalt

Vorwort zur 1. Auflage

I. TEIL: BAYERISCHE GESETZE, VERORDNUNGEN UND BEKANNTMACHUNGEN

1. Handwerksmissbräuche der Färbergesellen

2. Korrespondenz der kurfürstlichen Behörden

3. Dass den Postkutschen ausgewichen werden soll

4. Landwirtschaft und Beamte

5. Warnung vor Schatzgräberei und Aberglauben

6. Bekanntmachung, den Winterbiersatz betreffend

7. Gesetze und Vorschriften für die Gymnasien

8. Missbräuche bei Leichen auf dem Lande

9. Eigenmächtige Entfernung der Beamten

10. Überweisung liederlicher Menschen zum Militär

11. Büchertrödler auf dem Lande

12. Das sittliche Betragen der Akademiker

13. Verordnung über Dachrinnen

14. Bierausschank an Straßenarbeiter

15. Titulatur des Kurfürsten

16. Uniformen der Landgerichtsärzte

17. Übersicht über die im Jahre 1804 prozessierten und abgeurteilten Übeltäter

18. Bezeichnung der königlichen Ämter

19. Begräbnisfeierlichkeiten beim Bürgermilitär

20. Einhaltung der Lotto-Gesetze

21. Hochzeit auf dem Lande

22. Papierformat bei Behörden

23. Konstitution für das Königreich Bayern

24. Eidesformel der Postbeamten

25. Erhöhung des Staatsministers Freiherr von Montgelas in den Grafenstand

26. Allerhöchste Zufriedenheits-Bezeugung

27. Eingaben protestantischer Pfarramtskandidaten

28. Aufruf zur Unterstützung Not leidender Dörfer

29. Handwerksmissbrauch der Nagelschmiede

30. Geschäftsstunden bei den Behörden

31. Ausländische Handwerksburschen betreffend

32. Privilegium für eiserne Kunststraße und Wagen

33. Schussgeld für die Erlegung eines Wolfes

34. Privilegium für Alois Senefelder

35. Vollmacht des Königs anlässlich einer Badereise

36. Regierungsantritts-Erklärung König Ludwigs I.

37. Wirkungskreis der Staatsministerien

38. Ordensverleihung an den Staatsminister von Goethe

39. Behandlung anonymer Eingaben

40. Bildung politischer Vereine

41. Gebührenordnung der chirurgischen Bader

42. Statuten der Ludwigs-Eisenbahngesellschaft zu Nürnberg

43. Uniform der königlichen Hofmaler

44. Verwendung der schulpflichtigen Jugend in Fabriken

45. Unterdrückung des Sklavenhandels

46. Bekanntmachung über die Dienstkleidung des Post- und Eisenbahn-Personals

47. Anwendung des Chloroforms bei Operationen

48. Thronverzicht König Ludwigs I.

49. Aufruf des Königs zur Beteiligung an der Wahl zur Nationalversammlung

50. Gesetz, die Einkommenssteuer betreffend

51. Abschaffung der Strafen des bürgerlichen Todes, der öffentlichen Ausstellung und der Brandmarkung

52. Anrede der Benediktineräbte

53. Bestimmung eines Dienstzeichens für Bezirksgerichtsbeamte

54. Vollzug der Freiheitsstrafen durch Einzelhaft

55. Vorfahrt des Königs und der Mitglieder des königlichen Hauses

56. Einführung einer Hundesteuer

57. Tapezierung der Gerichtssäle

58. Eisenbahnverkehrsordnung

59. Ordnung für den Posttransport

60. Anforderungen an Rekruten der Kavallerie

61. Vereinfachung des Schriftverkehrs

62. Anrede des Prinzregenten

63. Verkehr mit Motorfahrzeugen

II. TEIL: BEKANNTMACHUNGEN DER KÖNIGLICHEN POLIZEIDIREKTION MÜNCHEN UND ANDERE BEKANNTMACHUNGEN, DIE SICH NUR AUF MÜNCHEN BEZIEHEN

64. Die Erweiterung des Eisenmanngässchens in München

65. Die bürgerlichen Gewerbe in München

66. Status des Magistrats der Stadt München

67. Maskentreiben auf den Straßen

68. Wider das willkürliche Aufbrechen des Straßenpflasters

69. Entleerung natürlicher Bedürfnisse auf den Straßen

70. Tabakrauchen auf den Straßen

71. Verbot von Zusammenkünften der Studierenden

72. Die unredlich erworbene Tabakspfeife

73. Schlaftränkchen für Kleinkinder

74. Unachtsamkeit der Fußgänger

75. Ausweichen der Fuhrwerke und übermäßiges Peitschenknallen

76. Verbreitung beunruhigender Nachrichten

77. Bierverfälschungsmittel

78. Auswanderung des Ferdinand Tischl nach Preußen

79. Fahren mit Velocipédes

80. München-Nymphenburger Trambahn

Nachwort

Abkürzungen

Vorwort zur 1. Auflage

Vor über 40 Jahren habe ich als junger Amtsgerichtsrat in der bayerischen Staatskanzlei an der sogenannten Bereinigung des bayerischen Landesrechts mitgewirkt. Die in Bayern geltenden landesrechtlichen Vorschriften waren zu dieser Zeit über mehr als 170 Bände der seit 1802 erschienenen amtlichen Verkündigungsblätter verstreut und deshalb auch für Experten mitunter nur schwer zu finden. Bei vielen war auch zweifelhaft, ob sie überhaupt noch in Kraft waren. Selbst von den formal noch geltenden Vorschriften erschienen viele als entbehrlich. Wilhelm Hoegner, damals Bayerischer Ministerpräsident, erteilte deshalb den Auftrag, die wirklich noch notwendigen Vorschriften herauszusuchen und in einer neuen Sammlung zusammenzufassen. Das geschah und diese Sammlung umfasste dann übersichtlich geordnet statt der bisherigen, mehrere Regale füllenden Bände nur noch ganze vier. Alle in die neue Sammlung nicht aufgenommenen Vorschriften setzte der Bayerische Landtag durch ein eigenes Gesetz außer Kraft. Die übrigen Bundesländer und der Bund selbst sind dem bayerischen Beispiel alsbald gefolgt.

Ich habe auf diese Weise über 20 000 Vorschriften und Bekanntmachungen zur Hand nehmen müssen. Später kamen noch einmal einige hundert Münchner Vorschriften hinzu, weil ich als Rechtsreferent eine entsprechende Bereinigung auch für das Münchner Stadtrecht durchgeführt habe. Mir wurde bei dieser Arbeit deutlich, wie viel sich aus alten Gesetzen und Verordnungen über die Geschichte unseres Landes entnehmen lässt. Vielleicht nicht so sehr über die sogenannte »große« Geschichte. Aber doch über die Verhältnisse, in denen die Menschen seinerzeit lebten, über ihre Freuden und Sorgen, über die Art und Weise, in der die Obrigkeit mit ihnen umging, über den Geist, der damals in Bayern herrschte und nicht zuletzt über die Sprache, die damals – jedenfalls in den behördlichen Kanzleien – gesprochen und geschrieben wurde.

Solche Hinweise waren früher zahlreicher als heute, weil das 19. Jahrhundert noch nicht so scharf zwischen Rechtsvorschriften, Verwaltungsanordnungen und einfachen Mitteilungen unterschied, wie das später üblich wurde. Es tauchen daher immer wieder auch belehrende Texte, Abmahnungen und sonstige Nachrichten auf, in denen uns das damalige Leben ganz konkret vor Augen tritt. Ich hielte es für bedauerlich, wenn auch solche Texte nur noch in den Archiven zu finden wären. Deshalb habe ich schon Anfang der sechziger Jahre eine Zusammenstellung von Vorschriften und Bekanntmachungen veröffentlicht, die mir in diesem Sinne besonders charakteristisch erschienen.

Der von verschiedenen Seiten geäußerten Anregung, diese längst vergriffene Zusammenstellung neuerdings herauszubringen, komme ich mit dem vorliegenden Bändchen gerne nach. Zum besseren Verständnis habe ich die Texte diesmal mit knappen Erläuterungen und Bemerkungen versehen. Aber das Hauptgewicht liegt auf den Texten selbst. Ihr Wortlaut vermittelt einen viel unmittelbareren Eindruck, als das eine noch so bemühte Nacherzählung in unserer heutigen Sprache könnte. Deshalb ist bei den Texten auch die seinerzeitige Schreibweise beibehalten worden.

Über manches, was da zu lesen ist, wird man schmunzeln. Man wird es ergötzlich finden und vielleicht sogar meinen, dass wir es doch inzwischen viel weiter gebracht hätten. Das ist auf etlichen Gebieten sicher richtig; denken wir an unsere demokratische und unsere – allerdings gerade jetzt wieder lebhaft umkämpfte – sozialstaatliche Ordnung oder an unseren materiellen Lebensstandard denken. Aber ungeachtet aller solcher Fortschritte: In einem war uns die damalige Zeit über. Sie war geruhsamer und gemächlicher, mehr den kleinen und überschaubaren Dingen zugewandt als unsere hektische, von Reizen aller Art überflutete, da und dort schon aus der realen in eine virtuelle Wirklichkeit flüchtende und von der Vorstellung eines grenzenlosen Wachstums angetriebene Gegenwart.

Mir hat die erneute Beschäftigung mit einem Stück bayerischer Vergangenheit Vergnügen bereitet. Ich hoffe, dass es den Leserinnen und Lesern ebenso geht. Und dass sie nach der Lektüre ein wenig besser verstehen, was es mit den bayerischen Traditionen, der bayerischen Eigenart und der bayerischen Eigenständigkeit auf sich hat und warum es sich lohnt, sie auch in Zukunft zu pflegen.

Behilflich waren mir außer dem Verlag und seinem Lektor in der einen oder anderen Weise Herr Professor Dr. Prinz, Herr Dr. Rumschöttel, Präsident der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns, Herr Dr. Bauer, Leiter des Stadtarchivs der Landeshauptstadt München, und ihre Mitarbeiter. Ihnen allen gilt mein Dank.

Erstes Wappen des Königreiches Bayern (1806)

Dieses Wappen wurde von König Max 1. Joseph durch Verordnung vom 20. Dezember 1806 eingeführt und bis zum Jahre 1835 verwendet. Die Rauten repräsentieren die verschiedenen, zum Königreich zusammengeschlossenen Territorien. Das Mittelschild enthält als Symbole der Souveränität Zepter, Schwert und Königskrone.

1.Handwerksmissbräucheder Färbergesellen(1801)

Diese Verordnung stammt noch aus der Zeit vor der Erhebung Bayerns zum Königreich. Kurfürst war damals, als Nachfolger des wenig beliebten Carl Theodor, Maximilian I. Josef, der spätere König Max I. Die Generallandesdirektion war für Altbayern zuständig und für diese Gebiete so etwas wie ein Landesverwaltungsamt.

Der Inhalt der Verordnung lässt erkennen, dass es Anfang des neuzehnten Jahrhunderts, bei den Handwerksgesellen recht lebensfroh zuging. Fremden Handwerksburschen begegnete man mit bemerkenswerter Fürsorge. Ob die einheimischen Gesellen wirklich nur so widerwillig mitzechten und mitaßen, wie es im Text heißt, mag man bezweifeln. Wahrscheinlich missfiel der Brauch eher den Meistern, deren Gesellen nach durchzechter Nacht wenig arbeitsfreudig gewesen sein dürften. Auffällig ist auch, dass die Aufeinanderfolge von drei oder gar vier Feiertagen damals offenbar nichts Ungewöhnliches war.

Dass sich die Generallandesdirektion in einer eigenen, im Regierungsblatt bekannt gemachten Verlautbarung mit dem in Rede stehenden Missbrauch befasst, zeigt die Bedeutung des Handwerks in jener Zeit. Zugleich spricht daraus der Geist der Aufklärung und die Überzeugung, dass die Obrigkeit zur fürsorglichen Reglementierung aller Lebensverhältnisse berufen sei. Die Verordnung ist auch ein erstes Beispiel für den Stil, in dem damals solche Vorschriften abgefasst wurden. Er kommt uns heute reichlich geschraubt und umständlich vor, sollte seinerzeit aber wohl den Bildungsstand und die Bedeutung dessen hervorheben, der sich so ausdrückte.

Der churfürstlichen höchsten Stelle ist jener Mißbrauch des Färberhandwerks unterthänigst angezeigt worden, nach welchem jeder fremde Gesell, der an einem Feyerabende angekommen, nicht nur von dem Meister, welchen eben die Reihe getroffen hat, reichlich verpflegt wird, sondern auch am Feyertage Abends um zwey Uhr von den in Arbeit stehenden Gesellen übernommen, auf die Herberge geführt, dort bis sieben Uhr, und nach dem Abendessen mehrmals bis 10 oder 11 Uhr mit Bier, Brod, und Toback in der Zeche muß freygehalten werden.

Hiebey konnten dieselben nicht etwa mit der ohnehin kostbaren Entrichtung dessen, was der Fremde verzehrt, sich von Zeitversäumniß, und eigenem unnöthigen Aufwande loskaufen, sondern sie waren noch überdieß gezwungen, dieser Schlemmerey selbst beyzuwohnen, und widerwillig mitzuzechen.

Um aber das Vernunftwidrige und Nachtheilige dieses Unfugs auf das höchste zu treiben, mußte jener Aufwand an jedem der unmittelbar nachfolgenden Feyertage, wären ihrer auch drey oder vier, wiederholt werden.

In gerechter Mißbilligung dieses Handwerks-Mißbrauches, welcher den Müßiggang und die Schlemmerey eben so unterstützt, wie er Meister und arbeitende Gesellen empfindlich drückt, folglich auf die Industrie, und das Publikum schädlichst zurückwirkt, wird beschlossen:

1.Daß dieser Mißbrauch des sogenannten Auszechens im ganzen Lande durchgehends aufgehoben sey, und

2.die Uebertretung mit empfindlicher Strafe belegt werden solle, welche die Ortsobrigkeiten nach Umständen gesetzlich zu bestimmen haben; indem

3.die Gesellen zum Unterhalt des wandernden Fremden weder etwas zu leisten schuldig, noch auch das Auszechen freywillig fortzusetzen berechtiget, auch

4.die Meister außer dem, womit sie den Fremden unter der Zeit der Umfrage um Arbeit nothdürftigst unterstützen wollen, zu nichts verbunden sind.

Die Polizeystellen haben diese gnädigste Verordnung den Handwerksladen der Färber zu eröffnen, sie zu gehorsamsten Befolgung derselben anzuweisen, sich selbst aber schuldigst darnach zu achten.

München den 23sten Dezember 1801.

Churfürstliche General-Landesdirektion.Freyherr von Weichs, Präsident.

Sekretär Kroiß.

(Bekanntmachung vom 23. Dezember 1801, RBl. 1802 Sp. 18)

2.Korrespondenzder kurfürstlichen Behörden(1802)

Auch für diesen Text gilt: Gelehrter bayerischer Kanzleistil ist nicht immer leicht verständlich! Die Anweisung für den Schriftverkehr der kurfürstlichen Behörden – heute würde man wohl von einer Geschäftsordnung sprechen – stellte allerdings gegenüber dem früheren Zustand schon eine gewisse Vereinfachung und Vereinheitlichung dar.

Bemerkenswert der feine Unterschied zwischen »requirieren« und »ersuchen« bei Anforderungen an die Militärbehörden. Er ist abhängig vom Rang der Behörde, von der die Anforderung ausgeht. Zumindest der Begriff »requirieren« könnte übrigens als ein gewisser Primat der Zivilbehörden gedeutet werden. Oder auch die Bestimmung, dass bei Amtsschreiben an die Parteien »mit Weglassung aller Eingangs- und Schlussformeln lediglich die Sache selbst abzuhandeln« und »der Redesatz in der dritten Person zu beobachten« ist. Typisch für die damalige Zeit die Schlussbestimmung, derzufolge bei den Korrespondenzen »die Beobachtung der geziemenden höflichen Schreibart nach der stufenweisen Verschiedenheit der Stellen und der Grade der Individuen nie außer Betracht zu lassen« ist. Man lebte eben noch in einer streng hierarchisch gegliederten Gesellschaft und erachtete den, der mit einer Behörde zu tun hatte, mehr als Untertan denn als einen Staatsbürger mit eigenen Rechten.

Übrigens: Die gesamte Korrespondenz, von der hier die Rede ist, wurde ausnahmslos mit der Hand erledigt. Und zwar zumeist in einer für jedermann leserlichen Schrift!

Bereits unterm 1sten Novembers 1801 ist die höchste Entschließung in Betreff der Titulatur bey churfürstlichen unmittelbaren und Kollegialausfertigungen zur allgemeinen Nachachtung bekannt gemacht worden.

Nachdem aber seitdem verschiedene Anfragen gestellt, und mehrere andere auf den Geschäftsstyl und die ämtliche Korrespondenzart Bezug habende Gegenstände in Erinnerung gebracht worden sind; so will man in Gemäßheit der hierüber noch weiters erfolgten höchsten Entschließungen folgende Vorschriften hiemit zur ungesäumten Befolgung allgemein bekannt machen.

1.Durch die Abänderung der Titulatur wollen Seine Churfürstliche Durchlaucht auf keine Art die Würde und das Ansehen der Stellen gemindert wissen.Es sollen daher in den Berichten und Vorstellungen bisher in Uebung gewesene Ausdrücke, durch welche den höheren Landesstellen die schuldige Verehrung und der gebührende Gehorsam bezeigt worden sind, als »ehrfurchtsvollest empfehlend, unterthänigst gehorsamst,« u.dgl. um so mehr beybehalten werden, als diese Stellen immer unter der Voraussetzung: »Im Namen Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu Pfalzbaiern« befehlen und erkennen.

2.In den Unterschriften der berichtgebenden Behörden ist die vorige Submißion dergestalt zu beobachten, daß nach der Benennung der Stelle oder des Amtes die vorige Unterzeichnungsart rechts unten im Ecke mit dem Beysatze: unterthänigst gehorsamst beybehalten werde. Z.B.

Churfürstliche Regierung

N.N.

unterthänigst gehorsamste

N.N. Präsident.

N.N. Referent.

N.N. Sekretär.

Churfürstliches Landgericht

N.N.

untertänigst gehorsamste

N. N. Landrichter.

N.N. Gerichtschreiber.

3.Nach der Analogie der höheren Kollegien ist auch die Korrespondenz der unteren Behörden unter sich und an die Partheyen einzurichten, alle persönlichen Anreden, mithin Titulaturen, Beziehungen und Schlußformeln wegzulassen, und bloß unter Benennung, Unterschrift und Aufschrift des Amtes, des bürgerlichen Magistrats oder sonstiger Stelle gegen einander zuzuschreiben: auch hat im Kontext alles wegzubleiben, was auf eine persönliche Karakterisirung Bezug hat, ohne jedoch bey der Einkleidung des Styls die verhältnismäßige Achtung zu vernachläßigen.

4.Anstatt der bisherigen gradweisen Signaturen und Amtsschreiben haben die unteren Behörden in Zukunft an die Partheyen einerley Ausfertigungen oben mit der Ueberschrift des Amtes, z. B.

Von Churfürstlichen Hofoberrichteramtswegen.

Von Churfürstlichen Landgerichtswegen.

Dann am Ende mit der Unterschrift des Beamten, mit Weglassung aller Eingangs- und Schlußformeln einzuführen, lediglich die Sache selbst abzuhandeln, und hiebey den Redesatz in der dritten Person zu beobachten.

5.Anstatt der bisher üblichen Privatsignete der Beamten in den Amtsausfertigungen sollen gleichförmige Amtssignete mit den kleineren Wappen von drey Feldern, (wie es sich oben an dem Regierungsblatte befindet) mit der Umschrift des Amtes gebraucht werden. Jedoch soll dieses erst nach der Organisation der Aemter vollzogen werden.

6.In jenen dringenden Fällen, wo nach der höchsten Kabinetsordre vom 4ten Dezember 1801 die Benehmung einer Civilstelle mit einem Militärkommando oder einer Militärsperson nothwendig wird, soll die höchste Vorschrift vom 9ten Oktober 1801 beobachtet werden.

7.Die oberen Justiz- und administrativen Landesstellen sollen in ihren erlassenden Signaturen an Subaltern- und Staabsoffiziere bis zum Obersten einschlüßig, wenn diese ein Kommando führen, folgende Kourtoisie gebrauchen:

Von Seite der Landesdirektion. – Regierung N. N. wird der churfürstliche Oberste und Kommandirende Offizier des Regiments N. N. requirirt, etc. etc.

8.Bey den höheren Divisions- oder Brigadebehörden ist statt des einzurückenden Karakters des kommandirenden Offiziers zu setzen:

Ein churfürstliches Divisions- (Brigade-) Kommando zu N. N. etc. etc.

9.Die unteren Stellen, Beamten etc. etc. haben sich in ihren Schreiben statt des Ausdrucks r e q u i r i r t, des Wortes e r s u c h t zu bedienen, z. B.

Von Seite des Landgerichts N.N. wird der Herr Oberste und Kommandirende Offizier des Regiments N. N. ersucht, etc. etc.

10.Uebrigens ist allen solchen Korrespondenzen die Beobachtung der geziemenden höflichen Schreibart nach der stufenweisen Verschiedenheit der Stellen, und der Grade der Individuen nie außer Acht zu lassen.Nach dieser gnädigen Bestimmung haben sich daher sämtliche Behörden durchgehends zu achten.

München den 15ten Februar 1802.

Churfürstliche General-Landesdirektion Freyherr von Weichs, Präsident

Eisenrieth, Sekretär.

(Bekanntmachung vom 15. Februar 1802, RBl. Sp. 125)

3.Dass den Postkutschenausgewichen werden soll(1802)

Gewisse Unarten mancher Verkehrsteilnehmer sind offenbar zeitlos und waren schon lange vor der Erfindung des Autos immer wieder zu beobachten. Anschaulich zeigt das diese Verordnung, die daran erinnert, dass vor 200 Jahren die Postkutsche das einzige öffentliche Verkehrsmittel war. Zugleich stellt der Text einen sehr frühen Ansatz zu einer Straßenverkehrsordnung dar.

Man hat die Anzeige erhalten, daß zur Beschwerde der Reisenden auf den Post- und Landstrassen den Posten von den andern Fuhren vielfältig nicht ausgewichen, und selbe öfters sogar im Vorbeyfahren geflissentlich gehindert werden.

Damit nun diese Beschwerde gehoben, die Reisenden nicht aufgehalten, und die hiebey oft sich ereignenden Unglücksfälle vermieden werden, will man hiemit die ernstliche Verordnung allgemein bekannt machen, daß den Posten auf das durch das Posthorn gegebene Zeichen jedesmal von den andern Fuhren nach Möglichkeit ausgewichen werden solle.

München den 19ten July 1802.

Churfürstliche General-Landesdirektion.Freyherr von Weichs, Präsident.

Eisenrieth, Sekretär.

(Bekanntmachung vom 19. Juli 1802, RBl. Sp. 125)

4.Landwirtschaftund Beamte(1802)

Unlautere Machenschaften im öffentlichen Dienst, bei denen das Amt für persönliche Interessen missbraucht wurde, hat es offensichtlich schon damals gegeben. Für unser Sprachempfinden ist auffällig, dass man das als »Unfug« bezeichnete. »Ehehalten« ist eine alte Bezeichnung für Knechte und Mägde. Interessant, dass Beamte offenbar in erklecklicher Zahl mit »Ökonomien« versehen, also neben ihrem Amt als Gutsbesitzer oder Landwirte tätig waren. »Düngen« ist wohl ein Druckfehler, gemeint ist wahrscheinlich »dingen«.

Man hat die unangenehme Bemerkung gemacht, daß einige churfürstliche Beamte, welche bey ihrem Dienste Feldbau besitzen, die hiezu nothwendigen Taglöhner, und Dienstbothen durch die Gerichtsdiener aufbiethen lassen; dieser Unfug wird gänzlich, und für allzeit abgeschafft, den mit Oekonomien versehenen Beamten aber aufgetragen, künftig sich ihre Tagwerker und Ehehalten ordnungsmäßig zu düngen.

München den 2ten July 1802.

Churfürstliche General-Landesdirektion.Freyherr von Weichs, Präsident.

Raßhofer, Sekretär.

(Bekanntmachung vom 2. Juli 1802, RBl. Sp. 513)

5.Warnung vor Schatzgräbereiund Aberglauben(1802)

»Schatzgräber« waren Leute, die behaupteten auf den Grundstücken von Landwirten kostbare Schätze heben zu können – und dabei an ihren gutgläubigen Kunden gar nicht schlecht verdienten. Auch ansonsten müssen abergläubische Vorstellungen in der damaligen Zeit weit verbreitet gewesen sein. Allerdings sollten wir über dergleichen Erscheinungen nicht zu laut lachen: Auch in unseren vermeintlich so aufgeklärten Zeiten fallen bekanntlich nicht wenige auf betrügerische Tricks skrupelloser Zeitgenossen herein.

Die hier ausgesprochene Warnung zeigt, wie zur damaligen Zeit eine fürsorglich-aufklärerische Obrigkeit in der tiefen Unwissenheit des Volkes die »Quelle … aller moralischen Unordnungen« sah. Bemerkenswert die Art und Weise, in der die Pfarrer von der weltlichen Obrigkeit »als Lehrer des Volkes« in Anspruch genommen wurden. Das hängt auch damit zusammen, dass im Zuge der Entwicklung zur Staatskirche viele von ihnen vom König ernannt wurden.

Verschiedene Kriminal-Akten liefern die unangenehmsten Beweise, wie sehr noch der Aberglauben unter dem Landvolke herrsche, und dasselbe den Betrügereyen aller Art, vorzüglich aber der Ueberlistung sogenannter Schazgräber bloßstelle. So mußten jüngst drey Bauernfamilien im Regierungsbezirk Landshut mit einer Beschädigung von 2600 fl. ohne Hofnung eines Ersatzes, diese traurige Erfahrung bezahlen.

Sämtliche Gerichtsbehörden erhalten daher die ernstliche Weisung, die Pfarrer auf dieses große Gebrechen aufmerksam zu machen, und sie aufzufordern, daß sie als Lehrer des Volks ihre Pflichten erfüllen, sohin demselben den nöthigen Unterricht geben, um jene tiefe Unwissenheit, welche die Quelle des schändlichsten Aberglaubens, und aller moralischen Unordnungen ist, endlich aufzuheben, und dem Volke reine Begriffe über die wichtigsten Gegenstände seines Wirkungskreises beyzubringen.

München den 3ten September 1802.

Churfürstliche General-Landesdirektion.Freyherr von Weichs, Präsident.

Rainprechter, Sekretär.

(Bekanntmachung vom 3. September 1802, RBl. Sp. 649)

6.Bekanntmachung,den Winterbiersatz betreffend(1802)

Das Bier hat als Volksgetränk in Bayern stets eine besondere Rolle gespielt und der Bierpreis war deshalb immer auch ein Politikum. Die Vorschrift bemüht sich um einen Ausgleich zwischen den Interessen der »bräuenden Individuen« und denen der Biertrinker. Im vorliegenden Fall hatte ein Vorstoß der Brauer Erfolg; die Bierpreise wurden wegen der hohen Rohstoffkosten um einen Pfennig erhöht.

Pfenningvergeltliches Bier würden sich auch heute sicher viele wünschen. Das Wort »pfenningvergeltlich« ist allerdings ganz aus der Übung gekommen. Man hört zwar noch hin und wieder den Ausdruck »pfenninggut« –aber von »markvergeltlich« spricht niemand. Ein Zeichen dafür, dass unsere Sprache glatter, aber auch blasser geworden ist.

Man hat zwar schon den 10ten September dieses Jahrs einen provisorischen Satz für das dießjährige Winterbier festgesezt, allein da man mehrere seither eingelaufene Vorstellungen bey dem bestehenden hohen Preise der Bräu-Requisiten billig findet; so wird hiemit der gedachte provisorische Satz noch weiter um einen Pfenning erhöhet, so daß die Maaß Schenk- oder Winterbier ausschlüßlich des Stadtpfennings vom Ganter aus, und zwar in den den höheren Satz genießenden Orten auf 14 Pfenninge, in den übrigen aber auf 13 Pfenninge, jedoch auch nur provisorisch gesetzt wird.

Bey dieser Verfügung, welche bis zu der definitiven Regulirung des dießjährigen Biersatzes, welche sehr bald und mit Rücksichtnahme auf alle Umstände vorgenommen werden wird, sämtliche bräuende Individuen zufrieden stellen muß, erwartet man ein gutes und pfenningvergeltliches Bier, und genaue Befolgung des Satzes, worauf auch sämtliche Polizey-Obrigkeiten mit aller Strenge zu wachen haben.

München den 27sten September 1802.

Churfürstliche General-Landesdirektion.Freyherr von Weichs, Präsident.

Rainprechter, Sekretär.

(Bekanntmachung vom 27. September 1802, RBl. Sp. 683)

7.Gesetze und Vorschriftenfür die Gymnasien(1803)

Bei allem Verständnis für frühere Zeiten und aller Neigung, eher zu schmunzeln als zu kritisieren – bei dieser Schulordnung hört der Spaß auf! Ihre Präambel enthält zwar die bemerkenswerte Einsicht, dass sich »auch die hoffnungsvollsten Jünglinge am Ende ihrer Studien … allenthalben überzählig« fühlen und »einer lebenslänglichen Dürftigkeit und unverschuldeten Verzweiflung preisgeben« werden, wenn sie anschließend keine »ehrenvolle sichere Anstellung im Staate erhalten« können. Aber schon die Vermutung, man werde im 19. Jahrhundert ungleich weniger Studierende benötigen als im 18., erscheint absonderlich. Und die Folgerung, man müsse deshalb den Zugang zu den Gymnasien erschweren und den Schulbetrieb bis in die kleinsten Details reglementieren, dürfte heute selbst bei den konservativsten Schulpolitikern keine Zustimmung mehr finden.

In den einzelnen Paragraphen wird dann der junge Mensch nicht als eigene Persönlichkeit, deren Entwicklung es zu fördern gilt, sondern als Objekt behandelt, das nur mit äußerster Strenge und ständiger Überwachung vor sittlicher und moralischer Verwahrlosung bewahrt werden kann. Zu diesem Zweck wird er unter anderem zur ungesäumten Denunziation seiner Mitschüler verpflichtet (§26) und bei unehrerbietigem Verhalten gegenüber seinen Lehrern oder gar dem Rektor mit der Abgabe zum Soldatenstand bedroht (§14).

Unangenehm berührt auch die pathetische Fürsorglichkeit, die sich in vielen Bestimmungen äußert. So etwa bei der Betrachtung über die »Würde« einer öffentlichen Schule und die »ihr in so mancher Hinsicht gebührende Verehrung« (§14) und bei der Anordnung, im Unterricht »feierliche Stille und innige Teilnahme« zu beobachten (§ 15). Oder bei der Empfehlung, außerhalb der Schule anstelle eines Mantels,der nach Ansicht des Verfassers dieser merkwürdigen Regeln erstaunlicherweise die »Reinlichkeit« und den »äußeren Anstand« gefährdet, ein »gutes klassisches Buch« bei sich zu tragen (§ 18).

Dass auch die damaligen Schüler junge Menschen von Fleisch und Blut und keineswegs nur von »berufsmäßiger Lernbegierde« (§ 20) erfüllt waren, ergibt sich zumindest mittelbar daraus, welche ausdrücklichen Verbote für notwendig gehalten wurden. Da wird die Sehnsucht nach Vakanztagen und Ferien missbilligt (§ 20) und die Polizeidirektion angewiesen, die Schüler aus »Wein- und Bierschänken, Bräu- und Kaffeehäusern«, wie auch aus »Spielplätzen, Tanzböden und Maskenbällen«, ja sogar aus öffentlichen Gärten wegzuführen (§ 23). Des Weiteren wird den Jünglingen auferlegt, »wenn die Nacht beginnt, immer schon zu Hause zu sein« (ebenda), »Stutzerei und Modengetändel« als undeutsch zu unterlassen (§ 32), auf öffentlichen Straßen nicht zu jauchzen, zu lärmen, zu pfeifen, zu schreien und zu rumoren (§ 33) und sich roher grober Ausdrücke, sogenannter Spitznamen und bitterer Spötteleien gänzlich zu enthalten (§ 30). Einfache Spötteleien waren also anscheinend zugelassen! Hingegen war selbstverständlich der unanständige »Umgang mit Frauenspersonen« oder »rohen ungesitteten Burschen« ohne jede Einschränkung verpönt (§ 26). Was das äußere Erscheinungsbild der Studierenden angeht, waren nicht nur Brutus- und Titus-Köpfe oder Ohrgehänge – das alles gab es also damals schon – sondern bereits »entblößte Hälse« und Knotenstöcke anstößig (§ 32).

Ein Passus bleibt am Ende noch zu erwähnen, weil er auf die Vergrößerung des bayerischen Staatsgebietes im Zuge des sog. Reichsdeputationshauptschlusses vom Februar 1803 Bezug nimmt. Bayern wurden damals unter anderem die Hochstifte Würzburg und Bamberg sowie mehrere fränkische Reichsstädte zugesprochen. Im Vorgriff darauf waren diese Gebiete schon 1802 von bayerischen Truppen besetzt worden. Im § 31 heißt es, dass »wir Bayern unlängst in Franken reiner sprechende Landesbrüder (von Landesschwestern ist nicht die Rede) erhalten haben«. Gerade deshalb wird den Schülern aufgetragen, sich »ohne lächerliche Affektion« eine möglichst reine Mundart anzugewöhnen. Die Franken wird dieses Urteil über ihre Sprache freuen. Auch sonst wird man dagegen nichts sagen können. Denn wenn auch »rein«, soll es doch immer noch eine Mundart sein, deren sich die Studenten zu befleißigen haben.

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Abkürzungen

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