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Die Bestimmungen des Vorbeugenden Brandschutzes sind oftmals sehr komplex, befinden sich in einem ständigen Fluss und sind selbst für den versierten Brandschutzexperten nicht immer vollständig durchschaubar. Die Autoren stellen in anschaulicher Weise den Zusammenhang zwischen den Zielvorstellungen des Vorbeugenden Brandschutzes, den grundlegenden Rechtsbestimmungen sowie den technischen Ausführungsmöglichkeiten her und stärken so das Verständnis für den Sinn der Bestimmungen. Sie geben wertvolle Hinweise und Tipps für alle, die in der täglichen Praxis im Vorbeugenden Brandschutz tätig sind.
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Seitenzahl: 338
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Wichtiger Hinweis
Die Verfasser haben größte Mühe darauf verwendet, dass die Angaben und Anweisungen dem jeweiligen Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprechen. Weil sich jedoch die technische Entwicklung sowie Normen und Vorschriften ständig im Fluss befinden, sind Fehler nicht vollständig auszuschließen. Daher übernehmen die Autoren und der Verlag für die im Buch enthaltenen Angaben und Anweisungen keine Gewähr.
9., aktualisierte Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© 1979/2021 Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Umschlagbild: Branddirektion München
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-036990-0
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-036992-4
epub: ISBN 978-3-17-036993-1
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Wer mit der Errichtung eines Gebäudes befasst ist, sei er Bauherr, Architekt, Brandschutznachweisersteller oder Ausführender, der wird früher oder später mit Anforderungen des Vorbeugenden Brandschutzes in Berührung kommen. Dies ist unvermeidlich, da die Baurechtsbestimmungen in erheblichem Umfang auf den Brandschutz abgestellt sind. Das Bauen ist in unseren Tagen eine komplexe Tätigkeit geworden, nicht mehr vergleichbar mit dem archaischen Zusammenfügen von Steinen und Balken, wie es seit Jahrtausenden genügt hat. Genauso komplex sind die rechtlichen Bestimmungen geworden, in ständigem Fluss und selbst für den Fachmann/-frau nicht immer durch- und überschaubar. Es soll daher Aufgabe des vorliegenden Buches sein, den Zusammenhang zwischen den Zielvorstellungen des Vorbeugenden Brandschutzes, den grundlegenden Rechtsbestimmungen und den technischen Ausführungsmöglichkeiten herzustellen. Damit soll das Verständnis für den Sinn der Bestimmungen gestärkt werden, die wegen ihrer Vielzahl und örtlichen Streuung natürlich in diesem Rahmen nicht einzeln dargestellt werden können.
Trotz einer inhaltlichen Gliederung lassen sich gewisse Wiederholungen und Verweisungen im Text wegen der stark ineinandergreifenden Sachverhalte nicht vermeiden. Dies zeigt deutlich, dass der Vorbeugende Brandschutz niemals aus isoliert zu betrachtenden Einzelmaßnahmen besteht, sondern – wenn er wirksam sein soll – ein Brandschutzkonzept, d. h. ein aufeinander abgestimmtes System von Vorkehrungen, darstellt, deren Zusammenwirken erst den umfassenden Schutz ergibt.
Die Schrift richtet sich weniger an den versierten Brandschutzexperten, der auf alle Fragen eine erschöpfende Antwort parat hat – gibt es den überhaupt? –, sondern vielmehr an diejenigen, für die die Beschäftigung mit diesem Thema ein unvermeidlicher Teil ihrer beruflichen Tätigkeit ist und an diejenigen, die in das Gebiet als Studierende oder Auszubildende »einsteigen« wollen oder müssen. Dies sind neben dem erstgenannten Personenkreis vor allem auch Angehörige der Bauaufsicht, der Feuerwehr mit ihren Brandschutzdienststellen, Sicherheitsfachkräfte, Technische Aufsichtsbeamte und Betriebsleiter.
Brandschutzkenntnisse werden im Hinblick auf den teilweisen Rückzug der Bauaufsichtsbehörden aus dem Genehmigungsverfahren und den Ersatz baulicher Maßnahmen durch Anlagentechnik zur Begründung von Abweichungen immer wichtiger! Auch durch den europäischen Zusammenschluss werden neuere, keines[6]wegs einfachere Regelungen auf die am Bau Beteiligten zukommen, die aber letztlich auch auf den gleichen Zielvorstellungen aufbauen, um deren Verständnis dieses Buch wirbt.
Vorwort
1 Baurecht
1.1 Planungsrecht und Bauordnungsrecht
1.2 Bauordnungsrecht ist Sicherheitsrecht
1.3 Bauordnungsrecht ist Landesrecht
2 Begriffe
2.1 Anordnen
2.2 Errichten
2.3 Ändern und Instandhalten
2.4 Bauprodukte
2.5 Bauart
2.6 Brand – Feuer – Rauch
3 Baustoffe
3.1 Nichtbrennbare Baustoffe
3.2 Brennbare Baustoffe
3.2.1 Schwerentflammbare Baustoffe
3.2.2 Normalentflammbare Baustoffe
3.2.3 Leichtentflammbare Baustoffe
3.3 Holz
3.4 Stahl
3.5 Aluminium
3.6 Beton
3.7 Mauerwerk
3.8 Glas
3.9 Kunststoffe
3.9.1 Thermoplaste
3.9.2 Duroplaste
3.9.3 Elastomere
3.10 Verwendung brennbarer Baustoffe
4 Bauteile
4.1 Nationale Klassifizierung
4.2 Europäische Klassifizierung
4.3 Feuerwiderstand von Wänden, Decken und Stützen
4.3.1 Tragende Wände, Stützen
4.3.2 Außenwände
4.3.3 Trennwände
4.3.4 Brandwände
4.4 Sonderbauteile
4.4.1 Verglasungen
4.4.2 Bedachungen
4.4.3 Feuerschutzabschlüsse
4.4.4 Lüftungsleitungen
4.4.5 Kabelabschottungen
4.4.6 Rohrabschottungen, Installationsschächte
4.4.7 Funktionserhalt von elektrischen Kabelanlagen
5 Brandrisiken
5.1 Brandlast
5.2 Aufenthaltsräume
5.3 Nutzungseinheiten
5.4 Wohngebäude
5.5 Büro- und Verwaltungsgebäude
5.6 Beherbergungsstätten
5.7 Heime
5.8 Krankenhäuser
5.9 Schulen
5.10 Versammlungsstätten
5.11 Garagen
5.12 Verkaufsstätten
5.13 Mischnutzungen
5.14 Gewerbliche Betriebe – Industriebauten
5.15 Hochhäuser
5.16 Größe und Lage der Räume
6 Abwehrender Brandschutz
7 Brandentstehung
8 Ausbreitung von Feuer und Rauch
8.1 Wärmeleitung
8.2 Wärmemitführung (Konvektion) und Rauchausbreitung
8.3 Wärmestrahlung
8.4 Brandparallelerscheinung Rauch
8.5 Rauch- und Wärmeabführung
8.5.1 Öffnungen zur Rauchableitung
8.5.2 Maschineller Rauchabzug
9 Brandabschnitte
9.1 Äußerer Brandabschnitt
9.1.1 Dächer
9.2 Innerer Brandabschnitt
9.2.1 Sprinkleranlage
9.2.2 Wände
9.2.3 Decken
9.2.4 Öffnungen in Wänden und Decken
9.2.5 Leitungsdurchführungen
9.2.6 Lüftungsanlagen
9.2.7 Feuerüberschlag
10 Rettungswege
10.1 Erster Rettungsweg
10.1.1 Ausgänge
10.1.2 Flure
10.1.2.1 Offene Gänge vor der Außenwand – Laubengänge
10.1.3 Notwendige Treppen
10.1.4 Treppenräume
10.1.4.1 Außenliegende Treppenräume
10.1.4.2 Innenliegende Treppenräume
10.1.4.3 Treppenräume von Hochhäusern
10.1.5 Sicherheitstreppenräume
10.1.5.1 Innenliegende Sicherheitstreppenräume
10.2 Zweiter Rettungsweg
10.2.1 Leitern der Feuerwehr
10.2.2 Hubschrauber
10.2.3 Sprungkissen, Sprungpolster
10.2.4 Rettungsschlauch
10.2.5 Rettungsrutsche
10.2.6 Knotenseil
10.2.7 Rettungsbalkon
10.2.8 Ersatzfluchtwege
10.2.9 Nicht notwendige Treppen
10.2.10 Maisonetten und Galerien
10.2.11 Ein- und Zweifamilienhäuser
10.2.12 Aufzüge
10.3 Maßnahmen für Menschen mit Behinderung
10.4 Rettung von Tieren
11 Durchführung wirksamer Löscharbeiten
11.1 Feuerlöscher
11.2 Ortsfeste Löschanlagen
11.3 Vorkehrungen für den Feuerwehreinsatz
11.3.1 Feuermeldung
11.3.2 Rauchwarnmelder
11.3.3 Gefahrenmeldeanlage
11.3.4 Zugang zum Brandobjekt
11.3.5 Zugänge
11.3.6 Feuerwehrzufahrten
11.3.7 Aufstellflächen
11.3.8 Bewegungsflächen
11.3.9 Feuerwehr-Schlüsseldepot
11.3.10 Feuerwehraufzüge
12 Versorgung mit Löschwasser
12.1 Abhängige Löschwasserversorgung
12.1.1 Überflurhydranten
12.1.2 Unterflurhydranten
12.1.3 Wandhydranten
12.1.4 Brandschieber
12.2 Unabhängige Löschwasserversorgung
12.2.1 Löschwasserbrunnen
12.2.2 Löschwasserteiche
12.2.3 Unterirdische Löschwasserbehälter
12.2.4 Löschwasser-Sauganschlüsse
12.3 Löschwasserleitungen »trocken«
12.4 Löschwasserrückhaltung
13 Sicherheitsstromversorgung
13.1 Sicherheitsbeleuchtung
13.2 Funktionserhalt
14 Brandschutz auf Baustellen
15 Schlussbetrachtung
Anhang
A Grundsätze zur Auslegung des § 14 MBO
I. »Rettung von Menschen ermöglichen«
II. »Wirksame Löscharbeiten ermöglichen«
B Vorschriftenverzeichnis
Musterbauordnung
Muster-Verwaltungsvorschrift (MVV TB), Muster Regelungen für Sonderbauten, Feuerungsanlagen und Garagen, Muster zu Verfahren und die Prüfungen, Hinweise zum Brandschutz, Musterrichtlinien
Auswahl an Normen und Technischen Regeln (in der jeweils aktuellen Fassung)
Auswahl Fachempfehlungen der deutschen Feuerwehren (Fachausschuss Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der AGBF (Städtetag) und des Deutschen Feuerwehrverbandes
Stichwortverzeichnis
Der Bauherr fasst den Vorsatz, ein Gebäude zu errichten, in der Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Nutzung optimal auszuführen. Sein Nutzungsbestreben findet zunächst nur dort eine Einschränkung, wo ihm die finanzielle Grenze gesetzt ist. Da er kein Baufachmann/-frau ist, bedient sich der Bauherr der Hilfe eines Architekten.
Der Architekt ist in erster Linie Gestalter, oft Künstler. Auf der Grundlage seines technischen Wissens und seines handwerklichen Könnens versucht er, den Bau zu gestalten, harmonische Formen und ästhetische Linien zu verwirklichen, Baukunst, Architektur zu schaffen. Für ihn sind die Wünsche des Bauherrn und die zur Verfügung stehenden Geldmittel der primäre Rahmen.
Da aber Bauen nicht im freien Raum geschieht, sondern in einer hochdifferenzierten Gesellschaft, ist jegliches Tun zugleich ein Eingriff in die Interessen Dritter und der Allgemeinheit. Der Interessenabgleich erfolgt in einem Rechtsstaat durch das geschriebene Recht – im Falle des Bauens durch das Baurecht. Es ist selbstverständlich, dass auch im Bereich der Genehmigungsfreiheit von Bauvorhaben dieses geschriebene Recht vollständig zu beachten ist – die Verantwortung dafür geht lediglich von der Behörde allein auf den Bauherrn und Entwurfsverfasser über.
Die freie Entfaltung des Nutzungsstrebens des Bauherrn wie des Gestaltungswillens des Architekten wird durch das Baurecht daher so eingeschränkt, dass auch den berechtigten Anliegen der Nachbarn und der Öffentlichkeit Rechnung getragen ist.
Die den Brandschutz betreffenden Bestimmungen des Baurechts sind das Ergebnis von Überlegungen, wie den Brandgefahren, die im Folgenden noch näher betrachtet werden sollen, begegnet werden kann. Man könnte diese Überlegungen gewissermaßen die »Brandschutz-Philosophie« nennen.
Daneben gibt es das Gebiet der Brandschutzforschung und -technik, auf dem durch wissenschaftliche und technische Verfahren ermittelt und festgelegt wird, wie die Forderungen der »Brandschutz-Philosophie« verwirklicht werden können.
Beide Gebiete sind einer stetigen Wandlung begriffen, wobei insbesondere die Erfahrungen der Praxis immer wieder Anlass geben, die Vorstellungen abzuwandeln bzw. neue wissenschaftlich-technische Verfahren zu ihrer Verwirklichung zu finden. Letztlich bestimmen nicht selten politische Vorgaben die Fortschreibung des Baurechts. Allgemein ist festzuhalten, dass gegenüber dem baulichen Brandschutz mehr und mehr ein anlagentechnischer Brandschutz Raum gewinnt.
[14]Neue Technologien können neue Risiken herbeiführen – man denke z. B. an die Installation von PV-Anlagen, die Energiespeicherung in Lithium-Ionen-Akkus oder die Auswirkungen der Elektromobilität auf die Garagennutzung. Neue Technologien werden aber auch stets auf ihre Anwendbarkeit zur Verbesserung des Brandschutzes geprüft.
Das Baurecht regelt im Grundsatz zweierlei Sachverhalte, einmal wo und was gebaut werden darf, zum anderen wie etwas gebaut werden muss. Die Zulässigkeit welcher Art von Bauvorhaben und an welchen Orten regelt das Planungsrecht. Planungsrecht ist Bundesrecht. Es findet sich im Wesentlichen im »Baugesetzbuch«. Die Planungshoheit liegt bei der jeweiligen Gemeinde. Diese überplant ihr Gemeindegebiet mit einer vorbereitenden (Flächennutzungsplan) und verbindlichen Bauleitplanung (Bebauungsplan).
Das Bauordnungsrecht regelt, welche formellen und materiellen Bestimmungen bei der Errichtung baulicher Anlagen einzuhalten sind. Durch das Bauordnungsrecht sollen die von einem Gebäude ausgehenden möglichen Nachteile und Gefahren vermieden oder gemindert werden. Solche Gefahren können verschiedenster Art sein: das Gebäude ist feucht, schlecht belichtet oder beleuchtet, die Lüftung kann unzureichend sein, Schall- oder Wärmeschutz genügen nicht, Müll und Abwässer gefährden die Umgebung oder das Grundwasser. Diese Aufzählung ist beispielhaft und ließe sich beliebig erweitern. Allen diesen Nachteilen und Gefahren haftet die Eigenschaft an, dass sie erst im Laufe eines längeren Zeitraumes zu einer schädigenden Wirkung führen und dass Nachbesserungen möglich sind.
[15]Tabelle 1: Brandgefahren [zurück]
Energieform Feuer > 200°C
Brandparallelerscheinung Rauch
Gefahr für den Menschen
Verbrennungen 1., 2. oder 3. Grades
Verbrühung
Verletzungen durch Explosion und Einsturz
Vergiftung (CO, HCN, NOx, PCB)
Ersticken durch Sauerstoffmangel
Verätzung (HCl), Sichttrübung
Verletzungen durch Sturz oder Panikhandlungen (Springen)
Gefahr für Sachwerte
Erweichen (Thermoplaste)
Schmelzen (Metalle), Ausdehnung
Zerspringen (Glas, Faserzement, Beton)
Auflösung des Kristallgefüges (Gips)
Bräunung, Versengen, Verbrennen aller organischen Stoffe (kohlenstoff- u. wasserstoffhaltige Stoffe)
Rauchgeruch (Textilien, Lebensmittel)
Verschmutzen aller Oberflächen durch Ruß, Aerosole Korrosion, Chloridschäden (HCl)
Gefahr für die Umwelt
Thermik (Verbreitung der Schadstoffe)
Luftverschmutzung durch Schadstoffe, CO2-Bildung, Löschmittel CO2
Gefährdung des Grund- und Oberflächenwassers durch verunreinigtes Löschwasser oder durch Löschmittel.
Anmerkung: Die willkürliche gewählte Temperaturgrenze von 200 °C bildet den Unterschied zwischen »kaltem Rauch« und »Feuer«. So werden z. B. Rauchschutztüren nach DIN 18095 mit einer Temperatur von 200 °C auf ihre Leckrate geprüft. Höhere Temperaturen bergen bereits die Gefahr einer Entzündung von organischen Stoffen, deren Zündtemperatur bei 300° bis 350 °C liegt.
Zwei Gefahren jedoch unterscheiden sich davon grundsätzlich:
mangelnde Standsicherheit und
mangelnde Brandsicherheit (Tabelle 1).
Beispiel für mangelnde Standsicherheit: Decke stürzt auf Supermarkt-Kunden
Jülich (dpa) – Durch eine herabstürzende Decke sind in einem Supermarkt im rheinländischen Jülich vier Kunden schwer und drei weitere leicht verletzt worden. Nach Angaben der Polizei löste sich plötzlich das etwa 40 Quadratmeter große Deckenteil und begrub die an einer Fleischtheke wartenden Menschen unter sich.
[16]Stürzt ein Gebäude ganz oder teilweise ein oder kommt es im Gebäude oder in seiner Nachbarschaft zu einem Brand, so werden diese Gefahren akut wirksam. Sie treten plötzlich auf, der Mensch kann sich ihnen nicht entziehen, er kann in diesem Moment auch nichts mehr am Gebäude »nachbessern«. Natürlich kann nachgebessert werden, aber erst nachdem der Schaden eingetreten ist. Der Vorbeugung vor diesen beiden Gefahren kommt daher aus öffentlich-rechtlicher Sicht die größte Bedeutung zu.
Die Standsicherheit – zu der sinngemäß auch die sichere Begehbarkeit eines Gebäudes gehört – wird durch Prüfung der Festigkeitsrechnung, der so genannten Baustatik, durch die Verwendung von CE-gekennzeichneten bzw. zugelassenen Bauprodukten und Bauarten mit entsprechenden Bauartgenehmigungen, und durch die Beachtung der »allgemein anerkannten Regeln der Baukunst« gewährleistet.
Die Brandsicherheit wird erreicht, wenn das Gebäude nach den Regeln des Vorbeugenden Brandschutzes erstellt wird.
Zweifellos hat das Bauordnungsrecht als Sicherheitsrecht in erster Linie den Personenschutz, d. h. den Schutz von Leben und Gesundheit der Personen sicher[17]zustellen, die sich in einer baulichen Anlage aufhalten oder im Einsatz tätig werden müssen.
Ob der Sachgüterschutz, d. h. der Schutz von Eigentum und Besitz eine primäre Forderung des Bauordnungsrechts ist, oder durch die Maßnahmen des Personenschutzes sozusagen nebenher anfällt, ist umstritten, aber für die folgenden Betrachtungen unerheblich. Auch die Gefahren für die Umwelt durch Brand werden durch die geforderten Maßnahmen automatisch auf den überhaupt erreichbaren Umfang reduziert. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch, dass die Schäden durch fehlende Standsicherheit und den Brandschutz nicht zu vergleichen sind und von der Bauaufsicht auch nicht gleichbehandelt werden.
Bild 1: Die baurechtlichen Verbesserungen im letzten Jahrhundert, insbesondere die Forderung nach einem zweiten Rettungsweg in den 1960er-Jahren, zeigen nachhaltige Wirkung bei den Brandopferzahlen. Aber auch andere Belange, wie der verbesserte abwehrende Brandschutz oder die Umstellung der Gebäudeheizungen zeigen eine positive Wirkung. Nun daraus zu schließen, dass Brandschutzmaßnahmen übertrieben oder überflüssig sind, führte deren Wirkung ad absurdum. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 4 »Todesursachen in Deutschland«)
Durch mangelnde Standsicherheit dürfen keine Personenschäden auftreten; dies würde auch politisch nicht toleriert. Im § 12 Musterbauordnung (MBO) heißt es: »Jede bauliche Anlage muss im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein. […]«
Brände hingegen verursachen jährlich ca. 350 – 400 Tote und rund 20.000 Verletzte. Der Grund dafür ist, dass Brände – und somit auch Personenschäden – nicht sicher verhindert werden können. Würde das Baurecht fordern, dass durch Brände keine Personen zu Schaden kommen dürfen, wäre ein Bauen nicht mehr möglich. In § 14 MBO wird deshalb lediglich gefordert, dass »der Entstehung eines Brandes […] vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren […] möglich sind.«
Der Gesetzgeber hat dazu im Baurecht ein Brandschutzkonzept hinterlegt. Die Brandschutzanforderungen dieses Konzeptes bestehen aus den Einzelvorschriften der Bauordnung, der dazugehörigen Vorschriften (Verordnungen) und der eingeführten technischen Baubestimmungen. Diese Vorschriften sind aufeinander abgestimmt, nach fünf Gebäudeklassen gestaffelt und werden für Sonderbauten ggf. durch Einzelfallentscheidungen der Bauaufsicht ergänzt.
Hält sich der Bauherr an dieses Brandschutzkonzept, hat er das Recht auf die Erteilung einer Baugenehmigung. Der Bauherr kann von diesem Brandschutzkonzept aber auch abweichen; die Abweichung muss jedoch von der Bauaufsichtsbehörde auf die Einhaltung der Schutzziele kontrolliert und genehmigt werden.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik weist das Bauordnungsrecht als Sicherheitsrecht den Bundesländern zu. Demzufolge gibt es eine Nordrhein-Westfälische Bauordnung oder eine Bayerische Bauordnung. Damit aber gleichgeartete Fälle [18]vergleichbar geregelt werden können, stützen sich die Landesbauordnungen auf eine so genannte Musterbauordnung. Dieses Muster wird von der Fachkommission Bauaufsicht – einer Arbeitsgemeinschaft der Obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder – erarbeitet und wird von ihr permanent fortgeschrieben. Hier legen Baufachleute und Juristen unter Beiziehung von Sachverständigen den materiellen und formellen Inhalt der Bauordnungsrechtsbestimmungen fest. In Abständen wird ein verbindliches Muster von der Innenministerkonferenz beschlossen. Über dieses Muster haben dann die legislativen Körperschaften der jeweiligen Bundesländer bei der Umsetzung in Landesrecht zu befinden. Im Folgenden soll daher immer auf die Bestimmungen der Musterbauordnung Bezug genommen werden, wobei weniger Einzelbestimmungen als vielmehr Grundsätze in den Vordergrund gestellt werden.
Entgegen dem üblichen Sprachgebrauch bedeutet »grundsätzlich« oder »im Grundsatz« in Rechtsbestimmungen so viel wie »es gibt Ausnahmen«. Darauf möge der nicht Rechtskundige bei den Ausführungen achten.
Anstelle den früher verwendeten Begriffen »Ausnahmen und Befreiungen« kennt die jetzige Musterbauordnung nur die »Abweichung«. § 67der MBO lautet:
»Die Bauaufsichtsbehörde kann Abweichungen von Anforderungen dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen […] vereinbar sind […].«
Öffentliche Belange sind insbesondere die öffentliche Ordnung und der Schutz von Leben oder Gesundheit. Auch der Umweltschutz gehört zu den öffentlichen Belangen. Abweichungen beziehen sich immer auf materielle Vorschriften. Daneben gibt es den Begriff der Abweichung von technischen Baubestimmungen. Eine Abweichung kann zugelassen werden, sie kann mit kompensierenden Auflagen zugelassen werden, oder sie kann nicht zugelassen werden. Dies erlaubt eine elastischere und auf den Einzelfall eingehende Behandlung der Fälle.
Dennoch könnte man mit der Bauordnung allein nicht bauen. Wie jedes andere Gesetz bedarf eine Bauordnung der »Ausfüllung« zur Verwirklichung und näheren Bestimmung (Konkretisierung) ihrer allgemeinen Anforderungen. Die Bauordnung ermächtigt daher die Obersten Baubehörden zum Erlass von Rechtsverordnungen auf dem Verwaltungswege.
Solche Rechtsverordnungen sind insbesondere Durchführungsverordnungen zu den Länderbauordnungen, Garagenverordnungen und Feuerungsverordnungen, für [19]die jeweils eine Musterverordnung die Grundlage bildet. Sie konkretisieren unbestimmte Rechtsbegriffe.
Die Bauordnungen der Länder unterscheiden Gebäude nach ihrer Gebäudeklasse und der Nutzung als Standardbau, Sonderbau oder Mittel- und Großgarage.
Gebäudeklasse 1:
freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude,
Gebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m,
Gebäudeklasse 4:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 5:
sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude.
Standardbauten sind nach einem Ausschlussprinzip Gebäude, die weder Sonderbau noch Mittel- oder Großgarage sind. Es handelt sich hierbei um den Großteil der Gebäude, wie übliche Wohngebäude, kleinere Bürogebäude oder landwirtschaftliche Gebäude.
Sonderbauten sind Anlagen oder Räume besonderer Art oder Nutzung, die einen der nachfolgenden Tatbestände erfüllen:
Hochhäuser (mit einer Höhe von mehr als 22 m),
bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m,
Gebäude mit mehr als 1.600 m² Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Garagen,
Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Grundfläche von insgesamt mehr als 800 m² haben,
[20]Gebäude mit Räumen, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen und einzeln eine Grundfläche von mehr als 400 m² haben,
Gebäude mit Räumen, die einzeln für die Nutzung durch mehr als 100 Personen bestimmt sind,
Versammlungsstätten
mit Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben,
im Freien mit Szenenflächen sowie Freisportanlagen jeweils mit Tribünen, die keine Fliegenden Bauten sind und insgesamt mehr als 1.000 Besucher fassen,
Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen in Gebäuden oder mehr als 1.000 Gastplätzen im Freien, Beherbergungsstätten mit mehr als 12 Betten und Spielhallen mit mehr als 150 m² Grundfläche,
Gebäude mit Nutzungseinheiten zum Zwecke der Pflege oder Betreuung von Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, deren Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn die Nutzungseinheiten
einzeln für mehr als 6 Personen oder
für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind oder
einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als 12 Personen bestimmt sind,
Krankenhäuser,
sonstige Einrichtungen zur Unterbringung von Personen sowie Wohnheime,
Tageseinrichtungen für Kinder, Menschen mit Behinderung und alte Menschen, ausgenommen Tageseinrichtungen einschließlich Tagespflege für nicht mehr als zehn Kinder,
Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen,
Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug,
Camping- und Wochenendplätze,
Freizeit- und Vergnügungsparks,
Fliegende Bauten, soweit sie einer Ausführungsgenehmigung bedürfen,
Regallager mit einer Oberkante Lagerguthöhe von mehr als 7,50 m,
bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist,
Anlagen und Räume, die in den Nummern 1 bis 19 nicht aufgeführt und deren Art oder Nutzung mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind.
[21]In § 51 MBO wird ergänzt:
»An Sonderbauten können im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen […] besondere Anforderungen gestellt werden. Erleichterungen können gestattet werden, soweit es der Einhaltung von Vorschriften wegen der besonderen Art oder Nutzung baulicher Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderungen nicht bedarf.«
Die Anforderungen und Erleichterungen […] können sich insbesondere erstrecken auf
Brandschutzanlagen, -einrichtungen und -vorkehrungen,
die Löschwasserrückhaltung,
die Anordnung und Herstellung von Aufzügen, Treppen, Treppenräumen, Fluren, Ausgängen und sonstigen Rettungswegen,
die Beleuchtung und Energieversorgung,
die Lüftung und Rauchableitung,
die Feuerungsanlagen und Heizräume,
Umfang, Inhalt und Zahl besonderer Bauvorlagen, insbesondere eines Brandschutzkonzeptes,
den Betrieb und die Nutzung einschließlich der Bestellung und der Qualifikation eines Brandschutzbeauftragten.
Um den Ermessensspielraum der Unteren Bauaufsichtsbehörden einzugrenzen und um dadurch eine Gleichbehandlung der Fälle zu erreichen, auf die der Bauherr ein Recht hat, erlassen die Obersten Baubehörden der Länder Verordnungen, z. B. über den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten, über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten usw. Auch diese Verordnungen stützen sich inhaltlich auf die entsprechenden Musterverordnungen der Fachkommission Bauaufsicht. Ist eine der im § 2 MBO aufgelisteten baulichen Anlagen durch Verordnung konkret geregelt, so können weitergehende Anforderungen zu den Regelungspunkten mit der Bauordnung nicht mehr begründet werden.
Wie lauten nun die »allgemeinen Anforderungen« der MBO?
»Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden.«
Ergänzend heißt es im § 85 a MBO: »Die Anforderungen nach § 3 können durch Technische Baubestimmungen konkretisiert werden. Die Technischen Baubestimmungen sind zu beachten. [...]«
[22]Unter diese Generalklausel stellt der Gesetzgeber das Baugeschehen in der Bundesrepublik Deutschland. Er schränkt damit bestimmte Grundrechte der persönlichen Freiheit im Interesse des Gemeinwohls ein. Neben dem Schutz gegen Gefahren für Leben oder Gesundheit beinhaltet die öffentliche Sicherheit auch den Schutz der Rechtsgüter Eigentum und Besitz sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, also die Umwelt.
Zu den Hauptgefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum und Besitz ist, wie oben ausgeführt, insbesondere die Brandgefahr zu zählen. Aus diesem Grunde widmet das Baurecht den Anforderungen zur Abwendung von Brandgefahren einen breiten Raum in seinen materiellen Bestimmungen. Diese Vorkehrungen zur Abwendung von Brandgefahren bezeichnen wir gewöhnlich mit dem Ausdruck »Vorbeugender baulicher Brandschutz«.
Neben der reinen Bausubstanz steht die Nutzung des Gebäudes. Sie bestimmt zunächst den Umfang der erforderlichen Schutzmaßnahmen. Gerade aus der Nutzung erwachsen Brandgefahren und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Auch diesen Gefahren muss vorgebeugt werden, sodass der Begriff des »Vorbeugenden baulichen Brandschutzes« auf den allgemeineren Begriff »Vorbeugender Brandschutz« erweitert werden muss. Er schließt dann auch betriebliche Maßnahmen ein. Hier ist anzumerken, dass zwar die Verordnungen, nicht aber die Bauordnungen selbst, Betriebsvorschriften kennen.
Da die Erfahrung lehrt, dass selbst die besten vorbeugenden baulichen und betrieblichen Brandschutzmaßnahmen nicht verhindern können, dass es zu Bränden kommt, gehört zum »Vorbeugenden Brandschutz« auch die Vorbereitung für die Maßnahmen des »Abwehrenden Brandschutzes«. Der »Abwehrende Brandschutz« – worunter ganz allgemein die Brandbekämpfung und die Menschenrettung durch die Feuerwehr zu verstehen ist – steht in einer engen Wechselbeziehung zum Vorbeugenden Brandschutz. Ohne vorbeugende Maßnahmen am Objekt (Feuermeldung, Zugänglichkeit, Angriffsweg, Löschwasserversorgung usw.) ist ein wirksamer Lösch- oder Rettungseinsatz im Allgemeinen nicht möglich.
Bild 2: Regelkreis des Brandschutzes (Quelle: Bachmeier, BF München)
Um die Forderungen der Generalklauseln im Hinblick auf die Brandgefahren auszufüllen, bestimmt § 14 der Musterbauordnung im Abs. 1:
»Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.«
[23]Dieser Kernsatz bildet die Grundlage für alle Bestimmungen des Vorbeugenden baulichen Brandschutzes und gibt gleichzeitig für die Praxis eine übersichtliche Gliederung, nach welchen Schutzzielen die zu treffenden vorbeugenden Maßnahmen auszurichten sind.
Baustoffe verhalten sich in Abhängigkeit von ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrem physikalischen Verhalten im Brandfall völlig unterschiedlich. Durch die Wahl des Baustoffes können die Brandentstehung und die Brandlast am Gebäude beeinflusst werden. Unter der Brandlast versteht man die Summe aller brennbaren Baustoffe und aller anderen brennbaren Stoffe, die sich in einem Gebäude befinden. Ein Maß für die Brandlast ist der flächenbezogene Heizwert der brennbaren Stoffe in kWh/m² (siehe Kapitel 5.1).
Eine allein baustoffabhängige Zuordnung von Gebäudeausführungen in »ausreichend sicher« und »nicht ausreichend sicher« erscheint nicht möglich. Dies trifft neben der Verwendung von Holz als in der Regel normalentflammbaren Baustoff auch für andere Baumaterialien zu. So führen etwa bei Stahlkonstruktionen die Lastausnutzung, der U/A-Faktor und die Schutzmaßnahmen zu einem völlig unterschiedlichen Verhalten im Brandfall. Auch bei Betonbauteilen variiert das Bauteilverhalten erheblich in Abhängigkeit der Ausführung.
Mehrgeschossige Standardbauten (auch der Gebäudeklassen 4 und 5) können etwa aus Sicht der Feuerwehren durchaus ausreichend sicher für die Eigen- und Fremdrettung sowie zur Durchführung von wirksamen Löschmaßnahmen in Holzbauweise erstellt werden. Dies kann jedoch nicht für alle Ausführungen generell unterstellt werden. Wesentliche Faktoren für eine ausreichend sichere Bauweise ist der Beitrag der Baustoffe zum Brandverlauf, die Verhinderung schwierig erkennbarer und kaum löschbarer Brände in Hohlräumen sowie die Art der Dämmstoffe, insbesondere hinsichtlich der Gefahr des Glimmens/Schwelens.
Um das Brandverhalten eines Baustoffes prüfen und klassifizieren zu können, benötigt man ein einheitliches Prüfverfahren. Dieses Prüfverfahren wird in Normen geregelt. Da alle nationalen Normen in europäische Normen überführt werden müssen, gibt es für die Prüfung von Baustoffen für eine Übergangszeit von mehreren Jahrzehnten zwei Prüfverfahren.
Das nationale Prüfverfahren wird nach den Vorschriften der DIN 4102-1, »Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 1: Baustoffe; Begriffe, Anforderungen und Prüfungen« und ergänzenden Prüfgrundsätzen von amtlichen – nationalen – Prüfstellen durchgeführt. Das europäische Prüfverfahren ist in der europäischen Norm DIN EN 13501-1, »Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten« festgelegt. Im Gegensatz zur DIN 4102-1 ist in [31]der DIN EN 13501-1 lediglich die Klassifizierung geregelt. Für die Prüfungen wird auf andere Normen verwiesen.
Für die Prüfung von Baustoffen stehen u. a. folgende europäische Normen zur Verfügung:
DIN EN ISO 1182 »Prüfungen zum Brandverhalten von Produkten – Nichtbrennbarkeitsprüfung«,
DIN EN ISO 1716 »Prüfungen zum Brandverhalten von Produkten – Bestimmung der Verbrennungswärme«,
DIN EN ISO 9239-1 »Prüfungen zum Brandverhalten von Bodenbelägen – Teil 1: Bestimmung des Brandverhaltens bei Beanspruchung mit einem Wärmestrahler«,
DIN EN ISO 11925-2 »Prüfungen zum Brandverhalten – Entzündbarkeit von Produkten bei direkter Flammenwirkung – Teil 2: Einzelflammentest«,
DIN EN 13238 »Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten – Konditionierungsverfahren und allgemeine Regeln für die Auswahl von Trägerplatten«,
DIN EN 13823 »Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten – Thermische Beanspruchung durch einen einzelnen brennenden Gegenstand für Bauprodukte mit Ausnahme von Bodenbelägen«.
In beiden Prüfverfahren – national oder europäisch – bildet man drei Brandphasen nach, die Zündung durch ein Streichholz (Kleinbrennertest), einen Entstehungsbrand in der Größenordnung eines brennenden Papierkorbes (Brandschachttest oder SBI-Prüfung) und den vollentwickelten Brand (Ofentest). Nach den Ergebnissen dieser Brandprüfungen können die Baustoffe dann klassifiziert, d. h. bestimmten Baustoffklassen zugeordnet werden.
Ohne besondere Erklärung leuchtet ein, dass ein nichtbrennbarer Baustoff, also ein Baustoff, der keine organischen Bestandteile, d. h. Kohlenwasserstoffe enthält, weder entzündet werden noch als Brandlast das Brandgeschehen fördern kann. Solche Baustoffe sind Sand, Kies, Zement, Natur- und Kunststeine, Beton, Stahl – kurzum alle, die im Teil 4 der Norm DIN 4102 als der Klasse A 1 ohne besonderen Nachweis zugehörig aufgeführt werden. Aber auch Baustoffe mit organischen Bestandteilen können in die Baustoffklasse A 1 eingereiht werden, wenn sie die Prüfung nach Teil 1 der Norm DIN 4102 bzw. die Prüfungen nach EN ISO 1282 und [32]EN ISO 1716 bestehen und nach DIN EN 13501-1 ebenfalls als A 1 klassifiziert sind. Sie dürfen dabei nicht entflammen und die Temperatur im Ofen darf nicht mehr als 50 K(elvin) bzw. 30 K über den Anfangswert steigen.
Da eine Entflammbarkeit nicht gegeben ist, brauchen keine weiteren Unterscheidungen getroffen werden. Solche Baustoffe schließen also in jedem Fall aus, dass die aus ihnen hergestellten Bauteile entzündet werden oder am Brand teilnehmen, wenn der Brand hier nicht abstrakt als Brandgeschehen, sondern konkret als Verbindung brennbarer Stoffe mit dem Sauerstoff der Luft unter Wärmeabgabe verstanden wird. Aus der Sicht des Vorbeugenden Brandschutzes sind alle derartigen Baustoffe uneingeschränkt verwendbar. Als Baustoffe, die ohne Nachweis der Baustoffklasse A 1 angehören, nennt DIN 4102 Teil 4:
Sand, Kies, Lehm, Ton und alle sonstigen in der Natur vorkommenden bautechnisch verwendbaren Steine,
Mineralien, Erden, Lavaschlacke und Naturbims,
aus Steinen und Mineralien durch Brenn- und/oder Blähprozesse gewonnene Baustoffe wie Zement, Kalk, Gips, Anhydrit, Schlacken Hüttenbims, Blähton, Blähschiefer sowie Blähperlite und -vermiculite, Schaumglas,
Mörtel, Beton, Stahlbeton, Spannbeton, Porenbeton, Leichtbeton, Steine und Bauplatten aus mineralischen Bestandteilen, auch mit üblichen Anteilen von Mörtel- oder Betonzusatzmitteln,
Mineralfasern ohne organische Zusätze,
Ziegel, Steinzeug und keramische Platten,
Glas,
Metalle und Legierungen in nicht fein zerteilter Form mit Ausnahme der Alkali- und Erdalkalimetalle und ihrer Legierungen.
Den vielfältigen Anforderungen und Wünschen des modernen Baugeschehens genügen diese primären und elementaren Baustoffe jedoch meist nicht. Insbesondere für den Innenausbau werden Verbundbaustoffe verlangt und von einer rührigen Industrie auch in kaum übersehbarer Vielfalt angeboten. Dabei ergeben sich hinsichtlich des Brandverhaltens verschiedene Möglichkeiten, besonders beim Verbund nichtbrennbarer Baustoffe mit brennbaren Baustoffen.
Die Kombination eines Baustoffes der Klasse A 1 mit einem anderen Baustoff derselben Klasse ergibt, wie ohne weiteres einzusehen ist, wieder einen Baustoff der Klasse A 1, z. B. Stahlbeton.
Wird jedoch ein Baustoff der Klasse A 1 mit einem brennbaren Baustoff kombiniert, z. B. Gipskartonplatten, so kann der Verbundbaustoff nach DIN 4102 immer noch in die Baustoffklasse A, allerdings mit der Ziffer 2, eingeordnet werden, [33]wenn er die in Teil 1 der Norm vorgeschriebenen Prüfkriterien besteht. Auch die Baustoffklasse A 2 hat die bauaufsichtliche Benennung »nichtbrennbar«. Damit erfüllen beide Klassen A 1 und A 2 (europäisch A 2 – s1, d0) die Anforderungen des Baurechts, wenn dieses die Verwendung nichtbrennbarer Baustoffe fordert.
Die zulässige Verwendung nichtbrennbarer Baustoffe ist nunmehr in § 85 a MBO in Verbindung mit der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) geregelt. Dies spiegelt auch die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten wieder. Die EU regelt den möglichen Zugang zum Binnenmarkt. Die Länder beschreiben die Anforderungen an die Sicherheit, die Umweltverträglichkeit und die Energieeffizienz der Bauwerke.
Die MVV TB wird regelmäßig aktualisiert und vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin bekannt gemacht.
Die wichtigste Erkenntnis bei der Verwendung nichtbrennbarer Baustoffe ist: Der Baustoff kann nicht entzündet werden und leistet selbst bei einem nahezu vollentwickelten Brand keinen oder einen nur sehr geringen Beitrag zur Brandausbreitung. Ferner darf das Material nicht glimmen oder schwelen. Über die Feuerwiderstandsdauer der daraus gefertigten Bauteile jedoch kann aufgrund dieser Eigenschaft noch keinerlei Aussage getroffen werden.
Baustoffe, die ganz oder überwiegend aus Kohlenwasserstoffen, also organischen Stoffen bestehen, haben die Eigenschaft, sich bei Erwärmung auf ihre Zündtemperatur unter Glut- und Flammenbildung mit dem Sauerstoff der Luft zu verbinden, d. h. zu verbrennen. Sie setzen dabei Wärmeenergie frei.
Solche Stoffe ordnet die DIN 4102 Teil 1, der Baustoffklasse B zu. Auf der Grundlage von Brandversuchen nach dieser Norm oder ohne Brandversuche, wenn der Baustoff im Teil 4 der Norm bereits klassifiziert ist, wird innerhalb der Baustoffklasse B eine weitere Unterteilung durchgeführt.
Welche Baustoffklasse welcher bauaufsichtlichen Benennung zugeordnet wird, ist in der MVV TB festgelegt.
[34]Tabelle 2: Die Baustoffklassen nach DIN 4102-1 entsprechen den in der Tabelle genannten bauaufsichtlichen Benennungen.
Bauaufsichtliche Anforderung
Mindestens erforderliche Baustoffklassen
Zusätzliche Merkmale für die Verwendung
nichtbrennbar1
A 2
--
schwerentflammbar
B 1
Baustoffe mit Ausnahme Bodenbeläge:begrenzte Rauchentwicklung (I ≤ 400 % x Min. bei Prüfung nach DIN 4102-15:1990-05) bestanden
schwerentflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend
B 1