Vordenker in der Krisenkommunikation - Jörg Forthmann - E-Book

Vordenker in der Krisenkommunikation E-Book

Jörg Forthmann

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Beschreibung

In den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl der kommunikativen Krisenfälle, mit denen Unternehmen und Politik jährlich im deutschsprachigen Raum konfrontiert werden, um nahezu 75 Prozent gestiegen. Vier von fünf Unternehmen halten es für „sehr wahrscheinlich“ oder „eher wahrscheinlich“, dass sie innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate eine Kommunikationskrise erleben werden. Es muss also etwas geben, was im Hintergrund die Krisenintensität antreibt. Im Kern geht es einerseits um Veränderungen in der Mediennutzung, vor allem aber um die wirtschaftlichen Umbrüche in den Medienhäusern. Journalisten werden angehalten, Geschichten zu liefern, die Reichweite produzieren – denn Reichweite ist nichts anderes als Umsatz für den Verleger. Dies führt zu zunehmend opportunistischer, populistischer und abnehmend fundierter Berichterstattung. Diese Entwicklung ist leicht nachvollziehbar und wird in den Unternehmen dadurch konkret erlebt, dass man immer öfter von Krisen betroffen ist. Das ist Krisenmanagement. Hier erleben wir eine zunehmende Professionalisierung. Andererseits gibt es gesellschaftliche Veränderungen, die zu einer Verschiebung im Gesamtgefüge führen. Diese Veränderungen passieren schleichend und werden deshalb in sehr vielen Unternehmen nicht bemerkt. Es entstehen neue gesellschaftliche Erwartungen, Normen, Werte und Moralvorstellungen, auf die sich viele Firmen nicht rechtzeitig einstellen. Das ist Risikomanagement, also das Vermeiden von Krisensituationen durch frühzeitiges Gegensteuern. Im übergeordneten Risikomanagement, das gesellschaftliche Veränderungen antizipiert, sind unterdessen nur vereinzelt Aktivitäten zu erkennen. In diesem komplexen Umfeld lässt sich am besten von Vorbildern lernen. Deshalb hat die Kommunikationsberatung Faktenkontor in einem mehrstufigen Verfahren die VORDENKER in der Krisenkommunikation gekürt. Sie liefern Best Practices, bei denen es sich lohnt, hinzugucken und zu lernen. In Zeiten wachsender Krisenbedrohung ist das der beste Weg, Exzellenz zu erreichen – gerade in Ausnahmesituationen.

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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Warum wir VORDENKER in der Krisenkommunikation dringend brauchen

Aussagen von Topmanagern

Wenn Sie nach der Lektüre dieses Buches den Autoren weiter folgen wollen, besuchen Sie gerne unseren Krisenkommunikationsblog unter www.mediengau.de.

Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

Vorwort

It takes 20 years to build a reputation and 5 minutes to ruin it. If you think about that you’ll do things differently.

Warren Buffet

Chairman und CEO, Berkshire Hathaway

Die 10 entscheidenden Erfolgsfaktoren für (Kommunikations-) Manager

In den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl der kommunikativen Krisenfälle, mit denen Unternehmen und Politik jährlich im deutschsprachigen Raum konfrontiert werden, um nahezu 75 Prozent gestiegen.1 Vier von fünf Unternehmen halten es für „sehr wahrscheinlich“ oder „eher wahrscheinlich“, dass sie innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate eine Kommunikationskrise erleben werden.2 Aus diesen Zahlen lassen sich zwei Rückschlüsse ziehen:

Die Bedeutung von Krisenmanagement steigt kontinuierlich.

Das ist kein Effekt der Digitalisierung, schon gar nicht ein singulärer Effekt infolge zunehmender Social-Media-Nutzung. Die Krisenfrequenz ist bereits gestiegen, als wir weder Internet noch Facebook & Co. kannten.

Es muss also etwas geben, was im Hintergrund die Krisenintensität antreibt. Diese Entwicklungen werden wir in diesem Buch beleuchten. Im Kern geht es einerseits um Veränderungen in der Mediennutzung, vor allem aber um die wirtschaftlichen Umbrüche in den Medienhäusern. Journalisten werden angehalten, Geschichten zu liefern, die Reichweite produzieren – denn Reichweite ist nichts anderes als Umsatz für den Verleger. Dies führt zu zunehmend opportunistischer, populistischer und abnehmend fundierter Berichterstattung. Gleichzeitig steigen die Investitionen der Redaktionen in den Investigativjournalismus, um mit hohem Aufwand Skandale exklusiv zu enthüllen. Beide Ansätze führen zu neuem Optimismus in den Herausgeber-Etagen der Verlage. So bekennt Gabor Steingart, Handelsblatt-Herausgeber und Vordenker der Branche, dass er sich um die Zukunft der Medienhäuser keine Sorgen macht. Es müsse eben nur gelingen, eine Story möglichst oft zu vermarkten. Das Handelsblatt macht es bereits vor: Es vermarktet einen Bericht im optimalen Fall in Print, online, in Handelsblatt Live sowie in der globalen Ausgaben. Enthüllungsgeschichten und Skandale bedienen dieses Format perfekt. Diese Entwicklung ist leicht nachvollziehbar und wird in den Unternehmen dadurch konkret erlebt, dass man immer öfter von Krisen betroffen ist. Das ist Krisenmanagement. Hier erleben wir eine zunehmende Professionalisierung.

Andererseits gibt es gesellschaftliche Veränderungen, die zu einer Verschiebung im Gesamtgefüge führen. Diese Veränderungen passieren schleichend und werden deshalb in sehr vielen Unternehmen nicht bemerkt. Es entstehen neue gesellschaftliche Erwartungen, Normen, Werte und Moralvorstellungen, auf die sich viele Firmen nicht rechtzeitig einstellen. Das ist Risikomanagement, also das Vermeiden von Krisensituationen durch frühzeitiges Gegensteuern. Regulatorische Anforderungen führen zu wachsendem Engagement im administrativen Risikomanagement der Unternehmen. Im übergeordneten Risikomanagement, das gesellschaftliche Veränderungen antizipiert, sind unterdessen nur vereinzelt Aktivitäten zu erkennen. Dabei besteht gerade hier die Chance, Kommunikationskrisen proaktiv zu vermeiden – was zweifelsohne die beste Krisenstrategie ist.

Entsprechend niederschmetternd ist zum Beispiel das Urteil von Experten zum Reputationsbzw. Krisenmanagement der Unternehmen aus der Harvard Business Review:

„Most companies, however, do an inadequate job of managing their reputations in general and the risks to their reputations in particular. They tend to focus their energies on handling the threats of their reputations that have already surfaced. This is not risk management; it is crisis management – a reactive approach whose purpose is to limit the damage.”3

Wer sich vom Fokus auf eine konkrete Kommunikationskrise löst und gedanklich drei Schritte zurücktritt, sieht drei wesentliche Ursachen für Reputationskrisen:4

1. Die Reputations-Realitäts-Lücke

Erfolgreiches Reputationsmanagement beginnt mit der Feststellung, dass Reputation erst durch die Wahrnehmung von Menschen entsteht. Die Reputation im Ganzen setzt sich zusammen aus der Reputation in verschiedenen Zielgruppen (Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre usw.) in unterschiedlichen Kategorien (Produktqualität, Arbeitgeberqualität, Umweltschutz usw.). Damit spiegelt die Reputation im Idealfall den Charakter des Unternehmens wider.

Problematisch wird es, wenn die Reputation positiver ist als die dahinter liegende Realität. Dann reift die Gefahr einer Kommunikationskrise, denn eine gefestigte Erwartung des Publikums wird enttäuscht. Diese Enttäuschung entlädt sich. Lässt sich das Defizit an verantwortlichen Personen festmachen (Personifizierung in der Krise) und eine persönliche oder emotionale Betroffenheit schüren, dann ist das Krisenrisiko besonders hoch. Manager sind daher gut beraten, Reputations-Realitäts-Lücken zu vermeiden.

2. Die Erwartungs-Realitäts-Lücke

Wenn sich Erwartungen an Unternehmen verändern, das Unternehmen aber unverändert bleibt, entsteht – zumeist unbemerkt – eine gefährliche Lücke, in der substanzielle Enttäuschungen reifen können. Erwartungen an Wirtschaftsakteure verschieben sich insbesondere durch gesellschaftliche Veränderungen, die wiederum Auswirkungen auf Werte, Normen und Moralvorstellungen haben. Der Effekt ist leicht nachvollziehbar, wenn man zum Beispiel daran denkt, wie sich die Erwartungen an die Unternehmen im Hinblick auf die Gleichberechtigung der Frau verändert haben. Weitere Beispiele sind gestiegene Erwartungen an ökologische und soziale Standards in der Produktion von Lebensmitteln oder Textilien oder gesunkene Erwartungen an die lebenslange Beschäftigung bei einem Arbeitgeber. Diesem Thema werden wir uns in diesem Buch ausführlich widmen, weil hier unserer Überzeugung nach großer Nachholbedarf besteht.

3. Schlechte interne Koordination

Die schlechte interne Koordination gehört zu den Klassikern in der Krisenkommunikation. Fehler in der Produktion oder Beratung bleiben unbemerkt, Korruption wird verschwiegen, Mobbing geduldet oder zu euphorische Zusagen an den Verbraucher werden nicht eingelöst. Eine schlechte interne Koordination kann auch vorliegen, wenn eine Entscheidung nicht auf Reputationsrisiken hin abgeprüft wird. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Textilunternehmen seine Produktion vor Jahren von Deutschland nach Asien verlegt hat, dort unter menschenunwürdigen Verhältnissen kostengünstig produzieren lässt und heute fürchtet, dass Bilder von blutigen Kinderhänden in den Abendnachrichten zu sehen sind.

Erfolgreiche Krisenkommunikation geht damit weit über das Verhindern einer kritischen Berichterstattung hinaus. Manager und Kommunikationsverantwortliche sichern dann die Reputation erfolgreich ab, wenn sie die Erwartungen der Gesellschaft an das Unternehmen richtig antizipieren und die Firma daran ausrichten. Das ist eine grundsätzlich andere Liga als das Krisen-Hopping von einem medialen Unfall zum nächsten.

Dass dieser ambitionierte Anspruch tatsächlich erfüllt werden kann, zeigen die fünf VORDENKER in der Krisenkommunikation, die wir in diesem Buch vorstellen. Um diese VORDENKER zu finden, wurden rund 2.000 Pressesprecherinnen und Pressesprecher gebeten, ihre VORDENKER in der Krisenkommunikation zu nominieren. 83 Nominierungen gingen ein, einige Unternehmen wurden gleich mehrfach nominiert. Nach kritischer Sichtung der Nominierungen wurde 30.000 Fach- und Führungskräften der PR in einer Online-Umfrage eine Shortlist mit zehn Kampagnen zur Bewertung vorgelegt. Fünf Kommunikatoren gingen aus dieser Bewertung als Sieger hervor:

Thomas Seeger von der Alfred Ritter GmbH & Co.KG („Ritter Sport“)

Emilio Galli-Zugaro von der Allianz SE

Alexander Leinhos von Vodafone

Barbara Schädler von der Lufthansa Group

Andreas Bork von Burger King Deutschland

In dem gesamten Bewertungsprozess ist wertvolles Wissen entstanden: Einerseits hat das Faktenkontor gewissenhaft aktuelle Studien und wissenschaftliche Untersuchungen daraufhin geprüft, welche Erfolgsfaktoren in der Krisenkommunikation wirklich entscheidend sind, um die Nominierungen bewerten zu können. Andererseits liefern die VORDENKER eine tolle Expertise, wie sich Kommunikationskrisen vermeiden bzw. bestmöglich eingrenzen lassen.

Dieses Wissen wollten wir Ihnen nicht vorenthalten – deshalb entstand dieses Buch.

Wir wünschen Ihnen eine bereichernde Lektüre und würden uns freuen, wenn Sie möglichst viele Anregungen und praktische Hilfestellungen für Ihre Arbeit mitnehmen.

Dr. Roland Heintze

Geschäftsführender Gesellschafter

Faktenkontor

Jörg Forthmann

Geschäftsführender Gesellschafter

Faktenkontor

1) Wirtschaftswoche, 02.08.2012, Krisenkommunikation – der Skandal ist überall.

2) Penn Schoen/Burson Marsteller, 2011 Crisis Preparedness Study.

3) Harvard Business Review, Robert G. Eccles, Scott C. Newquist, Roland Schatz, Reputation and Its Risks.

4) Harvard Business Review, Robert G. Eccles, Scott C. Newquist, Roland Schatz, Reputation and Its Risks.

Inhalt

Die 10 entscheidenden Erfolgsfaktoren für (Kommunikations-) Manager

1. Die 10 entscheidenden Erfolgsfaktoren für (Kommunikations-) Manager

2. Das Krisen-Paradoxon

3. Das Räderwerk der Krise

3.1 Reputation

3.2 Krisenhistorie und initiale Krisenverantwortung

3.3 Beteiligte Akteure (Verbündete/Gegner)

3.4 Asymmetrische Krisen

3.5 Gesellschaftliches Umfeld

3.5.1 Gesellschaftlicher Wandel

3.5.2 Werte, Normen und Moral

3.5.3 Ängste der Menschen

3.6 Mediale Implikationen

4. Die VORDENKER in der Krisenkommunikation

4.1 Thomas Seeger von der Alfred Ritter GmbH & Co.KG („Ritter Sport“)

Der „Schokostreit“ – Kommunikation im Schatten juristischer Auseinandersetzung

4.2 Emilio Galli-Zugaro von der Allianz SE

Corporate Empathy braucht Lehrmeister – Annäherung an einen klugen Kommunikator

4.3 Alexander Leinhos von Vodafone

Krisenkommunikation 4.0 – Neue Spielregeln für die zweite digitale Halbzeit

4.4 Barbara Schädler von der Lufthansa Group

Kommunikation im Tarifkonflikt – Fakten und Empathie statt emotionale Eskalation

4.5 Andreas Bork von Burger King Deutschland

Krisenkommunikation mit Biss – mit Transparenz und Authentizität die Krise meistern

1. ERFOLGSFAKTOREN IM ÜBERBLICK

Was führt zu Erfolg in der Krisenkommunikation?

Zahlreiche Studien untersuchen aus unterschiedlichsten Perspektiven die erfolgskritischen Ansätze im Reputations- bzw. Krisenmanagement.

Diese 10 Erfolgsfaktoren lassen sich aus dem aktuellen Stand der Forschung ablesen.

#1 Kein situatives Krisenmanagement. Erfolgreiche (Kommunikations-) Manager bewähren sich nicht nur in der konkreten Krisensituation. Sie beschäftigen sich vielmehr frühzeitig mit dem gesellschaftlichen Umfeld und den daraus resultierenden Erwartungen an das Unternehmen, um es an den Erwartungshaltungen des Publikums auszurichten. Im Idealfall werden so Krisen von vorneherein vermieden.

#2 Reputationskredit durch kontinuierliche Vertrauenskommunikation. Reputation schützt Unternehmen vor den Folgen einer Krise. Deshalb sollten sie rechtzeitig Reputation aufbauen, die im Wesentlichen auf Vertrauen fußt. In der Mediengesellschaft entsteht das sogenannte „eigenschaftsbasierte Vertrauen“ durch das kontinuierliche Betonen vertrauensrelevanter Eigenschaften: Kompetenz, Integrität und Benevolenz (guter Wille in einer Beziehung). Frühzeitige Vertrauenskommunikation kann also wie eine Impfung das Infizieren durch einen Krisenvirus verhindern.

#3 Vor der Krise um Verbündete kümmern. Sobald die Krise ausgebrochen ist, sind Verbündete rar. Deshalb bereits in der Krisenprävention gezielt möglichst namhafte Verbündete aufbauen, um Angriffe abzuwehren, die Gegenposition zu schwächen oder eine Aufklärung unter eigener Choreographie anstoßen zu können.

#4 Asymmetrische Kommunikation vermeiden. Unternehmen begeben sich in der Kommunikation in eine Asymmetrie, wenn sie auf emotionale Vorwürfe sachlich antworten, das Verletzen grundlegender menschlicher Bedürfnisse mit dem Erfüllen individueller Wünsche und Selbstverwirklichung begründen sowie auf konkrete Anschuldigungen unkonkret reagieren. Kluge Angreifer inszenieren ihre Kampagne so, dass das Unternehmen von vornherein in diese Kommunikationsasymmetrie hineingedrängt wird.

#5 Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Staatliche Institutionen werden in der Zukunft immer stärker überfordert sein, den Wohlstand für alle zu sichern. Die Spreizung zwischen Arm und Reich weitet sich aus. Existenzängste wachsen. Neue Technologien werden als Bedrohung empfunden. In dieser Situation reift die Erwartung an die Unternehmen heran, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen: Sicherheit im gesellschaftlichen und technologischen Wandel zu geben, durch Engagement soziale Härten abzufedern, Produkte und Services zu entwickeln, die helfen, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Profit ist akzeptiert, wenn er gesellschaftliches Engagement ermöglicht.

#6 Hohe Ansprüche im derzeitigen Wertesystem erfüllen. Das derzeitige Wertesystem ist auf den ersten Blick geprägt von einer Renaissance konservativer Werte, also einem Werteumfeld, das positiv für die Wirtschaft ist. Allerdings werden die Werte sehr egoistisch von den Bürgern interpretiert, denn die Menschen fühlen sich überfordert. Anstatt jedoch die Überforderung für sich zu lösen, delegieren sie wertebasierte Erwartungen an Dritte – und sind enttäuscht, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden. Diese Delegation trifft vor allem Institutionen, zu denen es keine persönliche Beziehung gibt, wie Politik und Wirtschaft. Beispiel Vertrauen: Das Vertrauen, das die Menschen anderen entgegenbringen, werten sie nicht übermäßig hoch. Vielmehr erwarten sie, dass sich andere außerordentlich um ihr Vertrauen bemühen und dadurch eigene Entscheidungen erleichtern.

#7 Vorsicht vor unerfüllten Erwartungen der Öffentlichkeit. Das Publikum reagiert nicht auf jeden Verstoß gegen die Moral, also gegen Normen in unserer Gesellschaft. Das Krisenpotenzial hängt auch davon ab, welche Erwartungen die Menschen an einen Topmanager beziehungsweise an ein Unternehmen haben. Wer sich sehr positiv in der Öffentlichkeit inszeniert und dabei übermäßig hohe Erwartungen stimuliert, baut eine große Fallhöhe bei Verfehlungen auf. (Kommunikations-) Manager sollten daher eine am Wertesystem ausgerichtete Kommunikation aufbauen, die auf die Inszenierung des Perfekten und Besten verzichtet.

#8 Ängste als irrationale Verstärker der Krise mit bedenken. Ängste führen zu irrationalen Entscheidungen. Die Menschen fokussieren ihre Wahrnehmung auf den subjektiven Kern der Gefahr und blenden weitere Informationen aus. Und sie suchen Halt bei anderen. Um Ängste zu entschärfen, sollten sich Unternehmen deshalb inhaltlich auf den Kern der Angst fokussieren, gezielt Repräsentanten aufbauen, an denen sich das Publikum festhalten kann, und den Menschen Orientierung geben.

#9 Social Media als medialen Brandbeschleuniger verstehen. Die Omnipräsenz von Social-Media-Kanälen und der sich verstärkende Wettbewerb der Leitmedien untereinander haben die Ausbreitung von Krisen beschleunigt, Desinformation inklusive. Der Marktwert eines Unternehmens erholt sich von einer Krise häufig hingegen nur langsam. Firmen sind daher gut beraten, in eigene digitale Frühwarnsysteme zu investieren.

#10 Empathie statt Medienanwalt. Im Umgang mit den neuen Medien gelten zwar die alten Regeln, die gewohnten Instrumente versagen aber zunehmend. Empathie, Geschwindigkeit und Transparenz zählen zu den neuen Erfolgsfaktoren. Sie lassen sich durch Schulung und geeignete Online-Tools gezielt unterstützen.

2. DAS KRISEN-PARADOXON

Warum ist Krise so unwichtig wichtig?

In der Managementliteratur gibt es reihenweise schwergewichtige Argumente, warum Reputations- und Krisenmanagement zu den Topprioritäten in den Chefetagen gehören muss.

Tatsächlich ist davon bei der operativen Umsetzung in den nachgeordneten Hierarchieebenen zumeist wenig zu spüren.

Warum bloß?

„Executives know the importance of their companies’ reputations. Firms with strong positive reputations attract better people. They are perceived as providing more value, which often allows them to charge a premium. Their customers are more loyal and buy broader ranges of products and services. Because the market believes that such companies will deliver sustained earnings and future growth, they have higher price-earnings multiples and market values and lower costs of capital. Moreover, in an economy where 70% to 80% of market value comes from hard-to-assess intangible assets such as brands equity, intellectual capital and goodwill, organizations are especially vulnerable of anything that damages their reputations.”5

Wer das liest, hat keinen Zweifel, dass in jedem ordentlich geführten Unternehmen das Reputationsmanagement exzellent aufgestellt ist, Kommunikationskrisen damit selten sind – und wenn sie auftreten, werden sie hoch professionell bewältigt.

Auch die wirtschaftlichen Folgen einer ernsthaften Kommunikationskrise sprechen dafür, dass das Topmanagement größten Wert auf das Reputations- und Krisenmanagement legt. Denn: Durch Fehlverhalten von Mitarbeitern ausgelöste Krisen gehören zu den größten Schrecken für Investoren und führen zu den massivsten Aktienkursverlusten bei den betroffenen Unternehmen.

Ein kurzfristiger Kursrutsch von 50 Prozent oder mehr ist möglich, sobald illegale Praktiken aufgedeckt und publik werden. Operative Krisen wie Störfälle oder Produktrückrufe haben dagegen die gravierendsten langfristigen Folgen für das Unternehmen, wenn in den ersten 48 Stunden nach einem Zwischenfall kein professionelles Krisenmanagement greift. Das ist das Ergebnis einer Studie von Freshfields Bruckhaus Deringer, die weltweit 78 Krisenfälle börsennotierter Unternehmen aus den vergangenen fünf Jahren analysiert.

So hinterlassen strukturelle Krisen wie finanzielle Engpässe oder kostspielige Gerichtsprozesse bei Firmen langfristig den geringsten Reputationsschaden. Auch Datenskandale beeinträchtigen der Untersuchung zufolge kaum den guten Ruf eines Unternehmens.