Wahrheit über Corona - Richard Tigges - E-Book

Wahrheit über Corona E-Book

Richard Tigges

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Beschreibung

1,8 Millionen Tote weltweit im ersten Pandemiejahr: Der Autor beschreibt die Entstehung der Coronakrise ab ihrem Ursprung im chinesischen Wuhan, verfolgt die internationale Ausbreitung und die Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. In der ersten Auflage warnte er bereits im Juni 2020 vor einer "zweiten Welle" der Pandemie, die zum brisanten Bumerang werden würde. In der zweiten Auflage 2021 macht er sich für eine Einschränkung verzichtbarer Freiheiten und eine temporäre Lockerung des Datenschutzes mit Augenmaß stark. Der Umgang mit Corona sei zum großen Charaktertest für die Gesellschaft geworden, der ihre Solidarität, ihre Rücksichtnahme und ihr Wertesystem auf den Prüfstand gestellt habe. Zum ersten Mal reist er Anfang 2020 nach China und ist damit unbewusst für wenige Tage im Ursprungsland einer weltweit verheerenden Pandemie. Seine weiteren Reisepläne sollen ihn in die USA und nach Spanien führen, bis er merkt, wie ernst die Situation ist. Ab Freitag, den 13. März 2020, begibt er sich für zwei Monate ununterbrochen ins Home Office, bis die Wirtschaft im Mai nach diesem ersten Lockdown wieder hochfährt. Zu früh? Kurzweilig und auch bei medizinischen Sachverhalten verständlich geschrieben, gliedert sich das Buch in 13 Kapitel: Geheim gehalten - Kommunistisch konsequent - Garantiert global - Ausreichend Abstand - Ausverkaufte Apotheken - Medizinische Möglichkeiten - Heimat-Hafen - Digitale Disruption - Politisches Parkett - Hektisches Hamstern - Geschäfts-Gebahren - Brisanter Bumerang - Coronarer Charaktertest

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Seitenzahl: 185

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INHALT

Prolog

1:

Geheim gehalten –

wie der Ursprung des mutierten Virus noch immer Rätsel aufgibt: War es der Tiermarkt in Wuhan, ein Laborunfall oder eine neu hergestellte Biowaffe?

2:

Kommunistisch konsequent –

wie die Volksrepublik China infizierte Bürger mit zugeschweißten Wohnungstüren in Quarantäne und so das Virus in Schach hielt

3:

Garantiert global –

wie lange Regierungen dieser Welt von Brasilien über die USA bis Russland das Problem ignoriert und so Menschenleben auf Spiel gesetzt haben

4:

Ausreichend Abstand

– wie wir in der Zeit des gebotenen Social Distancing plötzlich Nähe als rücksichtslos und asozial empfunden haben

5:

Ausverkaufte Apotheken

– wie Privatleute unseren Ärzten und Pflegern anfangs Desinfektionsmittel und Atemmasken streitig gemacht und horrende Preise gezahlt haben

6:

Medizinische Möglichkeiten

– wie Antikörper bereits Genesener, antivirale Medikamente und der ersehnte Impfstoff im langen Kampf gegen COVID-19 helfen sollten

7:

Heimat-Hafen

– wie Millionen von Menschen über Nacht ins Home Office gewechselt sind und die Diskussion über ein Recht aufs Zu-Hause-Arbeiten entfacht haben

8:

Digitale Disruption

– wie sich die Coronakrise als Beschleuniger einer fundamentalen Transformation in der Wirtschaft herausgestellt hat

9:

Politisches Parkett

– wie sich beherzte Krisenmanager wie Angela Merkel und Markus Söder mit scheinbar unpopulären Maßnahmen den Respekt der Wähler verschafften

10:

Hektisches Hamstern

– wie vor allem junge Menschen in der Krise die Regale leergekauft und Toilettenpapier, Seife sowie Mehl zu Mangelware gemacht haben

11:

Geschäfts-Gebahren

– wie Wirtschaftsinteressen und der Schutz von Menschen aufeinanderprallten und wer sich in der Frage „Geld oder Leben“ durchgesetzt hat

12:

Brisanter Bumerang

– wie der übereilte Wiederanlauf nach dem Shutdown zu gefährlichen zweiten und dritten Wellen geführt haben, obwohl viele davor gewarnt haben

13:

Coronarer Charaktertest

– was wir aus der extremen Belastungsprobe über unser Zusammenspiel als Gesellschaft gelernt haben

Namens- und Stichwortverzeichnis

Für meine China-Mitreisenden Andrea, Silvia, Josef, Florian, Marius und Moritz, die 2020 wie ich durch emotionale Höhen und Tiefen gegangen sind. Für meine Kolleginnen und Kollegen, die in der Zeit veränderter Arbeitsbedingungen zu Hause bewiesen haben, dass wir gemeinsam eine starke Solidar- und Wertegemeinschaft sind. Für Wolf, der mir im vergangenen Jahrzehnt viele wertvolle Impulse fürs Schreiben gegeben hat. Und vor allem für alle meine Lieben, deren Stellenwert in meinem Leben durch die Coronakrise klarer denn je geworden ist.

PROLOG

Eines Tages reichten mir die 280 Zeichen pro Nachricht auf Twitter nicht mehr aus, um meine Gedanken zwischen Entsetzen, Wut, Schockiertheit und Angst in der derzeit schwersten Krise der Welt zu sortieren. So setzte ich mich Abend für Abend an meinen Schreibtisch und begann, dieses Buch zu schreiben. Es ist in wenigen Wochen im Mai 2020 entstanden. Zu Beginn des zweiten Pandemiejahres 2021 habe ich es aktualisiert und ergänzt.

So sehr der Titel dieses Buchs den Anspruch reklamiert, die Wahrheit über Corona auszupacken, so sehr muss ich doch lieber gleich zu Beginn einräumen, dass es wohl eher um Wahrnehmung geht als um Wahrheit. Niemand kann inmitten dieses Bebens wirklich behaupten, ein vollständiges Bild zu besitzen. Es wird noch Jahre dauern, bis diese Krise überwunden ist. Und noch Jahrzehnte, bis wir sie richtig verstanden haben.

Gesellschaftliche Schwingungen und Stimmungen aufzunehmen, ist der Anspruch der folgenden Seiten. Wie schnell sich Bewertungen der Situation bei vielen von uns über die Zeit immer wieder verändert haben, erinnern nur die einzelnen Momentaufnahmen.

Die Summe aller Momente macht deutlich, dass sich die Coronakrise – wie Bayerns Ministerpräsident Söder es treffend formulierte – zu einem Charaktertest für unsere Gesellschaft entwickelt hat.

Kapitel 1

GEHEIM GEHALTEN

Es gab viele Vorwürfe an China. Der damalige US-Präsident Donald Trump nannte den Erreger, der 2020 weltweit 1,8 Millionen Menschenleben kostete, sogar den „China-Virus“. Als würden Krankheiten eine Staatsangehörigkeit besitzen und könnten an den Grenzen barsch zurück gewiesen werden. Einer der größten Vorwürfe an die Volksrepublik war, den Ausbruch der Lungenkrankheit lange geheim gehalten zu haben. Zu lange.

Nachträglich erinnere ich mich dunkel, dass meine Mutter um Silvester herum von einem neuen Ausbruch der Lungenkrankheit SARS in China gehört und mir dies wegen meiner bevorstehenden Geschäftsreise erzählt hatte. Aber ich nahm ihre Warnung wohl so wenig ernst, dass ich mich keine Sekunde mit dem Gedanken befasste, die Reise könnte für mich gefährlich werden. Eine China-Expertin unter den Kollegen, die mit uns reiste, wusste auch davon, bevor wir uns auf den Weg machten, wollte uns jedoch nicht beunruhigen, wie sie später sagte. Die Tragweite der jüngsten Entwicklung im Reich der Mitte hatte sich auch ihr nicht erschlossen.

Auch als ich in den ersten Januartagen mein Visum auf dem chinesischen Konsulat abholte und meine Fingerabdrücke abgab, erhielt ich dort keinerlei Hinweis. Und das, obwohl sich China bereits am 31. Dezember an die Weltgesundheitsorganisation WHO gewandt hatte, weil sich in der Millionenstadt Wuhan im Westen des Landes Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung häuften. Die Reise-Sicherheitshinweise, die ich zusammen mit meinem Flugticket erhalten hatte, wiesen auf zwei mäßige Erdbeben der Stärke 5 in anderen Landesteilen und eine Explosion in einer chinesischen Fabrik für Feuerwerkskörper hin. Geradezu harmlos.

GERADE ALS ICH MEINEN KOFFER FÜR DIE EXTREM KURZE DIENSTREISE NACH PEKING PACKTE, MÜSSEN AM ANDEREN ENDE DER WELT KRISENSTÄBE GETAGT HABEN. ICH PFERCHTE ALLES INS HANDGEPÄCK, WAS ICH AUF MEINER ERSTEN CHINAREISE ZU BRAUCHEN GLAUBTE: COMPUTER, LADEGERÄT, RASIERER, ZAHNBÜRSTE, WÄSCHE UND VOR ALLEM MEDIZIN. ICH WOLLTE GERÜSTET SEIN FÜR DAS ÜBLICHE – MIGRÄNE, RÜCKENSCHMERZEN UND EINE MÖGLICHE ERKÄLTUNG …

An dem Abend, an dem ich in den Flieger einstieg, ging eine kurze Nachricht durch die Lokalmedien Wuhans: Der 61-jährige Besucher eines Fischmarkts sei bereits zwei Tage zuvor, am 9. Januar, an einer Lungenkrankheit gestorben. Die Welt nahm keine Notiz davon, warum auch.

Hinflug am Samstagabend, den 11. Januar 2020. Der weitere Plan: Sonntag akklimatisieren, mit meiner Reisegruppe den Fahrplan für die kommenden beiden Tage durchsprechen, Montag und Dienstag strategische Gespräche mit unseren chinesischen Partnern führen und sie zum Gegenbesuch einladen, am Mittwoch schon wieder Rückreise und am späten Mittwochabend Landung in München. Einige Hände geschüttelt, gute Restaurants besucht, mit der U-Bahn gefahren, durchs Einkaufszentrum geschlendert. Vier Tage China. Wenige Wochen später hätte man uns für die gleiche Reise für verrückt erklärt, weil die ganze Welt auf einen Schlag still stand.

Als ich wieder in Deutschland war, zeigte der Kalender den 15. Januar 2020. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich in den beiden Wochen nach Rückkehr so gut geschlafen habe wie lange nicht. Wir scherzten noch, was für andere eine strapaziöse Fernreise war, schien auf mich wie eine Kur zu wirken. Nach wochenlangen Schlafstörungen hatte ich es geschafft, mich auf dem gesamten 16-stündigen Rückflug mit Besprechungen und der Arbeit am Computer wach zu halten. So war ich wieder im Takt und gewann den Reisestrapazen nachträglich sogar etwas Gutes ab.

Bei der Ausreise drehte ich mich am Flughafen in Peking um, als ich an Sicherheitsbeamten vorbei ging. Auf die fließende Menge hatten sie – wie offenbar all die Jahre zuvor – Wärmebildkameras gerichtet. Wie sich mir erst später erschloss, sollten so Infizierte erkannt werden, bevor sie in die Flugzeuge einstiegen.

Wenige Tage später wurde das Drama von Wuhan öffentlich. Überlaufene Krankenhäuser mussten Menschen abweisen, die an heftigen Erkältungs- oder Lungenkrankheiten litten, teilweise konnte gar keine Diagnose mehr gestellt werden. Auch die Labore waren überlastet. Einen Schnelltest gab es noch nicht.

Die offizielle Statistik weist für China am 23. Januar 2020 bereits 643 bestätigte Covid-19-Erkrankungen und 18 Todesfälle aus. Einen Monat später, am 23. Februar 2020, waren diese Zahlen in die Höhe geschnellt: 77.000 Erkrankte und 2.445 Tote. Das exponentielle Wachstum in diesen vier Wochen war erschreckend. Für die Wissenschaftler in aller Welt war dabei verwirrend, dass China am 12. Februar über Nacht die Definition änderte: Auch ohne positiven Testbefund zählten ab sofort Patienten als bestätigte Fälle, wenn sie die klinischen Symptome von Covid-19 aufwiesen. Eine CT-Aufnahme der Lunge reichte beispielsweise. Durch diese neue Zählweise schnellte die Zahl um mehr als 15.000 Neuinfektionen in die Höhe. In der exponentiellen Kurve erscheint diese Änderung jedoch nur als kleiner Knicks, so gewaltig schnell breitete sich das Virus aus.

Dabei hätte man durch ebensolche Schnelligkeit vieles verhindern können. Der 33-jährige Augenarzt Li Wenliang informierte Arztkollegen in seiner WeChat-Gruppe bereits am 30. Dezember 2019 über die auffällige Serie von SARS-verdächtigen Lungenentzündungen im Zentralkrankenhaus Wuhan. Die Behörden störte das gewaltig. Sie wollten, dass Informationen über die neuartige Infektionskrankheit nur von „autorisierten Personen“ an die Öffentlichkeit kommuniziert würden.

Li Wenliang und sieben weitere Kollegen wurden vier Tage später von der Polizei einbestellt und wegen der „Verbreitung von Gerüchten“ ermahnt. Ihre unwahren Behauptungen hätten die gesellschaftliche Ordnung empfindlich gestört. Das Schreiben endete mit der Aufforderung: „Wir wünschen, dass Sie sich beruhigen und sorgfältig nachdenken, und möchten Sie ernsthaft warnen: Wenn Sie weiter halsstarrig bleiben, Ihre Vergehen nicht bedauern und mit diesen illegalen Aktivitäten fortfahren, werden Sie strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden – haben Sie das verstanden?“

Li unterschrieb das Papier mit den Worten „Ich habe verstanden“ – und doch veröffentlichte er ein Foto des behördlichen Schreibens Ende Januar im Internet. Zu diesem Zeitpunkt war die Coronakrise nicht mehr zu verheimlichen, so dass sich die Behörden bei dem Arzt entschuldigt hatten.

Eine Woche später war Li Wenliang tot. Er hatte sich bei einer Patientin angesteckt, von einem Tag auf den anderen Husten, tags darauf Fieber gehabt, zwei weitere Tage später musste er ins Krankenhaus. Mehrere Tests fielen zunächst negativ aus, bis er am 30. Januar positiv getestet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war er längst ein Held für die chinesischen Internetnutzer. Li habe seinen Einsatz gegen das Virus mit dem Leben bezahlt, schrieb ein Chirurg am 7. Februar. Der Tod des Augenarztes löste große Anteilnahme im ganzen Land aus, weil er für viele Chinesen die langsame Reaktion der Behörden in der Krise verdeutlichte – und deren fatale Folgen.

Am 5. Februar riss die Zentralregierung in Peking das Krisenmanagement offenbar an sich, sensibilisierte die Bevölkerung und räumte sogar Unzulänglichkeiten und Defizite in der Reaktion auf den Ausbruch des neuartigen Virus ein. Ein Text des Politbüros von Xi Jinping wurde im Staatsfernsehen CCTV verlesen und eingeblendet: Die Epidemie sei ein Test für Chinas Regierungssystem. Das nationale Krisenmanagement und generell das Gesundheitssystem müssten verbessert werden. Man müsse Kompetenzen bündeln und Lehren aus dem bisherigen Verlauf ziehen. Der Druck aus dem Netz schien zu wirken.

Doch bevor wir das – kommunistisch konsequente – Krisenmanagement beleuchten, sei ein Blick zurück erlaubt, auf die Ursachen. Denn der Ursprung des mutierten Virus gibt noch immer Rätsel auf. War es wirklich der Tiermarkt in Wuhan oder war es, wie immer wieder zu hören und zu lesen, ein folgenreicher Laborunfall der SARS-Forschung oder war es am Ende gar kein Unfall, sondern eine absichtlich hergestellte neue Biowaffe?

Bereits im April 2020 wurde ein Gerücht immer lauter, dass der erste am 1. Dezember 2019 registrierte Infizierte (man nennt ihn "Patient Null") Mitarbeiter eines Forschungslabors in Wuhan gewesen sei und das Virus versehentlich verbreitet habe. Als Quelle für dieses Gerücht gelten britische Wissenschaftler und der US-Geheimdienst. Demnach wäre ein Unfall in einem Virus-Institut außerhalb der Millionen-Metropole Wuhan die Ursache der Katastrophe. Dort experimentiert man erst seit zwei Jahren mit mehr als 1.500 Viruskulturen, darunter offenbar auch Ebola, und alles unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, betont die chinesische Seite.

Das sahen US-Sicherheitskreise anders und haben offenbar den ausgesprochen Trump-freundlichen US-Sender Fox News und die Tageszeitung Washington Post mit Informationen versorgt. Man habe in dem Biolabor in Wuhan Fledermäuse mit SARS-ähnlichen Viren untersucht und dabei wohl unzureichende Standards gehabt, war von diesen beiden Medien zu hören. Eine Steilvorlage fürs Weiße Haus. Kurz darauf äußerte sich der damalige US-Präsident selbst und bestätigte, die Geschichte sei „immer häufiger“ zu hören, dass es in dem Labor hochansteckende Stoffe gab und kündigte eine „sehr gründliche Untersuchung“ an. In seiner Amtszeit wurde sie nicht abgeschlossen.

Das mit den Fledermäusen als Ursprung mag stimmen, darauf weisen inzwischen auch anerkannte Forscher hin. Sie gehen allerdings davon aus, dass eine andere Tierart der Überträger zwischen Fledermaus und Mensch ist. Das sogenannte Pangolin, ein Schuppentier, das auf chinesischen Wildtiermärkten verkauft wird. So schließt sich der Kreis. Das nachtaktive Schuppentier gehört den Säugetieren an und lebt in Asien und Afrika. Es ernährt sich von Ameisen, hat deshalb einen zahnlosen Kiefer und eine besonders lange Zunge entwickelt. Große, überlappende Hornschuppen bedecken seinen Körper, weshalb es auch Tannenzapfentier genannt wird.

Im weiteren Verlauf kamen Meldungen über Katzen als Überträger des Virus auf, so dass wir uns während der Zeit zu Hause drei Mal überlegten, ob wir Nachbars Katze noch streicheln sollten. Und Anfang Juni töteten die niederländischen Behörden zehntausend Nerze, nachdem sich Mitarbeiter mehrerer Zuchtfarmen „sehr wahrscheinlich“ von den Tieren mit Corona infiziert hatten. Die Angst vor Mutationen des Virus und vor einer erneuten Überwindung der Artenbarriere war groß.

Bereits zur Jahreswende 2019/20 hatten chinesische Forscher das Genom aus einem Strang von rund 30.000 Nukleotiden des Virus entschlüsselt und es wenige Tage später der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übergeben. Zu diesem Zeitpunkt gab es in diesem Zusammenhang 27 Lungenkranke in Wuhan. Am 1. Januar wusste man bereits definitiv, dass das Virus durch Wildtierfleisch übertragen wurde. Die Behörden schlossen sofort den Huanan Seafood-Markt in Wuhan.

Am 7. Januar 2020 konnte man die 87-prozentige Ähnlichkeit zu SARS zwar belegen, erkannte aber gleichzeitig, es war ein eigenes, neuartiges Coronavirus. Die Vertreter dieser Virusfamilie sind dafür bekannt, dass sie bei Wirbeltieren wie Säugetieren, Vögeln und Fischen unterschiedliche Erkrankungen verursachen. Die ersten Coronaviren wurden in den 1960er Jahren dokumentiert. Weil unter dem Elektronenmikroskop die Fortsätze der kugelförmigen Hüllen dieser Virusfamilie an eine Krone oder einen Strahlenkranz wie bei der Sonne erinnern, vergaben die Forscher 1968 den lateinischen Namen „Corona“.

Am 30. Mai berichtete die britische Boulevardzeitung „Daily Mail“, Peking habe jetzt zugegeben, dass das Coronavirus tatsächlich nicht zuerst auf dem Tiermarkt in Wuhan aufgetreten war. In den Proben der beschlagnahmten Wildtiere hätten sich keine Viren befunden, so Gao Fu vom Centre for Disease Control and Prevention im chinesischen Fernsehen.

Das kam einer Sensation gleich. Denn Gao Fu hatte bis zu diesem Zeitpunkt die Schuld am Ausbruch des Virus immer dem Tiermarkt gegeben. Der Markt war geschlossen und wie ein Tatort peinlichst genau untersucht und gereinigt worden. Nun machte der Behördenchef deutlich, dass der Markt eher als „Opfer“ zu sehen sei. Gao Fu stand zu diesem Zeitpunkt mit dem Rücken zur Wand. Zahlreiche Studien hatten die bisherigen Angaben des medizinischen Spitzenbeamten mehr als angezweifelt, seine Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel. Nur 27 der ersten 41 bestätigten Covid-19-Fälle waren tatsächlich auf den Tiermarkt zurückzuführen. Und von den vier allerersten Fällen in der ersten Dezemberhälfte war es ein einziger. Das würde eher dafür sprechen, dass einer der vier bereits Infizierten den Virus auf dem Tiermarkt verbreitete. Es hätte jeder andere Ort sein können.

Der nächste Satz des Wissenschaftlers war eher als Randbemerkung gedacht. Doch er ließ die Welt noch mehr aufhorchen: „Der neue Coronavirus hatte schon lange vorher existiert.“ Dieser Satz besaß umso mehr Gewicht, als Gao nicht nur ein führender Epidemiologe, sondern auch Mitglied des wichtigsten politischen Beraterstabes Chinas war. Im gleichen Atemzug wies Wang Yanyi, Direktorin des Wuhan Institute of Virology, sicherheitshalber die Gerüchte nochmals entschieden zurück, das Virus entstamme ihrem hochgesicherten Forschungslabor. Dies sei eine „reine Erfindung“.

Ende 2019 war nicht das erste Mal, dass ein Coronavirus die Artenbarriere überwunden und so auch den Menschen erreicht hat. Bei SARS im Jahr 2002 und bei MERS im Jahr 2012 war es genauso. Mehr noch: Leichte Erkältungskrankheiten und teilweise sogar schwere Atemwegserkrankungen sind bislang bei sieben verschiedenen Arten des Coronavirus humanpathogen (einschließlich des frisch von der WHO benannten „2019-nCoV“, dem Erreger von Covid-19), das heißt für den Menschen krankheitsverursachend. Von einem einfachen Rachenkatarrh über eine häufig auftretende Entzündung der Nasenschleimhaut, der Bindehaut, des Kehlkopfes oder des Mittelohrs bis zur schweren Entzündung von Herz und Lunge ist alles durch eines der Coronaviren möglich.

Wie oft gilt auch hier: Bei einer einschlägigen Vorerkrankung, wenn die betreffenden Organe oder das Immunsystem bereits geschwächt sind, verläuft die Krankheit viel häufiger schwer, während im Normalfall nur vergleichsweise geringfügige Symptome auftreten. Das macht das Coronavirus im Grunde auch so gefährlich, weil die geringfügigen Symptome schlecht entdeckt werden und sich das Virus so in aller Ruhe verbreiten kann.

Da bei früher auftretenden Coronaviren die Infektionen auf die Zeit Dezember bis Mai beschränkt waren, hoffte man das Gleiche für den Erreger von Covid-19, war sich aber zunehmend unsicher, je näher der Mai heranrückte, dass es diesmal auch so schnell vorbei sein sollte. Das hätte dem Gesundheitssystem, den Krankenhäusern und Impfstoffentwicklern, und der gesamten Gesellschaft und Wirtschaft auf einen Schlag ein halbes Jahr Atempause verschafft. Zeit, um bessere Hygiene- und Notfallpläne zu entwickeln, um Kapazitäten auf Intensivstationen zu schaffen, Beatmungsgeräte aber auch Schutzmasken zu beschaffen, und vor allem Zeit, um nach dem Impfstoff zu suchen. Als Europa im November 2020 auf einen zweiten Lockdown zusteuerte, war klar: Es gab sie, diese Verschnaufpause im Sommer, aber sie war zu wenig für die Vorbereitung etwa des Schulsystems auf Distanzlernen genutzt worden und zu sehr für Lockerungen und ein Gefühl von Normalität, was beides zu einem drastischen Hochschnellen der Infiziertenzahlen im vierten Quartal führen sollte. Doch gehen wir an den Anfang zurück.

Am 17. Januar 2020 gab es den zweiten Corona-Toten in China. Die amerikanischen Behörden registrierten dies und ließen sofort Reisende aus China an den Flughäfen San Francisco, New York und Los Angeles auf Symptome kontrollieren. Am 20. Januar bereits der dritte Tote in Wuhan und 139 neu registrierte Infektionen an einem einzigen Tag.

Die Coronakrise erschien der Welt zu diesem Zeitpunkt noch als rein chinesisches Problem, mit Ausnahme eines Chinesen, der von Wuhan nach Thailand gereist war und eines Japaners, der die Krankheit von einer Wuhan-Reise nach Hause gebracht hatte. Mitte Januar war die Krise definitiv nicht mehr geheim zu halten, auch wenn die Tragweite erst nach und nach klar war.

Kapitel 2

KOMMUNISTISCH KONSEQUENT

Schlag zehn Uhr am 23. Januar 2020 versperrten Soldaten die Eingänge zu Flughäfen und Bahnhöfen mit Gittern. Die regionale Regierung hatte entschieden, Wuhan abzuriegeln. Innerhalb von zwei Wochen waren dort 18 Menschen am Coronavirus gestorben, 634 galten als infiziert. Als die Behörden nachts um zwei Uhr die Ankündigung verbreiteten, die überregionale Infrastruktur werde am Morgen vorübergehend geschlossen, drängten viele Menschen erst recht mit Hab und Gut zu den Gleisen, um schnell vor 10 Uhr noch das Weite zu suchen. Wie viele von ihnen das Virus mitnahmen, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Rund um die Millionenmetropole Wuhan wurden zahlreiche weitere Städte in der Provinz Hubei in Quarantäne geschickt und abgeriegelt. Busse und Bahnen blieben stehen. Der Flugbetrieb wurde eingestellt. An den Autobahnausfahrten und Ausfallstraßen errichtete die Polizei Straßenblockaden. In Summe waren 57 Millionen Menschen von den einschneidenden Schutz-Maßnahmen betroffen und steckten fest.

Hubei bedeutet „Nördlich vom See“. Gemeint ist der Dongting-See, das zweitgrößte Binnengewässer Chinas. Die Provinz ist 740 mal 470 Kilometer groß, das ergibt eine Fläche halb so groß wie Deutschland. Man nennt Hubei auch „Region der tausend Seen“. Eine Drei-Schluchten-Talsperre beherbergt das leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Welt, das von einem mehrere hundert Kilometer langen Stausee gespeist wird. Durch die zahlreichen Flüsse besitzt Wuhan, obwohl im Landesinneren gelegen, nach Shanghai den zweitgrößten Hafen Chinas. Die wichtige Nord-Süd-Eisenbahnlinie von Peking nach Guangzhou führt auch durch Wuhan. Umso wichtiger war vor diesem Hintergrund das Abriegeln der Bahnhöfe in Wuhan.

KEIN ANDERES LAND DER WELT HAT SO VIELE EINWOHNER UND KEIN ANDERES LAND DER WELT HÄTTE MIT DERART KONSEQUENT-DRAKONISCHEN MASSNAHMEN AUF DIE CORONAKRISE REAGIEREN KÖNNEN WIE CHINA. SO KAM ES ZUR ERSTEN QUARANTÄNE, DIE BEHÖRDEN MARTIALISCH MIT DEM SCHWEIßGERÄT VERHÄNGTEN – INDEM SIE WOHNUNGSTÜREN ZUSCHWEISSTEN SOWIE GANZE GEBÄUDE, STRAßEN UND STÄDTE DER VOLKSREPUBLIK ABRIEGELTEN …

"Starke Prävention und Kontrolle. Keine Panik. Hören Sie auf die offiziellen Ansagen. Glauben Sie an die Wissenschaft. Verbreiten Sie keine Gerüchte." Diese Stakkato-artigen Kommandos prangten von einem Riesenplakat an einem hohen Gebäude Wuhans mahnend in die Millionenmetropole hinein.

Mit Ausnahme der Apotheken und Lebensmittelmärkte, die die Bewohner von Wuhan auf direktem Wege alleine aufsuchten, blieben die meisten übrigen Geschäfte geschlossen. Blumenläden ließen draußen Beerdigungs-Gestecke stehen. Daneben Schilder mit einem QR-Code als kontaktlose Bezahlmöglichkeit. Die Menschen sollten am besten gar nicht erst vor die Tür gehen – und wenn, dann nur mit Mundschutz. Sonst drohten ihnen hohe Strafen. Die Straßen wirkten wie leergefegt, Einkaufszentren und Märkte wie ausgestorben.

Das Gegenteil war in den städtischen Kliniken der Fall: Überall Patienten mit Fieber und Atemwegserkrankungen. Niemand konnte ihnen auf Anhieb sagen, ob sie eine gewöhnliche Erkältung, eine ausgewachsene Grippe oder eben diese neue, gefährliche Lungenkrankheit hatten. Kranke wurden wegen Bettenmangels nach Hause geschickt. Auf Dauer würde sich diese medizinische Mangelversorgung rächen, das wurde schnell klar. Denn die unversorgten, nicht isolierten Patienten steckten weitere Menschen an, was das exponentielle Wachstum verstärkte. Sportstadien, Kongresszentren und Hotels wurden in der Folge für eine Massen-Quarantäne in Isolationslager umfunktioniert.

Das Pflegepersonal in der ganzen Stadt war gespenstisch in weiße Schutzanzüge gehüllt. Tag für Tag hätten die Kliniken der Region 100.000 solcher Einwegschutzanzüge gebraucht. Doch in den Fabriken konnte gerade mal ein Drittel davon hergestellt werden. Tausende Taxis orderte das Transportministerium und stellte sie ab, um Ärzte und Wissenschaftler zur Arbeit zu bringen. Autos ohne behördliche Autorisierung durften nicht mehr auf die Straßen. Städtische Lastkraftwagen fuhren durch die Straßen von Wuhan. Das sofortige Versprühen von 560 Tonnen Desinfektionsmittel sollte in der 1.500 Quadratkilometer großen Stadt dabei helfen, dem Virus Herr zu werden. Es diente wohl eher einem Gefühl von Sicherheit, denn die Wirksamkeit dieser Art der Virusbekämpfung auf den Straßen ist anzuzweifeln.

Unterdessen machten erste Bilder von zugeschweißten Türen in Quarantäne gestellter Familien rasch die Runde in der Bevölkerung. Die Angst vor dem Tod förderte den zivilen Ungehorsam, einige junge Menschen riskierten sehr viel, um auf die gesundheitlichen Missstände aufmerksam zu machen. Sie erklärten sich zu Internetreportern und luden Videos hoch, noch bevor die Polizei sie in die Zange nehmen und ihre Geräte beschlagnahmen konnte.

In den jeweils rund tausend Kilometer von Wuhan entfernten Großstädten Peking und Shanghai wurde Ende Januar ebenfalls der Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die großen Feierlichkeiten zum traditionellen Neujahrsfest wurden abgesagt. Präsident Xi Jinping sprach von einer „ernsten Lage“. An einem Sonntag, den 26. Januar, trat Ma Xiaowei, Leiter der nationalen Gesundheitskommission, in Peking vor die internationale Presse. Im Gegensatz zu Sars sei der neuartige Erreger aus Wuhan auch während der Inkubationszeit ansteckend. Eine verheerende Nachricht. Sie bedeutete, dass es bis zu zwei Wochen dauerte, bis unbemerkt Infizierte erste Symptome der Lungenkrankheit zeigen, wenn überhaupt. In der Zwischenzeit würden sie viele weitere Menschen infizieren.