Walburgisöl - Richard Auer - E-Book

Walburgisöl E-Book

Richard Auer

4,9

Beschreibung

Es ist Volksfestzeit in Eichstätt - und ausgerechnet jetzt muss sich Oberkommissar Mike Morgenstern mit einem Mordfall herumplagen. In der Nähe von Eichstätt wurde ein Jäger erschossen, und leider war der starrsinnige alte Herr zeitlebens kein Sympathieträger. Ist Wilderei im Spiel? Oder hatte die liebe Verwandtschaft wegen eines maroden Ingolstädter Möbelhauses den Finger am Abzug? Und warum flüchtet ein Metzger mit einem gestohlenen Damenrad in die Jurawälder? Eine Spur führt zur Gruft der Heiligen Walburga in Eichstätt, und Morgenstern muss lernen: Not lehrt beten.

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Richard Auer, Jahrgang 1965, studierte Diplom-Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt und hielt der Stadt auch danach die Treue. Mit seiner Frau und drei Söhnen wohnt er mitten in der barocken Altstadt. Seit über fünfzehn Jahren arbeitet er als Lokalredakteur beim »Eichstätter Kurier«. Im Emons Verlag erschien sein Kriminalroman »Vogelwild«.www.autorenwerkstatt-auer.de

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

© 2010 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagzeichnung: Heribert Stragholz Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-029-2 Oberbayern Krimi Originalausgabe

SONNTAG

Mike Morgenstern war ein elender Schütze. Deswegen war es ein Fehler, dass er an diesem Sonntagspätnachmittag Anfang September an einer Schießbude auf dem Eichstätter Volksfestplatz stand. Er war umringt von seiner Familie – seiner Frau Fiona und den beiden Söhnen, dem neunjährigen Marius und dem siebenjährigen Bastian. Die Buben hatten ihn durch hartnäckiges Nörgeln genötigt, eine rote Plastikrose für Fiona zu schießen. Morgenstern hatte sich breitschlagen lassen und sich bereits wenige Augenblicke später dafür verflucht.

Breitbeinig stand er mit seinen Cowboystiefeln vor dem Tresen des Schießstandes, der sich großspurig »Schützenhalle Hubertus« nannte. Gute zwei Meter vor ihm war eine ganze Armada von Plastikblumen aufgereiht, die ihm nun so unerreichbar erschienen wie der Mond.

»Jetzt schieß halt, Papa!«, drängelte Marius, denn Morgenstern hielt das antiquierte Luftgewehr nun schon eine halbe Minute mit schweißnassen Händen im Anschlag, ohne abzudrücken. Als er es dann endlich tat, ging der Schuss daneben.

»Du hast mich abgelenkt«, sagte Morgenstern anklagend.

»Wie lange wolltest du denn noch zielen?«, fragte Marius zurück. »Wir möchten ja nicht ewig hier stehen.«

Morgenstern, Kriminaloberkommissar beim Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt, hätte es wissen müssen, dass er sich hier an der Schießbude nur blamieren konnte. Durch die Schießausbildung hatte er sich mehr schlecht als recht durchgemogelt, obwohl seine Vorgesetzten ihm regelmäßig eingebläut hatten, ein bayerischer Polizeibeamter müsse souverän mit der Waffe umgehen können; das gehöre nun mal zum Job.

Der Schießbudenbetreiber nahm Morgenstern den Karabiner ab und lud ihn neu durch. »Bitte sehr, der Herr, Sie haben ja noch neun Versuche«, sagte er mit einem aufmunternden Lächeln. Morgenstern grinste schief zurück. Neun Versuche, das bedeutete im schlimmsten Fall neun weitere Blamagen.

Und genau so kam es. Obwohl er sich alle Mühe gab, traf er nicht ein einziges Mal. Am Ende war er ebenso verzweifelt wie ratlos. Hatte er nicht schon mal gerüchteweise gehört, dass an diesen Schießbuden die Gewehrläufe absichtlich verbogen waren, um die Trefferquote der Schützen zu senken? Das musste hier der Fall sein, sonst hätte doch zumindest eine Rose fallen müssen.

»Ich mach mir sowieso nichts aus Plastikblumen«, sagte Fiona tröstend.

»Aber wir könnten dir eine schießen«, meldete sich Marius.

»Du? Mit neun Jahren?«, fragte Morgenstern.

»Warum nicht? Weniger Treffer als du geht nicht.«

Jetzt war Morgenstern ernsthaft beleidigt. »Von mir aus«, sagte er verschnupft. »Drei Schuss kriegst du.«

Der Schießbudenbetreiber, der sich bisher diskret zurückgehalten hatte, wandte sich an Marius: »Wenn du willst, darfst du das Gewehr auf dem Tresen auflegen.«

»Nö, muss nicht sein«, gab sich der Junge betont lässig. Er hob das schwere Gewehr, legte an, drückte ab, und eine Rose fiel.

Morgenstern atmete tief durch. »Donnerwetter«, sagte er gepresst. »Da hast du aber Glück gehabt.«

Fiona sah ihn scheel von der Seite an. »Und jetzt darf Bastian mal«, sagte sie.

»Der Bastian ist aber wirklich noch zu klein zum Schießen«, protestierte Morgenstern.

»Das geht schon«, widersprach der Budenbesitzer und lud bereits das Gewehr durch. »Komm, Kleiner. Ich zeig dir, wie es geht.«

Bastian legte das Gewehr auf den Tresen, spähte durchs Visier. Ein leiser Knall, der eher ein knappes, scharfes Zischen war. Zu Morgensterns unendlicher Erleichterung ging der Schuss daneben. Das hätte noch gefehlt, dass ihn auch noch sein Jüngster deklassierte. Doch schon wurde das Gewehr zum zweiten Mal durchgeladen. Wieder knallte es, und dieses Mal hatte Bastian getroffen.

Triumphierend überreichten die Kinder ihrer Mutter die beiden Rosen. Morgenstern lächelte säuerlich. »Jetzt wird es aber Zeit, dass wir weiterkommen. Ich glaube, ich brauche jetzt ein Bier.«

»Freu dich doch wenigstens ein bisschen«, sagte Fiona. »Als so schlechten Verlierer kenne ich dich gar nicht.« Sie zögerte kurz und sah ihn skeptisch von der Seite an. »Mike, ich glaube, ich weiß, was mit dir los ist: Du brauchst eine Brille!«

Morgenstern wurde rot. »Ich – eine Brille? Nie im Leben!«

Fiona hatte an einen wunden Punkt gerührt. Morgenstern fühlte sich als Naturbursche, und in sein Selbstverständnis von kerliger Lässigkeit passte eine Brille nicht. Männer, so wie er sie sich vorstellte, brauchten keine Brille. Charles Bronson, Mick Jagger, James Bond mit Brille? Lächerlich.

Doch Fiona blieb hart. »Ich schicke dich nächste Woche zum Optiker. Der kann dir ganz genau sagen, wie gut oder schlecht du siehst.«

Morgenstern knurrte etwas Unverständliches und hoffte insgeheim, Fiona würde die Sache bis zur nächsten Woche vergessen haben. Das wäre allerdings völlig untypisch für sie.

Zwei Stunden später war es auf dem Eichstätter Volksfestplatz im Osten der Stadt dämmrig geworden. Aus den Fahrgeschäften plärrten Schlager, tausende bunter Lichter blinkten auf. Nach einer Maß Bier und einem halben Grillhähnchen war Morgenstern wieder im Reinen mit sich. Die Blasmusik im Bierzelt hatte ihn zusätzlich versöhnlich gestimmt.

Jetzt war im Festzelt musikalisch Pause. Die Jugendkapelle, die bisher gespielt hatte, räumte das Podium für die »Dollnsteiner Blaskapelle«, die für das Abendprogramm zuständig war.

Familie Morgenstern schlenderte über das Gelände, das mit seinen zwei Budenstraßen mehr als übersichtlich war. An der Ostseite des Geländes stand das einzige Bierzelt; hier wurde das Festbier der Eichstätter Hofmühl-Brauerei ausgeschenkt. Den westlichen Abschluss bildete ein als Almhütte getarntes zerlegbares Gebäude, das als »Weinhäusl« deklariert war. Neben dem Weinhäusl drehte sich mit gleichmäßigem Blinken ein Riesenrad, das weithin sichtbare Wahrzeichen des Volksfestes.

»Schau mal, Papa, jetzt ist am Schießstand richtig was los«, sagte Marius aufgeregt.

Tatsächlich standen in ganzen Trauben Jugendliche um die »Hubertus-Halle«, an der es vorhin noch so beschaulich zugegangen war.

»Ich will noch zuschauen«, sagte Bastian, der ebenso wie Marius durch seinen unerwarteten Schießerfolg offenbar auf den Geschmack gekommen war.

»Wenn’s sein muss«, brummte Morgenstern, und schon drängten sich die Buben nach vorne, um alles genau sehen zu können. Der Standbetreiber erkannte sie wieder und nickte ihnen wohlwollend zu.

»Schaut ruhig mal zu. Da könnt ihr noch was lernen«, sagte er.

Ein Mädchen mit langen braunen Haaren, vielleicht achtzehn Jahre alt, legte hochkonzentriert an und schoss. Piff, nachladen, zielen, piff, nachladen, zielen. Piff, piff, piff. Zehnmal zerplatzten weiße Plastikröllchen, die auf dünne Nägel gesteckt waren. Die Clique des Mädchens johlte. Sie gab das Gewehr zurück und nahm als Preis einen kleinen grauen Plüschelefanten in Empfang. Der Schießbudenbetreiber flüsterte ihr dabei etwas zu und deutete mit süß-säuerlichem Blick auf ein kleines Schild, das in der rechten Ecke des Wagens hing.

Morgenstern entzifferte darauf, dass das Schießbudenpersonal das Recht hatte, bestimmte Gäste nur einmal am Tag für eine Schießserie zuzulassen. Doch auch die anderen Mitglieder der Clique, die anschließend ihr Glück versuchten, waren zielsicher, und wenig später waren sämtliche Plüschelefanten vergeben.

»Die gehören zu einem Schützenverein«, sagte Fiona. »Schaut mal, ein paar haben Vereinssweatshirts an. Jetzt wundert mich nichts mehr.«

Morgenstern hatte genug gesehen. »Los, Kinder, wir gehen«, befahl er unwirsch. Hier schoss offenbar jeder besser als ein Kriminalkommissar. Und überhaupt: Für welchen Unfug die Menschen hier ihr Geld aus dem Fenster warfen! Für Luftballons in Mickey-Mouse-Form und Lose am »Glückshafen« des Roten Kreuzes, für versalzenen Emmentaler und pappsüße Zuckerwatte. Und wenn man Pech hatte, enthielt der Maßkrug mit dem teuren Festbier zu viel Schaum. Es gab keinen Zweifel, dass Morgenstern an diesem Abend nicht mehr zum Wiesnfan werden würde. Diese vermaledeite Schießerei hatte ihm den ganzen Abend verleidet. »Ein Fest zum Gernhaben« stand als Slogan auf den Plakaten, die im ganzen Landkreis ausgehängt waren.

»Mich könnt ihr gernhaben mit eurem Fest«, maulte Morgenstern.

Auf dem Heimweg zur Altstadt, einem Fußmarsch von knapp einem Kilometer, haderte er noch immer mit sich und der Welt.

Als er spätabends im Bett lag und das Licht ausgeknipst hatte, muffelte er: »Ich bin mir sicher, dass mein Luftgewehr einen verbogenen Lauf hatte.«

»Ganz bestimmt«, sagte Fiona mild.

MONTAG

Im Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt war wenig los an diesem Montagmorgen. Es waren noch Schulferien, und viele Kollegen Morgensterns hatten Urlaub. Der Oberkommissar selbst hatte bereits die ersten drei Augustwochen freigehabt und war mit der Familie auf einem Campingplatz am Lago Maggiore gewesen – umzingelt von Württembergern, die ihm mit ihrem schwäbischen Geschwätz und ihrem Ordnungsfimmel, der auch in freier Natur nicht zu bremsen gewesen war, zunehmend auf die Nerven gegangen waren. Rund um die Wohnwagen hatte ein ununterbrochenes Putzen und Fegen geherrscht, waren Satellitenschüsseln justiert und Stellplätze vermessen worden.

Die Morgensterns waren dort mit ihrem preiswert bei Aldi erworbenen Hauszelt aufgefallen, erst recht weil der Familienvorstand beim Camping traditionell auf einem Lagerfeuer bestand, das er zur Not auch im Grill entzündete. Die Größe des Feuers spielte dabei keine Rolle, es ging Morgenstern eher um die Symbolik. Ein freier Mann in einem freien Land durfte unter freiem Himmel Feuer machen – Platzordnung hin oder her. Die Schwaben, diese Denunzianten, hatten das anders gesehen. Der Platzbetreiber auch, dieser spießige Lagerkommandant.

Morgenstern schenkte sich in seinem Büro eine Tasse Kaffee ein und begann, die von daheim mitgebrachte Tageszeitung zu studieren. Im Lokalteil drehte sich alles um das Auftaktwochenende des Eichstätter Volksfests. Wenig Text, viele Bilder: Die »Wiesnkönigin« wurde mit einem Buchsbaumkrönchen auf dem Marktplatz präsentiert, der Oberbürgermeister zapfte das erste Fass Bier an, der Festwirt winkte vom Kutschbock eines von mächtigen Rössern gezogenen Brauereiwagens, Böllerschützen schossen Salven neben dem Festzelt, eine Bedienung im Dirndlkleid hielt dem Fotografen zehn volle Maßkrüge in die Kamera. Außerdem hatte am Sonntagvormittag im Bierzelt offenbar ein Boxkampf stattgefunden, bei dem der Box-Club Eichstätt von einer Mannschaft aus Tschechien Prügel bezogen hatte.

Morgensterns Telefon klingelte. Es war Adam Schneidt, Kriminaldirektor und Morgensterns Chef. »Kommen Sie sofort rüber, Morgenstern.«

»Was gibt’s denn Dringendes?«

»Nicht lange fragen – kommen!«, bellte der Chef.

Mit der Kaffeetasse in der Hand eilte Morgenstern über den dunklen Flur zu Schneidts Büro, von der anderen Seite des Flurs kam ihm Oberkommissar Peter Hecht entgegen, ebenfalls mit einer Tasse bewaffnet.

»Ach, Spargel, musst du auch ran?«, fragte Morgenstern. »Hast du eine Ahnung, worum es geht?«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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