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Gegenstand des Buches ist die philosophische, analytische, spirituelle und kontemplative Betrachtung des Wesens und der Natur der Seele. Es beinhaltet eine qualitative Bestimmung der Grundzüge der Seele nach ihrem Hervorgang aus dem absoluten Geiste, eine Charakterisierung ihrer konstitutiven Qualitäten, ihres Wesens, ihres inneren Lebens, sowie ihres Verhältnisses zum reinen Geist als deren Ursprung sowie zu den fein- und grobstofflichen Körpern, in die sie gekleidet ist. Darüber hinaus betrachten wir ihre Bezüge zur Transzendent sowie ihres Standes und Ausdrucks in der Welt, und auch ihrer Selbstbestimmung und Schicksalsentscheidung vermittels ihres Hegemonikon (= ihrer Dritten Instanz) welches zwischen den beiden Polen von Vernunft und Begehren ihren Weg wählt und entscheidet.
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Seitenzahl: 217
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Wer seinen Liebsten erkannt,
und um seinetwillen sich selbst und das Leben
und alles was er hat und begehrt
hat hingegeben,
den umfaßt die Liebe
und macht ihn sich gleich
und hebt ihn empor in heiliger Einung
mit dem Geliebten...
Vorwort
Der Grund und Ursprung allen Seins, der Welt und des Lebens
Der Ursprung der Seele im Geiste
2. 1 Was aber
ist
die Seele, was
ist
ihr Wesen?
2. 2 Ewigkeit und Zeit als Modi des Verhältnisses zwischen Geist und Seele
2. 3 Das Leben der Seele
2. 4 Die Seele ist polar
2. 5 Die Seele ist universell und individuell – Weltseele und Einzelseelen
2. 6 Absoluter Geist und Demiurg, Gottheit, Gott und Götter
2. 7 Denken und Bewußtsein – Das Selbst oder Ich des Menschen
2. 8 Körper und Organe
2. 9 Das „Heilige“ Herz
2. 10 Avidya oder das Unbewußte
2. 11 Schöpfung als Akt der Selbstoffenbarung und Selbsterkenntnis Gottes
2. 12 Das innere Leben von Geist und Seele
2. 13 Es gibt eine umfassende Beziehung zwischen Allgeist, Weltseele und Universum
2. 14 Abstrakte Erkenntnis und konkretes Leben
Ewigkeit und Zeit als die wesenhaften Lebensformen von Geist und Seele
Die vierte Hypostase oder der Ursprung der Materie und der materiellen Welt
Die Seele als bipolares Leben zwischen Ewigkeit und Zeit, Geist und Materie
Die polarisierte Seele und ihre Mitte
6. 1 Die dritte Instanz
6. 2 Der Logos als das Hegemonikon unserer Seele
Das Wesen des Menschen ist die Dreieinheit von Geist, Seele und Leib
Der Weg der Seele als Nachvollzug der Vollkommenheit des Geistes (oder: Die Verwirklichung der Christus- bzw. Buddhanatur des Menschen)
8. 1 Ein Modell des Höheren Selbst
Anhang: Die Seele bei Meister Eckhart
9. 1 Die Seele und ihre Kräfte
9. 2 Die Seele in ihrem Wesen
9. 3 Der Mensch
Das Buch, das Sie in Händen halten, ist eine Notwendigkeit unserer Zeit. Die wenigsten Menschen wissen heute mit dem Begriff „Seele“ etwas anzufangen. Die althergebrachten religiösen Vorstellungen und Dogmen sind uns heute entweder zu einfältig oder zu abwegig, als daß sie uns helfen könnten, unser Gefühls- und Innenleben, ja das, was uns als Menschen ausmacht, besser zu verstehen.
Betrachten wir auf der anderen Seite, was uns die aktuelle Forschung und Wissenschaft dazu sagt, indem wir uns einen Überblick der neueren Literatur verschaffen, so finden wir vorwiegend neurophysiologische Abhandlungen, die die Qualitäten und Äußerungen dessen, was sie als seelisch bezeichnen, in den neuro-endokrinen Prozessen unseres Nervensystems suchen.
Auch die moderne Psychologie, die sich in ihren Theorien eher auf die Physiologie (des Gehirns) stützt, hat nur eine sehr vage und unklare Vorstellung vom Begriff der Seele.
So bemerken wir bald, daß uns beides in unserer Suche nach uns selbst und dem Verständnis unseres Innenlebens nicht weiterzubringen vermag. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen zeigt sich, daß immer mehr suchende und erwachende Menschen sich diese Frage stellen: Wer bin ich? Was ist die Seele? Was ist ihr Wesen?
Dieses Buch ist nun das Ergebnis mehrerer Jahrzehnte persönlicher Forschung, Introspektion, innerer Führung, spiritueller Heilarbeit, philosophischen Denkens und Schauens und als solches ursprünglich ein Teil eines größeren Gesamtwerkes zum Thema „Sein und Erkenntnis“.
Die nachfolgenden Ausführungen wirken aus der Sicht der üblichen Auffassungen zu diesem Thema wahrscheinlich erst einmal befremdend. Ich bin aber überzeugt, daß der Leser, wenn er bei sich ist und den Gedankengängen folgt, vieles unmittelbar einleuchtend und nachvollziehbar finden wird, bei manchem aber länger verweilen und in sich gehen muß, um sich ein eigenständiges Urteil zu bilden. Obwohl sich der Autor in seinen Erfahrungen und Einsichten sowohl den antiken Philosophen – insbesondere Heraklit, Plato, Plotin und der Stoa – wie auch den Meistern der Vergangenheit und Gegenwart in Ost und West verwandt und verbunden fühlt, gründet das Buch in seiner Betrachtung ganz ursprünglich auf der eigenen authentischen Erfahrung. (Literatur zur Ideengeschichte des Seelenbegriffs bzw. zum Forschungsstand der philosophischen und religiösen Seelenvorstellungen findet der Leser am Ende des Buches) Insofern als es in einer Zeit völlig neuer innerer Ausrichtung und Suche der Menschen wie auch einer sich rasch wandelnden und fortschreitenden kosmischen Entwicklung des Bewußtseins in der geistigen Welt entstanden ist, sucht es diesen umfassenden Veränderungen rundum Rechnung zu tragen.
Verpflichtet fühlt sich der Autor der exzellenten Aufbereitung der Betrachtungen Plotins zu dem Thema „Seele“ in verschiedenen Schriften von Jens Halfwassen, die vor allem im letzten Teil des Buches zu Wort kommen.
Insgesamt bringt das Buch somit eine rundum recht neue Sicht und Betrachtung des Wesens der Seele, ihrer Qualitäten, ihrer Ausdrucksformen, ihres Lebens, ihrer Beziehung zu Gott, Welt und sich selbst und vor allem des sich aus ihrem Urgrund entfalten wollenden unermesslichen Potentials zum Ausdruck.
Obwohl der Gang der Betrachtung und Darlegung der Seele und des Seelischen grundsätzlich auf einem zumindest elementaren Zugang zu dem Prinzip des Einen, des reinen Geistes und des Bewußtseins, aus dem die Seele stammt, gründet und aufzubauen ist, habe ich hier auf eine extensive Erörterung dieser Themen verzichtet. (Siehe dazu die Literaturangaben am Ende des Buches) Ich möchte mich vielmehr in einer kurzen Einleitung darauf beschränken, den Begriff des Geistes, wie er hier gebraucht wird, in seinen Grundzügen, soweit es für das Verständnis der Seele unentbehrlich ist, zu erhellen.
Ich lade den Leser hiermit ein, sich bei dem Studium der Schrift auf eine Reise nach innen zu begeben, und damit die Höhen, Tiefen und Weiten des eigenen Selbst in sich zu erforschen.
Bevor ich auf die Seele eingehe, ist es nötig, einige einfache für ihr Verständnis wesentliche Voraussetzungen und Begriffe darzulegen. Das sind vor allem die Begriffe des Geistes, des Bewußtseins, der Welt der Ideen, der energetischen Substanz und des Logos.
Alles, was ist, ist Sein und Bewußtsein, Substanz und Energie. Dabei bildet das Bewußtsein die erste und oberste Voraussetzung für alles, was sagbar, erfahrbar, und stofflich manifest ist. Denn, alles, was ist, ist im Bewußtsein. Sein setzt Bewußtsein voraus, denn nichts, das ist oder sein kann, ist außerhalb des Bewußtseins. Das Bewußtsein ist die Existenzbedingung für alles Seiende. Es bildet das Licht unserer Wahrnehmung und unserer Erkenntnis.
Wie alles, hat auch die Seele einen Ursprung und dieser Ursprung ist der absolute Geist bzw. das universelle Bewußtsein. Bewußtsein ist das All und alles durchdringende Licht, an dem du und ich und alle lebenden Wesen Teil haben und vermittels dessen wir wahrnehmen, erkennen, denken und unserer selbst sowie der Dinge um uns aber auch der Empfindungen, Gedanken und Gefühlsregungen in uns bewußt sind.
Die alten Weisen des Abend- wie auch des Morgenlandes haben dieses universelle, alldurchdringende und allumfassende Licht und Bewußtsein den absoluten Geist oder Gott genannt. Die Griechen sprechen vom Nous, die Inder von Brahman oder Sat-chit-ananda und die Chinesen nennen es Jingshen. Dieser universelle überpersönliche Geist, der absolut unbegrenzt, ewig und von seiner Substanz her Licht und Liebe ist, verfügt über ein unendliches Repertoire von intelligiblen (unsichtbaren) Urqualitäten und Kräften, die die Philosophen die reinen Eide (Urbilder) und Ideen nannten. Neben diesem allumfassenden absoluten Geist, der wie ein physikalisches Feld den gesamten Raum des Universums erfüllt und umspannt, gibt es eine in ihm begründete schöpferische Urkraft oder reine Energie, die den Hervorgang aller geschaffenen Wesen und Dinge, die das Universum bevölkern, aus ihrem Ursprung im Geiste erst bewirkt. Diese schöpferische Urkraft, die zugleich intelligenzbegabt und ordnungsschaffend ist, nenne ich in der Gefolgschaft von Heraklit und Plato den Logos.
Als Logos bezeichnen wir in der Folge jene schöpferische Kraft des absoluten Geistes oder Gottes, die die ihm immanenten Eide und Ideen zur Manifestation und Entfaltung in Raum und Zeit bringt. Er hat seine Wurzel im Einen, umfaßt alle dem Geiste immanenten Prinzipien und Qualitäten, bewegt und erhält alles, was Sein und Leben hat und ist zugleich höchste Vernunft und Ordnung schaffendes Prinzip. Er ist also die eine, alles verursachende, intelligenzbegabte, Licht und Leben stiftende Kraft, die den gesamten Kosmos durchwaltet und vom höchsten Einen bis in die kleinsten Dinge und Elemente der materiellen Welt reicht, sie ewig umfaßt und mit ihrem Ursprung verbindet.
Der Logos ist damit die eine schöpferische Urkraft des absoluten Geistes, sowie die Wirkkraft seiner göttlichen Intelligenz. Der eigentliche Anfang aller geschaffenen Wesen und Dinge aber ist der Geist. Er ist es, der alles, was er erschaffen hat, durchdringt, nährt, belebt und vermittels des Logos zu seiner letztendlichen Bestimmung führt.
Es gibt nur einen Geist. Er wohnt in allen Dingen und umfaßt All und alles. In allem, wohnt und wirkt der unbegrenzte und unteilbare Geist Gottes. Der Geist ist ein allumfassendes Ganzes, ewig und ohne Grenzen, in sich ununterschieden und ungebrochen. Er umfaßt alle Vielfalt und jedes Individuum. Es gibt nichts, wo bzw. worin kein Geist wäre. Er durchdringt sowohl die ätherischen Welten wie auch die Materie.
Die oberste Wurzel und der absolute Ursprung dieser höchsten schöpferischen Kraft des Logos, der weit über der Welt der Erscheinungen, und auch über dem allumfassenden Geist liegt, bildet das absolute alltranszendente Eine. Es verkörpert den obersten absolut anfanglosen und unerschöpflichen Urquell, aus dem in absteigender Folge alle Kräfte, Qualitäten, Welten, Wesen und Dinge hervorgehen, die in Raum und Zeit in Erscheinung treten.
Der absolute Geist ist ein Ozean des Lichtes, der jenem höchsten Quell entspringt und jenen als strahlende Aura umgibt. Jener steht zum Geiste in einem ähnlichen Verhältnis wie die Sonne zu den sie umgebenden Strahlen.
Das Wesen des Geistes ist Gewahrsein, Schauen und Erkennen. Es ist sein ewiger Rückbezug und sein Hinblicken auf das Eine als seinen Ursprung, in dem er sich mit den sich darin manifestierenden Kräften, Qualitäten und Vollkommenheiten erfüllt. Sie sind sodann in ihm und sie sind es, die ihn qualifizieren.
Der Geist ist damit nicht leeres Sein oder Bewußtsein, sondern eine mit der Fülle aller möglichen Urqualitäten des Seins und Bewußtseins – eben den Eiden und Ideen, Kräften und Energien – erfüllte allumfassende Ursubstanz (ousia). Eidos und Idee sind auf Plato zurückgehende Bezeichnungen für die obersten Urqualitäten und Urbilder, die den absoluten Geist als Anblicke des Einen erfüllen und qualifizieren und der Welt der Erscheinungen zugrunde liegen. Sie sind also nicht nur die Urqualitäten, die den Geist seinem Wesen nach bestimmen, sondern darüber hinaus zugleich die im Logos umfaßten dynamischen Kräfte und transzendentalen Samen und Ursprünge aller möglichen und wirklichen Wesen und Dinge sowohl der fein- wie auch der grobstofflichen Welten, die schließlich aus ihm hervorgehen.
Der absolute Geist ist Licht und zugleich Gewahrsein des Lichtes. Sein Leben und seine Dynamis besteht im Sich-Erfüllen und in dem ewigen Streben, die ihm aus der Hinschau auf das Eine einwohnende unbegrenzte Fülle ihrem Sein und Wesen nach zu erfassen. Das geschieht, indem er diese ihn erfüllenden Eide und Ideen nach außen setzt, um sich darin in objektivierbarer Form beschauen bzw. in den geoffenbarten Formen und Dingen sein unoffenbartes Wesen erkennen und darin in Besitz nehmen zu können. Das ist der Grund und Ursprung der Produktivität des Geistes – ewig Neues aus sich hervorzubringen und sich darin anzuschauen und in Besitz zu nehmen.
Es ist also ein Quell und eine Energie, die all das, was diesseits und jenseits unseres Bewußtseinshorizontes in Erscheinung tritt, hervorbringt. Die diversen (philosophischen und spirituellen) Traditionen sprechen dabei von verschiedenen Welten, Seinsebenen, Entelechien oder Hypostasen. Letztlich ist aber alles eine Energie, die sich absteigend – vom universellen Geiste oder Bewußtsein bis hinunter zur physischen Materie – in diversen Aggregatzuständen manifestiert. Es sind verschiedene Kanäle, durch die sich dieser eine Quell und Ursprung offenbart und zum Ausdruck bringt. Alles Seiende gibt Zeugnis von der unsagbaren Fülle, Würde und Erhabenheit jenes Ursprungs. All die kleinen und scheinbar unbedeutenden Dinge und Ereignisse, die sich in Raum und Zeit offenbaren, sind Spiegelungen des Großen Ganzen, das sowohl in seiner Ganzheit wie auch in seinen unzähligen jenes Ganze differenzierenden Erscheinungsformen das ewige Mysterium unseres Seins und Lebens bildet und alle wirklichen und möglichen Inhalte unseres Lebens und Bewußtseins umfassen.
Jedes geschaffene Wesen und Individuum, das die drei Sphären der Schöpfung bevölkert, erfährt sich als erstes nicht unmittelbar als Geist, sondern als Seele bzw. Körper. Es ist zuerst seiner Seele bzw. seines Körpers inne und erfährt diese als sein Ich. Erst tiefer in sich gehend, erkennt es – in einem Akt des Erwachens – den Geist als seinen eigentlichen Kern und Ursprung, das heißt aber das universelle oder metaphysische Ich als sein wahres Selbst, als Ich seines Ich.
Obwohl es der Geist ist, der dem Individuum Bewußtheit und Erkenntnis verleiht, ist es die irrige bzw. fälschliche Identifikation mit den Hüllen und Körpern, in die es als das eigentliche Licht gebettet ist, die es für sein Ich bzw. Selbst hält. Die Seele umfaßt und beinhaltet demnach alle Qualitäten, Kräfte und Energien, die das individuelle Selbst ausmachen. Die Erforschung der Seele, ihres Wesens und ihrer Natur bildet damit das A und O der Erforschung, Erkenntnis und Verwirklichung unseres Selbst und Lebens.
Um die Seele zu ergründen, müssen wir zum einen zu ihrem Ursprung, aus dem sie hervorgegangen ist, gehen, zum anderen aber nach innen in uns selbst und betrachten, wie und als was sie sich uns offenbart. Was wir als erstes erkennen ist, daß die Seele unsere Empfindsamkeit, unser Fühlen und unsere Emotion sowie Selbstbewegung und Speicherung all unserer Erfahrungen ist. Sie ist wie ein Wachs, das durch seine Erfahrungen und Entscheidungen geprägt ist. Von der anderen Seite her, zeigt sich uns von Anfang an, daß die Seele ein „Abkömmling“ des Geistes ist. Wie der Geist ein Bild des Einen ist, ist die Seele ein Bild des Geistes.
Gehen wir zu ihrer Wurzel und ihrem Ursprung im Geiste zurück, so zeigt sich, daß – ähnlich wie der Geist als einheitliche Fülle des Seins das “Bild des Absoluten” ist, die Seele das Bild des Geistes (εικον νου) ist. Sie ist die erste, wirk- und substanzmächtigste Manifestation bzw. Emanation des Geistes. Und wie die Ursache stets in der Wirkung enthalten ist, so ist es hier der Geist – im Besonderen aber der Logos –, der in der Seele als ihr schöpferisches Prinzip und Licht der Vernunft fortwirkt und ihren dialektischen Charakter wesentlich bestimmt.
Das, was die Seele als Ganzes und ihrem Wesen (und ihrer Natur) nach ist, ist unaussprechlich. Sie ist Mysterium. Was wir benennen und von ihr aussagen können sind gewisse Wesenszüge und Eigenschaften, die sie konstituieren.
Was wir als erstes sagen können ist, daß die Seele eine Wesenheit oder Entität ist, die sowohl geschaffen als auch selbst schöpferisch ist. Als Schöpfung ist sie eine Manifestation des absoluten Geistes, die dieser hervorbringt, um sich darin selbst anzuschauen. Die Seele bildet deshalb die erste dieser, seiner Manifestationen.
Der Seele eigen ist die ουσια (Substanz) der Ideen, das heißt, daß sie selbst vom Wesen der Ideen (bzw. des Seins der Ideen) ist. (Phaedo 66de, 76de, 92de, 185e, 187a) Auch für Plotin ist es die Ideenfülle selbst, die als substantieller Gehalt des Intelligiblen, also des Geistes, auch das Wesen der (Welt-)Seele bildet; als Manifestation des Geistes ist sie (und mit ihr auch der Demiurg) mit der Ideenwelt identisch und schließt nicht nur den gesamten Inhalt dieser sondern auch den der sinnlichen Welt des Universums in sich ein. (En. II 5, 3; III 9, 3; V 1, 3) D. h. die Seele umfaßt in sich sowohl den Kosmos der Ideen- wie auch den der Sinnesgegenstände.
Um den Begriff der ‚Seele‘ nun eindeutig und einheitlich zu bestimmen, möchte ich sie wie folgt definieren: „Die Seele ist die erste, oberste und einzige allumfassende Manifestation des absoluten Geistes, samt der ihm innewohnenden Totalität der Eide und Ideen; so wie die Ideenfülle in ihm auf ewig immanent ist, ist sie auch in der Seele – da jedoch nur keimhaft – als ewiges Gestaltungsprinzip unauflösbar gegenwärtig.“
Von Meister Eckhart stammt das Wort: “Aber die Seele ist ein Saatfeld voller Keime geistigen Lebens.”
Als echtes Bild des Geistes ist die Seele grenzenlos – sie hat weder Grenzen in der Zeit noch im Raume. Heraklit ist es, von dem das Wort überliefert ist: „Will ich die Seele mit meinem Geist durchmessen, so finde ich keine Grenze in ihr, so tief liegt ihr Logos (Wesen).” (Heraklit, Fr. 45) Die Seele ist reine Substanz und als solche unendlich ausgedehnt und ohne räumliche Grenze.
Wollen wir das Wesen der Seele bestimmen, so zeigt sie sich ursprünglich als Prinzip des Lebens und der Bewegung. Sie ist erstlich Leben und Selbstbewegung. Erst in ihrer Verkörperung ist sie es, die den Leib, den sie bewohnt auch belebt. Und Leben ist Bewegung.
Der Geist ist ursprünglich Gewahrsein und Erkennen (νοησις). Diese sind die Urformen seiner Bewegung. Die Seele wiederum ist ein Mittleres zwischen Nous (Sein) und Hyle (Nicht-Sein) und bewirkt auch die Vermittlung zwischen beiden (Nous und υλη / χωρα).
Sie – die Allseele oder der Purusha – ist das vermittelnde Prinzip (ein Mittleres) zwischen Ewigkeit und Zeit, zwischen Sein und Nicht-Sein sowie zwischen Ideen- und Sinnenwelt. Überhaupt umfaßt sie in sich beides – Ewigkeit und Zeit, sowie Ideen- und Sinneskosmos.
Die Seele ist energetisch das, was der Geist rein ideell ist. Was im Geiste geistig ist, ist in der Seele energetisch. Die Seele ist ουσια, ενεργεια und δυναμις, Substanz, Potential und Bewegung und ihre Substanz, die ja Energie ist, ist reine göttliche Liebe.
Die Seele ist substantiell reine Energie; sie ist nicht stofflich. Die Seele ist auch nicht (selbst) Bewußtsein, trägt aber in der Gestalt des ihr eingeborenen Geistes bzw. des Logos Bewußtsein in sich. Dieses ist ihr Hegemonikon, ihre leitende Instanz.
Sie bildet den Kern des individuellen Ich-Erlebens. Sie ist nicht selbst Bewußtsein, jedoch können wir sagen, daß Bewußtsein in ihr wohnt. Wie wir sagen, daß die Seele im Körper wohnt so können wir auch sagen, daß der Geist in der Seele wohnt und der Geist bildet ihr Bewußtsein.
Und wie der Geist, aus dem sie hervorgegangen ist, ist auch die Seele Bewegung und Erkenntnis ... Das Erkennen ist stets Rückwendung zum Ursprung ... (als in jeder Erkenntnis von Gestalt und Ordnung das transzendentale Urbild der Ideenwelt hindurchscheint.) Beide sind abgeleitete Formen der Teilhabe an der κινεσις des Geistes, die Erkennen ist. Die Bewegung des Geistes ist unzeitlich, die der Seele aber zeitlich.
Die Seele ist nicht nur Ursprung der Hyle (und der materiellen Welt) sondern überhaupt die schöpferische Kraft aller materiellen Dinge, von den einfachen Elementen bis hinauf zu den Gestirnen und Galaxien, und damit auch die Vermittlerin der Ideen an die sinnliche Welt. Nichts kann des Nous und seiner Qualitäten (= Ideen) teilhaftig werden ohne die Vermittlung der Seele (Tim. 30 b3).
Obwohl die Seele wesenhaft unverweslich und ewig ist, ist sie doch zugleich durch die Eindrücke ihrer Erfahrungen formbar. Aus der Perspektive der Zeitlichkeit gilt: Die Seele ist unzerstörbar und unsterblich.
Die Seele ist innere Bewegung, Energie und Potenz (dynamis und energeia). Sie ist Selbstbewegung, d. h. sie bewegt sich aus sich selbst und bedarf nicht – wie die materiellen Dinge – des Anstoßes oder der Ursache von außen. Diese ihre innere Bewegung ist durch verschiedene innere Impulse gelenkt; diese Impulse stammen zum einen aus dem absoluten Geist, der in ihr wohnt und ihr Bewußtsein und Erkenntnisvermögen verleiht, zum anderen aber auch aus dem Unbewußten, das einen wesentlichen Aspekt und Teil der Seele selbst ausmacht.
Die Seele ist das, wo alles Erfahrene – von Anbeginn ihrer Inkarnation an bis zum jeweiligen Jetzt - aufgezeichnet und gespeichert wird. Der Geist, das Bewußtsein, ist Erinnerung und Erkenntnis; daher ist die Seele nicht Bewußtsein, wohl aber Erinnern. Alles, was sie erlebt hat, hat sie geprägt und in sich aufgezeichnet. Ihre konkreten Erfahrungen überformen ihre ideelle Gestalt. Insofern ist die Seele – obwohl wesenhaft ewig – phänomenologisch und strukturell zeitlich prägbar.
Meister Eckhart definiert die Seele als einfache Form des Leibes (17, 32), welche, selbst unräumlich und immateriell, den Leib ganz durchdringt und ganz und ungeteilt in allen Teilen des Körpers mit gleicher Kraft wohnt und wirkt (116, 26; 268, 13). Der Leib nun ist aus den vier Elementen gemacht und irdischer Natur, die Seele gehört dem Himmel an; und doch sind sie so unauflöslich verbunden (237, 4). Die Seele ist geschaffen und hat einen zeitlichen Anfang; aber sie ist an sich ohne Materie und über die Zeit erhaben, wie das ihre Tätigkeiten beweisen (631,6; 671,37; 509,23; 412,25). Die Seele ist es, die den Leib belebt und ohne die er kein Leben in sich hat.
Es heißt, daß Plotin lehrte, dass sich die Seele nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur teilweise an einen Körper binde. Sie bewahre nicht nur durch ihre Denkfähigkeit die Verbindung mit dem Nous, sondern ihr höchster Teil verbleibe immer in der geistigen Welt. Durch diesen höchsten Teil habe sie, auch wenn ihr verkörperter Teil durch die Eindrücke der Welt in Mitleidenschaft gezogen ist, ständig Anteil an der ganzen Fülle der geistigen Welt.
Überhaupt ist die Seele als das Prinzip des Lebens selbst Bewegung, Empfinden, Gefühl und Prägsamkeit. Ihr Prinzip ist “Bewegung aus sich selbst”; sie ist das, was sich aus sich selbst bewegt und entfaltet – ohne jeden Anstoß von außen wie etwa bei den körperlichen Dingen (σοματα).
Heraklit hat die Seele – ihrer Natur als Prinzip der Selbstbewegung wegen – als dem Logos wesensverwandt betrachtet: ψυχης εστι λογος εαυτον αυξων. – „Die Seele ist der Logos, der sich stets aus sich selbst entfaltet.“ (B 115) Der Logos der Seele (= das Wesen der Seele) ist von der Art, sich selbst zu steigern (Heraklit, Fr. 115) (d. h. zur Vollkommenheit zu gelangen). Daher ist es “allen Menschen ... gegeben, sich selbst zu erforschen und zum Logos zu gelangen.” (Fr. 116)
Der Weg hinauf und der Weg hinab ist einer. (Heraklit, Fr. 60) Der Aufstieg zum Gipfel und der Abstieg zum Grund ist ein Akt. Der Aufstieg zum Ur-Einen, ist Aufstieg der Seele (des Bewußtseins) in der Erkenntnis. „In der Umwendung in ihren eigenen Grund schaut sie, was sie anfanglos ist, aber ... vergaß, das Eine als das Hellste über dem Sein, das Ur-Prinzip des Agathon.“ (Phaedo 518bc)
Wenn die Seele zu sich kommt – was dann geschieht, wenn sie von allem Kreatürlichen abgeschieden und wieder in sich selbst eingekehrt ist, dann verwirklicht sie, was sie von ihrem überzeitlichen Wesen her und ihrer Natur nach ist und schon immer war und das ist (ihrer ewigen Wahrheit nach) reine Liebe und Göttlichkeit.
Die physische Welt ist geschaffen, hat also einen Anfang, nicht aber ein Ende; Sie ist geschaffen (γενητον), aber unvergänglich (αγενητον). Die Unsterblichkeit der Seele hat nicht denselben ontologischen Status wie die Unveränderlichkeit der Ideen und dergleichen haben die zeitlichen Strukturen der Seele auch nicht die gleiche Notwendigkeit wie die noetischen Beziehungen in der Welt der Ideen.
Des Weiteren hat die Seele trotz ihrer Herkunft aus dem νους (dem absoluten Geist) und ihrer Verankerung in der Vollkommenheit des göttlichen λογος, dennoch auch diverse destruktive Tendenzen (ανοια, αλογον, επιϑυμια); sie ist bipolar – mit dem Logos, von dem sie ausgeht, einerseits und der Begierde (επιθυμια) als dessen Antipode andererseits, als ihre beiden Pole; Zwischen diesen entfaltet sich das Leben der Seele.
Aus dieser Bestimmung der Seele als Bild und Manifestation des Geistes als dem seienden Einen, lassen sich die weiteren Wesenszüge und Eigenschaften der Seele ohne Schwierigkeiten ableiten. Wir wollen diese Überlegungen aber in der Selbstbetrachtung unserer eigenen Erfahrung als Seelenwesen, kontemplativ und reflexiv begleiten und prüfen. Somit besteht unser Weg der Erforschung der Seele in der Rückbesinnung auf ihren Ursprung im Geiste und zugleich in der Introspektion unserer selbst. Ich beginne und fahre hier erst einmal fort mit der diskursiven Analyse und Herleitung ihrer Wesenszüge und Merkmale aus ihrem Ursprung.
Danach wird uns offenbar, daß es der in der Seele tätige Logos ist, der ihren wahren göttlichen Kern und auch ihr Hegemonikon (=leitendes Prinzip) bildet. In anderen Worten ist es dieser Kern, der ihre Mitte – d.i. das zwischen den beiden Polen vermittelnde bzw. entscheidende, leitende Prinzip (die dritte Instanz) bildet, welches Plato als λογιστικον (das Vernunftprinzip) und Epiktet als ηγεμονικον (Hegemonikon, das leitende Prinzip) bezeichnete. Dieses ist nichts anderes als eine dem Logos selbst entspringende, ihm zugehörige, also aus dem der Seele einwohnenden Bewußtsein (νους) stammende Kraft. Sie bildet den eigentlichen Kern der Seele, unser geistiges Herz.
Die Seele als Ganzes ist ontologisch ein Mittleres, zwischen Geist und Hyle Vermittelndes. Ihr gegenüber ist der Geist das seinsmäßig Ursprünglichere. Die Bewegung des Geistes, die Erkennen ist, ist unzeitlich, die der Seele aber zeitlich.
Der in unserer Seele wirkende Logos bildet gleichsam unsere innere Stimme, die im Herzen spricht und uns leitet. Wenn wir dieser Stimme folgen, tritt das in der Seele in Erscheinung, was im Geist (als der All-Einheit der Ideen) notwendig verborgen bleibt. Geist und Seele stehen danach zueinander in der Beziehung von complicatio und explicatio. In der Totalität des Geistes ist alle Vielheit in die Einheit eingefaltet (complicatio). Die Entfaltung (εξειλιξις) (explicatio) der in die Einheit des Geistes eingefalteten Vielheit aber ist das Wesen der Seele (und ihres Lebens). Als solche Entfaltung ist die Seele eine Selbstentfaltung des Geistes nach außen, in ein Anderes, das dem Geist gegenüber eine selbständige Existenz (υποστασις) gewinnt. “Wie der im Worte ausgesprochene Gedanke ein Bild des Gedankens im Geiste ist, so ist die Seele selbst der ausgesprochene Gedanke (λογος) des Geistes, die gesammelte Wirksamkeit (ενεργεια) und das Leben, das er ausströmt in die Existenz eines Anderen.” (Plotin, En. V 1, 3, 7 – 9) Das aber heißt, daß die Seele sowohl das Empfangsorgan als auch der Ort ist, in bzw. an dem Gott sich offenbart sowie seine Qualitäten und Kräfte in uns ausgießt.
So wie das Außer-sich-Sein des Gedankens in seinem Ausgesprochensein sein In-sich-Sein nicht aufhebt, so hebt auch das Außersich-Sein des Geistes in der Seele sein In-sich-Sein nicht auf. Diese Äußerung (προϕορα) des zugleich unverändert und ewig in sich bleibenden Geistes, die nun diesem gegenüber ein selbständiges Sein gewinnt und doch dessen Außer-sich-Sein ist, ist die Seele: “Weil die Seele also vom Geist her stammt, ist sie auch selber – jedoch nur vermittels des in ihr wohnenden Geistes – denkend (vernunftbegabt, schauend) (νοηρα). Dabei bewegt sich ihr Geist