Perlen philosophisch-spiritueller Literatur - ausgewählt von Elias Johannes Benedikt - Elias Johannes Benedikt - E-Book

Perlen philosophisch-spiritueller Literatur - ausgewählt von Elias Johannes Benedikt E-Book

Elias Johannes Benedikt

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Beschreibung

In diesem Buch finden sie diverse Texte philosophisch-spiritueller Literatur mit besonderer Strahlkraft und Aussage aus unterschiedlichen Traditionen - wie etwa den Sogar, dem Pratyabhijna, dem Platonismus, dem Taoismus und Meister Eckhart. Sie können als Vorlagen zur Betrachtung sowie der Meditation gebraucht werden.

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Seitenzahl: 477

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Perlen philosophisch-spiritueller Literatur

Textauswahl von Elias Johannes Benedikt

Die Frage nach dem Ursprung und das Wesen des Geistes

Das Tao oder der absolute Ursprung

Der höchste Ursprung und Quell von allem, was ist, sein und gedacht werden kann ist das Eine (ην); Wir nennen es das TAO;

Der Punkt ist sein geometrisches Bild!

Der Punkt ist der Fokus, in den alle denkbaren Formen und Körper konvergieren.

Umgekehrt können wir sagen: Alle möglichen Formen und Körper gehen aus dem Punkt hervor;

Wir nennen diesen Punkt, der ein Bild des absoluten Ursprungs ist auch URPUNKT.

Rabbi Moshe Chaim Luzzatto (Ramchal) nannte die Erfahrung der Einheit des EINEN (ην) die Glückseligkeit der Seelen.

(And thus His Oneness is revealed, and this itself is the delight of the souls! (Opening 4 of „Klach Pitchei Chokhmah“ by Rabbi Moshe Chaim Luzzatto (Ramchal)

The rule of good and evil is the rule of unity.

Das Erste ist die Eins, das ist das Tao, aus der Eins kommt die Zwei – die Polarität von Yin und Yang -, aus der Zwei kommt die Drei und aus der Drei kommen die Zehntausend Dinge.

Ein klarer Blick, ein demütiges Mind und eine liebende Seele sind die drei Merkmale eines Jüngers der Wahrheit.

Der höchste Ursprung und Quell von allem, was ist, sein und gedacht werden kann, ist das Eine (ην - Hen);

Wir nennen es das „Tao“;

Von Jenem können wir weder sagen, daß es ist, noch daß es nicht ist;

Es steht darüber;

Daß wir etwas als „seiend“ wahrnehmen und benennen können, muß es zuerst ein „Eines“ sein; Was kein Eines ist, ist gar nichts;

Das Eine ist absolut und alltranszendent;

Unsere Anschauung stellt etwas als seiend vor, wenn es räumliche Ausdehnung hat; Das kleinste Raum-Einnehmende ist der Punkt. Er ist selbst ausdehnungslos aber doch ein Etwas im Raume; Der Punkt ist ein Bild des Einen; Was Bild und Urbild gemeinsam haben ist die Ausdehnungslosigkeit;

Aus dem Punkt gehen alle möglichen Formen und Körper hervor und in ihm konvergieren sie! Deshalb nennen wir ihn den URPUNKT – Nekudah Reshunah – Mahabindu;

Der Weltenraum ist erfüllt von Licht und Bewußtsein; Bewußtsein ist die Wesenheit des Raumes; Gewahrsein ist das Wesen des Geistes; Das Wesen des Geistes ist Gewahrsein und das ist Licht und Bewußtsein; Bewußtsein ist Raum, Raum ist die Erscheinungsform des Geistes;

So wie alle Formen und Körper aus einem Punkt hervorgehen und auch in ihm konvergieren, so gilt dies auch für den geometrischen Raum als dem universellen Behältnis aller raumeinehmenden Wesen und Dinge, der Formen, Körper und Figuren; Der geometrische – konkreter: der euklidische – Raum ist die unbegrenzte Ausdehnungsform des Punktes. Punkt und Raum sind komplementäre Begriffe;

So wie der Raum eine unbegrenzte Ausdehnungsform des Punktes ist, ist der absolute Geist (= das Kosmische Bewußtsein) die grenzenlose Ausdehnung bzw. Emanation des alltranszendenten absoluten Einen;

So wie der Punkt ein Bild des Einen ist, ist der Raum ein Bild des absoluten Geistes (des Nous); Wie Punkt und Raum, so sind auch Eines und Nous komplementär; Wir nennen den Nous auch die Spur des Einen;

Das Eine ist höchster Ursprung und Quell von allem, was sein und gedacht werden kann. Es läßt sich erkennen, daß alles (aus dem Einen) hervorgehende Andere sich im Akt seines Hervorganges zugleich selbst ewig auf das Eine zurückwendet.

Obwohl das erste und oberste aus dem Einen Hervorgehende der absolute Geist oder Nous ist, gibt es eine überabzählbare Mannigfaltigkeit von neben diesem aus Jenem hervorgehende Wesenheiten, die diese gleiche Ursprünglichkeit mit dem Geiste teilen. Wir nennen diese „Ideen“.

Jede Idee ist ein Anblick des Einen, die der Geist in seiner Rückschau auf das Eine in sich faßt. Und nachdem das Eine gemäß seiner Absolutheit selbst überhaupt nicht bildhaft faßbar ist, sind es überabzählbar viele Anblicke, die der Geist in dieser Rückschau auf das Eine in sich erzeugt. Es ist diese unendliche Menge die Fülle der Ideen mit denen sich der Geist erfüllt und diese Fülle ist der Geist und das Sein in eins und dieses ist umgekehrt eine Selbstentfaltung des Seins in den Ideen.

Die einzelne Idee ist nicht verschieden vom Geist, sondern jede einzelne ist ein Aspekt des Geistes und der Geist als Ganzes ist die Totalität der Ideen. Der Geist ist alles in Allem, Alles in eins und zumal (En. V 8, 4,4-11). Er ist All-Einheit, d. i. das alle Eide und Ideen Umfassende und die Koinzidenz der Gegensätze; in ihm ist das Viele eins und das Eine zugleich Vieles; er ist einfach und nicht-einfach, in sich ununterschieden und unterschieden zugleich, unentfaltet und entfaltet; das ist deshalb möglich, weil er auch in seiner Selbstentfaltung als ungeteilte Einheit bei sich bleibt.

Das einfachste und zugleich allgemeinste Strukturmerkmal des Geistes ist die ihm zukommende Einheit von Einheit und Vielheit, welche überhaupt den Inbegriff aller Gegensätzlichkeit bildet. Der Geist ist also nicht Einheit und Vielheit, sondern Vielheit in der Einheit; hier ist Vielheit als Selbstentfaltung der Einheit selbst Einheit.

Wie bei den Ideen als einzelnen, so ist der Ursprung des Geistes sein Hervorgang aus dem Einen mit gleichzeitigem Rückbezug zu Jenem als seinem Ursprung. Der Geist konstituiert sich somit in eben diesem Rückbezug zu dem Einen sowie seinem gleichzeitigen Selbstbezug, d.i. der Betrachtung und des Gewahrseins seiner selbst als Geist.

Was das Denken betrifft, so gründet es in der Notwendigkeit der Selbstentzweiung des Geistes in Subjekt und Objekt, d.h. in Denkenden und Gedachtes. Zugleich bedingt der Akt des Denkens die Einheit von Anderssein und Identität. D.h. der Akt des Denkens setzt Vielfalt sowohl beim Subjekt als auch beim Objekt des Denkens voraus. Die das Denken erst ermöglichende Selbstentzweiung des Geistes setzt darüber hinaus jedoch noch die ursprüngliche ununterschiedene, einfache Einheit des Geistes als solche grundsätzlich voraus. Die Macht der Einheit übergreift sowohl die Entzweiung des Geistes als Subjekt des Denkens als auch die Unterschiedlichkeit in den Gedanken. Dieser Einheitsvorgriff, der die Einheit stiftet ist nicht der Selbstbezug des Geistes, sondern ursprünglicher als dieser, nämlich dessen Transzendenzbezug zum reinen Einen selbst. Dieser ist es, der das Denken erst zu sich selbst bringt.

Hier begegnen wir das erste Mal der Dualität als Begriff: Denn es gehört zum Wesen des Denkens und damit auch zum Geist, daß ihm sowohl das Eine als auch die Zweiheit als Prinzip vorausgehen. Geist und Denken setzen ja nicht nur Einheit, sondern auch Zusammensetzung, insbesondere Zweiheit, voraus. Der Geist gründet also in dem Verhältnis von Einheit und unbestimmter Zweiheit, die im Denkakt eben erst bestimmt wird. Die für das Denken konstituierende Selbstentzweiung des Geistes und die in ihr stattfindende Bestimmung der ursprünglich unbestimmten Zweiheit (αοριστος δυασ) ist in der Einheit zugleich aufgehoben und bewahrt.

Sowohl die Produktivität als auch die Selbstbeziehung von Geist und Denken gründen in derem Transzendenzbezug zum Einen. Denn es ist das Absolute, das durch seine Transzendenz Geist und Denken des Hervorbringens der Fülle der Ideen erst ermächtigt. Plotin formuliert das so: Das Absolute gibt, was es selbst nicht hat.

Da das Eine absolut vollkommen ist – denn es sucht nichts, hat nichts, bedarf nichts -, ist es gleichsam übergeflossen und seine Überfülle hat ein Anderes hervorgebracht (En. V 2, 1, 3-9) Das Eine selbst ist der Ursprung von Allem gerade aufgrund seiner absoluten Transzendenz: Weil Jenes Nichts von Allem ist, genau darum nämlich kann Alles aus Jenem hervorgehen. (En. V 1, 7, 18f) Dieses Wort bringt das Übermaß an Mächtigkeit des Einen vermittels seines Herausgenommenseins aus aller Bestimmtheit und der darin gründenden Überfülle zum Ausdruck, die der Grund und Ursprung des Hervorgehen aller Vielheit sowie ihres Prinzips, der unbestimmten Zweiheit, ist. Wie und warum das geschieht ist schon bei Plotin ein Mysterium Magnum.

Was sich sagen läßt ist, daß das hervorgehende Andere sich im Akt seines Hervorgehens selbst ewig auf das Eine hin zurückwendet. Das Sein als Bestimmung der unbestimmten Zweiheit konstituiert sich somit als Einheit von Hervorgang und Rückwendung was für es (oν) in seiner Identität mit dem Geist (νovς) zugleich Selbstgewahrsein und Allbewußtsein bedeutet. In den Worten Plotins: „Das Entstandene wandte sich zu Jenem hin, wurde darin erfüllt und es entstand, indem es auf Jenes zurückblickte, und das ist der Geist. Und zwar brachte sein Hinstehen zu Jenem das Sein hervor, sein Schauen zu Jenem aber den Geist; da er zu Jenem hinstand, um Es zu schauen, wird es Geist und Sein ineins.“ (En. V 2, 1, 9-13)

Obwohl das Eine der absolute Grund und Ursprung des Geistes ist, ist das, was ihn hervorbringt nicht das Eine, sondern der Geist selbst. D.h.i.a.W.: Der Geist erschafft sich, im einheitlichen Akt des Hervorgehens und der Rückschau auf das Eine, selbst. Die Selbsterschaffung des Geistes, sein Erwachen in Raum und Zeit, ist auch der Grund für seine spezifische Einheit. Hierin – in seiner eigenen ursprünglichen ununterschiedenen Einheit – offenbart der Geist sein wahres Wesen als Bild des Einen.

Inhaltsverzeichnis

Perlen philosophisch-spiritueller Literatur

Wir wollen hier zusammen mit Plotin der vom höchsten Quell absteigenden Hierarchie der Hypostasen folgen

Plotin: Anweisung zur Schau des Schönen

Die Erfahrung des Einen – die Henosis Plotins

Der Sohar bringt den Hervorgang der Schöpfung durch folgende Worte zum Ausdruck

Gegrüßet seiest du, Amun Re, Schöpfer des Himmels und der Erde; Atum Harachte!

Pratyabhijnahrdayam

Platos Höhlengleichnis

Der Lehrspruch des Weisen Yajnavalkya (aus der Brihadaranyaka-Upanishad)

Ein Gespräch zwischen dem Weisen Uddalaka und seinem gelehrten Sohn Svetaketu. (aus der Chandogya-Upanishad)

Die Erfahrung des Kosmischen Bewußtseins – Paramahansa Yogananda

Ibn Arabi: Reflections on „Lubbu-l-Lubb“ (Kernel of the Kernel)

Gedichte des Sufi Meisters Maulana Dschelal’uddin Rumi aus dem Diwan

Zeugnisse von Meister Eckhart

Gespräch zwischen Schwester Kathrei und dem Beichtvater

Die Begegnung des Meisters mit einer „wunderbaren Seele“

Von der Abgeschiedenheit

Analog dazu lesen wir in der Ribhu Gita, Kap. 5, Vers 28

Texte von Baha*u*llah

Tablet der Begegnung

‘Abdu’l-Bahá

Bahá’u’lláh

Tablet of Carmel

Introduction to the 6 Indian Darshanas by Sir John Woodroffe

Kama-Kala-Vilasa (tranlated by Philip Rawson)

Amritanubhav (The Nectar of Mystical Unification)

WER BIN ICH? (Nan Yar?)

LECTURE 1 (9th September 1948)

LECTURE 6 (14th October 1948)

LECTURE 12 (25th November 1948)

LECTURE 13 (2nd December 1948)

LECTURE 14 (9th December 1948)

Christ in You

Das Tao und der Taoismus

Der Taoist Zhuang Zi betont des Prinzip des ewigen Wandels

Zum Daoismus: Auszug aus dem „Fanwu Liuxing“

Zhuangzi and the Becoming of Nothingness (Dao and Wu) by David Chai

Ansprache des Roshi Rinzai

Meister Linji: „Ich kenne keine Prinzipien“

Wer weiß Schon?

Wir wollen hier zusammen mit Plotin der vom höchsten Quell absteigenden Hierarchie der Hypostasen folgen:

Lassen wir uns hinabsteigen vom Einen zum Zweiten, dem Geist. Der Geist (νουσ) ist das Erste nach dem Einen und dessen Bild. Hervorgegangen aus Jenem konstituiert er sich in seinem ewigen Rückbezug zu Jenem. Und es ist in seinem Rückbezug zu Jenem als seinen Ursprung, daß er von Ihm die Potenz und schöpferische Macht empfängt, Eide und Ideen zu konstituieren. Erst in einem zweiten Schritt geschieht es, daß der Geist – im besonderen der Logos als dessen schöpferische Kraft – in freien Stücken beginnt aus jenem Quell und Ursprung heraus Welten, lebende Wesen und leblose Dinge hervorzubringen.

Obwohl das Eine der eigentliche Quell und Ursprung von allem ist, ist es der Geist, der es hervorbringt. Mehr noch, er ist all das selbst, was er hervorgebracht hat und was geworden ist. Er selbst ist es, der all das ist, was ist. Er ist selbst Jedes und das Ganze; ist alles in Allem und Alles in eins und zumal. Er ist die Fülle der Ideen, ist sie jede einzeln und alle zusammen. Und er ist nicht nur sie, sondern auch das Viele, das aus ihm hervorgegangen ist. Und dieser Hervorgang der Totalität der Ideen geschieht aus und in der Rückwendung und Hinschau des Geistes zu seinem Ursprung, dem Einen, Absoluten, worin sich der Geist mit den in dieser Rückschau auf Jenes in sich hervorgebrachten Anblicke selbst erfüllt. Und die oberste Idee, die auch alle anderen Ideen in sich umfaßt, ist das Sein als solches. Dieses ist seinem Wesen nach durchsichtig und licht, also selbst Bewußtsein und Geist. Damit konstituiert sich der Geist als Fülle der Ideen und des Seins. Sein und Geist sind also zwei Seiten ein und desselben.

Der Geist ist somit allgegenwärtig und allumfassend. Als Fülle der Ideen und des Seins ist er selbst alles in Allem, ein Jedes für sich und das Ganze. Und seiner Natur und seinem Wesen nach als Gewahrsein und Erkennen ist er seiner selbst bewußt und in diesem Bewußtsein weiß und besitzt er sich. Nachdem er selbst alles ist und sich dessen als sein Selbst bewußt ist, hat auch all sein Gewahrsein und Erkennen allein sich selbst zum Gegenstand und Inhalt. Das Wesen des Geistes ist somit Wissen und Gewißheit seiner selbst und all dessen, was ist.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Geistes ist das Denken, d.h. die Fähigkeit sich beliebige Gegenstände seines Gewahrseins oder seines Betrachtens von jenen losgelöst in Bildern zu vergegenwärtigen. Stellt sich die Frage: Vermag der Geist nur etwas zu denken (sich zu vergegenwärtigen), was er als Seiendes vorfindet, oder auch solches, was kein eigenes Sein hat, und erst vom Geist gedacht wird? Die Antwort ist eindeutig: Der Geist kann nur denken, was er schon als seiend vorfindet, und das sind Inhalte bzw. Gegenstände, die ihm selbst innewohnen. I.a.W.: Der Geist kann nur denken, was er in sich selbst vorfindet; was immer er denkt, ist er selbst. Das Sich-Selbst-Denken des Geistes ist sein Selbstgewahrsein bzw. sein Sein als Geist. „Ich bin, was ich bin.“ „Ich bin Gewahrsein meiner selbst und damit all dessen, was ist.“ Ich bin der Anfang, die Mitte und der Abschluß von allem, was ist.“ Als Fülle der Ideen sind die Ideen mögliche Inhalte seines Denkens. Und wenn wir das Haben bzw. den Besitz von Erkenntnis als Wissen bezeichnen, gilt, daß der Geist als erkennender auch alles Wissen und alle Gewißheit in sich hat und ist. Wissen (das Sich-Selbst-Haben oder –Wissen) ist das Wesen des Geistes und dieses hat er – wie alles – von seinem Ursprung. Er ist Identität von Denken und Sein. (Parmenides)

Das Denken konstituiert sich durch seinen Vorgriff auf Einheit. Zugleich ist es durch Intentionalität bestimmt: es ist immer gerichtet auf etwas, das es thematisch erfassen will. Diese Intentionalität des Denkens wird durch seinen Einheitsvorgriff erst ermöglicht, der seiner Intentionalität darum vorausgeht; zugleich verleiht sie dem Denken die Struktur einer Einheit in der Entzweiung, die für unser gesamtes gegenständliches Bewußtsein grundlegend ist. Denn um etwas thematisch erfassen zu können, müssen wir das Erfaßte als die Einheit eines Bestimmten denken; als Bestimmtes aber ist es nicht nur Eines, sondern zugleich von dem es erfassenden Denken und von anderem Bestimmten unterschieden.

Als reines Gewahrsein und allumfassendes Bewußtsein ist er nicht nur all des „Anderen“, sondern auch seiner selbst bewußt. Er weiß sich als Sein und Bewußtsein, d.h. er ist sich nicht nur bewußt, bewußt zu sein, sondern darüber hinaus, daß er selbst das Sein des Bewußtseins ist, in a.W.: Er weiß nicht nur, daß er weiß, sondern darüber hinaus daß er sowohl das Subjekt als auch das Objekt des Bewußtseins, also Selbstbewußtsein ist. Selbstbewußtsein meint eben nicht nur Bewußtsein, bewußt zu sein, d.h. Wissen des Wissens, sondern das Bewußtsein, selbst das Bewußtseins zu sein.

Des Weiteren kann der Geist nur denken, was er als seiend vorfindet. Da aber alles, was ist notwendig in ihm ist, kann das, was er vorfindet, nur etwas sein, was ihm innewohnt. Und das wiederum kann nur der Geist selbst als Ganzes oder eine ihm innewohnende Idee sein. In anderen Worten: der Geist ist nicht nur Selbstgewahrsein, sondern denkt er sich auch selbst. Dieses Sich-Selbstdenken des Geistes ist zugleich mit dem Selbstgewahrsein seine Natur und sein Wesen.

Gehen wir noch einmal zurück zu den Ideen: Jede Idee ist ein Anblick des Einen, die der Geist in seiner Rückschau auf das Eine in sich faßt. Und nachdem das Eine gemäß seiner Absolutheit selbst überhaupt nicht bildhaft faßbar ist, sind es überabzählbar viele Anblicke, die der Geist in dieser Rückschau auf das Eine in sich erzeugt. Es ist diese unendliche Menge die Fülle der Ideen mit denen sich der Geist erfüllt und diese Fülle ist der Geist und das Sein in eins und dieses ist umgekehrt eine Selbstentfaltung des Seins in den Ideen.

Die einzelne Idee ist nicht verschieden vom Geist, sondern jede einzelne ist ein Aspekt des Geistes und der Geist als Ganzes ist die Totalität der Ideen. Der Geist ist alles in Allem, Alles in eins und zumal (En. V 8, 4,4-11). Er ist All-Einheit, d. i. das alle Eide und Ideen Umfassende und die Koinzidenz der Gegensätze; in ihm ist das Viele eins und das Eine zugleich Vieles; er ist einfach und nicht-einfach, in sich ununterschieden und unterschieden zugleich, unentfaltet und entfaltet; das ist deshalb möglich, weil er auch in seiner Selbstentfaltung als ungeteilte Einheit bei sich bleibt.

Das einfachste und zugleich allgemeinste Strukturmerkmal des Geistes ist die ihm zukommende Einheit von Einheit und Vielheit, welche überhaupt den Inbegriff aller Gegensätzlichkeit bildet. Der Geist ist also nicht Einheit und Vielheit, sondern Vielheit in der Einheit; hier ist Vielheit als Selbstentfaltung der Einheit selbst Einheit.

Wie bei den Ideen jede als einzelne, so ist der Ursprung des Geistes sein Hervorgang aus dem Einen mit gleichzeitigem Rückbezug zu Jenem als seinem Ursprung. Der Geist konstituiert sich somit in eben diesem Rückbezug zu dem Einen sowie seinem gleichzeitigen Selbstbezug, d.i. der Betrachtung und des Gewahrseins seiner selbst als Geist.

Was das Denken betrifft, so gründet es in der Notwendigkeit der Selbstentzweiung des Geistes in Subjekt und Objekt, d.h. in Denkenden und Gedachtes. Zugleich bedingt der Akt des Denkens die Einheit von Anderssein und Identität. D.h. der Akt es Denkens setzt Vielfalt sowohl bei dem Subjekt als auch bei dem Objekt des Denken voraus. Die das Denken erst ermöglichende Selbstentzweiung des Geistes setzt jedoch die ursprüngliche ununterschiedene, einfach Einheit als solche grundsätzlich voraus. Die Macht der Einheit übergreift sowohl die Entzweiung des Geistes als Subjekt des Denkens als auch die Unterschiedlichkeit in den Gedanken. Dieser Einheitsvorgriff, den die Einheit stiftet ist nicht der Selbstbezug des Geistes, sondern ursprünglicher als dieser, nämlich dessen Transzendenzbezug zum reinen Einen selbst. Dieser ist es, der das Denken erst zu sich selbst bringt.

Hier begegnen wir das erste Mal der Dualität als Begriff: Denn es gehört zum Wesen des Denkens und damit auch zum Geist, daß ihm sowohl das Eine als auch die Zweiheit als Prinzip vorausgehen. Geist und Denken setzen ja nicht nur Einheit, sondern auch Zusammensetzung, insbesondere Zweiheit, voraus. Der Geist gründet also in dem Verhältnis von Einheit und unbestimmter Zweiheit, die im Denkakt eben erst bestimmt wird. Die für das Denken konstituierende Selbstentzweiung des Geistes und die in ihr stattfindende Bestimmung der ursprünglich unbestimmten Zweiheit (αοριστος δυασ) ist in der Einheit zugleich aufgehoben und bewahrt.

Sowohl die Produktivität als auch die Selbstbeziehung von Geist und Denken gründen in deren Transzendenzbezug zum Einen. Denn es ist das Absolute, das durch seine Transzendenz Geist und Denken des Hervorbringens der Fülle der Ideen erst ermächtigt. Plotin formuliert das so: Das Absolute gibt, was es selbst nicht hat.

Da das Eine absolut vollkommen ist – denn es sucht nichts, hat nichts, bedarf nichts -, ist es gleichsam übergeflossen und seine Überfülle hat ein Anderes hervorgebracht (En. V 2, 1, 3-9) Das Eine selbst ist der Ursprung von Allem gerade aufgrund seiner absoluten Transzendenz: Weil Jenes Nichts von Allem ist, genau darum nämlich kann Alles aus Jenem hervorgehen. (En. V 1, 7, 18f) Dieses Wort bringt das Übermaß an Mächtigkeit des Einen vermittels seines Herausgenommenseins aus aller Bestimmtheit und der darin gründenden Überfülle zum Ausdruck, die der Grund und Ursprung des Hervorgehen aller Vielheit sowie ihres Prinzips, der unbestimmten Zweiheit, ist. Wie und warum das geschieht ist schon bei Plotin ein Mysterium Magnum.

Was sich sagen läßt ist, daß das hervorgehende Andere sich im Akt seines Hervorgehens selbst ewig auf das Eine hin zurückwendet. Das Sein als Bestimmung der unbestimmten Zweiheit konstituiert sich somit als Einheit von Hervorgang und Rückwendung was für es (oν) in seiner Identität mit dem Geist (νους) zugleich Selbstgewahrsein und Allbewußtsein beinhaltet. In den Worten Plotins: „Das Entstandene wandte sich zu Jenem hin, wurde darin erfüllt und es entstand, indem es auf Jenes zurückblickte, und das ist der Geist. Und zwar brachte sein Hinstehen zu Jenem das Sein hervor, sein Schauen zu Jenem aber den Geist; da er zu Jenem hinstand, um Es zu schauen, wird es Geist und Sein ineins.“ (En. V 2, 1, 9-13)

Obwohl das Eine der absolute Grund und Ursprung des Geistes ist, ist das, was ihn hervorbringt nicht das Eine, sondern der Geist selbst. D.h.i.a.W.: Der Geist erschafft sich, im einheitlichen Akt des Hervorgehens und der Rückschau auf das Eine, selbst. Die Selbsterschaffung des Geistes, sein Erwachen in Raum und Zeit, ist auch der Grund für seine spezifische Einheit. Hierin – in seiner eigenen ursprünglichen ununterschiedenen Einheit – offenbart der Geist sein wahres Wesen als Bild des Einen.

Die aus seinem Ursprung empfangene Intention aller Aktivität des Geistes jedoch ist seine Rückkehr in diese ursprüngliche einfache Einheit seiner selbst und durch sie in das absolute Eine. Dahin gelangt der erwachte Geist in der Selbsttranszendenz seines Denkens: Dieser Selbstüberstieg des Denkens ist der Vollzug der Rückkehr des Geistes in seinen absoluten Ursprung im Einen selbst. Dieser beinhaltet die völlige Abkehr des Bewußtsein von jeder Identifikation und Anhaftung an die Erscheinungen der sinnfälligen Welt wie auch eines personalen Ich. Diese intuitive höchste Erkenntnisform ist die Weise, in der der absolute Geist sich als die Fülle des Seins selbst erkennt und denkt. Wer sie aktualisiert – nachvollzieht – wird damit Eins mit dem absoluten Geist als dem Grund unserer Seele und unseres denkenden Bewußtseins, in den der Geist zurückkehrt, wenn er sich vollkommen auf sich selbst besinnt. Dieser Vollzug des vollkommenen Selbstgewahrseins im Aufstieg des Geistes zum Einen als dem wahren Selbst, dieses Heraustreten aus der begrenzten Form unserer personalen Identität ist Ekstasis. Sie ist das Ziel auch der individuellen Seele. Um zu ihr zu gelangen, muß die Seele über alles Wissen und Wißbare hinausgehen, darf sie in keiner Weise aus ihrer Einheit heraustreten und stattdessen ganz im Grunde ihrer selbst, das ist im Transzendenzbezug des ihr innewohnenden Geistes, aufgehen. Die Schau des Einen (Hen) ist die höchste Erfüllung der ursprünglichen Intention des Geistes wie aber auch der aus ihm hervorgegangenen Seele.

Nur der Geist, der sich von allem Anderen (manifest gewordenen Seienden) gelöst hat, ist fähig, zu seinem Ursprung aufzusteigen und in ihm aufzugehen. Dann erst erfahren wir uns als Teil der absoluten Transzendenz, die wir in Wahrheit von ewig her sind.

Plotin erläutert das so: „Der in seine ursprüngliche Einheit zurückgekehrte Geist ist nicht mehr Geist (also ein Anderes nach dem Einen), sondern nur noch einfache, reine Einheit. Da aber einfache Einheit jede Andersheit in sich selbst ausschließt, ist sie vom Absoluten nicht mehr unterschieden: „Wenn keine Andersheit da ist, ist der Geist wirklich er selbst. ... Und, Jenes, da Es keine Andersheit kennt, ist immer bei uns, wir aber nicht bei Ihm, solange wir irgendeine Andersheit in uns haben. Jenes verlangt nicht nach uns, daß es um uns wäre, aber wir nach Jenem, auf daß wir mit Jenem sind. Um es sind wir immer, wir blicken aber nicht immer auf Es hin. (En. VI 9, 8, 32-35) Dieses Hinblicken auf das Absolute, dessen Gegenwart uns dies Schau erst ermöglicht, ist nun kein intentionales Schauen, bei dem der Schauende von dem Geschauten unterschieden wäre, sondern eine den Unterschied beider auslöschende differenzlose Einung mit dem Absoluten, so daß es eigentlich nicht mehr Geschautes, sondern Geeintes ist. (En. VI 9, 11, 5f)

Plotin: Anweisung zur Schau des Schönen

Das weiter hinauf liegende Schöne, das zu erblicken der Wahrnehmung nicht mehr vergönnt ist, sondern ohne die Handhabe der Sinne sieht es die Seele und spricht es an: zu seiner Betrachtung muß man hinaufsteigen und die Wahrnehmung unten bleiben lassen. Wie über das sinnlich Schöne nicht sprechen kann, wer es nicht gesehen oder nicht als schön begriffen hat, also etwa ein Blindgeborener, so kann auch über die Schönheit geistiger Tätigkeiten nicht sprechen, wer nicht diese Schönheit geistiger Tätigkeiten und Wissenschaften und ähnlicher Dinge in sich aufgenommen hat, nicht über das Leuchten der Tugend, wer sich nie vor Augen gehalten, wie schön das Antlitz der Gerechtigkeit und Mäßigkeit ist - ‚nicht Morgen- und nicht Abendstern ist so schön‘; vielmehr muß man sehend sein mit dem Vermögen mit dem die Seele derartige Dinge schaut, und wenn man sie erblickt, weit mehr als bei dem sinnlich Schönen sich freuen, entzückt und gepackt sein, denn nun rührt man an das eigentliche Schöne. Betroffenheit, süße Erschütterung, Verlangen, Liebe, lustvolles Beben, das sind Empfindungen die gegen jegliches Schöne eintreten müssen. Auch gegen das nicht sichtbare kann man sie erleben, es erleben sie auch eigentlich alle Seelen, aber stärker die liebebewegteren unter ihnen, so wie die leibliche Schönheit alle sehen, aber nicht alle in gleicher Stärke von ihr gestachelt werden, sondern einige in besonders starkem Maß, von denen man spricht sie lieben.

Die nun also liebebewegt sind auch gegen das Nichtsinnliche, die muß man fragen: was empfindet ihr gegenüber dem was man schöne Tätigkeiten nennt, gegenüber den schönen Sitten, dem zuchtvollen Charakter, überhaupt bei tugendhafter Leistung und Gesinnung und bei der Schönheit der Seelen? Und wenn ihr euch selbst erblickt in eurer eigenen inneren Schönheit, was empfindet ihr, warum seid ihr dabei in Schwärmerei und Erregung und sehnt euch nach dem Zusammensein mit eurem Selbst, dem Selbst, das ihr aus den Leibern versammelt? Das nämlich sind die Empfindungen dieser echten Liebebewegten. Und was ist es, woran sie solches empfinden? Nicht Gestalt, nicht Farbe, nicht irgendeine Größe, sondern die Seele, selbst unfarbig, in sich tragend die unfarbige Selbstzucht und den Glanz der andern Tugenden: in euch selbst wahrzunehmen oder beim andern zu schauen Großherzigkeit, gerechten Sinn, lautere Selbstzucht, die Tapferkeit mit ihrem grimmigernsten Antlitz, die Würde und darüber erschimmernd die Ehrfurcht, all das in einem ruhigen, von keiner Wallung und keiner Leidenschaft erregten Seelenzustand, und über ihm leuchtend den Geist, den gottgleichen - das ist es was wir bewundern und lieben; aber wieso nennen wir das schön? Nun, es ist seinsmäßig seiend und stellt sich so dar, und wer es gesehen hat, kann es nicht anders nennen als das seinsmäßig Seiende. Was aber ist es seinsmäßig? Eben schön. Aber damit ist noch nicht aufgewiesen, durch welchen Zug seines Wesens es die Seele liebreizend macht. Was ist es das aus alle den Tugenden gleich wie ihr Licht hervorleuchtet? Laß uns denn einmal das Gegenteil ins Auge fassen, das Häßliche in der Seele, und es dem Schönen gegenüberstellen; denn es könnte wohl zu unserer Untersuchung beitragen, wenn klar wird, was das Wesen des Häßlichen ist und weshalb. Nehmen wir also eine häßliche Seele, zuchtlos und ungerecht, voll von vielen Begierden, von vieler Wirrnis, in Ängsten aus Feigheit, in Neid aus Kleinlichkeit, all ihre Gedanken, soweit sie überhaupt denkt, sind irdisch und niedrig, verzerrt in allen Stücken, unreinen Lüsten verfallen und so lebend, daß sie das Häßliche an allem, das ihr vom Körper widerfährt, als etwas Lustvolles empfindet. Eben dies Häßliche nun, müssen wir von ihm nicht sagen, daß es ihr hinzu tritt als ein eingeschlepptes Übel? Denn es entstellt sie, macht sie unrein und durchsetzt sie mit viel Schlimmem, daß ihr Leben und ihr Wahrnehmen nicht mehr rein ist, sondern durch die Beimischung des Übeln verdunkelt und reichlich mit Tod durchsetzt, daß sie nicht mehr sehen kann was eine Seele sehen soll, und nicht mehr die Ruhe hat in sich selbst zu verweilen, da sie immer nach außen, zum Niedern, Dunkeln hingezerrt wird. Da sie also, meine ich, verunreinigt ist, hin-und bergerissen wird durch die Anziehung der Wahrnehmungsgegenstände, reichlich mit der leiblichen Beimischung versetzt ist, reichlich mit dem Stofflichen umgeht und es in sich einläßt, so hat sie durch die Vermischung mit dem Niederen eine fremde Gestalt angenommen. So tritt, wenn einer in Lehm oder Schlamm eintaucht, seine vorige Schönheit nicht mehr in Erscheinung, sondern man sieht nur das was von Schlamm oder Lehm an ihm haftet; für den ist doch das Häßliche ein fremder Zusatz, und es ist nun seine Aufgabe, wenn er wieder schön sein will, sich abzuwaschen und zu reinigen, dann ist er wieder was er war. So dürfen wir wohl mit Recht die Häßlichkeit der Seele als eine fremde Beimischung, eine Hinwendung zum Leib und Stoff bezeichnen, und es bedeutet also häßlich sein für die Seele nicht rein und ungetrübt sein wie Gold, sondern mit Schlacke verunreinigt; entfernt man nur die Schlacke, so bleibt das Gold zurück und ist schön, sobald es vom Fremden losgelöst nur mit sich selbst zusammen ist; so ergeht es auch der Seele: löst sie sich von den Begierden die sie durch zu innige Gemeinschaft mit dem Leib erfüllen, befreit sie sich von den andern Leidenschaften und reinigt sich von Schlacken der Verkörperung und verweilt allein mit sich, dann hat sie das Häßliche, das ihr aus einem fremden Sein zukommt, sämtlich abgelegt.

So ist denn also, wie es die Lehre der Alten sagt, die Züchtigkeit und Tapferkeit und jegliche Tugend und auch die Weisheit selber eine Reinigung. Darauf deutet denn auch richtig die verhüllte Lehre der Mysterien, die vom nicht Gereinigten sagen, daß er im Hades im Schlamm liegen werde: das Unreine nämlich ist wegen seiner Niedrigkeit begierig nach dem Schlamm, so wie die Säue, da sie unrein am Leibe sind, am Unreinen ihre Lust haben. Was ist denn auch wahre Selbstzucht anderes als keine Gemeinschaft pflegen mit den Lüsten des Leibes, sie fliehen da sie unrein und des Reinen unwürdig sind? Tapferkeit ferner heißt den Tod nicht fürchten, der Tod aber ist die Getrenntheit der Seele vom Leibe: davor fürchtet sich der nicht, der es liebt allein (mit seiner Seele zu sein; und Seelengröße bedeutet ja doch Verachtung der Erdendinge; und Weisheit ist Denken in Abneigung gegen das Untere, und führt die Seele zum Oberen hinauf.

Durch solche Reinigung wird die Seele Gestalt und Form, völlig frei vom Leibe, geisthaft und ganz dem Göttlichen angehörig, aus welchem der Quell des Schönen kommt, und von wo alles ihm Verwandte schön wird. Wird so die Seele hinaufgeführt zum Geist, so ist sie in noch höherem Grade schön. Der Geist aber und was von ihm kommt das ist für sie die Schönheit, und zwar keine fremde sondern die wesenseigene, weil sie dann allein wahrhaft Seele ist. Deshalb heißt es denn auch mit Recht, daß für die Seele gut und schön werden Gott ähnlich werden bedeutet, denn von ihm stammt das Schöne und überhaupt die eine Hälfte des Seienden; oder vielmehr ist das wahrhaft Seiende das Schöne, das nicht wahrhaft Seiende aber das Häßliche, und das ist zugleich das ursprünglich Böse; so ist auch anderseits Gutes und Schönes, Gutheit und Schönheit identisch. Schön und gut, häßlich und böse ist also auf dem gleichen Wege zu untersuchen. Als das Erste ist anzusetzen die Schönheit, welche zugleich das Gute ist; von daher wird der Geist unmittelbar zum Schönen, und durch den Geist ist die Seele schön; und das weitere Schöne dann, in den Handlungen und Tätigkeiten, kommt von der gestaltenden Seele her; und die Leiber schließlich, welche man schön nennt, macht die Seele dazu; denn da sie ein Göttliches ist und gleichsam ein Stück des Schönen, so macht sie das was sie anrührt und bewältigt schön, soweit es an der Schönheit Teil haben kann.

Steigen wir also wieder hinauf zum Guten, nach welchem jede Seele strebt. Wenn einer dies gesehen hat, so weiß er was ich meine, in welchem Sinne es zugleich schön ist. Erstrebt wird es sofern es gut ist, und unser Streben richtet sich auf es als ein Gutes; wir erlangen es nun indem wir hinaufschreiten nach oben, uns hinaufwenden und das Kleid ausziehen das wir beim Abstieg angetan haben (so wie beim Hinaufschreiten zum Allerheiligsten des Tempels die Reinigungen, die Ablegung der bisherigen Kleider, die Nacktheit); bis man dann, beim Aufstieg an allem was Gott fremd ist vorübergehend, mit seinem reinen Selbst jenes Obere rein erblickt, ungetrübt, einfach, lauter, es von dem alles abhängt, zu dem aufblickend alles ist lebt und denkt, denn es ist Ursache von Leben Denken und Sein; wenn man dieses also erblickt - von welcher Liebe, welcher Sehnsucht wird man da ergriffen in dem Wunsch sich mit ihm zu vereinigen, und wie lustvoll ist die Erschütterung! Wer es nämlich noch nicht gesehen hat, strebt zu ihm als zum Guten; wer es aber erblickte, der darf ob seiner Schönheit staunen, er ist voll freudigen Verwunderns, einer Erschütterung die ohne Schaden ist, er liebt wahre Liebe, er verlacht des peinigenden Begehrens, überhaupt aller andern Liebe und verachtet was er früher für schön hielt. So geht es denen welchen die Erscheinung eines Gottes oder Daimons begegnet ist, sie können die Schönheit anderer Leiber nicht mehr wie sonst bejahen; was aber erlebt erst der welcher das Schöne selbst schaut, an und für sich und in seiner Reinheit, nicht mit Fleisch und Körper „befleckt“, nicht auf Erden nicht im Himmel, sonst wäre es nicht rein, denn das alles ist fremde Zutat und Mischung und nicht ursprünglich, sondern stammt erst eben von jenem Oberen. Sieht er nun also Jenes, welches allen Dingen die Schönheit spendet, sie ihnen mitteilt so daß es dabei in sich verharrt und seinerseits nichts empfängt, und verweilt er in der Schau dieses Hohen und genießt seiner und wird ihm ähnlich, was für eines Schönen bedarf er da noch? Denn dies selber, da es in höchstem Maße Schönheit ist und ursprüngliche Schönheit, macht die welche es lieben schön und macht sie liebenswert. Darum denn auch „der größte, höchste Wettkampf der Seelen geht“ um dessentwillen ja die ganze Anstrengung geschah, nicht verlustig zu gehen dieser herrlichsten Schau, welche den der sie erlangt selig macht, da er seligen Anblicks genießt. Wem es aber nicht glückt, der ist wahrhaft unglücklich; denn nicht wer schöne Farben und schöne Leiber, nicht wer Macht, Ämter, den Königsthron nicht erlangt, ist unglücklich, sondern allein wer dies eine nicht erlangt, dessen habhaft zu werden einer Königsthron und Herrschaft über die ganze Erde, über das Meer und den Himmel fahren lassen soll, ob er vielleicht, wenn er das alles da hinten läßt und gering achtet und sich jenem Einen zuwendet, es erblicken könnte.

Aber welches ist nun der Weg, welches das Mittel? Wie kann man eine überwältigende Schönheit erschauen, die gleichsam drinnen bleibt im heiligen Tempel und nicht nach außen hinaustritt daß sie auch ein Ungeweihter sehen könnte? So mache sich denn auf und folge ihr ins Innere wers vermag, und lasse das mit Augen Gesehene draußen und drehe sich nicht um nach der Pracht der Leiber wie einst. Denn wenn man Schönheit an Leibern erblickt, so darf man ja nicht sich ihr nähern, man muß erkennen daß sie nur Abbild Abdruck Schatten ist, und fliehen zu jenem von dem sie das Abbild ist. Denn wenn einer zu ihr eilen wollte und sie ergreifen als sei sie ein Wirkliches, so geht es ihm wie Jenem - irgendeine Sage, dünkt mich, deutet es geheimnisvoll an: der wollte ein schönes Abbild, das auf dem Wasser schwebte, greifen, stürzte aber in die Tiefe der Flut und ward nicht mehr gesehen: ganz ebenso wird auch, wer sich an die schönen Leiber klammert und nicht von ihnen läßt, hinabsinken nicht leiblich aber mit der Seele in dunkle Tiefen die dem Geiste zuwider sind; so bleibt er als Blinder im Hades (im Dunkel) und lebt schon hier wie einst dort nur mit Schatten zusammen. „So laßt uns fliehen in die geliebte Heimat“ - so könnte man mit mehr Recht mahnen. Und worin besteht diese Flucht und wie geht sie vor sich? Wir werden in See stechen wie Odysseus von der Zauberin Kirke oder von Kalypso, wie es der Dichter sagt, und verbindet damit, meine ich, einen geheimen Sinn: er wars nicht zufrieden zu bleiben obgleich er die Lust hatte die man mit Augen sieht und der Fülle wahrnehmbarer Schönheit genoß. Dort nämlich ist unser Vaterland von wo wir gekommen sind, und dort ist unser Vater. Was ist es denn für eine Reise, diese Flucht? Nicht mit Füßen sollst du sie vollbringen, denn die Füße tragen überall nur von einem Land in ein anderes, du brauchst auch kein Fahrzeug zuzurüsten das Pferde ziehen oder das auf dem Meer fährt, nein, du mußt dies alles dahinten lassen und nicht blicken, sondern nur gleichsam die Augen schließen und ein anderes Gesicht statt des alten in dir erwecken, welches jeder hat, aber wenige brauchens. Und was sieht dies innere Gesicht? Wenn es eben erweckt ist, kann es den Glanz noch nicht voll erblicken, so muß die Seele das Gesicht gewöhnen, daß es zuerst die schönen Tätigkeiten sieht, dann die schönen Werke nicht welche die Künste schaffen, sondern die Männer die man gut nennt. Und dann blick auf die Seele derer die diese schönen Werke tun. Wie du der herrlichen Schönheit ansichtig werden magst, welche eine gute Seele hat. Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an, und wenn du siehst daß du noch nicht schön bist so tu wie der Bildhauer, der von einer Büste, welche schon werden soll, hier etwas fortmeißelt hier etwas ebnet, dies glättet, das klart, bis er das schöne Antlitz an der Büste vollbracht hat so meißle auch du fort was unnutz und richte was krumm ist, das Dunkle saubere und mach es hell und laß nicht ab „an deinem Bild zu handwerken“ bis dir hervorstrahlt der göttliche Glanz der Tugend, bis du die Zucht erblickst „thronend auf ihrem heiligreinen Postament“. Bist du das geworden und hast es erschaut, bist du rein und allein mit dir selbst zusammen, und nichts hemmt dich auf diesem Wege eins zu werden, und keine fremde Beimischung hast du mehr in deinem Innern, sondern bist ganz und gar reines, wahres Licht, nicht durch Größe gemessen, nicht durch Gestalt umzirkt in engen Grenzen auch nicht durch Unbegrenztheit zu Größe erweitert, sondern gänzlich unmeßbar, größer als jedes Maß und erhaben über jedes Wieviel wenn du so geworden dich selbst erblickst, dann bist du selber Sehkraft, gewinnst Zutrauen zu dir, bist so hoch gestiegen und brauchst nun keine Weisung mehr sondern blicke unverwandt denn allein ein solches Auge schaut die große Schönheit. Wer aber die Schau unternimmt mit einem durch Schlechtigkeit getrübten Auge, nicht gereinigt, oder kraftlos, der ist nicht Manns genug das ganz Helle zu sehen, und sieht auch dann nichts wenn einer ihm das was man sehen kann als anwesend zeigt. Man muß nämlich das Sehende dem Gesehenen verwandt und ähnlich machen, wenn man sich auf die Schau richtet. Kein Auge könnte je die Sonne sehen, wäre es nicht sonnenhaft, so sieht auch keine Seele das Schöne, welche nicht schön geworden ist. Es werde also einer zuerst ganz gottähnlich und ganz schön, wer Gott und das Schone schauen will. Dann wird er im Emporsteigen zuerst zum Geist gelangen und wird dort alle schönen Formen sehen und sagen, das sei die Schönheit: die Ideen; denn durch sie ist alles schön, sie die Erzeugnisse des Geistes und der Seinsheit; die Wesenheit aber jenseits des Geistes nennen wir das Gute, und sie hat das Schöne wie eine Decke um sich; sie ist also, ohne nähere Scheidung gesprochen, das Erste Schöne; trennt man das Geistige ab, so muß man den Ort der Ideen als das Geistige Schöne ansehen, als das Gute aber das Jenseitige, welches Quell und Urgrund des Schönen ist; oder man muß das Gute und das Erste Schöne gleichsetzen: nur muß in jedem Falle das Schöne in den jenseitigen Bereich gehören.

Wenn du aber deswegen, weil es nichts von diesen Dingen ist, mit deinem Erkennen ins Unbestimmte gerätst, so nimm deinen Standort eben in den genannten Dingen und von da aus schau. Beim Schauen vergeude aber deine Gedanken nicht in der Richtung nach außen; denn es liegt ja nicht irgendwo und läßt die übrigen Dinge seiner beraubt sein, sondern für den der es greifen kann ist es gegenwärtig, wer aber zu schwach dazu ist, für den ist es nicht gegenwärtig. Wie man nun bei den übrigen Dingen nichts denken kann, wenn man an etwas anderes denkt und auf dies andere achtet, vielmehr nichts anderes zu dem Gegenstand des Denkens hinzunehmen darf, damit er auch wirklich und allein das Gedachte werde, so muß man auch hier wissen, daß es unmöglich ist, während man den Eindruck, die Prägung von etwas anderem in der Seele hat, das Eine zu denken, solange diese Prägung wirksam ist; daß die Seele während sie noch von andern Dingen eingenommen und festgehalten ist, nicht die Prägung des Gegenteils in sich aufnehmen kann; sondern wie es von der Materie heißt daß sie frei von jeder Qualität sein muß wenn sie die Prägungen aller Dinge soll aufnehmen können, so und noch viel mehr muß auch die Seele ohne Form und Gestalt werden, wenn nichts, was in ihr festsitzt, ihr hinderlich werden soll sich zu erfüllen und zu erleuchten mit der Ersten Wesenheit. Ist dem so, dann muß man von allem was außen ist sich zurückziehen und sich völlig in das Innere wenden, man darf keinem Äußeren mehr geneigt sein, sondern muß, das Wissen von all dem auslöschend, schon vorher in seiner eigenen Haltung, jetzt aber auch in den Gestalten des Denkens, auch das Wissen von sich selbst auslöschend in die Schau Jenes eintreten; und ist man so mit Jenem vereint und hat genug gleichsam Umgang mit ihm gepflogen, so möge man wiederkehren und wenn mans vermag auch andern von der Vereinigung mit Jenem Kunde geben...

Jenes, heißt es, ist für keinen draußen, sondern ist bei allen ohne daß sie es wissen. Sie selbst sind es die aus ihm herausfliehen, oder richtiger, aus sich selbst herausfliehen; dann können sie nicht erfassen den sie geflohen sind, und da sie sich selbst verloren haben, nicht nach irgend einem andern suchen; sowenig ein Sohn wenn er im Wahnwitz außer sich selbst ist den Vater kennen wird; wer aber sich selbst kennt, der weiß auch woher er stammt.

Jenes Obere nun, da es keine Andersheit kennt, ist immer bei uns, wir aber sind bei ihm nur wenn wir keine Andersheit in uns haben. Jenes verlangt nicht nach uns daß es etwa um uns wäre, aber wir nach ihm, auf daß wir um es sind. Um es sind wir immer, aber wir blicken nicht immer auf es hin; so wie ein singender Reigen um den Chorführer geschart sich doch einmal umdrehen mag und damit aus der Schau herausgerät, wenn er sich aber nach innen zurückwendet, dann erst schön singt und eigentlich um ihn geschart ist, so sind auch wir immer um Jenes (sonst würden wir uns gänzlich auflösen und nicht mehr existieren können), blicken aber nicht immer zu ihm hin; aber wenn wir zu ihm hinsehen, dann sind wir am Ziel und dürfen rasten, und kreisen um es ohne Mißklang im wahrhaft gotterfüllten Reigen. Und bei diesem Reigen erschaut die Seele nun den Quell des Lebens und den Quell des Geistes, den Urgrund des Seienden, die Ursache des Guten, die Wurzel der Seele nicht als flössen diese Dinge aus ihm und verringerten es damit; sie sind ja keine Masse: dann müßten diese Hervorbringungen vergänglich sein, sie sind aber ewig, weil ihr Urgrund unverändert bleibt und sich nicht in sie zerteilt sondern ganz bleibt; deshalb bleiben auch sie, so wie das Licht bleibt solange die Sonne bleibt. Denn wir sind nicht von ihm abgeschnitten oder gesondert, wenn auch das Leibeswesen sich eindrängt und uns zu sich gezerrt hat, sondern wir atmen und werden erhalten nur indem jenes nicht nur einmal dargereicht und sich dann abgewendet hat, sondern immerdar spendet, solange es ist was es ist.

Wir sind aber im höheren Sinne, wenn wir uns zu ihm hinrichten, unser Heil liegt dort, nur ihm fern sein bedeutet Sein geringeren Grades. Dort kann die Seele der Übel enthoben ausruhen, denn sie ist zu dem Ort hinaufgeeilt der rein von allem Übel ist; dort denkt sie, dort ist sie ohne Affektionen. Dort ist auch erst ihr wahrhaftes Leben; denn das jetzige Leben ohne Gott ist nur ein Nachhall von Leben, der jenem Leben nachahmt, aber dort zu leben ist wirkende Kraft des Geistes, und aus der wirkenden Kraft erzeugt es in der geruhigen Berührung mit Jenem die Götter, es erzeugt die Schönheit, erzeugt die Gerechtigkeit und die Tugend: davon wird die Seele schwanger wenn sie von Gott befruchtet wird. Jenes ist ihr Urgrund und Ziel, Urgrund weil sie von dort, und Ziel weil das Gute dort, weil sie dort einmal angelangt wieder das wird was sie eigentlich war; denn das Leben hienieden unter den Erdendingen ist Straucheln, Verbannung, „Entfiederung“.

Daß aber dort oben das Gute ist, das erweist auch das Verlangen (Eros) welches der Seele (Psyche) eingeboren, weshalb denn auch in Gemälden und Sagen Eros mit den Psychen verbunden ist. Denn da die Seele etwas anderes ist als Gott, aber aus Gott stammt, verlangt sie nach ihm mit Notwendigkeit. Solange sie droben ist, ist sie erfüllt vom himmlischen Eros, denn sie ist dort oben eine himmlische Aphrodite, hier unten aber wird sie, gleichsam zur Hure entartet, zur gemeinen Aphrodite. So verlangt also die Seele, solange sie sich in ihrem wesensgemäßen Zustand befindet, nach Gott und will mit ihm eins werden, mit einem edlen Verlangen wie eine edle Jungfrau ihren Vater liebt. Wenn sie aber nach ihrem Eintritt in die Werdewelt sich gleichsam durch das Treiben der Freier betören läßt, so wandelt sich ihre Liebe in der Ferne vom Vater in eine andere, irdische, und sie erliegt der Schande. Lernt sie aber die Schandtaten dieser Welt wiederum hassen, läutert sich vom Irdischen und macht sich wieder auf den Weg zum Vater, dann ist ihr wohl.

Wem solches Erlebnis unbekannt ist, der ermesse von hier unten aus nach diesen irdischen Liebesregungen, was es bedeutet das zu erlangen wonach man am meisten verlangt, und bedenke dann, daß diese Gegenstände irdischer Liebe sterblich sind und Unheil bringen und diese Liebe nur auf Nachbilder geht, daß sie sich wandeln, weil sie nicht der Gegenstand wahrhaftiger Liebe sind, nicht unser wahrhaft Gutes und nicht das was wir suchen; daß dort oben dagegen das wahrhaft und eigentlich Geliebte ist, mit dem auch eine wirkliche Vereinigung möglich ist indem man Teil an ihm gewinnt und es wahrhaft besitzt, nicht nur es von außen mit dem Fleisch umfängt. Wer es aber geschaut hat, der weiß was ich sage, daß nämlich die Seele alsdann, indem sie herannaht und endlich anlangt und an Ihm Teil erhält, ein neues Leben empfängt und aus diesem Zustand heraus erkennt, daß hier der Spender des wahrhaften Lebens bei ihr ist und sie keines Dinges mehr bedarf, daß es vielmehr gilt alles andere von sich abzutun und in ihm allein stille zu stehen, es zu werden in reinem Allein sein, alles übrigen uns entschlagend was uns umkleidet. Daher wir denn trachten von hier wegzugelangen und murren über die Fesseln die uns an das Andere binden, um endlich mit unserm ganzen Selbst Jenes zu umfassen und keinen Teil mehr in uns zu haben mit welchem wir nicht Gott berühren. So ist es denn dort oben vergönnt Jenen und sich selbst zu schauen so weit Schauen dort das Rechte ist, sich selbst von Glanz erhellt, erfüllt von geistigem Licht, vielmehr das Licht selbst, rein, ohne Schwere, leicht, ja Gott geworden - nein: seiend; entzündet in diesem Augenblick, wenn man aber wieder schwer wird gleichsam erlöschend.

Weshalb bleibt denn nun die Seele nicht dort oben? Nun, weil sie noch nicht gänzlich herausgelangt ist. Es wird aber eine Zeit kommen wo man ununterbrochen schauen wird ohne daß der Leib einen noch irgend belästigt...

Wenn der Schauende nun dann, wenn er schaut, auf sich selbst schaut, wird er sich als einen so erhabenen erblicken, vielmehr er wird mit sich selbst als einem so erhabenen vereinigt sein und sich als solchen empfinden, denn er ist dann einfach geworden. Das Geschaute aber (wenn man denn das Schauende und das Geschaute zwei nennen darf und nicht vielmehr beides eines) sieht der Schauende in jenem Augenblick nicht - die Rede ist freilich kühn -‚ unterscheidet es nicht, stellt es nicht als zweierlei vor, sondern er ist gleichsam ein anderer geworden, nicht mehr er selbst und nicht sein eigen, ist einbezogen in die obere Welt und Jenem Wesen zugehörig, und so ist er Eines indem er gleichsam Mittelpunkt mit Mittelpunkt berührt. Werden doch die Mittelpunkte von irdischen Kreisen zu einem wenn sie zusammenfallen, und sind doch wieder zwei wenn sie getrennt sind; so sprechen wir auch gewöhnlich vom Einen als einem Unterschiedenen. Weshalb denn auch die Schau so schwer zu beschreiben ist; denn wie kann einer von Jenem als einem Unterschiedenen Kunde geben, da er es, während er’s schaute, nicht als ein Verschiedenes, sondern als mit ihm eines gesehen hat? Diesem Umstand will auch die Verpflichtung der irdischen Geheimweihen „nicht an die Ungeweihten preiszugeben“, Ausdruck geben; eben weil das Göttliche nicht preisgebbar ist, untersagt sie, es einem andern bekanntzugeben, es sei ihm denn schon selbst beschieden gewesen es zu sehen.

Da es nun nicht zwei waren, sondern er selbst, der Schauende, mit dem Geschauten eins war (es ist also eigentlich nicht „Geschautes“, sondern sozusagen „Geeintes“), so trägt er, wenn er sich nur an seinen Zustand im Augenblick der Vereinigung erinnert, ein Abbild von Jenem in sich. In diesem Zustand war er aber auch in sich selbst Eines; er hatte in sich keine Geschiedenheit zu sich selbst weder in seinen andern Funktionen (es bewegte sich in ihm nichts, kein Zorn, keine Begierde war in ihm als er in der Höhe war) - aber auch kein Begriff noch irgendein Denken; ja überhaupt sein Selbst war nicht da, wenn denn auch das gesagt sein soll, sondern gleichsam hinaufgerissen, oder vielmehr in ruhiger Gotterfülltheit ist er in die Abgeschiedenheit eingetreten, in einen Zustand der Bewegungslosigkeit, und er wird in seinem ganzen Sein nirgends abgelenkt, auch nicht zu sich selbst hingedreht, völlig still stehend und gleichsam selbst Stillestehen; selbst die schönen Dinge denkt er nicht mehr, sondern über das Schöne ist er nun hinweggeeilt, hinausgeschritten nun auch über den Reigen der Tugenden, wie einer der in das Innere der unbetretbaren heiligen Kammer eingetreten ist und die Götterbilder im Tempel hinter sich gelassen hat, und wenn er aus der inneren Kammer wieder heraustritt, so begegnen sie ihm zuerst, nachdem die Schau da drinnen vorbei ist, die Vereinigung dort oben nicht mit einem Götterbild oder Gleichnis sondern mit Ihm selbst: so werden diese die zweiten Schaunisse. Jenes aber war wohl kein Schaunis, sondern eine andere Weise des Sehens, ein Aussichtreten, sich selbst Einfachmachen und Darangeben, Hinstreben zur Berührung und Stillestehen und Bedachtsein auf Anpassung; nur so kann man das in der innersten Kammer erblicken. Blickt er aber auf andre Weise, so erscheint ihm gar nichts.

Indes all diese Dinge sind bloße Nachbilder, nur verborgene Hindeutungen der Weisen unter den Mysteriendeutern, wie der wahre, obere Gott zu erblicken ist; ein weiser Priester der die Hindeutung versteht mag wohl, wenn er in jene innere Kammer eintritt, zu einer wahrhaften Schau gelangen; aber auch wenn er sie nicht betritt - wenn er diese Kammer für etwas Unsichtbares hält, nämlich für den Urquell und Urgrund, so wird er wissen, daß nur der Urgrund den Urgrund erblickt, nur ihm sich vereinigt, und nur das Gleiche mit dem Gleichen; so wird er nichts von dem Göttlichen, welches die Seele schon vor der Schau innehaben kann, versäumen, und wird das Obrige von der Schau erwarten; und dies übrige ist für ihn, wenn er über alles hinausgeschritten ist, dasjenige was vor allem ist. Denn die Seele kann ihrem Wesen nach nicht in das schlechthin Nichtseiende gelangen; sondern wenn sie hinabschreitet, kommt sie ins Übel und insofern in Nichtseiendes, jedoch nicht in das schlechthin Nichtseiende; läuft sie dagegen in entgegengesetzter Richtung, so gelangt sie nicht zu einem Andern, sondern zu sich selbst, und so kann sie, da sie nicht in einem andern ist, nicht in einem Nichts sein; sondern nur in sich selbst; und nur in sich selbst und nicht in Jenem als in etwas Seiendem: man wird selber insofern man mit Jenem umgeht, nicht mehr Sein sondern Übersein. Sieht jemand sich selbst in diesem Zustand, so hat er an sich selbst ein Gleichnis von Jenem, und geht er von sich als einem Abbild zum Urbild hinüber, so ist er am Ziel der Reise. Und fällt er aus der Schau, so weckt er die Tugend in sich wieder auf, und nimmt er dann wahr, daß sein Selbst durch die Tugenden von Ordnung und Form durchdrungen ist, so wird er wiederum leicht werden und durch die Tugend zum Geist und zur Weisheit aufsteigen und durch die Weisheit zu Jenem. Das ist das Leben der Götter und göttlicher, seliger Menschen, Abscheiden von allem andern was hienieden ist, ein Leben das nicht nach dem Irdischen lüstet, Flucht des Einsamen zum Einsamen.

Alles Seiende ist durch das Eine ein Seiendes, sowohl das was ein ursprünglich und eigentlich Seiendes ist wie das was nur in einem beliebigen Sinne als vorhanden seiend bezeichnet wird. Denn was könnte es sein, wenn es nicht eines ist? Da ja wenn man ihm die Einzahl, die von ihm ausgesagt wird, nimmt, es nicht mehr das ist was man es nennt. Denn es kann kein Heer sein wenn es nicht eines sein soll, und kein Reigen und keine Herde, ohne Eines zu sein. Auch kein Haus oder Schiff, wenn sie nicht die Einheit haben, denn das Haus, das Schiff sind eines, und wenn sie das einbüßen dann ist das Haus kein Haus mehr und das Schiff kein Schiff; die zusammenhängenden Größen also würden nicht existieren, wenn das Eine ihnen nicht beiwohnte; wandeln sie doch wenn man sie teilt, ihr Sein insoweit als sie das Eine verlieren. Ebenso ist es ferner mit den Leibern der Pflanzen und Tiere, jeder von ihnen ist ein Eines, und wenn sie dieser Einheit entfliehen indem sie in eine Vielheit zerbrochen werden, so verlieren sie ihr bisheriges Wesen und sind nicht mehr das was sie waren; indem sie dann etwas anderes geworden, sind sie aber auch das nur soweit sie Eines sind. Aber auch die Gesundheit beruht auf der Zusammenordnung des Leibes zu einer Einheit, und die Schönheit auf der Obmacht des Einen über die Teile; und auch die Tugend der Seele auf ihrer Einswerdung zu einem Einen, einer einheitlichen Übereinstimmung.

Müssen wir nun, da ja die Seele alle Dinge zur Einheit bringt indem sie sie schafft, bildet, formt, zusammenfügt, bei der Seele. angelangt haltmachen und ihr zuschreiben daß sie das Eine dargibt und sie das Eine ist? Oder muß man vielmehr, so wie sie die andern Dinge den Leibern dargibt ohne das zu sein, das sie mitteilt wie z. B. Gestalt und Form, sondern diese Dinge als etwas von sich Verschiedenes gibt, so auch annehmen, daß sie, wenn sie auch das Eine mitteilt, es doch als etwas von sich Verschiedenes gibt, daß sie das Einzelding zu Einem macht indem sie auf das Eine hinblickt, so wie sie durch Hinblick auf den „Menschen“ ein Wesen zu einem Menschen macht, indem sie zugleich mit dem Menschen auch das in ihm liegende Eine mitsetzt? Denn jedes Ding, das als Eines bezeichnet wird, ist gerade so sehr Einheit wie es sein eigentliches Wesen in sich trägt; ein geringeres Sein bedeutet also auch ein geringeres Einssein, und ein höheres ein höheres. So besitzt denn auch die Seele, obgleich sie verschieden vom Einen ist, das Eine entsprechend ihrem höheren und eigentlichen Sein doch in höherem Grade; jedoch ist sie nicht das Eine selber; denn die Seele ist eine, das Eine ist für sie nur eine Art Accidens, Seele und Eines sind zweierlei, wie Körper und Eines. So steht denn das Unzusammenhängende, z. B. ein Reigen, dem Einen am fernsten, das Zusammenhängende bereits näher, und noch näher die Seele, welche selber mit ihm in Gemeinschaft steht. Man könnte nun etwa darum, weil die Seele ohne Eines zu sein nicht Seele wäre, die Seele und das Eine zusammenfallen lassen; allein erstlich ist auch jedes andere Ding, was es ist, nur indem es zugleich Eines ist, und trotzdem ist das Eine von ihm verschieden, denn Leib und Eines sind nicht dasselbe sondern der Leib hat nur Teil am Einen; sodann ist aber auch die eine Seele doch ein Vieles (auch ohne daß sie aus Teilen bestehen müßte), denn es sind gar viele Kräfte in ihr, Denken, Streben, Wahrnehmen, welche erst durch das Eine so wie durch ein Band zusammengehalten werden. So führt also die Seele einem andern das Eine zu, wobei sie freilich selbst ein Eines ist; aber ihr widerfährt auch ihrerseits eben dies von einem andern.

Ist nun nicht allerdings für jedes einzelne Teil-Eine sein Sein und das Eine nicht identisch, für das gesamte Seiende dagegen und die gesamte Seinsheit seine Seinsheit, sein Seiendes und sein Einssein identisch? Dann hat also wer das Seiende ausgefunden hat, zugleich auch das Eine ausgefunden, und das Sein als solches ist dann das Eine als solches; z. B. wenn das Sein Geist ist, so ist dann auch das Eine Geist, indem der Geist primär seiend und primär eines ist; und indem er den andern Dingen am Sein Teil gibt, gibt er ihnen dann eben damit und in demselben Maße auch am Einen Teil. Wie sollte man das Eine denn auch anders bestimmen wenn nicht als Sein? Entweder ist es mit dem Seienden identisch („ein Mensch“ und „ein Mensch“ ist dasselbe). Oder es ist sozusagen nur eine Art Zahl des Einzeldinges, man spräche dann bei einem einzigen Ding in dem Sinne von einem wie man von zwei Dingen spricht. Wenn nun die Zahl zu den seienden Dingen gehört, so klärlich auch das Eine, und man müßte untersuchen, was es dann ist. Wenn aber die Zahl nur eine Funktion der Seele ist während sie im Zählen die Dinge durchgeht, dann würde es in der Wirklichkeit überhaupt kein Eines geben. Nun ergab aber unsere Darlegung, daß die Einzeldinge wenn sie das Eine verlieren, überhaupt nicht mehr existieren können. Wir müssen also zusehen ob das Eine und das Seiende beim Einzelding, und ob das Seiende überhaupt und das Eine identisch sind. Indessen wenn das Sein des Einzeldinges Vielheit ist, das Eine aber unmöglich Vielheit sein kann, so muß beides voneinander verschieden sein. Ist doch der Mensch Lebewesen, vernunftbegabt und besteht aus vielen Teilen, und all dies Viele wird erst durch jenes Eine zusammengehalten; so ist also „Mensch“ und „Eines“ etwas Verschiedenes, wenn denn jenes teilbar, dies unteilbar ist. Und weiterhin, das gesamte Seiende, welches alle seienden Dinge in sich hat, ist ja erst recht Vielheit, also vom Einen verschieden, welches es nur durch Anteilnahme und Teilhabe besitzt. Ferner besitzt das Seiende auch Leben, denn es ist doch nichts Totes; folglich ist das Seiende ein Vieles. Wenn aber das Seiende Geist ist, so ist es auch dann notwendig ein Vieles. Und erst recht, wenn es die Ideen in sich enthalten soll; denn die Idee ist nicht Eines sondern eher Zahl, sowohl die einzelne wie die Gesamtheit der Ideen, und also nur in dem Sinne Eines wie man es vom Kosmos sagen kann.

Überhaupt aber ist das Eine ein Erstes, der Geist dagegen und die Ideen und das Seiende sind kein Erstes. Denn was die Ideen anlangt, so besteht jede einzelne aus Vielem, ist zusammengesetzt und insofern ein Späteres; denn das woraus ein Ding besteht ist früher als das Ding.

Somit kann also das Eine weder Alles sein, denn dann wäre es nicht mehr Eines, noch der Geist, denn dann wäre es