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In diesem kleinen Buch betrachten wir die Natur des Logos als der schöpferischen Kraft des Geistes und sein Gesetz - die Dialektik. Die Dialektik bildet - in unserer Thematik - die Brücke zwischen ewiger und vergänglicher, ideeller und sinnfälliger Welt und macht das Paradox des Hervorgangs unvollkommener Wesen und Dinge aus vollkommenen Urbildern (Eide) und Ideen sichtbar. Darüber hinaus umfaßt er zugleich das Gesetz des principium coincidentia oppositorum (= das Prinzip des Zusammenfalls der Gegensätze) als das Prinzip des Aufstiegs und der Rückkehr alles Geschaffenen und Vielfältigen in die transzendentale Einheit des höchsten Ursprungs. Seit Plato gilt die Dialektik als die Wissenschaft der reinen Ideen und wer sie begreift und verinnerlicht hat, der hat in ihr einen unfehlbaren Schlüssel für den Auf- und Abstieg zwischen den Sphären des absolut einfachen Einen und der Vielfalt dieser vergänglichen relativen Welt.
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Logos und Logoslehre
1. 1 Begriffsbestimmung: Der Logos als die schöpferische Kraft Gottes
1. 1. 1 Der Logos als Ursprung, Ende und Mitte der Welt
1. 1. 2 Der Logos als Ursprung und Platzhalter der (noetischen) Vernunft in Mensch und Kosmos
1. 1. 2. 1 Denken und Vernunft
1. 2 Zum Logosbegriff Meister Eckharts
1. 3 Parmenides und die kabbalistische Kosmogonie
1. 3. 1 Griechische Logoslehre und kabbalistische Kosmogonie – Der Sefirot-Baum der Kabbala als Urbild des Kosmos und des Menschen
1. 3. 2 Der Sefirot-Baum als Aufrollung des Logos und Schlüssel zum Aufbau der Welt
1. 3. 2. 1 Zimzum: Die Selbsteinschränkung Gottes
1. 3. 2. 2 Die drei Stufen des Logos
1. 3. 2. 3 Die sieben Äonen, die Geburt der Sefirot und der Schöpfungsstrahl
1. 3. 2. 4 Lebensbaum und Schöpfungsdrama
1. 3. 2. 5 Involution und Evolution
1. 3. 2. 6 Die zehn Attribute Gottes – Sefirot und Othiot: Wesen, Ordnung und Namen
Die Dialektik als Prinzip des Logos
2. 1 Formalisierung der Dialektik von Einem und Denken
2. 2 Die Logik der Metaphysik des Einen
2. 3 Die Hierarchie der Hypostasen und Begriffe
2. 4 Die dialektische Beziehung zwischen Sein und Werden, Begriff und Erkenntnis
2. 4. 1 Teilhabe und Begriff
2. 4. 2 Dialektik von Sein und Werden, Sein und Erkenntnis: Identität und Wandel in den Gestalten des Seins und der Erkenntnis
2. 4. 3 Geist und Begriff
2. 4. 4 Dialektischer Aufstieg zur Einheit und zum Einen
2. 5 Die Begründung der Dialektik aus dem Einen und ihre Bestimmung als Gesetz des Logos
2. 5. 1 Zur formalen Struktur der Dialektik und ihrer Verwirklichung im Logos
2. 5. 2 Die Dialektik als universelles Gesetz des tätigen Logos: Selbsteinschränkung und Polarisation versus transzendentale Koinzidenz der Gegensätze als Prinzipien des Hervorgang und der Rückkehr in den Ursprung
2. 5. 3 Entwicklungsgang des dialektischen Denkens und seine erkenntnismäßige Kulmination
Über den Autor
Ursprung, Mitte und Ende alles Seienden und allen Lebens wie auch aller Erkenntnis ist der Logos. Wie es heißt: „Alle Dinge haben eine obere Wurzel.“ (Plato, Plotin, Eckhart, Sohar, Baal-Shem-Tov, Reb Nachman von Brazlav)
Im platonischen, biblischen und vedischen Sinne begreifen wir den Logos ganz ursprünglich sowohl als kosmische Intelligenz als auch als die geistige Schöpfungskraft Gottes. Insbesondere das platonisch inspirierte Johannes-Evangelium hat ihn als solche gefaßt. Er ist die Urkraft, die jedes Seiende hervorbringt und gestaltet.
Im Folgenden möchte ich die wesentlichen Eigenschaften und Aspekte des Logos einzeln aufzählen:
1. Zuallererst verstehen wir den Logos als die schöpferische Kraft Gottes, ganz im Sinne des Fiat Lux der Schrift, wie es dort heißt: „Bereshit bara Elohim (eth-ha-shamajim wa-eth-ha-aretz) ...Wajomar Elohim: (Jehi or wa-jehi or)‘.“ – „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde ... Gott sprach: Es werde Licht ..., und es ward Licht ...“ (Gen. 1. 1 & 3) bzw. im Johannes-Evangelium:
Εν αρχη ην λογος, και ο λογος ην προς τον ϑεον, και ϑεος ην ο λογος. αυτος ην εν αρχη προς τον ϑεον.
παντα δι αυτου εγενετο, και χωρις αυτου εγενετοουδε εν, ο γεγονεν.
εν αυτω ζωη ην, και η ζωη ην το ϕως των ανϑρωπων. και το ϕως εν τη σκοτια ϕαινει, και η σκοτια αυτο ου κατελαβεν.
(Κατα Ιωαννην 1. 1 − 5)
zu Deutsch:
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Und alles, was gemacht (geschaffen) ist, ist durch das Wort gemacht (geschaffen). Und nichts, was gemacht (geschaffen) ist, ist ohne es gemacht (geschaffen). Und das Wort ist das Leben und das Leben ist das Licht des Menschen.“ (Joh. 1. 1 – 4)
Im Sanskrit wird der Logos als „Matrika-Shakti“ (mütterliche Urkraft) wie auch als „Vak“ oder „Paravak“ (Wort oder Urwort) bezeichnet.
Dementsprechend heißt es im Rig-Veda:
„Prajapatir vai idam-agre-asit
Tasya vak dvitya-asit
Vak vai Paramam Brahman.“
„Im Anfang war Gott (Prajapati – der Schöpfer);
Mit Ihm war das Wort.
Und das Wort war wahrhaftig das höchste Brahman.“
Murdo McDonald-Bayne faßte Geist und Gehalt dieser Verse in seinen Johannesburger Reden in moderne Sprache. Da heißt es:
„Gott ist Geist, nicht ein Geist, sondern Geist. Der Geist ist in sich selbst vollkommen; er hat die Macht, sich zu offenbaren, sich die Formen zu schaffen, derer er bedarf, um sich auszudrücken. [Denn Gottes Wesen ist Mitteilsamkeit. (Plato, Plotin, Eckhart)]
... Der Geist Gottes war, bevor die Welt gebildet wurde, und der Geist ist Fleisch geworden und wohnt auf der Erde, dennoch ist es derselbe Geist, der im Himmel wohnt.
„... Die vollkommene schöpferische Kraft – der Geist Gottes – wirkt schöpferisch in Ihrem eigenen Ewigen Sein, worin es keine Teilung gibt.“
„Geist ist Bewußtsein, und Bewußtsein wirkt ... vermittels seiner intelligenten Tätigkeit. Das Bewußtsein und die Intelligenz Gottes offenbart sich in allem, was lebt.“ (M. McDonald-Bayne: Göttliche Heilung, 3. 27; 7. 53 – 54)
Durch die Kraft des Wortes antizipiert der Logos die ihm innewohnenden Ideen und Eide in einer Innenschau als Gedanken und Intentionen und durch die Kraft des Wortes materialisiert er diese Ideen, Eide, Gedanken und Intentionen in fein- oder grobstoffliche Formen und Gestalten.
Der Grund des Wirkens des Logos und alles in ihm Liegenden liegt nicht außerhalb seiner, sondern allein in ihm selbst. Wie es heißt: „Im göttlichen Bereich wirkt alles ‚ohne Worumwillen’, weil alles eins ist und daher um seiner selbst willen wirkt.“ (Cusanus)
Das bedeutet, daß der Logos als der Ursprung und die Wurzel aller Dinge in Gott, als der Quellgrund aller Bewegung und allen Lebens, und als der Punkt ihrer Koinzidenz und ihrer Rückkehr in Ihn zu fassen ist. Er ist die erste, höchste und einzige Ursache aller Dinge und aller Bewegung.
Ganz in diesem Sinne heißt es auch bei Shankaracharya: „Dieses sichtbare Universum hat seine Wurzel in der gedanklichen Schöpfungskraft des Geistes.“ (Shankara: Viveka Chudamani, Vers 407);
Auch bei manchen der griechischen und christlichen Denker, Seher und Philosophen finden wir ähnliche Zeugnisse:
Schon Heraklit, der Vater der Logoslehre, sagte: „Alles entsteht gemäß dem Logos und wird von ihm geleitet.“ ... „Der Logos ist es, der Alles in Allem durchwaltet.“ Und bei Philo heißt es: „Τελειος λογος αρχη γενεσεως − der vollendete Logos ist das Urprinzip der Schöpfung.“
„Der Logos wird Arche (Anfang und Haupt; Hebräisch: Resh) genannt, weil er das Prinzip und der Herr (κυριος) aller Dinge ist, die durch ihn geschaffen wurden.“ (Theophilus) Dementsprechend schreibt Philo dem Logos zwei Vollmachten zu. Die eine nennt er die erschaffende Gewalt (δυναμις ποιητικη). Sie bezieht sich, wie ihr Name sagt, auf die Erschaffung der Welt. Die andere nennt er die königliche Gewalt (δυναμισ βασιλικη), „durch die der Demiurg das Erschaffene lenkt“.
Facit: „Der Logos ist nicht nur der Ursprung (αρχη, δημιουργος), sondern auch der bleibende Lenker des Alls (διοικων τα παντα).“ Seine Natur ist Sein und Wirken.
Ferner: Der Logos ist Same und Wurzel aller Welten, Wesen und Dinge: „Das erste [Prinzip] ist das Feuer, das gleichsam als Samen des Alls die Logoi enthält, die Ursachen von allem, was entstanden ist, was entsteht und was sein wird.“ (Eusebius) Die Stoa nannte diese Samen ‚λογοι σπερματικοι’. Philo sagte: „Der Same ist das Wort Gottes“ – „Ο σπορος εστιν ο λογος του ϑεου.“ Dieser Logos bildet den Kern und die Mitte eines jeden lebenden Wesens und geschaffenen Dinges.
Der geschaffene Kosmos ist Aufrollung des Logos in Raum und Zeit. Seine erste Manifestation ist die ψυχη (All-Seele) als Entfaltung der im Nous verborgenen Ideenfülle. Diese Ideenfülle ist selbst der Logos und das dem Nous innewohnende Leben. Seinsfülle ist Leben. In der Seele nimmt seine (des Logos und des Lebens) Entfaltung ihren Anfang und in der Emanation des Kosmos kommt sie zur Blüte und Vollendung. Der Logos ist ihr Same und der Kosmos die Frucht ihrer Entfaltung.
Aber auch im Menscheninnern wohnen heilige Funken oder Monaden (αποσπασμαι, Hebräisch: Jechidot), die Same, Kern und Wurzel seiner zur Entfaltung drängenden Seele sind. Ihr Aussprießen und ihre Entfaltung zu einem differenzierten Individuum, Charakter und Bewußtsein erfolgt zwar gesetzmäßig gemäß der inneren δυναμισ und ενεργεια (bzw. dem πνευμα) (Hebräisch: Ruach Ha-Kodesh) des Logos (Sanskrit: Kundalini Shakti), aber nicht zwangsläufig; sie wird nicht vom Kosmos selbst besorgt. Justinus der Märtyrer gebrauchte für diesen Geistfunken in der Seele den Ausdruck: „Der Same des Logos (σπερμα του λογου) im Menschen“.
Die Stoiker sprachen vom:
λογος σπερματικος bzw. σπερμα του λογου (dem Samen des Logos) oder auch von der εμϕυτου του λογου (der Saat des eingeborenen Logos) im Menschen. Wie es schon heißt im Evangelium Johanni:
„εν αυτω ζωη ην και η ζωη ην το ϕως των ανϑρωπων“ – „In ihm war das Leben und das Leben war das Licht des Menschen“.
Bei Murdo McDonald-Bayne hören wir das Wort: „Wenn ein Same in die Finsternis der Erde ausgesät wird, wächst er aus innerer Kraft; der Samen bringt ihm selbst Gleiches hervor und vermehrt sich dabei hundertfältig. ... Der Samen des Christus in euch enthält die ganze Fülle der Gottheit.“ (McDonald-Bayne: Göttliche Heilung, Kap. 9. 69; 98)
Makro- und Mikrokosmos entsprechen einander und haben im Logos eine gemeinsame Mitte. Wie es heißt: „Der Logos, der Älteste des Seins, ist in den Kosmos wie in ein Gewand gehüllt, in Erde, Wasser, Luft und Feuer und alles, was darin enthalten ist.“ (Philo) „Der ganze Kosmos ist ein Wesen (ζωον), beseelt und vom Logos durchdrungen.“ (Poseidonios)
Und bei Plato heißt es: „κοσμος ζωον εμψυχον και εννοιον.“ (Timaios 30 B)
„Der Kosmos ist ein συστημα (System) von Göttern und Menschen [Purushas] und all dessen, was um ihretwillen erschaffen wurde.“ (Chrysipp) Der Logos ist All und allem gemein.
„Gott ist die Substanz der Welten, die das Dasein alles Geschaffenen unterhält.“ Er existiert nicht, hat keine Existenz, denn Er ragt nirgends unter den Seienden Dingen der Welt heraus, sondern ist er das Sein alles Seienden schlechthin; Sein Sein hat den Charakter des Sub-sistierens. „Er ist die Substanz, die das Da-Sein der Welten unterhält. Ansonsten ist Gott αποιος, das heißt ohne Attribute oder Qualitäten, die in Begriffe oder Worte zu fassen wären. Nicht einmal das Schaffen ist seinem Wesen eigen. Wo es beginnt, tritt der Logos in Kraft.“ (Philo)
„Der Logos ist der Herr der Mächte nach dem Willen Gottes (die erste der Dynameis).“ ... „Der Logos war vor aller Schöpfung in ihm. ... Der Logos hatte als Arche (Kraft des Urbeginns) vor allem Erschaffenen in Gott Bestand.“ (Justin)
Eine mehr poetische Form und zugleich Zusammenfassung der Definition des Logos als der schöpferischen Kraft des universellen Geistes finden wir im Sohar. Er sieht die Erschaffung der Welt nach dem Bilde des Oberen, der oberen Vollkommenheiten:
„Es sprach Gott: ‚Es werde Licht – und es ward Licht‘.“
„Es ist dies das Leuchten, das der Allheilige im Uranfang schuf: genannt das Licht des Urquells.
„Und Er umhüllte sich mit dem Lichte wie mit einem Mantel, darum heißt es: ‚Er bedeckt sich mit Licht wie mit einem Kleide‘ (Psalm 104,2).
„Das Licht, das der Allheilige im Schöpfungswerk geschaffen, sein Strahlen ging von Weltende zu Weltende. Denn der Anfang der Schöpfung war ein Reich des Lichts.
„In diesem Licht werden alle Welten zur Vollendung kommen und schließlich zur Einheit.“ (Sohar I. folg. 31b-32b. Das Licht des Urquells)
„Merke: Als der Allheilige die Welt erschuf, gründete Er sie auf sieben Säulen, diese aber auf einer einzigen. Dies finden wir bestätigt in dem Satze: ‚Die Weisheit hat ihr Haus erbaut und ihre sieben Säulen aufgerichtet‘ (Sprüche 9,1). Die Welt, als sie erschaffen wurde, wurde von jener Stätte aus erschaffen, welche die Vollendung und das Heil der Welt ist, ein Punkt der Welt und Mittelpunkt von allem. So ist diese Stätte der kraftende Urpunkt der ganzen Welt; von dieser Stätte wirkt er zur Vollendung der ganzen Welt, aus ihm wird die ganze Welt genährt.“ (Sohar I. fol. 186)
„Auch heißt es: ‚Im Anfang erschuf Elohim Himmel und Erde‘ (Bereshit 1,1) (das sind geistige und stoffliche Welt). Es erschuf der Allheilige die Welt nach der Weise der oberen, auf daß diese Welt im Vorbilde der oberen stehe. Und alle die höheren Daseinsweisen setzte Er nach unten, damit Welt mit Welt sich verbinde und verknüpfe. ...
„Von drei Seiten erhielt die Welt Bestand: mit Weisheit, Vernunft und Erkenntnis. Mit Weisheit, wie geschrieben steht: ‚JHWH, mit Weisheit hat Er die Erde gegründet‘ (Sprüche 3,19). Mit Vernunft, wie geschrieben ist: ‚Er richtet die Himmel mit Vernunft ein‘. Mit Erkenntnis, wie geschrieben ist: ‚Mit Seiner Erkenntnis wurden die Tiefen gespalten‘ (Sprüche 3,20). All dies gehört zum Bestand der Welt. Mit eben diesen dreien wurde auch der Tempel Gottes auf Erden errichtet, wie es heißt: ‚Und Ich erfüllte ihn mit dem Geiste Elohims, mit Weisheit, Vernunft und Erkenntnis‘ (Exodus 31,3).
„Auf diese drei ist aber auch in jenem Satz hingewiesen: ‚Im Anfang‘, das heißt mit Weisheit, ‚erschuf Elohim‘, das heißt mit Vernunft, ‚den Himmel‘, das heißt mit Erkenntnis.
„Von diesen dreien ist auch geschrieben beim Bau des Stiftszelts: ‚Dieses sind die Satzungen‘, das ist das Geheimnis der Weisheit, ‚der Wohnung des Zeugnisses‘, das ist das Geheimnis der Vernunft, ‚welche er einsetzte durch den Mund Seines Propheten‘, das ist das Geheimnis der Erkenntnis, und alles entspricht einander. Denn was der Allheilige in dieser Welt erschuf, erschuf Er nach der Weise des Oberen, und alles war eingeprägt in das Werk der Wohnung.
„Erhebe dein Haupt zum Himmel und wandle und gestalte alles nach dem oberen Bild und Gleichnis. Denn ‚zum Mit-Erbauer habe Ich dich erwählt der Neuen Welt‘.
„Das Haupt in der Höhe ist ein Punkt, der in der Mitte der Welt steht, von wo sich die Welt nach rechts und links und allen Seiten breitet, und hat durch diesen Mittelpunkt Bestand; dieser Punkt wird Grundstein genannt, weil Er von hier die Welt nach allen Seiten festigte. Ferner bedeutet aber das Wort Schetijah: Schat-jah: es hat Gott gesetzt, damit er der Grund der Welt sei und der Sproß des Ganzen. ... So steht jener Punkt in der Mitte und alle Arten der Ausbreitung umringen ihn.
„Es ist das Geheimnis der Kreise im Auge, welche den mittersten Punkt umgeben, der eigentlich das Sehen des ganzen Auges bildet. Diesem Punkte gleich steht in der Mitte das Allerheiligste, (welches die Schau des Ganzen bildet.) Es bedeutet dieser Punkt die Schau der ganzen Welt. Deshalb ist geschrieben: ‚Schön Ragende, Freude der ganzen Erde‘ (Psalm 48,3). ‚Schön‘: diese Schau und Wonne des Alls, ‚ragend‘ wie das Emporragen des herrlichsten Baumes.“ (Sohar II. fol. 220b-221a, 222a-b)
„Drei Häupter sind geprägt, eines im andern, eines über dem andern. Ein Haupt verhüllte Weisheit, die gänzlich sich verbirgt und nie sich offenbaren kann. Und diese verborgene Weisheit ist Haupt den Häuptern aller übrigen Weisheit. Das oberste Haupt: der heilige Alte, der Verborgene aller Verborgenen – Beginn alles Beginnes, Beginn, der noch kein Beginn ist, nicht erkennend und nicht mehr erkannt, der sich noch nicht verband mit Weisheit und mit scheidender Vernunft. Darauf gehen die Worte: ‚Fliehe an deine Stätte‘ (4. Moses 24,11) sowie: ‚Und die Heiligen Wesen enteilen und kehren wieder‘ (Ezechiel 1,14). Und darum wird der heilige Alte auch ‚Nichts‘ genannt, weil an ihm nichts mehr haftet. Und alle jene Nerven gehen aus vom verborgenen Mark, und alles ist ins Gleichgewicht gesetzt.
„Es ist der ‚Alte der Alten‘, der Uralte, die obere Krone, mit der alle Diademe und Kronen sich krönen. Von dem alle Leuchten sich erleuchten und erbrennen. Er, die obere, verborgene, nie erkannte Leuchte. Dieser ‚Alte‘ findet sich in drei Häuptern, die in eines zusammengefaßt sind, und Er ist das oberste Haupt. Und weil der heilige Alte in die Dreiheit geprägt ist, so sind auch alle übrigen Leuchten, die von ihm ihr Licht empfangen, in dreien zusammengefaßt. ...
„Ferner ist der ‚heilige Alte‘ geprägt und verborgen in der Einheit. Er ist Eines und in Ihm ist alles Eines. Desgleichen erheiligen und verbinden sich alle übrigen Leuchten, kehren wieder in die Einheit und sind selbst Eines.
„Am Bilde des ‚heiligen Alten‘ hängt alles Gut aller Dinge. Er wird ‚Gestirn des Alls‘ geheißen. Von ihm geht alles kostbare Gut aus, denn nach ihm halten alle Gestirne, die oberen wie die unteren, den Blick gerichtet. An diesem Gestirn hängt das Leben aller Dinge, die Speisung aller Dinge. An ihm hängen Himmel und Erde, alle Verkörperung des Willens.
„In diesem Gestirn liegt die Vorsehung von allem. An ihm hängen alle Heerscharen, die oberen und unteren. ... Dieses Gestirn wirkt Gleichgewicht bis zum Nabel aller Heiligtümer, weil von ihm Heiligkeit ausgeht. In diesem Gestirn erfolgt die Ausbreitung der oberen Verbundenheit ...
„In dieser Bildform breiten sich drei Häupter, alle dem Gestirn verbunden. Darum hängt auch alle Köstlichkeit an diesem Gestirn. Und alle Zeichen, die vom ‚heiligen Alten‘ abhängen, hängen von diesem Bilde ab und sind diesem Gestirn verbunden, um auch den anderen Zeichen Bestand zu geben. ... Vor diesem Gestirn erblassen und beugen sich Oberes und Unteres‘. (Sohar, Idra suta III. fol. 288ab. Dreiheit in der höchsten Einheit)
Lassen wir noch einmal die Griechen zu Wort kommen: Makro- und Mikrokosmos entsprechen einander und haben im Logos eine gemeinsame Mitte. Wie es heißt: „Der Logos, der Älteste des Seins, ist in den Kosmos wie in ein Gewand gehüllt, in Erde, Wasser, Luft und Feuer und alles, was darin enthalten ist.“ (Philo) „Der ganze Kosmos ist ein Wesen (ζωον), beseelt und vom Logos durchdrungen.“ (Poseidonios) „κοσμος ζωον εμψυχον και εννοιον.“ (Plato, Timaios 30 B)
Der Logos ist Ursprung, Spitze und Zentrum des geschaffenen Kosmos als schöpferische und einheitsstiftende Kraft des Nous. Als Spitze des Seienden ist er die „reinste und lauterste Idee des Seienden“. Als Monade ist er das allgemeinste Prinzip, von dem her sich alle Dinge bestimmen. Die Monade steht für die Ganzheit und Gemeinschaft aller Dinge. … Seine sinnliche Leere bedeutet ontologische Fülle.
Daraus folgt unmittelbar:
2. Der Logos verkörpert das Prinzip der Vernunft; ja er ist selbst reinste Vernunft (νεησις) und höchste Intelligenz. Er ist also nicht nur schöpferisch-produktiv, sondern insbesondere auch intelligenzbegabt. Er offenbart die absolute Vernunft des transzendenten Seins und Bewußtseins in Form weiser Struktur und Ordnung innerhalb der relativen Welt; er ist nicht nur eine schöpferische, sondern insbesondere eine ordnungsstiftende, das heißt, alle Dinge und Erscheinungen innerlich strukturierende und in ihren Beziehungen untereinander ordnende Kraft. Er ist der Träger und die Exekutive der göttlichen Vernunft. Er ist die Wurzel aller Gesetzmäßigkeit und Tugend in dieser und jener Welt und selbst das oberste Gesetz. Wie es heißt: „Er ist die Wahrheit an sich (αυτοαληϑεια), die Gerechtigkeit (αυτοδικαιοσυνη) an sich, die Weisheit an sich (αυτοσοϕια).“
Mit Heraklit und Cusanus können wir zusammenfassend sagen: „Der Logos ist das eine, universelle Ordnung schaffende Prinzip, allem gemeinsam und die Einheit der Gegensätze: ‚Aus Allem wird Eins und aus Einem Alles.’“ Er ist die schöpferische Urkraft, die erste Ursache allen Seins, der die vernunftbegabten Keimkräfte aller Dinge in sich trägt.
Er ist sowohl der Grund und die Basis der logischen Ordnung (Gestalt) der Welt (des Kosmos), als auch des Geistes und des Erkenntnisvermögens (Noesis). Der Logos selbst entfaltet sich als Kosmos.
3. Er ist der Grund der Einheit von Geist und Welt (im Sinne des „hen to pan“).
4. Der Logos ist zugleich transzendente und immanente Wirklichkeit; er wurzelt in und durchdringt den gesamten intelligiblen Kosmos und sprießt hervor als sensible, empirische Welt, die er ebenfalls ganz umfaßt und durchwirkt. Er ist jenseits aller sichtbaren Dinge, aber zugleich allen immanent, als deren eigener Ursprung. Er umfaßt, durchdringt und durchwirkt Himmel und Erde, geistige und materielle Welt.
5. bildet er den Horizont und das Tor zwischen ungeschaffenem und geschaffenem Sein, oder besser das Tor am Horizont des Bewußtseins zwischen den ungeschaffenen und geschaffenen Dingen.
Er ist der Anker der zeitlichen Dinge in der Ewigkeit.
Er ist die Pforte ihres Aus- und Eingangs in die Ewigkeit. Wie die Sonne aufgeht im Osten und untergeht im Westen, so wirkt der Logos gleichermaßen hüben und drüben des Seinshorizontes und alles, was differenziert, geeint, geschaffen, bewirkt, bewegt und lebendig ist, ist sein Werk.
Plato schrieb ihm deshalb die Gestalt des Buchstaben Χ (Chi) zu. Er ist das Öhr, durch das alle Wesen und Dinge in Raum und Zeit eingehen und durch das sie wieder zurückkehren in ihren transzendentalen Ursprung.
6. Er ist die Summe und Einheit aller transzendentalen Ideen (und Vollkommenheiten) und der Grund und Anfang ihrer Manifestation. Er umfaßt ihre ganze Totalität und mit ihnen alle γενη – Gene – (im Sinne der Gattungen des Seins) und tut dies sowohl in Potenz als auch im Akt. Mehr noch: Er ist selbst diese Totalität als inneres Leben des Geistes (Nous).
Als Summe und Totalität der transzendentalen Ideen ist der Logos nicht nur Ursprung und Wurzel von Schöpfung und Leben, sondern darüber hinaus auch das Urbild der Menschen und aller geschaffenen Wesen und Dinge: „Der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege. Ehe er etwas schuf, war ich da.“ ... „Der nach dem Ebenbild (Gottes) geschaffene Mensch war die Idee, die Gattung, das Siegel (σϕραγις) des Menschen, rein geistig (νοητος), unkörperlich, weder männlich noch weiblich, und von Natur unsterblich.“ (Philo) Gott bzw. der Logos selbst ist ο κατ εικονα ανϑρωπος − das Urbild des Menschen. Paulus gebraucht statt des Ausdrucks εικων (Abbild) das Siegel προσωπον (Antlitz), wohl um die Gottesähnlichkeit und Würde des Menschen deutlicher hervortreten zu lassen.
Er ist das Prinzip der Einheit und der Scheidung und auch der Wiedervereinigung alles Geschiedenen in ein einziges Eines. In ihm ist Abstieg von der Einheit in die Vielfalt und Aufstieg (αναγωγη) von der Vielheit in die Einheit (und von da zum einfachen Einen). Er ist es, der die undifferenzierte Ideenfülle des Nous als Vielheit zu ideieren oder zu denken vermag und damit den Grund der Vielheit in der Einheit des Nous als des Einen-Vielen bildet. (Siehe Kap. 6. 4. ...)
Er ist Ursprung von διαιρεσις (Dihairesis – Auseinanderlegung) einer undifferenzierten im Nous enthaltenen Totalität in differenzierte Vielfalt und das Prinzip ihrer Synthesis unter ein einziges Eines.