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Die Ausbildung zum Psychoanalytiker ist ein lebenslanger Prozess, in dem jeder Therapeut sein eigenes Arbeitsmodell entwickelt. Dieses besteht aus Haltungen und Funktionen, die teils gelernt werden können, teils in jeder einzelnen Stunde entwickelt werden müssen. Zwiebel beschreibt, welche Qualitäten erforderlich sind und entwirft »zehn Grundelemente einer professionellen Psychotherapie«, die allen Psychotherapeuten Halt und Grundausrichtung geben. Kann es eine allgemeine Theorie psychotherapeutischen Handelns geben? Oder: Von der Schwierigkeit, Psychoanalytiker zu werden und es zu bleiben Im Prozess des Analytiker-Werdens und Analytiker-Bleibens geht es vor allem um die Entwicklung eines eigenen unverwechselbaren Erklärungsmodells, das aus der Dynamik von Gelingen und Scheitern erwächst. Der Autor zeigt detailliert, welche Haltungen und Funktionen auf Seiten des Analytikers für diesen ständigen Umwandlungsprozess erforderlich sind. Diese werden aus den Kontexten der Achtsamkeit, der Wunsch- und Traumdynamik, des Beziehungsgefühls und der Deutungen untersucht. Die These lautet, dass die Trias von Präsenz, Gegenübertragung und Einsicht als die zentralen qualitativen Elemente psychoanalytischen und letztlich auch psychotherapeutischen Handelns aufzufassen und somit unverzichtbar für eine professionelle Praxis sind. Ralf Zwiebel diskutiert, ob diese aus der psychoanalytischen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse für eine professionelle Psychotherapie generalisiert werden können und diskutiert Hypothesen für "Zehn Grundelemente professioneller Psychotherapie". Das Buch wendet sich an: Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker Psychodynamisch orientierte TherapeutInnen Aus- und WeiterbildungsteilnehmerInnen
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Seitenzahl: 400
Veröffentlichungsjahr: 2013
Ralf Zwiebel
Was macht einen guten Psychoanalytiker aus?
Grundelemente professioneller Psychotherapie
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Klett-Cotta
© 2013 by J.G.Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Roland Sazinger, Stuttgart
Unter Verwendung eines Fotos von © Giordano Aita/fotolia.com
Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Printausgabe: ISBN 978-3-608-94728-1
E-Book: ISBN 978-3-608-10488-2
Dieses E-Book entspricht der 1.Auflage 2013 der Printausgabe
Vorwort
Einleitung: Wie wird und wie bleibt man Psychoanalytiker?
Der Ausgangspunkt
Erste Überlegungen zur Trias von Präsenz, Gegenübertragung und Einsicht
Zur Dynamik von An- und Abwesenheit I
Die persönliche Motivation
Ein kurzer Überblick der folgenden Arbeit
1. Einige Anmerkungen zum psychoanalytischen Arbeitsmodell
Die Schwierigkeit beginnt mit dem Protokoll
Exkurs zur aktuellen Diskussion der psychoanalytischen Arbeitsmodelle
Weitere Überlegungen zu den Arbeitsmodellen
Zum Arbeitsmodell des professionellen Therapeuten
2. Eine kurze Beschreibung des eigenen Arbeitsmodells
Zur inneren Arbeitsweise des Analytikers
Exkurs über »theoretische Arbeit« (Jurgen Reeder)
Zur Bipolarität von Wissen und Nicht-Wissen – und ein erster Vergleich zwischen Psychoanalyse und Buddhismus
Zur Dynamik von An- und Abwesenheit II
Exkurs zum kreativen Analytiker
Zum Arbeitsmodell der inneren Arbeitsweise des professionellen Therapeuten
3. Der präsente Analytiker
Kann der Psychoanalytiker vom Zen-Buddhismus lernen? Über einige persönliche Erfahrungen
Exkurs zum Zen-Buddhismus oder Zen
Ein kurzes Fallbeispiel
Zum meditativen Element in der analytischen Situation
Exkurs zum Begriff der Achtsamkeit
Abschließende Überlegungen
4. Der wünschende Analytiker
Die Ubiquität des Wunsches
Ein Arbeitsmodell der Wunschdynamik
Exkurs zur Leiblichkeit des analytischen Paares (Jörg Scharff)
Zum Bild der »analytischen Bootsfahrt«
Die körperliche Krankheit in der Analyse
Die Müdigkeitsreaktion
Die Wünsche des professionellen Therapeuten
5. Der träumende Analytiker
Einleitende Bemerkungen
Über Alltags- und Arbeitsmodelle des Träumens
Über die geträumten Träume des Analytikers oder: der sogenannte »Gegenübertragungstraum«
Eine kurze klinische Illustration I
Über die generelle Traumfunktion des Analytikers
Eine kurze klinische Illustration II
Abschließende Überlegungen
6. Der bezogene Analytiker
Brenners Beziehungsmodell
Mosers Modell des »Beziehungsgefühls«
Die Verbindung zum eigenen Arbeitsmodell: analytische Bezogenheit
Exkurs zu Symmetrie, Asymmetrie und Abstinenz
Einige Gedanken zur »phobischen Position«
Das Beziehungsgefühl des professionellen Therapeuten
7. Der sprechende Analytiker
Über Sprechen und Deuten
Der Akt des Fokussierens und der Akt des Sprechens
Klinische Illustration
Das Sprechen des professionellen Therapeuten
8. Der professionelle Psychotherapeut
Gibt es einen »common ground« professioneller Psychotherapie?
Hypothesen zu einem grundlegenden Arbeitsmodell professioneller Psychotherapie
Einige vertiefende Kommentare zu den Grundbedingungen psychotherapeutischen Arbeitens
Abschließende Überlegungen zu Psychoanalyse, analytischer Psychotherapie und professioneller Psychotherapie
9. Der gefährdete und der kreative Analytiker: eine kurze Zusammenfassung
Literatur
Informationen zum Autor
Es war nicht leicht, einen treffenden Titel für das vorliegende Buch zu finden. Der jetzige Titel Was macht einen guten Psychoanalytiker aus? Grundelemente professioneller Psychotherapie konkurrierte lange mit dem Titel Von der Schwierigkeit, Psychoanalytiker zu werden und zu bleiben. Die Wahl fiel schließlich auf den erstgenannten Titel, weil er wohl doch am deutlichsten das zentrale Anliegen des Buches formuliert: die Erfahrung, dass die Qualität psychoanalytischer und im weiteren Sinne psychotherapeutischer Arbeit ein zentrales und zugleich höchst kontroverses Thema ist, das viele Psychoanalytiker und Therapeuten als lebenslange Frage begleitet. Dabei spreche ich jedoch nicht von einer Position aus, die die vielen Fragen vorgibt definitiv beantworten zu können. Das Buch enthält Vorschläge, auf welche Weise diese so zentrale Frage der Qualität untersucht und diskutiert werden kann. Erst nach Fertigstellung des Manuskriptes wurde ich auf eine Arbeit von Margarete Mitscherlich-Nielsen aus dem Jahre 1970 aufmerksam, in dem sie unter dem Titel »Was macht einen guten Psychoanalytiker aus?« vor allem das Bewerbungsverfahren für die Ausbildung zukünftiger Analytiker diskutierte (Mitscherlich-Nielsen 1970).
Einen motivierenden Grund, ein Buch über die Aufgaben, Qualitäten und Schwierigkeiten der analytisch-therapeutischen Professionalität zu schreiben, sehe ich vor allem darin, dass dies ein Bereich ist, der zwar heute mehr als früher, aber immer noch zu wenig in der Ausbildung und der späteren postgradualen Zeit wahrgenommen, diskutiert und untersucht wird. Im Grunde geht es um die Frage, wie man als Analytiker und Therapeut ein professionelles Selbst entwickeln kann, das die Gefahren eines »falschen Analytiker- oder Therapeuten-Selbst« durch das Hervortreten eines »wahren Analytiker- oder Therapeuten-Selbst« verringern hilft – Letzteres verstanden als eine von Authentizität durchdrungene analytisch-therapeutisch Position, Haltung und Arbeitsweise. Es ist offensichtlich, dass Analytiker und Therapeuten sich darin unterscheiden, in welchem Ausmaß sie diese schwierige Aufgabe erleben. Viele von uns eifern den großen Meistern unseres Faches nach, müssen aber in der lebendigen Wirklichkeit der analytisch-therapeutischen Arbeit erkennen, dass es wesentlicher ist, die eigene analytische und therapeutische Stimme zu entwickeln. Bei dieser Auseinandersetzung ist fraglos die Gefahr einer narzisstischen Nabelschau nicht zu übersehen. Andererseits befinden sich Analytiker und Therapeuten heute in einer von rasanten Veränderungen geprägten Welt, die sich auch in der Welt der Psychoanalyse, Psychotherapie und Gesundheitspolitik spiegeln. Diese stellt sich als eine komplexe, verwirrende und unübersichtliche Situation dar, so dass eine Orientierung und die Entwicklung einer eigenen Stimme manchmal äußerst schwierig sind. Aus diesem Grund ist die Sorge um die eigene professionelle Position keineswegs übertrieben. Sie erscheint mir ganz im Gegenteil dringend geboten, und zwar zum Wohl unserer Patienten wie auch zu unserem eigenen Wohl. Daher möchte ich meinen Text vor allem als eine Ermutigung verstanden wissen, die Grundbedingungen der eigenen professionellen Tätigkeit immer wieder zu reflektieren und anzuerkennen, dass es sich dabei um einen lebenslangen Lern- und Entwicklungsprozess handelt.
Dies ist jedoch kein Buch über die Methodik oder Technik der psychoanalytischen Therapie, der Psychoanalyse oder anderer therapeutischer Verfahren. In der Arbeit geht es vielmehr um die persönlichen Voraussetzungen des Analytikers oder Therapeuten, eine förderliche, von Professionalität geprägte therapeutische Arbeit mit dem Patienten zu ermöglichen – und dies vor allem unter den Bedingungen eines durchschnittlichen professionellen Alltags. Es handelt sich dabei nach meiner Auffassung um sehr grundlegende seelische Funktionen, die schulen- und verfahrensspezifische Theorie und Praxis überschreiten. Die Beschreibung dieser grundlegenden, übergreifenden seelischen Funktionen darf nicht als ein Plädoyer für eine »Allgemeine Psychotherapie« missverstanden werden, sie könnte allerdings dazu beitragen, den Dialog zwischen den Schulen innerhalb der Psychoanalyse sowie zwischen der Psychoanalyse und anderen Verfahren zu verbessern, denn dieser Dialog endet – wenn er überhaupt stattfindet – oft in katastrophaler Verwirrung oder gar in gegenseitiger Entwertung. Unvermeidlich ist, dass mein eigener psychoanalytischer Standpunkt diese ganzen Überlegungen prägt. Daher würde ein Titel wie »Die eigene Stimme entwickeln« ebenfalls ein Anliegen des Buches spiegeln. Dies zeigt sich auch in der begrenzten Auswahl und Rezeption anderer Autoren und der persönlichen Aneignung ihrer Theorien und Konzepte. Ganz abgesehen davon, dass es heute kaum noch möglich ist, die rasch zunehmende Anzahl von Publikationen auf dem psychoanalytisch-psychotherapeutischen Gebiet zu rezipieren, zeigt es sich, dass diese Auswahl nicht nur nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten, sondern auch nach den eigenen Erfahrungen, Resonanzen und Möglichkeiten des Erlebens und Denkens getroffen wurde. Dies unterstreicht, dass es in der Entwicklung eines professionellen Selbst gerade darum geht, sowohl die Begrenztheit des eigenen Aneignungsprozesses anzuerkennen als auch die Grundannahmen zu reflektieren, die für die Entwicklung eines förderlichen »wahren Analytiker-Selbst oder Therapeuten-Selbst«, das immer nur »durchschnittlich gut« sein kann, wesentlich sind.
Einleitung
Ein grundlegendes Problem analytisch-therapeutischer Praxis kreist um die Frage, wie man Analytiker wird und bleibt und wie sich die inneren Voraussetzungen dieser Entwicklung präziser beschreiben lassen. Das »Werden« und »Bleiben« bezieht sich sowohl auf den langfristigen, ja lebenslangen Prozess als auch auf die in der konkreten analytischen Begegnung jeweils ad hoc zu entwickelnden Haltungen und Funktionen, die aus einer Gesprächssituation zwischen zwei Menschen eine analytische Beziehung machen. Nach meiner Auffassung spiegeln sich diese Haltungen und Funktionen in einer Trias von grundlegenden Elementen, die ich als Präsenz, Gegenübertragung und Einsicht beschreibe. Analytiker-Werden und Analytiker-Bleiben sind danach an die Entwicklung dieser Elemente oder Komponenten, die auch als psychoanalytische Qualität zu beschreiben wären, und an ihr sehr komplexes, wechselhaftes und widersprüchliches Wechselspiel gebunden. Dieses Wechselspiel lässt sich wiederum ganz basal – das ist die zentrale These dieser Arbeit – als eine oszillierende oder pulsierende Bewegung von An- und Abwesenheit beschreiben: Beispielsweise wird Präsenz durch die Gegenübertragung des Analytikers partiell eingeschränkt oder gar verdunkelt (u.a. weil seine Wahrnehmung und Beobachtung durch eigene Wünsche und Affekte beeinflusst und getrübt wird); durch das Überdenken der Gegenübertragung und die Einsicht wird aber die Einschränkung wieder aufgelöst, was erneut Präsenz ermöglicht. Dieses kontinuierliche Wechselspiel, das die Lebendigkeit analytisch-therapeutischer Arbeit ausmacht, soll in der folgenden Arbeit genauer beschrieben werden.
Dabei gehe ich davon aus, dass es sich hier um Überlegungen handelt, die in einem gewissen Sinn für alle psychotherapeutisch arbeitenden Kollegen nicht nur interessant, sondern essentiell sein könnten. Wenn ich im Folgenden vom Analytiker1 spreche, so reflektiert dies meine persönlichen Erfahrungen als Analytiker. Dennoch beziehe ich gedanklich immer auch andere psychotherapeutische Verfahren in meine Überlegungen ein, auch wenn ich in diesen unmittelbar keine praktischen Erfahrungen habe. Wenn es um Grundfragen und -elemente einer professionellen therapeutischen Praxis aus psychoanalytischer Sicht gehen soll, denke ich allerdings nicht an eine »Allgemeine Psychotherapie«, die gleichsam als Legierung verschiedener Verfahren angesehen werden könnte oder die das Spezifische jedes Verfahrens überwinden soll. Ich denke dagegen eher an eine Überlegung von Jürgen Hardt (2007):
»Darüber hinaus verhilft die methodische Reflektion unserer Tätigkeiten dazu, eine Metatheorie psychotherapeutischen Handelns zu entwickeln, die im Feld der Psychotherapie dringender denn je gebraucht wird, soll nicht gesunder Menschenverstand mit seinem Alltagsverständnis das Regiment übernehmen […]. Das wäre eine von psychoanalytischem Denken abgeleitete Praxeologie der Psychotherapie« (S.269).
Ein mögliches Fernziel meiner Untersuchung wäre also eine Metatheorie psychotherapeutischen Handelns auf dem Boden psychoanalytischen Denkens, für die diese Arbeit nur eine Vorarbeit sein kann. Der Grundgedanke dabei ist, dass die psychoanalytische Situation in der Tat einzigartig und unvergleichbar ist, und zwar, weil sie eine Art experimentelle Laborsituation – oder besser: eine exemplarische Situation – darstellt, in der Beziehungsphänomene zwischen zwei Menschen auf eine Weise im Detail studiert werden können, wie es kaum irgendwo sonst möglich ist. Der besondere psychoanalytische Gesichtspunkt – das Spezifische der psychoanalytischen Situation, Beziehung und Methodik – ist die Anerkennung der Bedeutung unbewusster Vorgänge bei Analysand und Analytiker. Viele der dort gemachten Beobachtungen und die daraus abgeleiteten Begriffe und Konzepte finden bekanntlich schon seit Langem Anwendung auch in modifizierten psychotherapeutischen Verfahren, wenn auch oft in veränderter Begrifflichkeit. In diesem Sinne denke ich bei der folgenden Untersuchung im Ansatz auch immer andere psychotherapeutische Verfahren mit: Die Untersuchung zielt also auch auf das, was gleichsam »unter« oder »jenseits« des Spezifischen des jeweiligen Verfahrens liegt. Es soll nochmals betont werden, dass die Unterscheidung von professioneller Praxis in ihrer genauen Bestimmung und einem alltagspsychologischen Verständnis von Problemen, Störungen und Beziehungen für die ganze Fragestellung von zentraler Bedeutung ist. Dem versuche ich mit der Beschreibung von Analytiker-Werden und Analytiker-Bleiben bzw. von An- und Abwesenheit des Analytikers oder Therapeuten und der Qualitäten von Präsenz, Gegenübertragung und Einsicht Rechnung zu tragen. In diesem Sinne verstehe ich auch die Bemerkung »soll nicht gesunder Menschenverstand mit seinem Alltagsverständnis das Regiment übernehmen« von Jürgen Hardt (ebd.). In Fall des »Regiments des Alltags« verschwindet der Analytiker im übertragenen Sinne oder es gelingt ihm erst gar nicht, in der Situation mit seinem Analysanden Analytiker zu werden.
Bei dieser sehr umfangreichen Thematik werde ich mich vor allem auf die konkrete analytische Sitzung beziehen. Das beleuchtet ein wichtiges Paradox: In einem allgemeinen Rollenverständnis ist der Analytiker, wenn er seinen Patienten zur Sitzung empfängt, natürlich Analytiker – mit seiner Ausbildung, seinem Wissen, seinem Status, seiner klinischen Erfahrung und der bisherigen Behandlung seines speziellen Patienten. Gleichzeitig wird er aber erst in der Sitzung mit dem Patienten zum Analytiker, indem er die notwendigen, für diese Sitzung wesentlichen Haltungen und Funktionen praktisch ad hoc, d.h. immer wieder neu entwickelt, um die Aufgabe des Analysierens erfüllen zu können. Dies impliziert einen kreativen Akt, der nicht leicht zu beschreiben ist und für den es viele Konzeptualisierungen in der psychoanalytischen Gemeinschaft und in der Literatur gibt. Das Analytiker-Bleiben bedeutet, dass diese Haltungen und Funktionen wieder verloren gehen können, auch wenn der Analytiker im allgemeinen Sinn natürlich Analytiker bleibt. Damit ist die Frage berührt, wie man aus einem schematischen und habitualisierten Rollenverhalten – eine Art Analytiker-Darstellung (das falsche Analytiker-Selbst) – zum authentischen Analytiker-Werden und Analytiker-Bleiben gelangt und mit einer eigenen Stimme zu sprechen beginnt (Gabbard & Ogden 2009). Aus der Sicht der affektiven Regulierung ist dies auch eine Frage nach der Angst oder dem Wagemut, Analytiker zu werden und zu bleiben (Quinodoz et al. 2006; Zwiebel 2007a).2 Ich versuche diese ganze Frage jedoch nicht aus einer normativen Sicht zu verstehen, gehe also nicht von einem Idealtypus des Analytiker-Seins aus, sondern grundsätzlich von einem Pluralismus der analytischen Werte, der freilich nicht mit einem Relativismus zu verwechseln ist (vgl. 1. und 2.Kapitel).
Was ist nun unter Präsenz, Gegenübertragung und Einsicht zu verstehen? Ich vertrete die Auffassung, dass Präsenz, Gegenübertragung und Einsicht zentrale qualitative Elemente psychoanalytischen und letztlich auch psychotherapeutischen Handelns darstellen, die unverzichtbar für eine professionelle Praxis sind. Diese These ist ein Aspekt meines eigenen Arbeitsmodells, sie muss im Weiteren daraufhin überprüft werden, inwieweit sie eine Generalisierung erlaubt. Es handelt sich also um die Beschreibung einer privaten Theorie, die Elemente der offiziellen Theorie mit eigenen klinischen und persönlichen Erfahrungen verbindet. Insofern sind die folgenden begrifflichen Definitionen unvermeidlich unscharf, da sie nicht primär auf den wissenschaftlichen Diskurs zielen, sondern als Orientierungspunkte oder als Kompass in der konkreten klinischen Arbeit dienen. Daher nähere ich mich diesen postulierten Komponenten weniger von der Theorie her als von der unmittelbaren klinischen Praxis und Erfahrung.
Alle drei Begriffe werden je nach Kontext sehr unterschiedlich aufgefasst und bekanntlich auch sehr unterschiedlich definiert. Ich werde hier nur andeuten, in welchem Sinne sie aus meiner Sicht zu verstehen sind.3 Meine Überlegungen zu diesen drei Phänomenen – und zwar vor allem die Beziehung zwischen Präsenz und Einsicht – entstammen auch einer Beschäftigung mit der Beziehung von psychoanalytischer Praxis und zen-buddhistischer Meditation.4 In einigen früheren Arbeiten habe ich die Grundannahmen und die Praxis der Psychoanalyse und des Buddhismus – und hier insbesondere des Zen-Buddhismus – miteinander verglichen und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hingewiesen (Zwiebel 2009; Weischede & Zwiebel 2009). Dabei könnte man beispielsweise davon ausgehen, dass es sich bei beiden Wegen – sprechen wir vom analytischen und vom meditativen Weg – um einen Übungsweg handelt, der eine intensive und detailliert beschreibbare Praxis der Leidensverminderung und Leidensüberwindung durch Selbsterkenntnis und Selbsttransformation umfasst, die auf Wiederholung, Kontinuität und Engagement beruht. Die Bezeichnung »Übung« erscheint auf den ersten Blick für die Psychoanalyse und insbesondere für die Psychotherapie eher kontraintuitiv, spricht man doch von der psychoanalytischen oder psychotherapeutischen Behandlung als einem klinischen Verfahren, das mit bestimmten Zielen verbunden ist (Symptomlinderung, Persönlichkeitsveränderungen, Aufhebung von Verdrängungen etc.). Da hier aber auf psychoanalytische Qualitäten abgehoben wird, die sich entwickeln können oder auch nicht, muss man davon ausgehen, dass auch der »analytische Weg« ein lebenslanger Prozess ist, der mit dem Abschluss der analytischen Behandlung nicht zu Ende ist. Daher erscheint der Begriff der »Übung« auch für die Psychoanalyse gerechtfertigt.
Im Buddhismus stehen die Entwicklung von Achtsamkeit und Gewahrsein im Zentrum des Übungsweges; dies gilt nicht nur für die meditative Praxis selbst, sondern auch für ihre Umsetzung im Alltag. Der Übende macht immer wieder den Versuch, eine Form der »reinen Beobachtung« zu entwickeln, die darin besteht, im gegenwärtigen Moment umfassend »gegenwärtig«, also präsent zu sein. Die Zeit der formellen Meditation ist dabei gleichsam der Übungsweg im »Labor« als einer exemplarischen Situation und die Zeit im Alltag der Ernstfall. Am Beispiel der meditativen Erfahrung kann man genauer beschreiben, was mit »Präsenz« in diesem Kontext gemeint sein könnte: Es handelt sich um ein umfassendes Gewahrsein des gegenwärtigen Momentes als Ausdruck einer situativen Anwesenheit; Claude Lanzmann (2010) spricht in seiner Autobiographie von »Vergegenwärtigung«, wenn er eine intensive Erfahrung in Patagonien reflektiert, bei der »Patagonien und ich in diesem Augenblick wahrhaft zusammen waren« (S.667). Man könnte in diesem Sinne auch von einer non-dualen Erfahrung sprechen. Ich werde später noch auf die Überlegungen zur Übung zurückkommen, die im Zen-Buddhismus eine ganz besondere Bedeutung hat, wie Rolf Elberfeld aus philosophischer Sicht genauer ausgeführt hat (vgl. 3.Kapitel). Das Ziel dieses meditativen Übungsweges hat der Religionswissenschaftlicher und Zen-Lehrer Michael von Brück kürzlich in sehr prägnanter Weise formuliert, wenn auch das zentrale Motiv der Überwindung des Leidens nicht explizit formuliert ist:
»Es geht in der buddhistischen Meditation nicht um außergewöhnliche Trancen, sondern um eine gezielte Transformation des Bewusstseins, damit der Mensch zu einem Gewahrsein aller inneren und äußeren Erscheinungen gelangt, die in jedem Augenblick integriert werden, so dass in jeder Situation ein projektionsfreies Verhalten möglich wird« (von Brück 2010).5
Es handelt sich bei diesem Übungsweg um einen lebenslangen Prozess, da er unvermeidlich von der Dynamik von Gelingen und Scheitern gekennzeichnet ist: Hindernisse und Widerstände verschiedenster Art wirken sich ständig auf die »reine Beobachtung« oder die Achtsamkeit aus, so dass der Übende gleichsam immer wieder von vorne beginnt, vielleicht im Sinne von Becketts Bemerkung »Immer besser scheitern«. In dieser Definition von Präsenz sind die Wahrnehmung und die Bewusstheit zentral: es geht um eine möglichst umfassende »(Selbst-)Bewusstheit« (Zwiebel 2011).6 Es wird später noch zu diskutieren sein, dass Präsenz auch oft in einem zweiten Sinne verwendet wird, nämlich als Wirksamkeit oder Wirkung und als Da-Sein oder Vorhandensein – etwa als Anwesenheit eines Wunsches, einer Funktion oder einer Person. In einem noch anderen Verständnis kann sich der Begriff Präsenz auf die Frage des »Hier und Jetzt« beziehen (Blass 2011).7
Die neueren Arbeiten von Sebastian Leikert zur kinästhetischen Semantik liefern einen weiteren theoretischen Baustein, der das Konzept der Präsenz zu fassen vermag. Seine These ist, dass sich »im Akt der Wahrnehmung […] die körperlich-kinetische und Bedeutung gebende Binnenwahrnehmung mit der ästhetischen Außenwahrnehmung zu einer eigenen Semantik [verbindet]«, die als eine zweite Modalität neben der lexikalischen Semantik aufzufassen ist (Leikert 2011, S.409ff.). Hier wird die Beziehung zu frühen, präverbalen Erfahrungen, zum Begriff der Vitalitätsaffekte und des Gegenwartsmoments von Daniel Stern (2005, 2011), den Stimmungen und dem prozeduralen Gedächtnis hergestellt: »Zu dieser Ebene der psychischen Struktur hat nur die im Jetzt stattfindende Wahrnehmung einen Zugang« (Leikert 2011, S.421). Präsenz in diesem Sinne versteht die analytische Beziehung auch als eine sinnliche »Wahrnehmungsbeziehung«, die in ihrer Bedeutung der verbalen-narrativen Beziehung gleichgestellt ist. Leikerts Gedanken, die klinisch-psychoanalytische Erfahrungen mit ästhetischem Musikerleben verknüpfen, finden in anderen Künsten wie dem Film eine Entsprechung. So schreibt beispielsweise Morsch (2008) für den Filmzuschauer:
»Präsenz verweist auf das, was der Zuschauer noch vor jeder Ausdrucksbewegung als sinnlichen Kontakt erfährt, was noch vor allen textuellen Effekten Gegenstand eines leiblichen Spürens ist und was – abseits aller Täuschungstheoreme – als Wirklichkeit der Bilder erfahren wird« (S.83).
In diesen knapp skizzierten Überlegungen finden sich also Verknüpfungen zwischen psychoanalytischer, meditativer und auch ästhetischer Erfahrung, auf die ich später noch genauer zu sprechen komme (vgl. 2., 3. und 7.Kapitel).
Die Überlegung für den meditativen Weg als einer »Kultur der Präsenz« lässt sich nun meiner Ansicht nach auch auf die psychoanalytische und psychotherapeutische Arbeit übertragen, wenn auch mit einer anderen Gewichtung. Gerade für die von der Psychoanalyse beschriebene Form der Untersuchung unbewusster seelischer Vorgänge mittels der freien Assoziation des Analysanden und der gleichschwebenden Aufmerksamkeit des Analytikers lässt sich der Übungscharakter klar feststellen: Der Patient soll lernen, seine eigenen mentalen Vorgänge ohne Zensur zu beobachten, sie ernst zu nehmen, auszusprechen und ihre Bedeutung im Zusammenhang mit seiner Lebensgeschichte und seiner aktuellen Lebenssituation besser zu verstehen und damit zu einer potentiell befreienden emotionalen Einsicht seiner Lebenssituation zu kommen. Als Pendant dazu hört der Analytiker abwartend mit »gleichschwebender Aufmerksamkeit«–d.h. ohne Fokussierung und Wertung – zu (Freud 1912). Auch dies erfordert bekanntlich Wiederholung, Kontinuität und Engagement. Das ist ein wesentliches Argument für die Dauer und Intensität der analytischen Arbeit. Es kann kaum bezweifelt werden, dass in diesen Beschreibungen der »freien Assoziation« und der »gleichschwebenden Aufmerksamkeit« implizit Elemente von Präsenz und Achtsamkeit angesprochen sind, auch wenn die Betonung der verbalen Interaktion diese Tatsache immer wieder verdunkelt hat – etwa wenn Freud schreibt, in der Analyse gehe nichts anderes vor sich als der Austausch von Worten (Freud 1916/17, S.9). Ähnlich wie in der meditativen Praxis kann zwischen der »Laborsituation« der analytisch-therapeutischen Beziehung und dem Alltagsleben unterschieden werden: Die therapeutische Situation stellt eine quasi-experimentelle und exemplarische Möglichkeit der Einübung dieser Praxis von Präsenz dar, im günstigen Falle eine spielerische »Als-ob«-Übung der Erforschung der eigenen inneren Wirklichkeit. Diese Einübung kann dann im Ernstfall des realen alltäglichen Lebens ein wichtiges, heilsames und förderliches Lebensbewältigungsmittel werden. Dies gilt besonders dann, wenn der Analysand »insightfulness« (Einsichtsfähigkeit) entwickelt, die als eine Art Immunschutz gegenüber den Wechselfällen des Lebens betrachtet wird (Sugarman 2006). Bekanntlich lässt sich auch dies als ein Prozess von Gelingen und Scheitern beschreiben, da Hindernisse und Widerstände, die Reflexion und echte emotionale Einsicht erschweren oder gar verhindern, ständig am Werk sind. Dies gilt für den freien Einfall und das absichtslose Zuhören in der analytisch-therapeutischen Situation und vielleicht noch mehr für ihre Umsetzung im Alltagsleben. Für diese analytisch-therapeutische Praxis könnte man in Gegenüberstellung zur meditativen Praxis im Buddhismus von einer »Kultur der Reflexivität« sprechen, allerdings nicht als eine Entweder-oder-Alternative.
Die erwähnten Hindernisse und Widerstände, die sich diesem Übungsweg in den Weg stellen, bezeichne ich hier in einem sehr weiten Sinne als Gegenübertragung: also die bewussten und vor allem auch unbewussten Wünsche, Phantasien, Vorstellungen und Affekte, die in der analytisch-therapeutischen Arbeit beim Analytiker geweckt werden – von Übertragung sprechen wir bekanntlich, wenn es sich um die Wünsche, Affekte und Gedanken des Patienten handelt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die engere Definition von Laplanche & Pontalis (1972), die die Gegenübertragung als die »Gesamtheit der unbewussten Reaktionen des Analytikers auf die Person des Analysanden und ganz besonders auf dessen Übertragungen« verstehen (S.164). Ganz allgemein gesprochen geht es also in diesem sehr weiten Verständnis von Gegenübertragung und Übertragung um das gesamte affektiv-kognitive Erleben des analytischen Paares in der analytischen Beziehung, das als Ausdruck und Manifestation letztlich unbewusster Prozesse angesehen wird. Gegenübertragung in diesem Verständnis ist also grundsätzlich unbewusst, sie ist nur über die Phantasien, Affekte und Ersatzbildungen ableitbar. Es wird später genauer ausgeführt, dass Gegenübertragung und Übertragung in diesem Verständnis Ausdruck der unbewussten Beziehungsmuster sind, die beim analytischen Paar mobilisiert werden und häufig mächtige Hindernisse für die achtsame Praxis des freien Einfalls und der gleichschwebenden Aufmerksamkeit darstellen.8
In einer wenig beachteten und sehr dichten Arbeit hat Haydée Faimberg (2009) von einer »Gegenübertragungsposition« gesprochen, die die hier vorgelegten Überlegungen zur Gegenübertragung ziemlich genau beschreiben (S.81–93). Sie versteht als Gegenübertragung nicht nur die neurotischen Aspekte des Analytikers, sondern sein gesamtes unbewusstes psychisches Funktionieren. Der Begriff der »Gegenübertragungsposition« bezieht sich auf die spezifische Haltung in der asymmetrischen analytischen Situation, in der der Analytiker auf das hört, was der Patient sagt oder nicht sagen kann. Sie definiert diese »Gegenübertragungsposition« als die Gesamtheit der seelischen Funktionen des Analytikers, die sich auf die Geschichte der Übertragung des Patienten beziehen. Ich werde an verschiedenen Stellen auf diese Arbeit zurückkommen.
Kann man die Gegenübertragung mit Bollas (1987) auch als Erfahrung ohne Wissen oder als Ausdruck einer Geschehenslogik (im Gegensatz zu einer Verstehenslogik), wie es Jörg Scharff (2010) ausgeführt hat, verstehen, so ist der Begriff der Einsicht als dritte Komponente der Trias psychoanalytischer Qualität ähnlich bedeutsam und komplex im psychoanalytischen Denken wie die Gegenübertragung und die Präsenz. Kerz-Rühling (1986) hat Freuds Theorie der Einsicht vor dem Hintergrund der Urteilslehre von Franz Brentano genau nachgezeichnet (Kerz-Rühling 1986). Ich verwende ihn hier ähnlich wie die Begriffe Präsenz und Gegenübertragung in einem sehr weiten und weniger elaborierten Sinne. Zum einen verstehe ich darunter die gesamte denkende und konzeptualisierende Tätigkeit des Analytikers in der Arbeit mit seinem Analysanden. Während der Begriff »Präsenz« eine spezifische Unmittelbarkeit der Wahrnehmung und des Erlebens und der Begriff »Gegenübertragung« die emotionale Resonanz auf die gesamte analytische Situation bezeichnet, verstehe ich unter »Einsicht« also die denkende und konzeptualisierende Tätigkeit, die insgesamt auch als »theoretische Arbeit« (Reeder 2002) gelten kann. In einem etwas engeren Verständnis fällt darunter das, was üblicherweise als emotionale Einsicht oder Einsichtsfähigkeit verstanden wird. Dies fokussiert stärker auf konflikthafte Aspekte des Erlebens, indem bislang nicht erkannte Zusammenhänge (etwa von Wiederholungen, von Projektionen oder anderen Abwehrvorgängen) hergestellt werden und auf diese Weise ein Verständnis der jeweiligen Funktion und Genese gewonnen werden kann.9
Es wird allgemein anerkannt, dass nur emotionale Einsicht verändernde Wirkung hat – im Gegensatz zu rein rationaler oder kognitiver Einsicht – und diese sich auf das Erleben und Verstehen der inneren Wirklichkeit des Analysanden bezieht. In dem Begriff der »insightfulness« ist allerdings weniger ein spezifischer Inhalt als ein Prozess des Erkennens und Verstehens angesprochen, den man mit Bion (1990) auch als »Lernen durch Erfahrung« oder als seelisches Wachstum verstehen kann.
Es geht in meinem Verständnis von Einsicht weniger um Wissen (knowledge) als um den Prozess des Erkennens (knowing). Diese Einstellung spiegelt sich in Begriffen wie der »forschenden Grundhaltung« (Leuzinger-Bohleber 2007) oder dem glücklich gewählten Titel einer Arbeit von Christopher Bollas zur freien Assoziation: Die unendliche Frage (2011). Daher assoziiere ich selbst – mit meiner eigenen Stimme – zur Thematik der psychoanalytischen Einsicht eine fragende Grundeinstellung, die auf Evidenz und Erkenntnis der Lückenhaftigkeit bewussten Erlebens zielt. Der Gewissheit der bewussten Wahrnehmung steht die Ungewissheit des gesamten seelischen Erlebens gegenüber: »Es könnte auch ganz anders sein!« wäre etwa das Motto für diese Aussage. Oder noch anders formuliert: Einsicht in das bislang Nicht-Gewusste oder Unbekannte zu gewinnen ist der psychoanalytische Impuls des Fragens und Forschens. Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass Einsicht auch in der buddhistischen Praxis ein zentraler Begriff ist: Mit dem Begriff der psychoanalytischen Einsicht wird versucht, den Prozess der Selbsterkenntnis der lebensgeschichtlich geprägten unbewussten Wirklichkeit, wie sie sich vor allem in den unbewussten Beziehungsmustern manifestiert, zu umschreiben; mit dem Begriff der buddhistischen Einsicht wird der Prozess der Selbsterkenntnis der existentiellen menschlichen Grundsituation (nämlich der Vergänglichkeit, der Leidhaftigkeit und der Leerheit) formuliert, hier geht es also um die Einsicht, wie der Mensch in der Wirklichkeit existiert.
Es wird heute wenig in Zweifel gezogen, dass die Rolle des Analytikers und des Therapeuten auf diesem »Übungsweg« des Patienten – oder noch weiter gefasst: dem »Übungsweg« des analytischen Paares – von entscheidender Bedeutung ist, aber es ist immer wieder genauer zu fragen, worin denn sein oder ihr Beitrag im Einzelnen besteht. Handelt es sich um einen gemeinsamen Übungsweg von Analytiker und Patient oder ist der Analytiker eine Art Übungsleiter, der dem Patienten seine Expertise zur Verfügung stellt? Oder ist der Analytiker einem Zen-Meister vergleichbar, der dem Patienten das vorlebt, was für den Patienten noch zu erreichen ist? Und kann in der Psychotherapie überhaupt von einem Übungsweg gesprochen werden, wenn Psychotherapie im Rahmen des Kassenarztsystems stattfindet und das Stundenkontingent und die Behandlungsdauer in der Richtlinienpsychotherapie geregelt sind? Als eine hilfreiche Metapher bietet sich das Bild von Gastgeber und Gast10 an: Der Gastgeber-Analytiker stellt seinen realen und mentalen Raum (Ort, Zeit und die eigene »Mentalität« im Sinne der eigenen inneren Welt) dem Gast-Patienten zur Verfügung, damit dieser einen größeren Spielraum für die Erforschung und Veränderung seiner eigenen mentalen Vorgänge gewinnt. Es handelt sich also um einen realen und symbolischen Raum, eine Art Übungsraum für den Patienten, um diesen analytisch-therapeutischen Weg als Übungsweg zu ermöglichen.11 Aber sogleich stellt sich die Frage, wie denn der Analytiker oder der Therapeut zu dieser seiner Gastgeber-Rolle kommt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit er die damit verbundenen Funktionen ausüben und vor allem den Gast-Patienten ermutigen kann, sich auf den Übungsweg zu begeben, ihn zu betreten – also seine Einladung anzunehmen – und dann die vielen unvermeidlichen Hindernisse zu überwinden. Um bei dem Übungsbild zu bleiben: Was müssen wir selbst als Analytiker und Therapeuten immer wieder üben – in den Stunden mit unseren Patienten und außerhalb in unserem Studium, den Diskussionen mit Kollegen, dem Nachdenken, Lesen und Schreiben oder auch in unserem Alltagsleben?
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