Weder arm noch ohnmächtig - Axelle Kabou - E-Book

Weder arm noch ohnmächtig E-Book

Axelle Kabou

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Beschreibung

In ihrer provozierenden Analyse rechnet die Kamerunerin Axelle Kabou mit den afrikanischen Eliten ab - und mit einer Haltung, die mehr als vierzig Jahre nach der Unabhängigkeit immer noch alle Schuld am Elend Afrikas der Sklaverei und dem Kolonialismus zuweist. Ihre brisante Hauptthese: "Afrika will sich nicht entwickeln." Mit Blick auf Asien, das es geschafft habe, aus der Abhängigkeit vom Westen herauszukommen, meint die Autorin, es sei höchste Zeit, dass Afrika sich für seine Geschichte selbst verantwortlich fühle und sein Schicksal in die eigenen Hände nehme. Afrika sei nämlich "Weder arm noch ohnmächtig".

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Die Autorin

Axelle Kabou, geboren 1955 in Douala (Kamerun). Studium der Anglistik, Ökonomie und Kommunikation in Paris. Übersetzung zahlreicher Publikationen aus dem Englischen ins Französische. Tätigkeit u.a. als Beraterin und als Koordinatorin von Entwicklungsprojekten in Westafrika sowie beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP in Abidjan (Côte d’Ivoire).

Titel der französischen Originalausgabe:

Et si l’Afrique refusait le développement?

Copyright © 1991 by L’Harmattan, Paris

E-Book-Ausgabe 2015

Copyright © der deutschen Übersetzung

1993 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Coverfoto: Olivier Blaise / Jeune Afrique, Paris

www.lenos.ch

ISBN 978 3 85787 921 0

Inhalt

Vorwort von Regula Renschler

Einleitung

Erster Teil: Gründe für die Unterentwicklung

1. Kapitel: Afrika will sich nicht entwickeln

1. Der afrikanische Wille zum Fortschritt: ein beharrlicher Mythos

2. Für eine Rehabilitierung des Begriffs „Unterentwicklung“

3. Woher kommt die Unterentwicklung?

2. Kapitel: Die Vorwände für die Verweigerung des Fortschritts

1. Eine Fülle von Antworten

2. Die fünf wichtigsten Theorien über die Ursachen der Unterentwicklung

3. Die zivilisatorische Mission und die verletzte Empfindlichkeit der Afrikaner – „Ich Robinson, Du Freitag“ oder „Die Sache der Weissen“

4. Was gibt es Neues ausser dem Sklavenhandel und der Kolonisation?

3. Kapitel: Die Dritte-Welt-Anhänger

1. Eine ungerechte Kritik

2. Eine Wirtschaftstheorie der Befreiung

3. Dritte-Welt-Bewegung und kritischer Geist in Afrika

4. Kapitel: Freitags Rache

1. Die verheerenden Auswirkungen des „Vendredisme“

2. Babel und Freitag suchen nach einem neuen Menschen

3. Das fragwürdige Dritte-Welt-Engagement

5. Kapitel: Die Liberalen

1. Hin zu einer liberalen Synthese?

2. Afrika im Abseits

3. Afrika und die „Rückkehr des Liberalismus“

4. Plädoyer für ein Nachdenken über die inneren Ursachen der Unterentwicklung Afrikas

Zweiter Teil: Die Verweigerung der Entwicklung

6. Kapitel: Beschreibung einer parasitären Ideologie

1. Durchleuchtung einer parasitären Ideologie

2. Das dritte kulturelle Erbe Afrikas

7. Kapitel: Die Sache der Weissen

8. Kapitel: Sklavenhandel und Kolonisation: infantile Betrachtungsweisen

1. Verfolgungswahn und Recht auf Isolation

2. Geschichtliche Verblendung und Recht auf Untätigkeit

9. Kapitel: Das Recht auf Andersartigkeit

Der Preis der Eigenständigkeit

10. Kapitel: „Neo-Négrisme“ und fortdauernde Unterentwicklung

Für Afrika oder gegen den Westen?

11. Kapitel: Rehabilitierung oder Gehirnwäsche?

Der Vorwand der kulturellen Entfremdung

12. Kapitel: Die Afrikanisierung

1. Die Rache des Widerstandshelden

2. Akkulturation: ein notwendiger Zwischenschritt?

13. Kapitel: Gebrauchsanweisung für den ökonomischen Selbstmord

1. Von der traditionellen Gesamtbetrachtungsweise zum traditionalistischen Totalitarismus

2. Das schwarzafrikanische Management

3. Das neue Antlitz des Sklavenhandels

4. Die verheerenden Folgen der „Vetternwirtschaft“

Dritter Teil: Plädoyer für ein Afrika ohne Komplexe

14. Kapitel: Kimonos, Samurais und technische Massenkultur

Die Lehren aus einem missglückten Kolonisationsversuch

15. Kapitel: Auf dem Weg zu einer sozio-ökonomischen Revolution?

Wenn Arbeit und Geld rar werden …

16. Kapitel: Einige gute Gründe, die OAU nicht zu retten

1. Von der OAU darf man nichts erwarten

2. Die Blindheit der afrikanischen Eliten

3. Krach zwischen „Progressiven“ und „Gemässigten“

4. Ein Schuss in den Ofen und keine Skrupel

5. Gute Gründe, die OAU nicht zu retten

Endspiel

Anmerkungen

Vorwort

In dem Buch Weder arm noch ohnmächtig. Eine Streitschrift gegen schwarze Eliten und weisse Helfer vertritt Axelle Kabou die These, dass die Afrikaner selbst schuld seien am Rückstand ihres Kontinents. Die Mentalität und die Eliten seien die Haupthindernisse, dass Afrika nicht vorwärtskomme. Den tiers-mondistes, den Dritte-Welt-Sympathisanten in Europa, wirft sie vor, in den Afrikanern partout nur schuldlose Opfer von Kolonialismus und Neokolonialismus sehen zu wollen und in ihnen quasi die „edlen Wilden“ wiederentdeckt zu haben, die eine noch heile Welt repräsentierten. So die Quintessenz ihrer Thesen. Als interessante Denkanstösse haben sie nichts von ihrer Brisanz verloren.

Als das Buch 1991 im französischen Original erschien, löste es in Westafrika und in Frankreich sofort eine heftige Diskussion aus. Axelle Kabous Streitschrift bewegte die Intellektuellen, wenige waren begeistert, viele, vor allem in Afrika, lehnten es empört ab. Sie wurde als Nestbeschmutzerin verunglimpft. Öffentliche Veranstaltungen mit der damals in Dakar wohnhaften Autorin gerieten zu scharfen Wortwechseln zwischen Befürwortern und Kritikern ihrer Thesen; afrikanische und französische Zeitschriften setzten sich mit dem Buch auseinander; Wissenschaftler und Politiker nahmen es zur Kenntnis. Zwei Jahre später wiederholte sich der heftige Disput in Deutschland und in der Schweiz, als die Übersetzung auf den Markt kam. Axelle Kabou sagte, was viele im Westen heimlich dachten. Sie selbst meinte in einem Interview, sie sehe ihr Buch nicht als eine mutige Tat an, sondern als einen Schrei des Zorns, un cri de colère.

Die Auseinandersetzung um Ursachen und Gründe des Rückstandes Afrikas gegenüber der übrigen Welt hält unvermindert an, mittlerweile zwischen „Afropessimisten“ und „Afrooptimisten“. Die Statistiken machen es den Afropessimisten leicht. Sie verweisen auf die neuesten Zahlen des Human Development Index, des Indexes der menschlichen Entwicklung der UNO, die auf Erhebungen aus dem Jahr 2005 beruhen. Laut diesen Zahlen liegen sämtliche Länder, die die letzten zwanzig Plätze von insgesamt 177 untersuchten Ländern einnehmen, in der Subsahara. Afrika ist am meisten von Lebensmittelknappheit und Kriegen betroffen, nirgendwo sonst findet ein solcher Staatszerfall statt, nirgends gibt es so viele Flüchtlinge und intern Vertriebene, aus keinem anderen Kontinent wagen so viele die gefährliche Flucht in den Westen. Auch die Intellektuellen und die gutausgebildeten Afrikaner verlassen ihre Heimat und finden Arbeit in den Industrieländern: Afrika leidet auch unter einem Brain-Drain. Nirgends gehen Aids, Malaria und Tuberkulose so häufig tödlich aus, nirgends ist die Lebenserwartung so niedrig, die Kindersterblichkeit so hoch. Nach wie vor fehlt es an Infrastruktur, an Ausbildungsmöglichkeiten, an einer Gesundheitspolitik, an Arbeitsplätzen, an Investitionen.

Mehr als die Hälfte der Afrikaner in den Ländern der Subsahara muss mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen, während die Reichen und Mächtigen ganz offen einem luxuriösen Lebensstil frönen und Geld auf ausländische Konten transferieren, statt es zu Hause zu investieren. Korruption und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet. Ohne die Rücküberweisungen der in Europa arbeitenden Afrikaner, die bis zu einem Viertel der Deviseneinnahmen einzelner Staaten ausmachen, ginge es vielen Familien noch schlechter.

Afrooptimisten betonen, dass es in Afrika seit der Mitte der neunziger Jahre wirtschaftlich wieder aufwärts geht, mit jährlichen Wachstumsraten zwischen einem und drei Prozent, sie verweisen auf Länder, die mit good governance, guter Regierungsführung, Ernst gemacht haben, wie Ghana, Botswana, Tansania oder Mauritius; sie weisen auf den gut funktionierenden informellen Sektor hin, auf die Überlebenskraft der Afrikaner, auf die grossartigen Leistungen der Frauen.

Es gibt Gründe genug, den Rückstand Afrikas mit äusseren Faktoren zu begründen. Der Kolonialismus hat die selbständige Weiterentwicklung der afrikanischen Reiche zerstört, Völker getrennt, willkürliche Grenzen gezogen. Das Fehlen der Schrift wurde als Mangel, andere religiöse Wertvorstellungen wie die Verehrung der Ahnen als Geisterglauben, lokale Medizin als Hexerei und die Tradition des Teilens und der Verantwortung innerhalb der Grossfamilie als rückständig abgetan. Der Postkolonialismus verordnete den unabhängig gewordenen afrikanischen Ländern westliche Werte, westliche Schulsysteme und westliche Sprachen. Die vormaligen „Mutterländer“ sorgten dafür, dass die ehemaligen Kolonialländer billige Rohstofflieferanten blieben, und missbrauchten sie zur Durchsetzung eigener Interessen auf dem internationalen Parkett. Auch die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank und die Liberalisierung des Handels benachteiligen die Afrikaner.

Axelle Kabou verneint weder die äusseren Faktoren noch die Bedeutung der Geschichte, sie will sie nur nicht als einzige Schuldzuweisung seitens der Afrikaner gelten lassen. Sie wehrt sich gegen Sündenbocktheorien auf beiden Seiten und fordert ihre Landsleute auf, ihr Schicksal endlich in die eigenen Hände zu nehmen, kreativ und innovativ zu werden. Afrika sei schliesslich weder arm noch ohnmächtig, es müsse auf seine eigenen Kräfte bauen und sich endlich überlegen, wie es sich selbst ernähren könne. Afrika brauche eine soziokulturelle Revolution, eine Veränderung der afrikanischen Mentalität, ein Überdenken der geltenden Wertesysteme und eine Ablösung der bisherigen Machteliten. Dies sei die Voraussetzung zur Schaffung einer konkurrenzfähigen Wirtschaft und verlässlicher staatlicher Strukturen, die Afrika von Hilfe unabhängig machten und den Afrikanern ihr Selbstbewusstsein zurückgäben. Axelle Kabou fordert keine radikale Abkehr von den überlieferten Traditionen; was sich bewährt habe, solle einfliessen in neue Werte und neue Traditionen, sagt sie. Doch davon, klagt sie in dem Buch, könne keine Rede sein. Nirgendwo in Afrika gebe es einen gesellschaftlichen Entwurf, nirgends gebe es neue soziale Ideen, nirgends machten sich die Afrikaner die Erfindungen der anderen wirklich zu eigen. Bestenfalls lebten die Afrikaner in zwei Welten.

Wer ist die umstrittene Autorin? Axelle Kabou, 1955 in Douala, Kamerun, geboren, studierte in Nanterre bei Paris, an einer Universität, die sie selbst als tiers-mondiste par excellence, als Hort von Dritte-Welt-Verbesserer-Ideen, bezeichnet, und sie fühlt sich der Generation der Nachachtundsechziger zugehörig, die glaubten, die Welt kraft des Gedankens und anders gelebter Strukturen verändern zu können. Axelle Kabou kehrte mit Diplomen in Englisch, Ökonomie und Kommunikation nach Afrika zurück. Nach ihrem Studium war sie als Projektkoordinatorin in Gambia und als Beraterin in der damaligen Konföderation Senegambia tätig. Sie arbeitete ferner für das amerikanische Hilfswerk Christian Children’s Fund und war in Abidjan, der früheren Hauptstadt der Elfenbeinküste, für UNDP, das Entwicklungsprogramm der UNO, tätig.

Regula Renschler

Basel, im Februar 2009

„Die Afrikaner dürfen nicht in die Falle gehen, die immer offensichtlicher wird und die sich einige von ihnen selbst stellen: die Falle der Verweigerung der Entwicklung.“

Edem Kodjo1

„Schliesslich werden wir mit einer Gegen-Mythologie konfrontiert. Auf den negativen, von den Kolonialmächten aufgezwungenen Mythos folgt ein positiver Mythos, der von dem Kolonisierten selbst ausgeht …

Nach Auffassung des Kolonisierten und seiner Freunde ist alles gut und alles in den hergebrachten Sitten und Traditionen, Handlungsweisen und Vorstellungen beizubehalten, selbst Anachronistisches oder Ungeordnetes, Unmoralisches oder Irrtümer. Alles lässt sich rechtfertigen, weil sich alles erklären lässt.“

Albert Memmi2

Einleitung

Die Gründe für die Unterentwicklung Afrikas, heisst es, haben im allgemeinen nur wenig mit der afrikanischen Mentalität zu tun. Daher überrascht es vielleicht, wenn die Stagnation Afrikas just damit erklärt wird, dass Afrika sich gar nicht entwickeln wolle – und dies zudem in einer Zeit, in der der afrikanische Fortschrittswille unbestritten scheint. Die Gründe für die Stagnation Afrikas sind schliesslich längst in einem quasi offiziell abgesegneten Katalog zusammengefasst, worin wenig überzeugende Erklärungen, Absichten und vorgefasste Meinungen vorgeben, die Wirklichkeit zu spiegeln. Diese Allgemeinplätze ersparen ein tiefgreifendes Nachdenken über die wahren Motive der Afrikaner und zementieren gleichzeitig eine in vielerlei Hinsicht katastrophale Situation. Denn im Laufe der Jahre erreichten Not und Verarmung fast alle Gesellschaftsschichten.

Nun ist es aber nicht sicher, dass der gegenwärtige Zustand Afrikas solche Klischees noch lange Zeit erträgt. Es gibt nämlich zahlreiche Hinweise darauf, dass die während und nach den Unabhängigkeitskämpfen geschaffenen postkolonialen Mythen nunmehr ihren maximalen Nutzen als Faktoren zur sozialen Stabilisierung hinter sich haben. Das heutige Afrika ist von einer Art Fieber ergriffen; der lange Zeit zurückgehaltene Ehrgeiz bricht hervor.

Diese Ambitionen, die sich nicht sinnvoll entfalten können, sind eine Gefahr für die Fundamente einer kurzsichtig konzipierten Gesellschaftsordnung, die immer mehr soziale Ungleichheiten schafft. Es sieht so aus, als ob die sattsam bekannten Erklärungen und Klischees, die bisher den Stillstand dieses sich seit dreissig Jahren in einem angeblichen Entwicklungsprozess befindlichen Kontinents kaschierten, angesichts unhaltbarer ideologischer und wirtschaftlicher Widersprüche zu Makulatur werden könnten.

Fängt der Afrikaner etwa an, Forderungen zu stellen? Was wird aus den Unruhen in den Ländern der Westküste Afrikas – von Senegal bis Gabun über die Elfenbeinküste, Niger und Benin –, wo Studenten, Bauern, Hausfrauen und Angestellte wichtige Fragen zur Zukunft aufwerfen? Nach dreissig Jahren sozialer Lethargie ist eine kritische Generation herangewachsen. Auf der Suche nach Antworten, die vielleicht gefährlich, aber intellektuell immer noch befriedigender sind als die Sündenbocktheorie, die dieser jungen Generation in die Wiege gelegt wurde, weigern sich junge Afrikaner heute, die mit blossem Auge sichtbaren afrikanischen Ungereimtheiten noch länger hinzunehmen: Sie verlangen Klarheit, Transparenz, Konsequenz und Menschenwürde.

In der Tat kennen wir alle die eine oder andere Anekdote, die schlecht in die offizielle Begründung für die Unterentwicklung Afrikas passt.

Gerade wer diese Anekdoten kennt, kommt nicht an der Frage vorbei, was die – bislang jeden Rückstand erklärenden – Thesen vom neokolonialistischen Komplott oder von der Unbeholfenheit des „geradewegs in die Moderne integrierten Afrika“ heute noch wert sind. Aber kaum taucht ein leiser Zweifel auf, wird er unter dem Gewicht angeblich unwiderlegbarer Beweise erstickt. Afrika kann nur Opfer sein: Der Sklavenhandel, die Kolonisation, die Apartheid, die Verschlechterung der „Terms of trade“ und die Verschuldung beweisen doch, dass der Hauptteil der Verantwortung nicht in, sondern ausserhalb von Afrika liegt. Der daraus folgende immergleiche Refrain: Der schwarze Kontinent ist seit vier Jahrhunderten unfähig, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen – man weiss es in der ganzen Welt. Aber stimmt das wirklich? Die Afrikaner sind jedenfalls davon überzeugt, dass sie nicht zur aktuellen Weltgeschichte gehören und nur durch einen historischen Zufall überhaupt existieren.

Dieses Buch soll freilich nicht eine weitere Sammlung von Anekdoten über die bizarren politischen Gebräuche Afrikas sein. Ich möchte vielmehr meinen Teil zu den Überlegungen beitragen, die heute mehr und mehr angestellt werden müssen, um den Ursachen der Unterentwicklung Afrikas mit Hilfe einer ganzheitlichen Sicht auf den Grund zu gehen.

Denn es ist in der Tat auffallend, dass offensichtlich reaktionäre und widersprüchliche Verhaltensweisen, die in anderen Kontinenten völlig inakzeptabel wären, auf allen Ebenen der sozialen Hierarchie Afrikas die Norm sind. Dadurch wird eine seit Beginn der Unabhängigkeit ohnehin schon heikle Situation noch verschärft, und Änderungen werden verunmöglicht. Diese Verhaltensmuster deuten auf ein bereits verinnerlichtes ideologisches Modell hin, das niemand anzutasten wagt, da die afrikanische Mentalität entweder tabu ist oder durch Negrismus und Afrikanismus verherrlicht wird.

Afrika hat sich jedoch seit dem Zweiten Weltkrieg und besonders seit der Unabhängigkeit vor gut dreissig Jahren sehr verändert. In den neunziger Jahren ist es deshalb schlicht unmöglich, weiterhin auf der Grundlage der Arbeiten von Tempels3, Griaule4 und Frobenius5 über afrikanische Mentalität zu sprechen. Dieses Buch strebt daher ein dreifaches Ziel an:

– zu erklären, weshalb der Widerstand gegen die Entwicklung nicht ohne weiteres erkennbar ist,

– die Quellen aufzuzeigen, aus denen das afrikanische Bewusstsein seit der Unabhängigkeit schöpft,

– und schliesslich die Denkmuster zu zerpflücken, mit denen Afrika den Fortschritt ablehnt.

Die Unterentwicklung Afrikas ist kein Ergebnis des Zufalls – gleichgültig, welche Epoche man untersucht. Und alle Afrikaner meiner Generation – das nehme ich wenigstens an – glauben mehr oder weniger zu wissen, warum Afrika im Elend versinkt und sich vielleicht niemals wieder daraus befreien kann. Welchen Bereich man auch immer betrachtet, die afrikanische Gesellschaft funktioniert in einer Grauzone zwischen Legalität und Illegalität, in der sich die Afrikaner mittels der „Combine“, der Vetternwirtschaft, bewegen – also mittels Gewohnheiten, Tricks, Vereinbarungen unter der Hand, Gefälligkeiten und Zugeständnissen. Selbstverständlich hat eine solche Gesellschaft keine Chance, sich zu verändern.

Afrika ist eine Art Sackgasse, eine Endstation, ein Abstellgleis, wo keinerlei Hoffnung auf Verbesserung erlaubt ist. Alles scheint von vornherein zur Verschlechterung, zum Stillstand, zum Zerfall verurteilt. Daher ist es höchste Zeit aufzuzeigen, wie das alles funktioniert, und vor allem die Frage zu stellen, wie Afrika selbst den Begriff „Entwicklung“ sieht – und sei es nur, um den Wirrwarr unantastbarer und erstarrter Ideen etwas zu klären, aus dem das afrikanische Gedankengut seit der Unabhängigkeit besteht.

Daher steht dieses Buch für eine Generation, die ihrer Zukunft beraubt wurde und die deshalb gegen dieses Gedankengut und gegen die engstirnigen Nationalismen kämpfen und sich für die Verwirklichung eines grossen, starken und würdigen Afrika einsetzen will.

Erster Teil

Gründe für die Unterentwicklung

1. Kapitel

Afrika will sich nicht entwickeln

1. Der afrikanische Wille zum Fortschritt: ein beharrlicher Mythos

Manche Ideen halten sich hartnäckig, und mitunter verdanken sie ihre Existenz nur dem Ruhm und der Ehre, aus der sie hervorgegangen sind: Da der Drang der Afrikaner, sich aus der Unterentwicklung zu befreien, die zum Teil blutigen Kämpfe für die Unabhängigkeit gerechtfertigt hat, ist der afrikanische Fortschrittswille seit dieser Zeit Teil eines Glaubens, den man– aus Angst, ein Sakrileg zu begehen– kaum anzugreifen wagt. Beim derzeitigen Stand der Forschung im Bereich Entwicklung weist indessen nichts mit Sicherheit darauf hin, dass sich Afrika wirklich entwickeln will. Vielmehr scheint alles auf das Gegenteil hinzudeuten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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