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Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz von 2020 (WEG-Reform) hat das WEG von Grund auf geändert. Der Fachexperte Oliver Elzer fasst in diesem Buch alle wichtigen Urteile seit der WEG-Reform zusammen und kommentiert sie. Er stellt die Entscheidungen so dar, dass sie auch für juristische Lai:innen verständlich sind. Er benennt das Problem und zeigt, wie es gelöst wurde und wie die Aussagen des Gerichts einzuordnen sind. Als aktuelles Nachschlagewerk für die tägliche Verwaltungsarbeit ist dieser Band ein unverzichtbarer und verlässlicher Begleiter. Inhalte: - Zusammenfassung aller wichtigen WEG-Urteile der vergangenen Jahre im Überblick - Mit den amtlichen Fundstellen und sofort einsetzbaren, bewährten Praxis-Tipps - Zahlreiche Praxisfälle, die die Umsetzung der Rechtslage zeigen - Rechtssicherheit für die Verwalter:innenpraxis - Umfangreiches Glossar Mit zahlreichen BGH-Leitentscheidungen in der 5. Auflage: - Gemeinschaft der Wohnungseigentümer - Veräußerungs-Beschränkung - Umlage-Beschluss - Gestattungs-Beschluss - Erweiterung der Verwalterrechte u. a.
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Seitenzahl: 575
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Oliver Elzer
WEG-Recht
5., aktualisierte Auflage, April 2025
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Lektorat: Cornelia Rüping
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Dieses Werk versucht abermals, die deutsche Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsgesetz (WEG) kurz und prägnant zusammenzufassen. Es berichtet über die wesentlichsten in den Jahren 2023 und 2024 veröffentlichten Entscheidungen (das können auch solche sein, die noch im Jahr 2022 ergingen). Angesichts der Fülle des Stoffs mussten wir versuchen, das Wichtigste herauszufiltern. Um den Umfang des Buchs nicht zu sprengen, konnten daher viele auch interessante Entscheidungen nicht dargestellt werden.
Die Entscheidungen sind anhand der Struktur des Gesetzes aufbereitet (Begriffe, Begründung des Wohnungseigentums, Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, Verfahrensvorschriften) und werden so dargestellt, dass grundsätzlich jeder verstehen kann, welches Problem vorlag, wie es gelöst wurde und wie die Aussagen des Gerichts einzuordnen sind. Dazu mussten wir grundsätzlich den Sachverhalt und die Entscheidung auf eine Kernproblematik verkürzen. Anschließend haben wir die angesprochenen Probleme wenigstens grob eingeordnet.
Zum besseren Verständnis bietet das Werk eine Checkliste und Muster für die Praxis, die als digitale Extras online zur Verfügung stehen. Letztere sind jeweils an die Bedürfnisse der jeweils konkreten Wohnungseigentumsanlage anzupassen. Das Werk wird durch ein Glossar und einen Index abgerundet.
Ich danke Herrn Harald Reicke für die umsichtige und gründliche Durchsicht des Manuskripts und seine Anmerkungen. Frau Cornelia Rüping gilt mein Dank für die sehr sorgfältige Lektorierung und kritische Durchsicht des Textes.
Berlin, im April 2025
Dr. Oliver Elzer
Gegenstand dieses Abschnitts sind die allgemeinen Fragen zu BeschlüssenBeschluss und Vereinbarungen, welche Mängel sie haben können und wann ein Recht der Wohnungseigentümer besteht, sich der einen oder anderen Form zu bedienen.
OLG München, Urteil vom 31.1.2024, 7 U 7576/21
Die Wohnungseigentümer haben die Möglichkeit, eine Vereinbarung zu ändern, wenn es dafür eine ÖffnungsklauselÖffnungsklausel gibt.
Sachverhalt
Wohnungseigentümer K geht gegen Mieter B vor, dessen von Wohnungseigentümer X angemieteten Räume unter denen des K liegen. B soll nach Ansicht des K in den angemieteten Räumen keine Eisverkaufsstelle betreiben, bei der das Eis über die Straße verkauft wird. Vor dem Lokal sind aber Klappbänke, Klappstühle, eine Topfpflanze und zwei Abfallbehälter aufgestellt. In der Gemeinschaftsordnung heißt es für die Räume wie folgt: »Geschäftsräume« und in einem Nachtrag »Laden«. Im Juli 2006 haben die Wohnungseigentümer den Betrieb der Eisverkaufsstelle allerdings genehmigt. Im Mai 2007 beschlossen sie ferner, B gegen eine »Sondernutzungsgebühr« zu gestatten, zwei Klappbänke, zwei Hocker, eine Topfpflanze und zwei Abfallbehälter auf dem gemeinschaftlichen Eigentum vor dem Lokal aufzustellen.
Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg! B gebrauche die Räume vereinbarungsgemäß. Auf Basis der ursprünglichen Vereinbarung würde die Nutzung als Eisverkaufsstelle, so wie sie konkret von B gestaltet sei (= Möglichkeit, das Eis im Freien zu verzehren), zwar einer Vereinbarung widersprechen und wäre damit unzulässig. Die Wohnungseigentümer hätten diese Vereinbarung aber im Jahr 2006 geändert. Dieser Beschluss sei auch wirksam, da er auf einer Öffnungsklausel beruhe. Nach der Gemeinschaftsordnung könne diese nämlich durch einen einfachen Beschluss geändert werden. Dies gelte zwar nicht für »wesentliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Bauwerks selbst bzw. ihrer Einrichtungen oder Veränderungen seines Zwecks als Wohnhaus«. In der Änderung der ZweckbestimmungZweckbestimmung von »Laden« zu »Eisverkaufsstelle« liege eine solche Veränderung aber nicht.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall beschließen die Wohnungseigentümer, Vereinbarungen zu ändern. Dies ist nur möglich, wenn das Gesetz, beispielsweise § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, oder eine Vereinbarung den Wohnungseigentümern für eine Änderung eine Beschlusskompetenz einräumt. Fehlt es an einer Beschlusskompetenz, ist ein Beschluss, der eine Vereinbarung dauerhaft ändert, nichtig.
Öffnungsklausel in Altfällen
Im Fall gibt es eine ÖffnungsklauselÖffnungsklausel, Altfälle. Ihre Grenze sind »wesentliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Bauwerks selbst bzw. ihrer Einrichtungen oder Veränderungen seines Zwecks als Wohnhaus«. Diese Grenze wird nach Ansicht des OLG nicht überschritten, wenn man anstelle eines Ladens eine Eisverkaufsstelle erlaubt. Dem ist zuzustimmen. In Fällen wie diesen ist allerdings Vorsicht geboten. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 WEG gelten §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 2 und 10 Abs. 3 WEG in der vom 1.12.2020 an geltenden Fassung auch für solche Beschlüsse, die vor dem 1.12.2020 gefasst oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wurden. Das heißt: Sie binden Sondernachfolger ohne Eintragung nicht! Um die bislang gefassten Beschlüsse nicht von dem einen zum anderen Tag Makulatur werden zu lassen, ordnet § 48 Abs. 1 Satz 2 WEG an, dass die alte Rechtslage, also die Bindung eines Sondernachfolgers an sämtliche Beschlüsse unabhängig von einer Eintragung, bis zum 31.12.2025 weiter gilt. Erst dann, wenn eine Sondernachfolge nach dem 31.12.2025 eintritt, ist § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG anzuwenden. Diese Rechtslage bedeutet im Grundsatz, dass sämtliche wirksamen Beschlüsse, die auf einer Öffnungsklausel beruhen und vor dem 1.12.2020 gefasst wurden, nachträglich zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden müssen.
Hilfsantrag
Im Fall hatte im Übrigen ein HilfsantragHilfsantrag Erfolg. Das OLG hat den B verurteilt, es zu unterlassen, in den Räumen zur Nachtzeit Geräte zu betreiben, die in der Wohnung des K tieffrequente Geräuschimmissionen verursachen, welche die Anhaltswerte der DIN 45680 überschreiten.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden, mithin auf einer »Öffnungsklausel« beruhen, wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG erst dann, wenn sie, was § 5 Abs. 4 Satz 1 WEG ermöglicht, als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Zur Eintragung muss nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GBO ein Antrag gestellt werden. Antragsberechtigt ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO jeder, dessen Recht von der Eintragung betroffen ist oder zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll. Der Antrag muss nach § 19 GBO von sämtlichen Wohnungseigentümern bewilligt werden. Die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen müssen nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. § 7 Abs. 2 WEG enthält hierzu mehrere Erleichterungen. Die eine Erleichterung in § 7 Abs. 2 Satz 1 WEG gilt den Erfordernissen der §§ 19, 29 Abs. 1 Satz 1 GBO. Denn danach bedarf es keiner Bewilligungen der anderen Wohnungseigentümer, wenn der Beschluss durch eine Niederschrift, bei der die Unterschriften der in § 24 Abs. 6 WEG bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt sind, oder durch ein Urteil in einem Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG nachgewiesen ist. Die andere Erleichterung betrifft § 13 Abs. 1 Satz 1 GBO. Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WEG ist auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer antragsberechtigt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird gegenüber dem GrundbuchamtGrundbuchamt nach § 9b Abs. 1 WEG vertreten.
KG Berlin, Beschluss vom 19.9.2024, 1 W 410/23
Eine VereinbarungVereinbarung, Nichtigkeit der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach untersagt wird, das Sondereigentum an eine für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständige (Landes-)Behörde zu vermieten, ist nicht offensichtlich unwirksam. Das Grundbuchamt hat deshalb keinen Anlass, den Antrag auf Eintragung einer entsprechenden Ergänzung der Gemeinschaftsordnung in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern zu beanstanden.
Sachverhalt
Alleineigentümer T gibt eine Teilungserklärung ab. Er fügt dieser eine Gemeinschaftsordnung bei. Dort heißt es unter anderem: »Insgesamt in allen Sondereigentumseinheiten ausgeschlossen ist die Vermietung an das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) und vergleichbare Behörden, Institutionen und Träger zum Zweck der Unterbringung von Asylbewerbern.« Das Grundbuchamt meint, diese Vereinbarung verstoße gegen § 19 AGG. Es setzt daher die Teilungserklärung nicht um. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Entscheidung
Mit Erfolg! Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und Beschlüsse aufgrund einer solchen Vereinbarung könnten zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden (§ 5 Abs. 4 Satz 1 WEG). Der Senat habe wiederholt entschieden, dass das Grundbuchamt eine solche Vereinbarung nur beanstanden dürfe, wenn zweifelsfrei feststehe, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde, weil die Bestimmung unwirksam oder unbeachtlich sei. Als Prüfungsmaßstab kämen §§ 134, 138, 242 BGB in Betracht. Im Fall sei ein Verstoß gegen diese Bestimmungen nicht zweifelsfrei. Grundsätzlich könne jeder Wohnungseigentümer mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, es insbesondere vermieten (§ 13 Abs. 1 WEG). Durch eine Vereinbarung könne dieses Recht beschränkt oder für bestimmte Fälle ganz ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang werde vertreten, dass solche Vereinbarungen den in § 19 AGG aufgestellten Grundsätzen standzuhalten hätten. Diskriminierende Vermietungsverbote in diesem Sinne seien unwirksam. Beispielhaft würden dazu Regelungen genannt, die es generell verböten, an Asylbewerber oder sonstige Ausländer zu vermieten. Um eine solche Regelung gehe es nicht.
Allerdings sei nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG auch eine Benachteiligung unzulässig, die aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung habe und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kämen, geschieht. So liege es aber nicht. Von der Regelung seien Asylbewerber allenfalls mittelbar betroffen – und auch nur solche, die nicht oder nicht mehr verpflichtet seien, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen und deren Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Eine Benachteiligung aus Gründen der ethnischen Herkunft sei danach nicht offensichtlich, sondern eher fernliegend.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wann eine Vereinbarung ausnahmsweise unwirksam ist.
Freiheit zu Vereinbarungen
Die Wohnungseigentümer können jeden beliebigen Gegenstand vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist allerdings ungültig, wenn sie gegen das WEG oder gegen die übrige Rechtsordnung verstößt. So liegt es nach § 19 Abs. 1 AGG nach den dortigen Voraussetzungen. Das KG Berlin meint, so liege es nicht, wenn die Vermietung des Sondereigentums an eine für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständige (Landes-)Behörde untersagt wird. Dem ist zuzustimmen.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen wissen, dass ein Beschluss, der es einem Wohnungseigentümer verbieten wollte, an Asylbegehrende und Geflüchtete zu vermieten, in Ermangelung einer Beschlusskompetenz nichtig wäre.
BGH, Urteil vom 16.12.2022, V ZR 263/21
Seit dem 1.12.2020 trifft die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Pflicht zur DurchführungBeschluss, Durchführung von Beschlüssen.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2017, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer drei Angebote für die Erneuerung einer Terrassentür einholen soll. Der optische Eindruck soll erhalten bleiben. Der Vertrag soll »in Abstimmung mit dem Beirat« mit dem »auskömmlichsten Anbieter« abgeschlossen werden. Der Verwalter V führt den Beschluss in einer Weise durch, die Wohnungseigentümer K missfällt (die Tür hat eine Schwelle und ist nicht abschließbar).
K stellt daher im Jahr 2018 gegen die anderen Wohnungseigentümer den Antrag, einen Beschluss zu fassen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus neuen Vergleichsangeboten über eine abschließbare Außentür/Terrassentür ein Angebot auszuwählen hat und V mit der Umsetzung beauftragt wird. Mit dem Hilfsantrag erstrebt K eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung, nach welcher die notwendigen und gebotenen Schritte unternommen werden, um die im Jahr 2017 eingebaute Tür durch eine Terrassentür zu ersetzen, die »von ihren Maßen und Sicherheitsstandards mindestens der ursprünglich vorhandenen Tür« entspricht. Das LG weist die Klage ab. Dagegen wendet sich die Revision.
Entscheidung
Teilweise mit Erfolg! Die Klage sei im Hauptantrag gegen die anderen Wohnungseigentümer zulässig, aber unbegründet. Sie wäre begründet, wenn K einen Anspruch auf den seinem Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss hätte, weil nur eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Eine gerichtliche Beschlussersetzung sei hingegen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die verlangte Maßnahme bereits Gegenstand einer positiven Beschlussfassung gewesen sei, die nicht angefochten worden sei. In einem solchen Fall sei eine gerichtliche Entscheidung nicht notwendig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG. So liege es aber, da die Wohnungseigentümer das Notwendige bereits im Jahr 2017 beschlossen hätten. Um eine Durchführung des Beschlusses aus dem Jahr 2017, die jetzt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schulde, gehe es mithin nicht.
Der zulässige Hilfsantrag sei hingegen begründet. Die Wohnungseigentümer stritten über den Inhalt des Beschlusses aus dem Jahr 2017. K meine hier zu Recht, danach müsse die erneuerte Tür ebenerdig und von außen abschließbar sein. Seine Sichtweise könne klarstellend durch Beschluss festgestellt werden.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es aus der Sicht der Verwaltungen zum einen um die Frage, wer seit dem 1.12.2020 das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet. Ferner stellen sich die prozessualen, hier nicht näher behandelten Fragen, ob eine Beschlussersetzungsklage im Sinne des Gesetzes »notwendig« ist, wenn die Wohnungseigentümer eine Frage bereits selbst geregelt haben, und ob die Wohnungseigentümer eine Frage durch Beschluss regeln können, die bereits geregelt ist (»deklaratorischer BeschlussDeklaratorischer Beschluss«).
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums
Der BGH klärt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche EigentumGemeinschaftliches Eigentum, Verwaltung verwaltet. Er streicht das für die Durchführung von Beschlüssen heraus. Diese Weichenstellung gilt aber an allen Stellen. Beispiele für die Aufgaben der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind unter anderem:
VerkehrssicherungVerkehrssicherungspflicht für das gemeinschaftliche Eigentum
Verwaltung der VerwaltungsunterlagenVerwaltungsunterlagen
Schaffung der Rahmenvoraussetzungen, dass ein Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen nehmen kann; ferner die Durchführung der Einsichtnahme (Vor diesem Hintergrund ist derzeit streitig, ob ein Wohnungseigentümer die Einsichtnahme am »Sitz« der Gemeinschaft – der Wohnungseigentumsanlage – verlangen kann. Ich selbst meine, dies könne er nicht. Die Einsichtnahme sei weiterhin am Sitz der Verwaltung zu gewährleisten.)
Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Versammlung; zu diesem »Paket« gehören auch die NiederschriftNiederschrift sowie die Führung der BeschlusssammlungBeschlusssammlung
Durchführung von Beschlüssen
Information der Wohnungseigentümer, beispielsweise über Gesetzesänderungen
Aufstellung des WirtschaftsplansWirtschaftsplan und die Vorbereitung der Vorschüsse
JahresabrechnungJahresabrechnung und die Vorbereitung der Nachschüsse bzw. der Vorschussanpassungen
Erstellung des VermögensberichtsVermögensbericht
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verlagerung der Aufgaben vom Verwalter auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat nach außen und innen die Verantwortlichkeit geändert. Nach außen und innen muss aber weiterhin die Verwaltung die Aufgaben tatsächlich leisten.
BGH, Urteil vom 21.7.2023, V ZR 215/21
Die Wohnungseigentümer können durch BeschlussBeschluss, Aufforderungsbeschluss ihren Willen darüber bilden, ob sie einen bestimmten Gebrauch oder bauliche Veränderungen für unzulässig halten; dabei dürfen sie einzelne Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten auffordern. Wird dies dem Wortlaut nach als Ge- oder Verbot beschlossen, ist dies dennoch als bloßer AufforderungsbeschlussAufforderungsbeschluss zu deuten.
Sachverhalt
Mit zwei Beschlüssen wird es Wohnungseigentümer K untersagt, eine Garage zu Wohnzwecken und eine Terrasse als Gartenfläche zu nutzen. Ferner wird ihm der Rückbau baulicher Veränderungen »aufgegeben«. Fraglich ist, ob die Beschlüsse in Ermangelung einer Kompetenz nichtig sind.
Entscheidung
Der BGH meint, die Beschlüsse seien wirksam! Es sei Wohnungseigentümern gestattet, ihren Willen durch Beschluss darüber zu bilden, ob sie einen bestimmten Gebrauch oder bauliche Veränderungen für unzulässig hielten. Dabei dürften sie einzelne Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten auffordern, also beispielsweise – wie hier – zu einer Unterlassung der Wohnnutzung einer Garage oder zu einem Rückbau einer Terrasse. So sei es auch beschlossen worden. Werde eine solche Willensbildung dem Wortlaut nach nämlich als Ge- oder Verbot beschlossen, sei darin nächstliegend dennoch ein bloßer Aufforderungsbeschluss zu sehen.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es – neben anderen Fragen – vor allem darum, ob die Wohnungseigentümer eine Beschlusskompetenz dafür besitzen, einen von ihnen zur Unterlassung oder Beseitigung aufzufordern und ihren Willen insoweit durch Beschluss zu artikulieren.
Abmahn-/Aufforderungs-/Vorbereitungsbeschluss
Die Wohnungseigentümer haben, wie jetzt noch klarer wird, eine Beschlusskompetenz für einen »Abmahn-/Aufforderungs-/Vorbereitungsbeschluss«. Mit diesem wird ein Wohnungseigentümer auf eine (Unterlassungs-)Pflicht hingewiesen, ohne die Pflicht durch den Beschluss zu begründen. Entscheidend dafür, ob ein »Abmahn-/Aufforderungs-/Vorbereitungsbeschluss« vorliegt, ist die Frage, ob der Beschluss eine Aussage zu dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Beseitigung bzw. Unterlassung enthält oder ob er dies, wie in der Regel und im Zweifel, dem gerichtlichen Verfahren gegen den betroffenen Wohnungseigentümer überlässt.
Prozessuale Fragen
Der BGH hat im Fall geklärt, dass im Rahmen einer gegen einen Aufforderungsbeschluss gerichteten AnfechtungsklageAnfechtungsklage, Aufforderungsbeschluss nur formale Beschlussmängel zu prüfen sind. Ob ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch bestehe, sei in einem ggf. anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären. In dem Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren sei das Gericht an die in dem Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden.
Klagefrist
Im Fall ging es ferner um Fragen der KlagefristKlagefrist (§ 45 Satz 1 Fall 1 WEG). Der BGH meint hier, K habe die Klagefrist gewahrt. Die Klage sei zwar erst am 11.12.2020 und damit nicht innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung zugestellt worden. Die Zustellung wirke aber gemäß § 167 ZPO auf den Tag des Eingangs der Klage, an dem die Klagefrist noch nicht abgelaufen war, zurück. Das Merkmal »demnächst« im Sinne von § 167 ZPO sei erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen hielten. Dabei werde eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen. Bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen sei darauf abzustellen, um wie viele Tage sich der ohnehin für die Zustellung erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Partei verzögert habe. Beruhe die Verzögerung auf der fehlerhaften Angabe der Zustellanschrift durch den Zustellungsbetreiber, berechne sie sich ab dem Zeitpunkt des gescheiterten Zustellungsversuchs. Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht seien, seien dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen; das gelte auch dann, wenn der fehlerhaften Sachbehandlung des Gerichts eine der Partei zuzurechnende Verzögerung vorausgegangen sei.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Wenn die Wohnungseigentümer ihren Willen, wie mit Verstößen gegen das Gesetz oder Vereinbarungen umzugehen ist, durch Beschluss artikulieren und einen Wohnungseigentümer, der gegen das Gesetz oder die Bestimmungen der Wohnungseigentümer verstößt, durch Beschluss auffordern, sein Verhalten zu ändern, darf der Beschluss nicht so formuliert werden, als wollten die Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung begründen. Es geht stets nur darum, einen Wohnungseigentümer abzumahnen, bevor man ggf. auf Unterlassung oder Beseitigung klagt. So sollte formuliert werden.
DIGITALE EXTRAS
MUSTER: Willensbildungs- und/oder Aufforderungsbeschluss
Nach Auffassung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entspricht ..... (genaue Nennung der Maßnahmen) nicht dem Gesetz bzw. den Bestimmungen der Wohnungseigentümer.
Wohnungseigentümer ..... wird daher aufgefordert, bis zum ..... die Maßnahmen rückgängig zu machen.
Verstreicht die Frist fruchtlos, ist die Verwaltung nach § 27 Absatz 2 WEG ermächtigt, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen Wohnungseigentümer ..... in sämtlichen Instanzen auf Unterlassung (Beseitigung) vorzugehen und dazu das Gemeinschaftsvermögen einzusetzen.
Die Verwaltung ist ferner nach § 27 Absatz 2 WEG ermächtigt, mit Rechtsanwalt ..... für diese Klage einen Anwaltsvertrag nach den gesetzlichen Gebühren (alternativ: nach Maßgabe einer Vergütungsvereinbarung) zu schließen.
Abstimmungsergebnis
Ja-Stimmen: .....
Nein-Stimmen: .....
Enthaltungen: .....
Der Versammlungsleiter verkündet folgendes Beschlussergebnis:
Der Beschluss, ..... [Inhalt], wurde angenommen/abgelehnt.
KG Berlin, Beschluss vom 1.2.2024, 1 W 375/23
Die Wohnungseigentümer haben ohne eine ÖffnungsklauselÖffnungsklausel keine BeschlusskompetenzBeschlusskompetenz, Vereinbarungen zu ändern, wenn es keine gesetzliche Öffnungsklausel gibt.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2022, die Vertreterklausel der Gemeinschaftsordnung zu ändern. Vertreter soll jetzt nicht nur ein Wohnungseigentümer sein können. Ferner beschließen sie der Sache nach, zwei Teil- in Wohnungseigentumsrechte umzuwandeln. Die Verwaltung beantragt, die Änderungen einzutragen. Das GrundbuchamtGrundbuchamt weist auf die Gemeinschaftsordnung hin. Dort heißt es unter der Überschrift bei Ziffer 21 »Änderung der Gemeinschaftsordnung«: »Während der Laufzeit der Hypotheken oder Grundschulden, die auf dem gesamten Grundstück bzw. einzelnen Sondereigentumsrechten lasten, ist zu einer Änderung der Gemeinschaftsordnung, die sonst mit Dreiviertelmehrheit aller Miteigentümer beschlossen werden kann, auch die Zustimmung der Hypotheken- und Grundschuldgläubiger erforderlich. Diese darf jedoch nur aus wichtigen, die berechtigten Interessen der betreffenden Gläubiger gefährdenden Gründen versagt werden.« An dieser Zustimmung fehle es bislang. Dagegen wendet sich die Beschwerde.
Entscheidung
Mit Erfolg! Die Beschwerde führt allerdings zu einem Pyrrhussieg. Der Erlass einer Zwischenverfügung komme nur in Betracht, wenn ein bestehendes Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei dem GrundbuchamtGrundbuchamt behoben werden könne. Daran fehle es. Denn es gebe in der Gemeinschaftsordnung keine Öffnungsklausel.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall beschließen die Wohnungseigentümer, zwei Vereinbarungen zu ändern. Dies ist nur möglich, wenn das Gesetz, beispielsweise § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, oder eine Vereinbarung (»Öffnungsklausel«) den Wohnungseigentümern für eine Änderung eine Beschlusskompetenz einräumt. Fehlt es an einer Beschlusskompetenz, ist ein Beschluss, der eine Vereinbarung dauerhaft ändern will, nichtig.
Öffnungsklausel
Im Fall kann das KG Berlin keine Öffnungsklausel erkennen. Ob es so liegt, ist eine Frage der Auslegung der Gemeinschaftsordnung. Für eine Auslegung kann zum einen die Überschrift »Änderung der Gemeinschaftsordnung« dienen, zum anderen der Wortlaut der Vereinbarung, dass eine Änderung, »die sonst mit Dreiviertelmehrheit aller Miteigentümer beschlossen werden kann«, einer Zustimmung bedarf. Danach wäre es vertretbar, eine Öffnungsklausel zu bejahen. Es lässt sich aber auch vertreten, dass das Wort »sonst« auf eine andere Vereinbarung abhebt (die gab es beispielsweise unter Ziffer 2, wo es heißt »Der Bestimmungszweck des Gebäudes und der einzelnen Sondereigentumsräume kann nur mit einer Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Miteigentümer geändert werden«). Eine solche Auslegung bietet der KG-Beschluss allerdings nicht. Es heißt dort wörtlich (nur): »Weder in der Teilungserklärung noch in der dort in Bezug genommenen Gemeinschaftsordnung ist eine Öffnungsklausel enthalten.« Das ist keine Auslegung. Außerdem kann sich in einer Teilungserklärung keine Öffnungsklausel finden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Gibt es in einer GemeinschaftsordnungGemeinschaftsordnung eine oder mehrere Öffnungsklauseln, sind die Beschlüsse, die auf einer solchen Öffnungsklausel beruhen und vor dem 1.12.2020 gefasst wurden (»Altbeschlüsse«), nach herrschender Meinung vom Verwalter aus der Masse sämtlicher in einer Wohnungseigentumsanlage von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüsse zu identifizieren. Dazu sind primär die BeschlusssammlungBeschlusssammlung und die Sammlung sämtlicher Niederschriften zu überprüfen. Nach der Identifizierung und Überprüfung könnte die Verwaltung nach §§ 7 Abs. 2, 9b Abs. 1 Satz 1 WEG vorgehen und beantragen, die Beschlüsse eintragen zu lassen. Sie sollte es aber nicht tun. Einerseits können die Wohnungseigentümer an dem Beschluss kein Interesse mehr haben. Die Verwaltungen sollten daher die Wohnungseigentümer informieren, dass es Altbeschlüsse gibt, die gegenüber SondernachfolgernSondernachfolger ab dem 1.1.2026 nur wirken, wenn sie bis zum 31.12.2025 zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden.
AG Pinneberg, Urteil vom 28.11.2023, 60 C 37/21
Die Einholung und Erörterung von AngebotenAngebote einholen ist bei der Vergabe eines Auftrags zur Durchführung von geringfügigen Erhaltungsmaßnahmen nicht erforderlich.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer beschließen wie folgt: »Die Gemeinschaft beschließt die Beauftragung der X-GmbH mit den in dem Angebot vom 31.5.2021 aufgeführten Leistungen bezüglich der Erneuerung der Fenster in der Einheit der Wohnungseigentümer K. Die Kosten für diese Maßnahme belaufen sich auf ca. 3.000 EUR. Die Finanzierung erfolgt zunächst über die Erhaltungsrücklage. Im Weiteren werden diese Kosten dann auf Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nur auf die Wohnungseigentümer K verteilt.« K ist der Ansicht, dieser Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung, weil es keine weiteren Angebote gebe.
Entscheidung
Das AG sieht das nicht so! Die Einholung und Erörterung weiterer Angebote sei nur bei der Vergabe eines Auftrags zur Durchführung von nicht nur geringfügigen Instandsetzungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum erforderlich. Der Betrag in Höhe von 3.000 EUR sei aber geringfügig.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall ist vor allem zu fragen, wann die Verwaltung für eine Erhaltungsmaßnahme mehrere Angebote einholen muss.
Mehrere Angebote und Bagatellgrenze
Das AG meint, mehrere Angebote seien bei »geringfügigen« Instandsetzungsarbeiten unnötig. Dies entspricht einem allgemeinen Denken. Die Einholung (oder der Versuch einer Einholung) von Angeboten ist danach unnötig, wenn der dazu zu betreibende Aufwand im Verhältnis zu dem aus den Vergleichsangeboten zu ziehenden Erkenntnisgewinn nicht gerechtfertigt erscheint.
Wo diese »Bagatellgrenze« liegt, ist aber umstritten. Sie pendelt nach manchen Stimmen zwischen 2.000 EUR und 5.000 EUR. Viele meinen auch, die BagatellgrenzeBagatellgrenze lasse sich aus der Relation der zu erwartenden Kosten, der Größe der Wohnungseigentumsanlage oder der Kostenbelastung des einzelnen Wohnungseigentümers ermitteln.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltung sollte immer den »sichersten Weg« gehen. Wenn möglich, sollten daher auch bei ErhaltungsmaßnahmenBeschluss, Erhaltungsbeschluss, die keine hohen Kosten verursachen, Angebote eingeholtAngebote einholen werden. Will man anders verfahren, sollte man sich anweisen lassen, was die Wohnungseigentümer in der konkreten Anlage als »Bagatellgrenze« verstehen wollen.
DIGITALE EXTRAS
MUSTER: Erhaltungsbeschluss
Die X-GmbH soll beauftragt werden, die Fenster in der Einheit Nummer ..... (Angabe nach der Teilungserklärung) zu reparieren. Gegenstand des Auftrags sollen die im Angebot der X-GmbH vom ..... aufgeführten Leistungen sein. Für die Einzelheiten wird auf dieses Angebot der X-GmbH Bezug genommen (Anlage zu diesem Beschluss).
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geht davon aus, dass der Werklohn eine Höhe von ca. ..... EUR erreicht.
Die Kosten für die Vertragserfüllung gemäß TOP ..... soll abweichend von § 16 Absatz 2 Satz 1 WEG gemäß § 16 Absatz 2 Satz 2 WEG allein der Eigentümer der Einheit Nummer ..... (Angabe nach der Teilungserklärung) tragen.
Die Verwaltung ist berechtigt, die Mittel für die Vertragserfüllung bis zur Verteilung über die Jahresabrechnung der Erhaltungsrücklage zu entnehmen.
Abstimmungsergebnis
Ja-Stimmen: .....
Nein-Stimmen: .....
Enthaltungen: .....
Der Versammlungsleiter verkündet folgendes Beschlussergebnis:
Der Beschluss, ..... [Inhalt], wurde angenommen/abgelehnt.
LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 8.12.2022, 5 S 91/22
Beschluss, BestimmtheitDie Formulierung in einem Beschluss »Auswahl und Beauftragung durch den Verwalter erfolgt in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat« ist zu unbestimmt, weil nicht klar ist, wie diese »Abstimmung« praktisch abläuft.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer fassen folgenden Beschluss: »Die Untereigentümergemeinschaft Tiefgarage beschließt die Beauftragung eines Ingenieur- bzw. Planungsbüros hinsichtlich der Planung zur Schaffung einer Ladeinfrastruktur einschließlich Ausschreibung und Angebotseinholung. Dafür steht ein maximales Kostenbudget von 10.000 EUR zur Verfügung. Herr S wird sich zusammen mit der Verwalterin bemühen, ein entsprechend qualifiziertes Elektroplanungsbüro zu finden. Die Auswahl und Beauftragung durch die Verwalterin erfolgt in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat. Die Kostenverteilung erfolgt nach Miteigentumsanteilen der Teileigentümer der Tiefgaragenplätze, die Finanzierung der Kosten erfolgt über eine Sonderumlage, die 14 Tage nach Aufforderung durch die Verwaltung fällig ist«. Dagegen geht Wohnungseigentümer K vor.
Entscheidung
Mit Erfolg! Die Beauftragung eines Ingenieur- bzw. Planungsbüros hinsichtlich der Planung zur Schaffung einer Ladeinfrastruktur einschließlich Ausschreibung und Angebotseinholung für maximal 10.000 EUR stelle keine Maßnahme nur untergeordneter Bedeutung dar und unterfalle daher nicht § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Es komme daher auf § 27 Abs. 2 WEG an. Der Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG sei möglich, aber zu unbestimmt. Zwar bedürfe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen ihrer Ermessens- und Entscheidungskompetenz zum Wie der Ausgestaltung der Ladeinfrastruktur für die Tiefgarage der fachlichen Beratung eines Planers. Sie habe die ihr obliegende Kompetenz aber entweder selbst auszuüben oder sie dem Verwalter konkret zu übertragen. Die Unbestimmtheit betreffe ferner die Auswahl und Beauftragung des Ingenieur- bzw. Planungsbüros durch die Verwalterin in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat. Wie diese Abstimmung zu erfolgen habe, sei nicht beschlossen worden.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es um den Beschluss einer »UntergemeinschaftUntergemeinschaft«. Ob diese befugt war, ohne die anderen Wohnungseigentümer einen Beschluss zu fassen, muss sich aus einer Vereinbarung ergeben. Das ist zu unterstellen, da das LG hierzu nichts mitteilt. Ob der Beschluss ordnungsmäßig ist, ist dann eine Frage des § 27 WEG.
§ 27 Abs. 1 WEG
Die Verwaltung ist nach § 27 Abs. 1 WEG berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Im Fall geht es um die erste Alternative. Hier prüft das LG nicht, sondern behauptet. Es sieht außerdem nicht, dass es neben der Unterordnung auf die Höhe der Verpflichtung ankommt. Es wäre also durchaus möglich, dass die Verwaltung allein handeln durfte und musste.
§ 27 Abs. 2 WEG
Nach § 27 Abs. 2 WEG können die Wohnungseigentümer die Rechte und Pflichten nach § 27 Abs. 1 WEG durch Beschluss einschränken oder erweitern. Hätte das LG zu § 27 Abs. 1 WEG Recht, ginge es um eine Erweiterung. Diese muss genau bestimmt sein. Hier ist es immer schlecht festzulegen, der Verwalter habe sich mit den Verwaltungsbeiräten abzustimmen. Was soll damit angeordnet sein?
Grundsatz der Bestimmtheit
Beschlüsse müssen »bestimmt« genug formuliert sein. Dies ist der Fall, wenn ein Beschluss aus sich heraus genau, klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gilt. Einem Beschluss fehlt hingegen Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält. Damit ein Beschluss »bestimmt« ist, muss er so ausführlich wie nötig beschreiben, was gelten soll. Er muss – ggf. durch Verweisung – sein Regelungsproblem (den Anlass seiner Entstehung) vollständig lösen. Außerdem muss er so formuliert werden, dass er in sich nicht widersprüchlich ist. Lässt sich ein Gegenstand im Beschlusstext selbst nur schlecht oder gar nicht oder nur ungenau oder nur widersprüchlich darstellen, bedarf es für eine Herstellung von Bestimmtheit in der Regel einer BeschlussanlageBeschlussanlage. Ein Beschlusstext kann auch aus diesem Grund selbst kurz sein und zur näheren Erläuterung auf eine Anlage Bezug nehmen. Eine solche Beschlussanlage kann zum Beispiel ein Gutachten, ein Bild, eine Zeichnung, eine Baubeschreibung, ein Leistungsverzeichnis, ein Bauplan, eine Skizze oder Ähnliches sein.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltung haftet der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf SchadensersatzSchadensersatz, wenn sie für einen formalen Beschlussmangel verantwortlich ist. So liegt es, wenn ein Beschlussantrag und damit der Beschluss nicht ausreichend bestimmt formuliert ist oder wenn nicht ausreichend Angebote vorliegen.
In jeder Wohnungseigentumsanlage sollte es ausnahmslos Beschlüsse nach § 27 Abs. 2 WEG geben, mit denen konkretisiert wird, was die Verwaltung darf und was nicht! Bei diesen Beschlüssen handelt es sich seit dem 1.12.2020 um ein »Must-have«!
AG Hildesheim, Urteil vom 15.6.2023, 127 C 10/22
Das ErmessenErmessen, Baugenehmigung ist auf null reduziert und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss eine BaugenehmigungBaugenehmigung beantragen, wenn es an einer Baugenehmigung fehlt (hier: für eine Dachterrasse).
Sachverhalt
Eine DachterrasseDachterrasse steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Sie befindet sich auf dem Dach eines Anbaus, der bereits vor der Teilungserklärung bestand. Für den Anbau und damit auch für die Dachterrasse gab es nie eine Baugenehmigung. Wohnungseigentümer K, der sie gebraucht, beantragt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Dachterrasse eine Baugenehmigung beantragt, da die Dachterrasse ohne eine solche errichtet wurde und daher ein SchwarzbauSchwarzbau ist. Sein Antrag findet keine Mehrheit. Dagegen wendet sich K. Er meint, die Dachterrasse sei formal baurechtswidrig und widerspreche dem öffentlich-rechtlichen Baurecht. Die beklagte Gemeinschaft meint, ihr stehe ein Ermessen zu, ob sie nachträglich eine Baugenehmigung einhole.
Entscheidung
Das AG stimmt dem Wohnungseigentümer zu! Es müsse ein baurechtsmäßiger Zustand hergestellt werden. Nur mit dem von K beantragten Beschluss komme die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihrer Pflicht aus § 18 Abs. 2 WEG nach. Es bestehe daher eine Pflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Die Ablehnung des Beschlusses widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Das Fehlen einer Baugenehmigung und die formale Baurechtswidrigkeit seien auch keine Bagatelle. Erst mit Erteilung einer Baugenehmigung könne ein bauordnungsrechtmäßiger Zustand hergestellt werden oder bei Ablehnung der Baugenehmigung die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer weitergehend verpflichtet werden, einen ordnungsmäßigen Zustand herzustellen.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Schnittstelle zwischen Wohnungseigentums- und öffentlichem RechtÖffentliches Recht. Nach dem Sachverhalt gab es für die Errichtung einer Dachterrasse keine Baugenehmigung. Dies ist ein schriftlicher Bescheid (= Verwaltungsakt) der zuständigen Baubehörde, dass dem Bauvorhaben nach öffentlichem Recht keine Hindernisse entgegenstehen. Der Bescheid kann vor den entsprechenden Maßnahmen eingeholt werden, aber auch nachträglich. Um eine solche Genehmigung (= nachträgliche Zustimmung) geht es im Fall.
Ermessensreduktion auf null
Beschlüsse müssen den Vereinbarungen und Beschlüssen der Wohnungseigentümer und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen. Die Entscheidung, ob und – wenn ja – welche Maßnahmen wie durch wen wann durchzuführen sind, ist von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich nach ihrem Ermessen zu treffen, wobei sie grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum haben, in welchen Schritten sie eine gebotene Erhaltung des Gemeinschaftseigentums durchführen. Das Gericht hat zu überprüfen, ob die Wohnungseigentümer den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten haben oder nicht.
Ist die zweckbestimmungsmäßige Nutzung des Sondereigentums ausgeschlossen oder wesentlich gefährdet, kommt es zu einer Ermessensreduzierung auf null; hier besteht eine Pflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Trägerin des VerwaltungsmonopolsVerwaltungsmonopol (§ 18 Abs. 1 WEG) zum unverzüglichen Handeln. So liegt es nach Ansicht des AG, wenn es für einen Teil des gemeinschaftlichen Eigentums noch keine Baugenehmigung gibt und eine Unterlassungsverfügung der zuständigen Baubehörde droht.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Eine Verwaltung muss sich bei Übernahme einer Wohnungseigentumsanlage und danach mit allen rechtlichen Grundlagen vertraut machen. Dazu gehört auch eine Kenntnis der TeilungserklärungTeilungserklärung, der GemeinschaftsordnungGemeinschaftsordnung, der Beschlüsse der Wohnungseigentümer, sämtlicher Verträge der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der öffentlich-rechtlichen Grundlagen. Eine Verwaltung muss mithin wissen, ob es für das Gebäude, wie es steht und liegt, eine Baugenehmigung gibt. Fehlt es hieran, muss die Verwaltung die Wohnungseigentümer namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer informieren und gemeinsam mit den Wohnungseigentümern die entsprechenden Schritte einleiten, einen bauordnungsmäßigen Zustand herzustellen. Hierzu gehört, wie die Entscheidung klärt, der Antrag, nachträglich eine Baugenehmigung einzuholen.
OLG Köln, Urteil vom 12.4.2023, 17 U 14/22
Ein Beschluss außerhalb der VersammlungBeschluss, außerhalb einer Versammlung ist ein NichtbeschlussNichtbeschluss, wenn nicht alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären.
Sachverhalt
In einem Fall ist zu fragen, ob ein Beschluss außerhalb der Versammlung wirksam ist, wenn ihm nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, er aber dennoch festgestellt und verkündet wurde.
Entscheidung
Das OLG meint, es liege ein Nichtbeschluss vor! Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG führe nicht bloß zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Es handele sich um einen sogenannten Nichtbeschluss, was auch durch die nachfolgende Verkündung durch den Verwalter nicht geheilt werde. Die Gegenauffassung, wonach ein Verstoß nur zur Anfechtbarkeit des so gefassten Beschlusses führen solle, könne angesichts der klaren gesetzlichen Vorgabe in § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG zur Willensbildung der Gemeinschaft bei fehlender Erörterungsmöglichkeit im Rahmen einer Präsenzveranstaltung nicht überzeugen.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall ist zu klären, ob ein Beschluss außerhalb der Versammlung wirksam ist, wenn ihm nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, er aber dennoch festgestellt und verkündet wurde.
Nichtbeschluss oder anfechtbarer Beschluss
Das OLG meint vertretbar, in diesem Fall liege ein NichtbeschlussNichtbeschluss vor. So hat es auch die früher herrschende Meinung gesehen. Im aktuellen Recht sollte aus Gründen der Gleichbehandlung sämtlicher Zählfehler indes der neuen Ansicht gefolgt werden, die bloße Anfechtbarkeit annimmt. Ein ausreichender und durchgreifender Grund, Beschlüsse außerhalb der Versammlung anders als Versammlungsbeschlüsse zu behandeln, ist nicht erkennbar. Anders wäre es nur, wenn man in den fehlenden Ja-Stimmen einen Tatbestandsmangel sähe. Diese Überlegung hat aber keine Gefolgschaft gefunden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen bei einem Beschluss außerhalb der Versammlung sorgfältig prüfen, ob die erforderlichen Stimmen abgegeben wurden. Gehen sie so vor, kann es in der Regel nicht zu einem Zählfehler kommen.
AG München, Urteil vom 2.10.2023, 1291 C 650/23 WEG
AbsenkungsbeschlussBeschluss, AbsenkungsbeschlussWollen die Wohnungseigentümer gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügen soll, muss dies in dem entsprechenden Beschluss hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer beschließen am 26.7.2022 wie folgt: »Da die Jahresabrechnung 2021 zum Versand der Einladung noch nicht vollständig war, soll diese nachträglich durch einen Umlaufbeschluss mit folgendem Wortlaut beschlossen werden: Die sich aus den Einzelabrechnungen 2021 (vom 21.6.2022) für Wohnungen und Tiefgaragenstellplatz ergebenden Nachschüsse (= Nachzahlung) in Gegenüberstellung zu den Vorschüssen (= Guthaben) aus den gültigen EinzelwirtschaftsplänenWirtschaftsplan, Einzelwirtschaftsplan werden genehmigt. Der daraus resultierende Saldenausgleich wird vier Wochen nach Beschlussfassung fällig gestellt.«
Mit Schreiben vom 3.11.2022, dem die Einzelabrechnungen 2021 mit Druckdatum 28.10.2022 beigefügt sind, wird eben dieser Beschluss zur Abstimmung gestellt: »Die sich aus den Einzelabrechnungen 2021 (vom 21.6.2022) für Wohnungen und Tiefgaragenstellplatz ergebenden Nachschüsse (= Nachzahlung) in Gegenüberstellung zu den Vorschüssen (= Guthaben) aus den gültigen Einzelwirtschaftsplänen werden genehmigt. Der daraus resultierende Saldenausgleich wird vier Wochen nach Beschlussfassung fällig gestellt.«
Die Verwaltung bittet die Wohnungseigentümer, ihre Stimmabgabe bis spätestens 16.11.2022 zurückzusenden. Mit Schreiben vom 21.12.2022 verkündet die Verwaltung die Annahme des Beschlusses. Gegen diesen Beschluss wendet sich Wohnungseigentümer K. Er ist der Ansicht, der verkündete Beschluss sei nichtig. Begründung: Es gebe keinen Absenkungsbeschluss! Der Beschluss sei im Übrigen rechtswidrig, weil keine angemessene Frist zur Abstimmung gesetzt worden sei und er gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, da aufgrund unterschiedlicher Druckdaten unklar gewesen sei, über welche Abrechnung abgestimmt worden sei.
Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! Das AG meint, der Beschluss sei nichtig. Denn der am 26.7.2022 zu TOP 5 gefasste Beschluss könne nicht als Absenkungsbeschluss ausgelegt werden. Wollten die Wohnungseigentümer gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügen solle, müsse dies in dem entsprechenden Beschluss hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Daran fehle es hier. Im Übrigen sei umstritten, ob bei Fehlen eines Absenkungsbeschlusses der anschließende Beschluss nichtig oder lediglich anfechtbar sei. Teilweise werde vertreten, es komme überhaupt kein Beschluss zustande. Teilweise werde angenommen, der Beschluss sei wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Teilweise werde vertreten, die Nichtigkeitsfolge sei zu weitgehend. Das Gericht schließe sich der Auffassung an, wonach – jedenfalls bei Fehlen eines Absenkungsbeschlusses – der mehrheitlich außerhalb der Versammlung gefasste Beschluss wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig sei. Denn ohne vorherigen Absenkungsbeschluss sei der Weg zu einem Mehrheitsbeschluss nicht eröffnet, weshalb ein gleichwohl nur mehrheitlich gefasster Umlaufbeschluss nichtig sein müsse.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall stellt sich vor allem die Frage, wie man einen Absenkungsbeschluss fasst, damit er einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
§ 23 Abs. 3 Satz 2 WEG
Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.
Absenkungsbeschluss: Grundsätze
Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu einem Beschlussantrag in Textform erklären. Gegenstand des Beschlusses kann jede Maßnahme sein, für die es eine BeschlusskompetenzBeschlusskompetenz gibt. Die Zustimmung muss dem Beschluss selbst, aber auch der Verfahrensweise gelten. Nicht ausreichend ist es also, dass zwar sämtliche Wohnungseigentümer dem Verfahren als solches zustimmen, der Beschlussantrag aber nur mehrheitlich angenommen wird. Verfehlt ein Beschlussantrag die Zustimmung aller Stimmberechtigten, ist zu verkünden, dass ein Beschluss nicht zustande gekommen ist. Verzählt sich der Initiator oder bewertet er Stimmen falsch und stellt er einen positiven Beschluss fest und verkündet ihn, ist streitig, was gilt. Das AG meint, es handele sich um einen Nichtbeschluss. Im aktuellen Recht ist aber wohl das Gegenteil richtig.
Beschlussfassung
Nach herrschender Meinung soll bei einem AbsenkungsbeschlussAbsenkungsbeschluss ausdrücklich bestimmt werden müssen, dass für den Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügen soll. Überzeugend ist das nicht. Der Beschluss muss nur seinen Gegenstand benennen. Welche Mehrheit er erreichen muss, bestimmt nach einer Auslegung § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG. Dennoch sollten die Verwaltungen aus Gründen der Vorsicht der herrschenden Meinung folgen.
Frist zur Stimmabgabe
Das Gesetz schreibt nicht vor, den Wohnungseigentümern für die Stimmabgabe für einen Beschluss, der außerhalb der Versammlung gefasst werden soll, eine Frist zu setzen. Die FristsetzungFrist zur Stimmabgabe ist üblich und wegen § 147 Abs. 2 BGB sinnvoll, wonach der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Außerdem muss die Verwaltung wissen, bis wann sie mit dem Eingang von Stimmabgaben rechnen kann. Ohne Fristsetzung droht die Gefahr, zu früh festzustellen, ob die erforderliche Stimmenanzahl erreicht ist.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Bei einem Absenkungsbeschluss muss für jedermann wenigstens nach einer Auslegung klar sein, was der Gegenstand des Beschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG sein soll. Im seltenen Einzelfall reicht dazu wie bei § 23 Abs. 2 WEG ein Schlagwort. Besser ist es allerdings stets, im Einzelnen und genau den Gegenstand zu beschreiben. Zur Dogmatik des Absenkungsbeschlusses sind auch LG München I, Urteil vom 21.3.2024, 36 S 3331/23 WEG und LG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.2.2023, 2-13 S 79/22 zu beachten.
DIGITALE EXTRAS
MUSTER: Absenkungsbeschluss gemäß § 23 Absatz 3 Satz 2 WEG
Über die Frage, ob ..... [Gegenstand genau benennen], soll nach § 23 Absatz 3 Satz 2 WEG außerhalb der Versammlung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen abgestimmt werden. Eine Beschlussfassung zum jetzigen Zeitpunkt ist untunlich, da ..... [nur aus Gründen der Transparenz].
Der Verwalter wird angewiesen, bis zum ..... einen Beschluss außerhalb der Versammlung zu initiieren [nur aus Gründen der Transparenz]. Jeder Wohnungseigentümer soll ..... Tage Zeit haben, abzustimmen. Mit der Initiative hat der Verwalter folgende Informationen zu geben: .....
Abstimmungsergebnis
Ja-Stimmen: .....
Nein-Stimmen: .....
Enthaltungen: .....
Der Versammlungsleiter verkündet folgendes Beschlussergebnis:
Der Beschluss, ..... [Inhalt], wurde angenommen/abgelehnt.
LG München I, Beschluss vom 5.10.2023, 1 S 5857/23 WEG
Es gibt keinen Grundsatz, wonach es sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach einem BeschlussZweitbeschluss nicht noch einmal anders überlegen und einen neuen, eventuell auch gegensätzlichen Beschluss zum selben Beschlussgegenstand fassen darf.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer gestatten es Wohnungseigentümer K im Juli 2022, einen Balkon zu errichten. Im August 2022 heben sie diesen Beschluss wieder auf. Wohnungseigentümer K geht gegen den zweiten Beschluss vor. K meint, eine von ihm angenommene »Beschlussreue« könne keine Grundlage für einen Zweitbeschluss sein.
Entscheidung
Dies sieht das LG anders! Das Ermessen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei »zunächst einmal vollkommen frei«. Es existiere kein Grundsatz im Wohnungseigentumsrecht, wonach es sich die Gemeinschaft nach einem Beschluss nicht noch einmal anders überlegen und einen neuen, eventuell auch gegensätzlichen Beschluss zum selben Beschlussthema fassen könne. Die Befugnis dazu ergebe sich aus der »autonomen Beschlusszuständigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer«. Dabei sei unerheblich, aus welchen Gründen die Gemeinschaft eine erneute Beschlussfassung für angebracht halte. Von Bedeutung sei nur, ob der neue Beschluss aus sich heraus einwandfrei sei. Dies sei in Fällen, in denen der Beschlussgegenstand keine möglichen Interessen einzelner Wohnungseigentümer oder Dritter tangiere, ganz offensichtlich. Grenzen des grundsätzlich freien Ermessens der Gemeinschaft seien nur dann erreicht, wenn schutzwürdige Belange Einzelner durch die neue Beschlussfassung so beeinträchtigt seien, dass sie die Interessen der Gemeinschaft an der Abänderung des Beschlusses überwögen. Jeder Wohnungseigentümer könne verlangen, dass der neue Beschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtige. Die dabei einzuhaltenden Grenzen richteten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Im Fall sei nicht zu erkennen, dass K im Hinblick auf den Erstbeschluss bereits Dispositionen getroffen hätte.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wann ein Zweitbeschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung widerspricht.
Zweitbeschluss: Ordnungsmäßigkeit
Nach herrschender Meinung kann jeder Wohnungseigentümer nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG verlangen, dass ein ZweitbeschlussZweitbeschluss, ordnungsmäßiger schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtigt. Die dabei einzuhaltenden Grenzen sollen sich nach den Umständen des Einzelfalls richten. Verfolgt man die Entscheidungen auf ihren Kern zurück, wurden vor allem fünf Prüfsteine für die Annahme schutzwürdiger Belange gefunden:
Ein Wohnungseigentümer erleidet durch den Zweitbeschluss einen rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung des Erstbeschlusses.
Ein Zweitbeschluss greift in wohlerworbene Rechte (individuelle, subjektive Sonderrechte) ein.
Der Erstbeschluss hat einem Wohnungseigentümer eine günstige Rechtsposition geschaffen.
Ein Wohnungseigentümer hat aufgrund des Erstbeschlusses schutzwürdige Vorkehrungen getroffen, die sich als sinnlos (nutzlos) erweisen würden.
Für den Zweitbeschluss gab es keinen nachvollziehbaren Grund.
Im Fall war keiner dieser Punkte von besonderer Bedeutung.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Für einen Zweitbeschluss gibt es keine Entstehungs- oder Tatbestandsvoraussetzungen, die nicht auch für den Erstbeschluss gelten würden. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass der neue Beschluss nicht unter formalen oder materiellen Mängeln leidet und nicht nichtig ist. Der neue Beschluss muss bloß »aus sich heraus einwandfrei« sein. Außerdem dürfen sowohl das Ob als auch das Wie einer Änderung nicht willkürlich sein.
LG München I, Urteil vom 21.12.2023, 36 S 659/22 WEG
Sofern ein ErhaltungsbeschlussErhaltungsbeschluss schon durchgeführt wurde, haben die Wohnungseigentümer aus dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung einen im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer wurzelnden FolgenbeseitigungsanspruchFolgenbeseitigung, der grundsätzlich darauf gerichtet ist, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, dass also die Maßnahmen, die auf dem Beschluss beruhten, wieder rückgängig gemacht werden.
Sachverhalt
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K, vertreten durch den neuen Verwalter X, verlangt vom ehemaligen Verwalter B unter anderem die Feststellung, dass B die Kosten für die Entfernung einer Befahranlage tragen solle. Der Beschluss, diese zu errichten, ist aus formalen Gründen (LadungsmangelLadungsmangel) rechtskräftig für ungültig erklärt worden.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Feststellungsklage sei bereits unzulässig. Zwar sei nach einer gerichtlichen Kassation im Grundsatz ohne Weiteres ein (verschuldensunabhängiger) Folgenbeseitigungsanspruch anerkannt. Ein Beschluss falle, wenn er – wie hier der Errichtungsbeschluss – für ungültig erklärt werde, rückwirkend weg, das heißt, er werde so behandelt, als wäre er nie gefasst worden. Sofern der Beschluss – wie hier – schon durchgeführt worden sei, hätten die Wohnungseigentümer aus dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung einen im GemeinschaftsverhältnisGemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer wurzelnden Folgenbeseitigungsanspruch, der grundsätzlich darauf gerichtet sei, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werde, dass also die Maßnahmen, die auf dem Beschluss beruhten, wieder rückgängig gemacht würden. Der Anspruchsinhalt sei aber aus rechtlichen und praktischen Gründen nur eine Beschlussfassung, mit der die Versammlung ermessensfehlerfrei darüber entscheiden können solle, ob und wie dem geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch Rechnung getragen werde. Die Folgenbeseitigung stelle somit, solange sie möglich sei, zwar ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung dar. Ein Anspruch auf eine auf Rückbau zielende Beschlussfassung bestehe aber nur dann, wenn allein der Rückbau ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Ob das der Fall ist, hänge von den Umständen des Einzelfalls, zwischenzeitlichen Entwicklungen und der aktuellen Sachlage ab. Eine erfolgreiche Anfechtung müsse deshalb nicht zwingend zur Folge haben, dass die durchgeführten Maßnahmen unbrauchbar seien. Ob Folgekosten entstünden, deren Kostentragungspflicht K festgestellt haben möchte, sei daher noch unklar bzw. stelle ein erst zukünftiges Rechtsverhältnis dar.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es jenseits seiner prozessualen Einkleidung um die Frage, wie man in einer Wohnungseigentumsanlage damit umgeht, dass ein Erhaltungs- oder Gestattungsbeschluss für ungültig erklärt wurde.
Folgenbeseitigungsanspruch
Voraussetzung des FolgenbeseitigungsanspruchsFolgenbeseitigungsanspruch ist, dass ein Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt oder seine Nichtigkeit festgestellt wird. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Anspruchsinhaber ist jeder Wohnungseigentümer. Der Folgenbeseitigungsanspruch findet seine Grenze im SchikaneverbotSchikaneverbot und dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß §§ 226, 242 BGB. Das Verlangen nach Folgenbeseitigung kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, beispielsweise dann, wenn ihm die anderen Wohnungseigentümer nur unter unverhältnismäßigen, billigerweise nicht zumutbaren Aufwendungen entsprechen könnten. Im Rahmen der ZumutbarkeitsprüfungZumutbarkeitsprüfung sind alle Umstände zu berücksichtigen. Im Regelfall spricht es gegen einen Rechtsmissbrauch, wenn die Wohnungseigentümer sich des Risikos einer Beschlussdurchführung angesichts einer Anfechtungsklage bewusst waren. Der Anspruchsinhalt ist, wie das LG herausstreicht, eine Beschlussfassung, mit der in der Regel ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden ist, wie dem Folgenbeseitigungsanspruch Rechnung getragen werden kann.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen Folgendes wissen: Wenn ein Erhaltungs- oder GestattungsbeschlussGestattungsbeschluss für ungültig erklärt wird, müssen die Wohnungseigentümer beschließen, wie es weitergeht. Leidet der ursprüngliche ErhaltungsbeschlussErhaltungsbeschluss beispielsweise nur unter einem formalen Mangel, kann er unter Meidung des Fehlers wiederholt werden. Für einen Gestattungsbeschluss gilt nichts anderes. Im Übrigen müssen die Wohnungseigentümer auch dann, wenn zurückzubauen ist, beschließen, wie das geschieht, durch wen und mit welchen Mitteln.
BGH, Urteil vom 21.4.2023, V ZR 86/22
Beschluss, SuspendierungSeit dem 1.12.2020 ist eine auf Suspendierung eines Beschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Damit ist diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO.
Sachverhalt
Im Zusammenhang mit einer auf § 945 ZPO gestützten Klage wird fraglich, ob seit dem 1.12.2020 der Anspruch auf Schadensersatz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder den Wohnungseigentümern zusteht.
Entscheidung
Der BGH meint, der Anspruch stehe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu! Denn Beklagte einer Anfechtungsklage sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Deshalb sei seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 1.12.2020 eine auf Suspendierung eines Beschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Damit sei diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
Problemüberblick
Im Fall geht es zum einen um die Frage, ob heutzutage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der Anspruch aus § 945 ZPO zusteht (erweist sich die Anordnung einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, danach verpflichtet, dem Gegner Schadensersatz zu leisten). Wie aus dem Leitsatz ersichtlich, entscheidet sich der BGH für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Übergangsrecht
Der Fall spielt noch im »Altrecht«. Ein Wohnungseigentümer hatte bereits im Jahr 2015 – also vor Inkrafttreten des WEMoG – eine einstweilige Verfügung (Beschluss) erreicht, durch welche die Durchführung eines Erhaltungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 WEG) vorläufig außer Kraft gesetzt worden war (»BaustoppBaustopp«). Dieser Beschluss wurde nach einem Monat noch im Jahr 2015 wieder aufgehoben. Dennoch war der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Baustopp ein Schaden von 11.198,69 EUR entstanden, den der klagende Wohnungseigentümer nicht freiwillig erstatten wollte. Die anderen Wohnungseigentümer klagten daher nach § 945 ZPO auf Schadensersatz. Für das Übergangsrecht meinte der BGH, klären zu müssen, ob die Wohnungseigentümer, gegen die eine Anfechtungsklage damals zu richten war, einen »Schaden« erlitten hatten, wenn nicht sie, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Vertragspartei war.
Dies bejaht der BGH der Sache nach. Ferner fragt er, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer überhaupt einen Schaden erlitten hatte. Diese Frage, die heute keine Bedeutung mehr hat, bejaht der BGH für den Fall, dass die Wohnungseigentümer den Schaden im Innenverhältnis noch nicht ausgeglichen haben, und auch für den Fall, dass die Ausgabe bereits durch die Nachschüsse der Wohnungseigentümer ausgeglichen wurde.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Jede Verwaltung muss wissen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer einen SchadensersatzanspruchSchadensersatzanspruch haben kann, wenn dieser zu ihren Lasten zu Unrecht eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Dieser Anspruch ist zeitnah zu realisieren!
SachenrechtGegenstand dieses bewusst kurzen Abschnitts sind Entscheidungen, die sich mit den Problemen der Begründung von Wohnungseigentum durch TeilungsvertragTeilungsvertrag und TeilungserklärungTeilungserklärung nebst Aufteilungsplan und AbgeschlossenheitsbescheinigungAbgeschlossenheitsbescheinigung beschäftigen. Zentrale Frage des WEG-Sachenrechts ist – vor allem wegen der Kosten, aber auch wegen der Verwaltungskompetenz –, welche Räume und wesentlichen Gebäudebestandteile im gemeinschaftlichen Eigentum und welche im SondereigentumSondereigentum stehen und welche Räume überhaupt im Sondereigentum stehen können.
BGH, Beschluss vom 7.3.2024, V ZB 46/23
Weder der einzelne Stellplatz innerhalb eines MehrfachparkersMehrfachparker noch der einzelne Stellplatz auf einem Parkpalettensystem (»PalettenparkerPalettenparker«) ist nach § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. sondereigentumsfähig.
Sachverhalt
In einem Fall, für den noch § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. galt, heißt es in der Teilungserklärung für 18 Tiefgaragenstellplätze für die betroffenen 18 Wohnungseigentumsrechte jeweils wie folgt: »[…] verbunden mit dem Sondereigentum an dem Kfz-Einstellplatz Nr. XX, gelegen in der Tiefgarage.« Die Stellplätze sind auf einem auf Laufschienen gelagerten, horizontal verschiebbaren Palettensystem eingerichtet, um die Zufahrt zu den dahinterliegenden Stellplätzen zu ermöglichen. In dem Aufteilungsplan ist ein Rechteck mit den jeweiligen Nummern 89 bis 106 eingezeichnet und in der Mitte des Plans zusätzlich vermerkt: »52 Stellplätze, davon 18 Palettenparker.« An anderer Stelle heißt es: »Parkpalette 2,14 × 5,00.«
Fraglich ist, ob die – reparaturbedürftigen – Palettenstellplätze sondereigentumsfähig sind. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Wohnungseigentümer durch notarielle Urkunde »klarstellend« einen Nachtrag zur Teilungserklärung und bestimmen die Vereinigung der »isolierten Miteigentumsanteile« mit dem jeweiligen Wohnungseigentum des für den jeweiligen Stellplatz eingetragenen Teileigentümers. Das Grundbuchamt weist den Antrag zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat vor dem KG Berlin keinen Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Wohnungseigentümer ihren Eintragungsantrag weiter.
Entscheidung
Mit Erfolg! An den Stellplätzen sei, wie von den Wohnungseigentümern angenommen, kein Sondereigentum begründet worden. Dies gelte unabhängig davon, ob nach dem Inhalt des Grundbuchs Sondereigentum an Stellplatzflächen auf dem Boden der Tiefgarage oder an Stellplatzflächen auf der Palette begründet werden sollte. Weder der einzelne Stellplatz innerhalb eines Mehrfachparkers noch der einzelne Stellplatz auf einem Parkpalettensystem (»Palettenparker«) seien nach § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. sondereigentumsfähig gewesen. Sollte Sondereigentum an den jeweiligen Bodenflächen der 18 Tiefgaragenstellplätze begründet werden, wäre dies zwar unter dem Aspekt der Raumeigenschaft unproblematisch. Die Eintragungen wären dann aber nach § 5 Abs. 2 WEG unwirksam. Denn die Fläche unter den Parkern werde auch von den anderen Wohnungseigentümern gebraucht.
Hinweis für die Verwaltungspraxis
In diesem Fall, für den noch altes Recht anwendbar war (= Recht, das vor dem 1.12.2020 galt und durch das WEMoGWohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) vom 16.10.2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurde), ist zu klären, ob die Stellplätze in einem MehrfachparkerMehrfachparker und die Stellplätze in einem Palettenparker sondereigentumsfähig sind.
Die bisherige Rechtslage
Es war umstritten, ob sich § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. nur auf die AbgeschlossenheitAbgeschlossenheit bezieht oder auch auf die Raumeigenschaft. Ausgehend von der Annahme, dass nur die Abgeschlossenheit fingiert wird, wird nach verbreiteter Auffassung die Ansicht vertreten, einzelne Stellplätze innerhalb eines Mehrfachparkers könnten nicht als sondereigentumsfähig angesehen werden. Begründet wird dies in erster Linie damit, dass der lichte Raum vom Boden bis zur Decke aufgrund der Kippvorrichtung nicht klar getrennt sei, sondern in einem Mittelbereich abwechselnd von beiden Parkern in Anspruch genommen werde. Demgegenüber bejahen andere die Sondereigentumsfähigkeit jedenfalls für den einzelnen Stellplatz eines Mehrfachparkers, weil § 3 Abs. 2 WEG a. F. auch die Raumeigenschaft fingiere.
Der BGH klärt mit der Entscheidung, dass § 3 Abs. 2 WEG a. F. nicht die Raumeigenschaft fingiert. Dies folge aus der Gesetzessystematik und der Gesetzgebungsgeschichte. Damit komme es entscheidend darauf an, ob Stellplätze als Räume zu qualifizieren seien. Dies sei nicht der Fall. Unter »Raum« im Sinne des WEG sei der lichte Raum in einem Gebäude vom Boden bis zur Decke zu verstehen. Diese Voraussetzung sei weder bei einem Mehrfachparker noch bei einem »Palettenparker« erfüllt. Das kann man so sehen. Was gilt dann bei Balkonen und Dachterrassen?
Die neue Rechtslage
Die bisherige Rechtslage wurde durch das WEMoGWohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) vom 16.10.2020 (BGBl. I S. 2187) geändert. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG gelten Stellplätze nunmehr als Räume. Damit kann auch an den einzelnen Stellplätzen in Mehrfachparkern SondereigentumSondereigentum, Mehrfachparker begründet werden. Stellplätze auf Parkpaletten sollen nach der jetzt vorliegenden Entscheidung jedenfalls dann sondereigentumsfähig sein, wenn ein bestimmter Palettenstellplatz zum alleinigen Gebrauch fest zugewiesen werde. Wie es sich bei einer automatisierten Parkvorrichtung verhalte, die mehreren Nutzern zugänglich sei und Stellplätze nach Verfügbarkeit vergebe, bedürfe allerdings keiner Entscheidung.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen die Rechtslage in Bezug auf MehrfachparkerMehrfachparker kennen. Diese ist kompliziert und hat sich mit dem WEMoG vom 16.10.2020 (BGBl. I S. 2187) geändert. Aber nicht für »Alt-Anlagen«. Hier gilt: Grundsätzlich ist, wenn überhaupt, nur der gesamte Mehrfachparker sondereigentumsfähig, nicht aber die Stellplätze.
DIGITALE EXTRAS
Checkliste: Zuordnung von Räumen und wesentlichen Gebäudebestandteilen
Zuordnung von Räumen: