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Was passiert, wenn auf einmal die Welt, in der man sich wohlgefühlt hat, aus den Fugen gerät?
Lisa lebt mit ihrer Großmutter auf dem Rosenhof und ist glücklich. Sie hat in jungen Jahren schon viel erlebt und genießt gerade deshalb dieses ruhige Dasein, weitab von Stress und Hektik. Doch dann gerät ihre sicher geglaubte Welt ins Wanken. Auf einmal tauchen Männer auf, die das Stück Land, ihr Zuhause, erwerben wollen, und das mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln.
Und zu allem Überfluss platzt auch noch Felix wieder in ihr Dasein. Ihn wollte sie nie wiedersehen. Vor neun Jahren hat er ihr Herz in tausend Scherben zersplittern lassen. Damals hat sie sich geschworen, für immer allein zu bleiben, weil sie so niemand mehr verletzen konnte. Nie mehr jemandem vertrauen! Aber da ist ein kleines Mädchen, Zoe, seine Tochter, die ihr Herz im Sturm eroberte.
Ob es der Vater des Kindes auch schafft, ihr Herz ein zweites Mal zu gewinnen?
Eine romantische, idyllische und gefühlvolle Geschichte mit einer Brise Humor, Spannung und ganz viel Liebe …
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Danielle A. Patricks
Über das Buch:
Was passiert, wenn auf einmal die Welt, in der man sich wohlgefühlt hat, aus den Fugen gerät?
Lisa lebt mit ihrer Großmutter auf dem Rosenhof und ist glücklich. Sie hat in jungen Jahren schon viel erlebt und genießt gerade deshalb dieses ruhige Dasein, weitab von Stress und Hektik. Doch dann gerät ihre sicher geglaubte Welt ins Wanken. Auf einmal tauchen Männer auf, die das Stück Land, ihr Zuhause, erwerben wollen, und das mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln.
Und zu allem Überfluss platzt auch noch Felix wieder in ihr Dasein. Ihn wollte sie nie wiedersehen. Vor neun Jahren hat er ihr Herz in tausend Scherben zersplittern lassen. Damals hat sie sich geschworen, für immer allein zu bleiben, weil sie so niemand mehr verletzen konnte. Nie mehr jemandem vertrauen! Aber da ist ein kleines Mädchen, Zoe, seine Tochter, die ihr Herz im Sturm eroberte.
Ob es der Vater des Kindes auch schafft, ihr Herz ein zweites Mal zu gewinnen?
Eine romantische, idyllische und gefühlvolle Geschichte mit einer Prise Humor, Spannung und ganz viel Liebe.
Die Autorin:
Danielle A. Patricks ist das Pseudonym einer aus Österreich stammenden Autorin. Ihre Liebesgeschichten sind Geschichten fürs Herz – eben Herzgeschichten. Beim Schreiben taucht sie in eine Parallelwelt ein. Die Finger wandern über die Tastatur, Worte fliegen wie von Zauberhand auf den Bildschirm, Charaktere, Menschen mit Fehlern und Vorzügen betreten die fiktive Leinwand …
Sie selbst bezeichnet sich als absoluten Familienmenschen und liebt die Ruhe. Mit Ihrem Mann und diversen Haustieren lebt sie in der Weststeiermark.
Danielle A. Patricks
Liebesroman
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die
Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
März © 2023 Empire-Verlag OG
Lofer 416, 5090 Lofer
Lektorat: Rebekka Maria Peckary
https://www.federnote.at/lektorat-korrektorat/
Korrektorat: Heidemarie Rabe
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur
mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Cover: Chris Gilcher
http://buchcoverdesign.de/
Illustrationen: Adobe Stock ID 148958916, Adobe Stock ID 202148465, Adobe Stock ID 133974478, Adobe Stock ID 562937377, Adobe Stock ID 301943034, Adobe Stock ID 189957528, Adobe Stock ID 313560871 und freepik.com.
1. Kapitel
Das schrille Weckerläuten riss sie aus ihren Träumen. Lisa drückte es weg. Im Zimmer war es noch dunkel. Trotzdem hieß es aufstehen. Ihre geliebten Tiere warteten aufs Futter. Sie hüpfte aus dem Bett. Vom winzigen Fenster ihres Zimmers zog sie die Vorhänge zur Seite. Über dem Stoderzinken stieg langsam der rote Sonnenball empor und versprach einen angenehm warmen Tag. Lisa streifte sich einen Pullover über und schlüpfte in den grauen Overall, den sie immer für die Stallarbeit trug. Gut gelaunt lief sie die Holztreppe hinunter. Morgenmuffel sahen anders aus.
Die Tür zur Stube stand offen und herrlicher Kaffeeduft kitzelte ihre Nase. Auch der Geruch von frisch gebackenem Brot breitete sich aus. Lisa lief das Wasser im Mund zusammen. Ihre Großmutter bereitete das Frühstück für ihre Pensionsgäste zu.
»Guten Morgen, Omi, bin dann im Stall«, grüßte sie durch die Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie ins Freie und sog die frische, noch kühle Morgenluft tief in ihre Lunge. Bevor Lisa sich selbst ein Frühstück genehmigte, versorgte sie jeden Tag zuerst ihre Schützlinge. Dazu zählten fünf Pferde, drei Ponys, drei Ziegen, acht Schafe, sechs Alpakas, einige Hühner und Enten sowie sieben Katzen. Früher hatte ihre Großmutter, Rosa Weigant, die Landwirtschaft alleine geführt und zusätzlich Gästezimmer vermietet. Mittlerweile hatte Lisa allerdings den Hof übernommen und Großmutter ließ ihr freie Hand, was sie damit machte. Die Gästepension betrieb ihre Großmutter weiter, weil Urlaub auf dem Bauernhof boomte und sie die Menschen mochte. Das Ferienparadies Rosenhof war ihr ganzer Stolz und ihr Leben. Am östlichen Rand von Aich, einem winzigen Ort in der Schladming-Dachstein-Region in der Steiermark gelegen, war es ein beinahe unsichtbarer Punkt auf der Landkarte und ohne Bedeutung. Knapp über tausend Einwohner zählte er. Die beiden Frauen führten ein bescheidenes, aber glückliches Leben. Für Lisa war es wichtig, dass sie bei ihrer geliebten Großmutter sein konnte. Sie wünschte sich, dass sie noch lange lebte, und mochte sich gar nicht ausmalen, wie es sein würde, wenn ihre Großmutter eines Tages das irdische Leben mit dem im Himmel tauschte. Rasch schüttelte Lisa diese düsteren Gedanken beiseite und beeilte sich, zu ihren geliebten Tieren in den Stall zu kommen.
Ziegen und Schafe gehörten schon immer zum Rosenhof, um die steilen Hänge abzugrasen. Die Pferde Granny und Holly hatte Lisa von einem Gestüt erstanden, auf dem sie vor Jahren die Ausbildung zur Reitlehrerin absolviert hatte. Als Reitpferde waren sie zu alt gewesen und sollten an einen Schlachthof verkauft werden. Da entstand zum ersten Mal die Idee, einen Gnadenhof für Tiere zu errichten. Es kostete Lisa beinahe den gesamten Verdienst, die Pferde zu retten. Wallach Sami und die sanfte Betty, beide Haflinger, hatte Lisa vor drei Jahren gekauft, weil ihre Besitzer in die Stadt gezogen waren. Wallach Aric, ein stattlicher Trakehner und ausgebildetes Reitpferd, hatte sie schon vor zehn Jahren von ihrer Großmutter als Willkommensgeschenk erhalten. Lisas Mutter hatte sich vor zwölf Jahren in einen Franzosen verliebt und war ihm nach Frankreich gefolgt, wo sie ein neues gemeinsames Leben begonnen hatten. Lisa, damals fünfzehn Jahre alt, musste ihre Mutter begleiten. Allerdings hielt sie es in Frankreich nicht aus. Weder verstand sie sich mit dem Stiefvater noch gefiel ihr die Gegend. Zu sehr sehnte sie sich nach dem Rosenhof und zog mit siebzehn wieder zu ihrer Großmutter zurück.
»Guten Morgen, meine Lieben«, trällerte Lisa vergnügt in den Stall, nachdem sie die schwere Holzschiebetür zur Seite gewuchtet hatte. Sie musste grinsen, weil sie laut mit den Tieren sprach. Zu ihrer großen Freude erhielt sie auch noch Antwort. Mäh, mäh, kam es von der einen Ecke, wihaha, wihaha, aus der anderen, wobei Lisa nicht festzustellen vermochte, ob das Gewieher von den Ponys oder den Pferden stammte.
Obwohl die Tiere jederzeit nach draußen gehen konnten, warteten sie morgens geduldig, bis Lisa in den Stall kam. Sie füllte in die Futtertröge ein spezielles Mehl, für die Schafe hängte sie an einem Holzbrett der Zwischenwand salzige Lecksteine auf, trockenes Heu wurde für ihre Lieblinge in den Futterkrippen bereitgestellt. Obwohl es auf der Weide bereits saftiges Gras und frisches Wasser gab, wurde in den Trögen nachgefüllt.
Bei den Pferden begrüßte sie jedes einzelne namentlich und mit Streicheleinheiten. »Sami, mein alter Junge, hallo! Aric, na, auch schon munter? Und wie geht es den Damen? Holly, Betty und Granny?« Lisa kraulte sie hinter den Ohren und fuhr sanft mit der flachen Handfläche über die weichen Nüstern. Ungeduldig drängten sich die Ponys dazwischen. »Na, na, nicht so stürmisch, ihr drei«, schimpfte Lisa sie liebevoll. »Alma, Feima und Bakur, hier, ihr bekommt doch auch schon euer Frühstück.« Sie liebkoste die Ponys, die zwar kleiner als ihre Artgenossen waren, ihnen jedoch einiges an Temperament voraushatten. Der Amtstierarzt hatte die Ponys vor zwei Jahren, in einem verwahrlosten Zustand, einem Bauern in der Umgebung abgenommen und hierhergebracht.
Die nächste Station führte sie zu den Alpakas. Sie streckten ihre Hälse weit nach oben und beobachteten neugierig mit ihren dunklen Kugelaugen das Geschehen rund um sie. Weil die betagte Frieda ins Altersheim gezogen war und ihre Kinder die Alpakas nicht mehr halten wollten, landeten auch sie eines Tages am Rosenhof. Lisa liebte sie. Und obwohl Alpakas von Natur aus scheue Tiere sind, gewöhnten sie sich von Tag zu Tag besser ein.
»Meine Süßen, wie geht es euch? Seid ihr gar nicht auf der Weide? Schaut mal, was ich euch mitgebracht habe.« Sie griff in die Seitentasche des Overalls und zog spezielle Leckerlis aus gepresstem Heu heraus, die sie eigens für die empfindlichen Tiere noch schnell aus der Vorratskammer geholt hatte. Vorsichtig schnupperte Greta daran, bevor sie davon knabberte. Erst dann drängten sich die anderen ans Holzgatter und holten sich ihre Belohnung. Greta war die Älteste unter ihnen und anscheinend die Anführerin der Herde. Zumindest beobachtete Lisa dies. Dass Alpakas, ebenso wie ihre Artgenossen, die Lamas, spuckten, hatte Lisa anfangs einige Male zu spüren bekommen. Dies war passiert, weil die Tiere durch den Ortswechsel völlig verängstigt gewesen waren und wohl nicht verstanden hatten, warum sie nicht mehr bei Frieda sein durften. Zumindest hatte der Tierarzt Max Lorenz es Lisa so erklärt. Mittlerweile fühlten sich die Alpakas hier wohl und genossen sogar die gemeinsamen Wanderungen mit den Gästen des Rosenhofs, die Lisa anbot.
Eine gute Stunde brauchte Lisa, um die Tiere zu versorgen und frische Einstreu anzubringen. Als sie aus dem Stall kam, klopfte sie sich den Staub vom Overall, den sie über der Kleidung trug. Bevor sie ins Haus ging, zog sie ihn und die Gummischuhe aus und deponierte alles in der Sattelkammer neben der Scheune.
Sie huschte ins Bad und gönnte sich die morgendliche Dusche. Erst dann schlüpfte sie in bequeme Jeans, ein frisches T-Shirt und begab sich zu Omi in die Stube. Hier duftete es bereits lecker nach frisch gebackenem Brot, das ihre Großmutter kurz zuvor aus dem Backofen geholt hatte.
Lisa setzte sich an den Tisch. »Hm, das riecht ja wieder köstlich. Ich verstehe nicht, warum bei dir das Brot viel besser schmeckt. Wenn ich eines backe, riecht es nie so gut.«
»Aber, aber, was sollte ich schon anders machen als du?« Rosa setzte ihr verschmitztes Lächeln auf, das Lisa besonders an ihrer Omi liebte. Lachfältchen kringelten sich dann um ihre Augenpartie, die Wangen färbten sich dunkelrot und das Gesicht wirkte, als sei es gerade eben einem Zeichenbrett eines Karikaturisten entsprungen.
»Omi, du brauchst gar nicht so unschuldig zu tun. Natürlich verheimlichst du mir, was du noch in den Brotteig mischst.« Lisa schnitt von dem Laib eine dicke Scheibe ab und kostete vom warmen Stück. »Hm, lecker!« Sie kaute, schluckte und leckte sich genüsslich über die Lippen. Dann bestrich sie das restliche Stück mit Butter und der Kirschenmarmelade, die Omi selbst eingekocht hatte. Nun setzte sich ihre Großmutter an den Tisch.
»Während du im Stall warst, hat mich Dr. Lorenz angerufen. Sie haben wieder einen Notfall«, erzählte Rosa, während sie sich ebenfalls ein Stück vom Brotlaib abschnitt. »Er hat gefragt, ob du noch zwei Esel aufnehmen würdest. Er würde sie später bringen.«
Lisa aß zuerst fertig und nahm einen Schluck Kaffee.
»Ja, natürlich nehme ich die Tiere. Hat er gesagt, wann er kommt?«
»Du sollst ihn kurz zurückrufen, damit ihr alles besprechen könnt.«
»Okay, aber zuerst frühstücken wir«, entschied Lisa und nahm einen kräftigen Biss von ihrem Stück.
Zwei Stunden später fuhr der Geländewagen von Dr. Lorenz samt Tieranhänger am Rosenhof vor und stellte das Fahrzeug vor dem Stallgebäude ab. Lisa kam gerade aus dem Haus, als sie zwei Männer aussteigen sah. Dr. Lorenz war ihr ja bekannt. Aber wen hatte er mit? Sie brauchte nicht lange auf die Antwort zu warten. Beinahe verfiel sie in eine Schockstarre, als Dr. Lorenz’ Begleiter das Auto umrundet hatte und auf sie zusteuerte. Felix! Am liebsten wäre sie davongelaufen. Dafür war es allerdings zu spät, denn die beiden Männer standen mittlerweile unmittelbar vor ihr.
»Hallo, Lisa, darf ich dir meinen Sohn vorstellen? Felix, er ist ebenfalls Tierarzt und wird in Zukunft meine Praxis übernehmen.«
Lisa spürte, wie ihre Hände zu zittern und schwitzen begannen. Sie erinnerte sich, dass ihre Affäre, wie Felix es damals so charmant ausgedrückt hatte, geheim bleiben musste. Sein netter Vater wusste ja nichts von ihnen. Nun ja, von ihrem Sommerflirt. Sie hatte sich damals, vor neun Jahren, unsterblich in Felix verliebt. Mit seinen ein Meter fünfundachtzig, den dunklen Locken und den stahlblauen Augen war er der Schwarm aller Mädchen gewesen. Und jetzt, wo er vor ihr stand, musste sie feststellen, dass er noch fescher geworden war, männlicher. Gereifter. In ihrem Bauch kribbelte es verdächtig. Vehement ignorierte sie es.
»Mein Vater hat mir schon viel von dir erzählt«, begann Felix.
»So, hat er? Ich hoffe, nur Gutes! Wo sind denn nun die Esel?« Lisa richtete die Frage an Dr. Lorenz senior und versuchte, Felix so gut wie möglich die kalte Schulter zu zeigen. Welche Farce spielte er hier? Vor neun Jahren hatte er ihr Herz gebrochen! Hatte er überhaupt eine Ahnung davon? Nein, vermutlich nicht! Lisa schluckte und eilte zum Tieranhänger. Sie achtete nicht darauf, ob ihr die Männer folgten. Erst als sie ihr halfen, das Gefährt zu öffnen, registrierte Lisa sie. Felix kletterte auf den Hänger und band ein Tier los, das er zur Rampe führte, wo Dr. Lorenz es in Empfang nahm.
»Wohin soll ich ihn bringen?«
Lisa griff sich gedankenverloren an den Kopf.
»Komm mit.« Sie lief voraus und öffnete eine Tür, die in ein separates Abteil führte. »Sie kommen vorerst in Quarantäne, bevor ich sie zu den anderen lasse.«
»Gute Entscheidung«, erwiderte Dr. Lorenz. »Wobei die beiden es überall schöner haben als dort, wo sie herkommen.« Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn, wodurch er schmutzige Schlieren darauf hinterließ.
»So schlimm?« Lisa strich dem Tier über den Rücken, der tatsächlich verdreckt und verklebt war.
Jetzt führte Felix den zweiten Neuankömmling in die Box.
»Dass Esel stur sein können, habe ich schon gehört, aber der hier ist schier Meister darin. Nicht wahr, mein Guter?« Er klopfte ihm sanft auf den Rücken, worauf aus seinem Fell eine dichte Staubwolke aufstieg. Felix hustete.
»Lisa, danke, dass du sie aufnimmst. Ich komme morgen noch einmal und schau nach ihnen. Jetzt müssen wir aber noch zum Rexeishof, eine Stute hat sich verletzt«, erklärte Dr. Lorenz. »Tschau, Lisa! Kommst du, Felix?«
»Ja! Tschüss, Lisa. Man sieht sich.«
Lisa sah den beiden hinterher und äffte Felix nach: »Man sieht sich.« Der soll bleiben, wo der Pfeffer wächst! Halleluja! Ihn will ich am allerwenigsten wiedersehen! Sie blies die angestaute Luft aus. Dann klopfte sie sich den Staub aus der Jeans.
»Wo sind denn die Neuen?«, fragte ihre Oma plötzlich hinter ihr. Sie lugte in den Schuppen.
»Ja mei, wie seht ihr denn aus? Ihr benötigt dringend eine Dusche und eine Totalreinigung, wie mir scheint.« Sie wandte sich an Lisa. »Soll ich den Schlauch holen, damit wir sie waschen können?«
»Ich denke, sie müssen sich erst beruhigen. Sie wirken sehr aufgeregt, findest du nicht auch? Außerdem kommt in einer Viertelstunde Sarah mit ihrer Kindergartengruppe hierher. Sie unternehmen heute einen Wandertag und machen bei uns Stopp. Die Kleinen wollen unbedingt die Tiere streicheln. Ich hole nur noch schnell Wasser und Heu, damit die Esel vorerst versorgt sind. Waschen und das Fell säubern machen wir später, vielleicht überhaupt erst morgen. Was machen unsere Urlauber?«
»Die unternehmen einen Ausflug auf den Dachstein und wollen erst am Abend zurückkommen. Heute passt das Wetter. Das Heu hol ich«, sagte ihre Großmutter. Sie ging zum Heuschober, während Lisa zwei Kübel mit Wasser füllte.
Kurz darauf hörte sie auch schon die Kinder und ihre Freundin Sarah den Hügel herauf singen. Sarah war im Ort die Kindergartenpädagogin und ihre beste Freundin. Lisa konnte ihr die allergrößten Geheimnisse anvertrauen, ohne befürchten zu müssen, dass Sarah etwas davon ausplauderte.
Die Gruppe steuerte geradewegs auf sie zu. Sarah winkte ihr fröhlich zu. An der einen Hand führte sie ein dunkelhaariges Mädchen, deren Locken ihr zierliches Gesicht umspielten.
»Servus«, grüßte Sarah. »Sagt Hallo zu Lisa«, forderte sie die Kinder auf.
»Hallo«, hallte es im Chor.
Betty, Sarahs Helferin, folgte mit zwei weiteren Kindern nach. Sie schnauften recht. »Hallo«, grüßten sie ebenso.
»Hallo, na, seid ihr schon auf die Tiere neugierig oder wollt ihr euch zuerst ausruhen und vom Spaziergang erholen?«
»Die Tiere sehen«, kam es wie aus einem Mund. Nur das Mädchen an Sarahs Hand wirkte schüchtern. Daher beugte sich Lisa zu ihr hinab.
»Wie heißt du?«
»Das ist Zoe, sie ist erst seit drei Tagen bei uns im Hort«, antwortete Sarah anstatt des Mädchens. »Sie ist noch in der Eingewöhnungszeit, aber es wird schon.«
Lisa verwirrte Zoes Aussehen, vor allem ihre großen stahlblauen Augen. In solche Augen hatte sie erst vor Kurzem gesehen. Wie konnte es gehen, dass es eine derartige Ähnlichkeit gab? Ob es Zufall war? Dann schalt sie sich wegen solcher dummen Gedanken und nahm ein Mädchen, das am nächsten bei ihr stand, an der Hand. »Na dann, los, auf zu den Tieren.« Das brauchte sie keine zweimal zu sagen. Freudig stürmten die Kinder hinter ihr her.
Zuerst führte sie die Kinderschar zu den Alpakas, die gemütlich auf der Weide grasten. Sie ließen sich durch die Zuschauer nicht stören. Die nächste Station waren die Ponys. Die kamen sogar an den Zaun und genossen die Streicheleinheiten durch die kleinen Hände. Lisa hatte Karotten bereitgestellt, damit die Kinder sie füttern konnten. Sogar Zoe streckte ihre Hand aus und ließ die Finger im Fell eintauchen.
Sarah stellte sich nah an Lisa. »Zoe ist ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, findest du nicht?«, flüsterte sie.
Verwirrt drehte sich Lisa zu ihrer Freundin.
»Ihrem Vater? Was meinst du?«
»Sag, du weißt es noch nicht?«
»Was soll ich wissen? Jetzt red schon!«
»Zoes Vater ist kein Geringerer als Felix Lorenz, der Sohn von Dr. Lorenz. Er wohnt seit zwei Wochen wieder hier.«
Lisa blieb der Mund offen. »Die Tochter von Felix?« Sie konnte es nicht fassen. Daher diese verdammte Ähnlichkeit und diese Augen.
»Er war heute hier«, flüsterte sie ebenso. »Mit seinem Vater. Sie haben mir zwei Esel gebracht, die vom Besitzer schlecht behandelt wurden.«
»Wow! Und?«
»Nichts und! Hör zu, du weißt, dass das von damals, zwischen ihm und mir, niemand, hörst du, überhaupt niemand weiß. Und es darf auch nie jemand davon erfahren. Bitte versprich mir, es für dich zu behalten.«
»Natürlich. Ich bin einfach neugierig, was er gesagt hat oder wie er sich verhalten hat.«
»Boah, so, als wären wir Fremde. Sein Vater hat uns offiziell vorgestellt und der Blödmann hat keine Miene verzogen. Er tat genauso, als hätten wir uns das erste Mal gesehen.« Irgendwie vermochte Lisa die Enttäuschung nicht ganz verbergen. Aber bei Sarah war es auch nicht erforderlich.
»Wie alt sind denn die Ponys?«, fragte ein Bub und unterbrach die Unterhaltung.
»Hier, das Gescheckte ist Alma, die ist dreizehn Jahre alt, und die beiden anderen sind Feima und Bakur, ihre Kinder, mit sieben Jahren. Sie sind unzertrennlich.«
»Ich hab keine Mama mehr. Sie ist im Himmel«, sagte ein leises Stimmchen neben Lisa. Zoe lehnte am Zaun. Ihre Hand lag auf Almas Mähne. Eine schwere Traurigkeit lag auf dem zierlichen Gesicht des Mädchens. Plötzlich schnürte es Lisa das Herz zu und sie vermochte kaum noch zu atmen. Sie hockte sich neben Zoe und zog sie in die Arme. Lisa brachte kein Wort heraus. Sie blickte zu Sarah hoch. Ihre Freundin nickte zur Bestätigung.
»Felix hat erzählt, dass Zoes Mama vor drei Monaten ihrem schweren Krebsleiden erlegen ist. Und da auch die Großeltern nicht mehr leben, hat das Jugendamt ihn ausgeforscht. So wie er es erzählt hat, hatte er nicht gewusst, dass er eine Tochter hat. Die beiden haben sich erst vor vierzehn Tagen kennengelernt. Davor war Zoe bei einer Pflegefamilie untergebracht.«
»O mein Gott! Das ist ja fürchterlich! Du Arme!« Lisa hielt das Mädchen fest in ihren Armen und drückte sie an ihre Brust.
»Dafür habe ich jetzt einen Papa und er hat gesagt, dass meine Mama immer bei mir ist und mich vom Himmel aus beschützt.«
»Das stimmt. Und du hast jetzt auch Großeltern und ganz viele Freunde. Ich bin auch deine Freundin und wenn du magst, kannst du immer zu mir kommen.« Erst als die Worte bereits ihren Mund verlassen hatten, wurde Lisa bewusst, was sie dem Mädchen soeben versprochen hatte.
2. Kapitel
»Zoe, Mama, hallo, wir sind zu Hause«, rief Felix. Sein Vater und er kamen von den Hausbesuchen zurück. Für ihn war es ein komplett neues Gefühl, zu wissen, dass ein kleiner Mensch auf ihn wartete, für den er die Verantwortung trug, und das nicht etwa für ein paar Tage, nein, für immer. Vor zweieinhalb Wochen hatte ihn seine Vergangenheit eingeholt. Ein eingeschriebener Brief hatte in seinem Postfach gelegen. Und als er zu lesen begonnen hatte, hatte er sich erst einmal hinsetzen müssen.
Sehr geehrter Herr Dr. Lorenz,
wir müssen Sie darüber in Kenntnis setzen, dass Sie lt. Testament der verstorbenen Anne Klobert der Vater von Zoe Klobert sind. Es war der ausdrückliche Wunsch, dass Sie nach ihrem Ableben das alleinige Sorgerecht für Ihre gemeinsame Tochter erhalten.
Sie werden gebeten, so rasch wie möglich mit uns Kontakt aufzunehmen und alle Formalitäten zu erledigen.
Ihre Tochter ist derzeit bei einer Krisenfamilie untergebracht …
Ihm war das Blatt mit dieser Nachricht, die sein Leben von einer Sekunde auf die andere auf den Kopf gestellt hatte, aus den Händen gefallen. Mit hängendem Kopf hatte er dagesessen. Seine Gehirnwindungen spielten Roulette. Noch jetzt lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken, wenn er daran zurückdachte. Fest entschlossen war er zum vereinbarten Termin gefahren, um dort klarzustellen, dass er keine Tochter hätte und das alles wohl ein übler Scherz sei. Doch als er der Familienbetreuerin des Jugendamtes und einem kleinen Mädchen gegenüberstand, versagten ihm die Worte. Sein Mund blieb offen, ohne eine Silbe, einen Laut zu geben. Die Kleine hatte seine Augen – sowohl die Form als auch diese seltene Farbe. Sie hatte wohl auch seine wilde Lockenpracht geerbt. Kein Zweifel! Er brauchte keinen Bluttest. Sie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Und ihr Blick wirkte verloren. Verängstigt. Eingeschüchtert. Sein Herz schlug Purzelbäume! Er war von jetzt auf gleich Vater! Vater eines bezaubernden kleinen Mädchens.
Sein Blick fiel auf den Koffer, der neben dem klobigen Schreibtisch auf dem Boden stand. Die Dame vom Jugendamt dürfte dies wohl bemerkt haben.
»Das ist das Notwendigste, das Zoe im Moment benötigt. Weitere Kisten mit ihren persönlichen Sachen, wie Dokumente, Fotos, Kleidung und Spielsachen befinden sich in einem angemieteten Depot. Hier sind die Adresse und die Bestätigung für die Abholung.«
Felix nickte und streckte automatisch die Hand aus, um die Zettel entgegenzunehmen.
»Ach ja, hier ist noch ein Brief an Sie persönlich gerichtet. Es war der Wunsch von Frau Klobert, dass Sie ihn hier in unserem Beisein lesen.«
Unbeholfen blickte er sein Gegenüber an. Griff aber auch nach dem Kuvert.
»Sie können sich gerne dort drüben auf den Sessel setzen. Zoe hilft mir sicherlich in der Zwischenzeit, meine Lieblingsblume zu gießen. Nicht wahr, Zoe?«
Ein kaum merkliches, zaghaftes Nicken kam als Reaktion. Die Dame nahm Zoe an der Hand und verließ gemeinsam mit dem Kind das Büro, wohl um Wasser zu holen, aber vor allem, um ihm die Zeit zu geben, die er fürs Lesen benötigte.
Erst jetzt atmete Felix die angestaute Luft aus. Atmen! Atmen!, befahl er sich selbst. Dann öffnete er das verschlossene Kuvert.
Seine Hände waren mittlerweile schweißnass. Er wischte sie an der Hose trocken.
Lieber Felix,
uns blieb leider nur eine einzige aufregende wunderschöne gemeinsame Nacht, die ich nie vergessen werde, bevor ich wieder nach Hause fahren musste. Der Aufenthalt in Wien war rundum ein Erlebnis und dass wir uns dort begegnet sind, war eine Fügung Gottes.
Wenn du diesen Brief liest, habe ich bereits die Brücke in ein anderes Dasein überschritten. Du kannst mir glauben, es fällt mir unglaublich schwer, das Liebste, was ich habe, hier auf Erden zurücklassen zu müssen. Zoe, unsere gemeinsame Tochter.
Leider haben wir damals keine Telefonnummern ausgetauscht, ich wusste nur deinen Namen, sonst nichts. Und als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, habe ich lange überlegt, ob ich dich ausforschen lassen soll, um dir die Nachricht mitzuteilen. Deine Worte, dass du dich sicher nie binden möchtest, weil dir deine Freiheit über alles geht, klangen ständig in meinen Ohren. Deshalb nahm ich davon Abstand. Leider hat das Leben bei meinem Plan, Zoe allein großzuziehen, dazwischengefunkt. Ich bin an einem sehr aggressiven Gebärmutterhalskrebs erkrankt und mir bleibt nicht mehr viel Zeit, um für meine Zoe zu organisieren, bei wem sie in Zukunft aufwachsen wird.
Ich bitte dich daher inständig, wenn du diese Zeilen liest, dir ein Herz zu nehmen, auf deine Freiheit zu verzichten und unserem Mädchen ein fürsorglicher Vater zu sein. Durch meine Krankheitsgeschichte ist Zoe bereits von mir so weit wie möglich darauf vorbereitet. Sie ist wirklich brav und ich hoffe sehr, wenn du sie kennenlernst, dass du sie in dein Herz schließt. So, wie ich dich seit unserer Nacht in meinem Herzen trage.
Bitte enttäusche uns, aber vor allem Zoe, nicht, die schon sehr neugierig auf ihren Papa ist.
i.L.
Anne Klobert
PS. Ich habe Zoe versprochen, dass die Urne mit meiner Asche in der Nähe ihres neuen Zuhauses beigesetzt wird. Pfarrer Friedvoll hat mir bei den Formalitäten geholfen und verwahrt die Urne, bis du sie gemeinsam mit Zoe abholst.
Als er schließlich mit dem Mädchen an der einen Hand und dem Koffer in der anderen den Gebäudekomplex verließ, packte ihn erstmals große Angst. Wie sollte er das alles heben? Was war als Nächstes zu tun? Endlose Hilflosigkeit überfiel ihn. Raubte ihm den Atem. Das Hirn setzte aus. Er hatte keine Ahnung von Kindern!
Nachdem er Zoe ins Auto gesetzt und den Koffer verstaut hatte, hatte er in seiner Verzweiflung seine Mutter angerufen …
Das Wasserrauschen und das fröhliche Lachen seiner Tochter holte ihn zurück ins Hier und Jetzt.
»Ich geh dann mal zu Zoe und Mutter ins Badezimmer«, sagte er zu seinem Vater, der soeben die Schuhe ausgezogen und in der Garderobe deponiert hatte.
»Mach das, ich hol mir zuerst ein Bier, dann schau ich auch nach meiner Enkelin. Ich mag unseren Familienzuwachs, auch wenn die Umstände bessere hätten sein können.«
Felix hörte die versteckte Kritik seines Vaters, erwiderte aber nichts. Er hatte ja nicht unrecht.
Als Felix das Badezimmer betrat, schlug ihm warme dunstige Luft entgegen. Das T-Shirt seiner Mutter Claudia war mit nassen Flecken übersät. Zoe planschte in der Badewanne, umgeben von verschiedenem Wasserspielzeug.
»Hallo, ihr zwei«, grüßte er und grinste sein Mädchen breit an. Nasse Haarsträhnen klebten an ihren roten Backen, als sie kurz zu ihm hochsah.
»Papa! Schau, Oma hat mir neue Spielsachen gekauft. Das ist voll lustig. Heute waren wir bei Lisa am Bauernhof und dort durften wir die Tiere füttern und streicheln. Fahren wir da zusammen mal hin? Lisa hat gesagt, sie ist jetzt auch meine Freundin und ich darf sie immer besuchen.«
»Welche Lisa?« Felix ahnte bereits, wen sein Mädchen meinte. Ein unbehagliches Gefühl kroch in ihm hoch.
»Vom Kindergarten aus waren sie wandern. Ziel war der Rosenhof. Lisa Weigant betreibt doch einen Gnadenhof und ihre Großmutter die Ferienpension«, erklärte seine Mutter.
»Was? Da haben Paps und ich heute zwei verwahrloste Esel zur Betreuung abgegeben. Wann wart ihr denn dort, Zoe?«
Die Kleine zuckte mit der Schulter. »Hm, zu Mittag.«
»Okay, da haben wir uns knapp verpasst. Ich muss morgen sowieso noch einmal zu Lisa fahren und die Esel untersuchen. Wenn du magst, hole ich dich vom Kindergarten früher ab und nehme dich mit.«
»O ja, bitte, bitte, das ist cool.« Zoe strahlte ihn an und brachte sein Herz zum Schwingen. »Lisa hat gaaaanz vieeele kleine Kätzchen. Die sind soooo süß. Papa, darf ich ein Kätzchen haben? Ich würde ganz toll darauf aufpassen.« Zoe schmiegte sich an ihn und himmelte ihn mit ihren großen Augen an, als er sich an den Rand der Wanne setzte.
»Boah, da müssen wir aber auch Oma und Opa fragen, was sie davon halten.«
Felix freute es, dass sich seine Tochter so problemlos, bereits nach so kurzer Zeit, bei ihnen eingelebt hatte. Das war wohl auch seinen Eltern und da vor allem seiner Mutter zu verdanken. Als er damals bei ihnen angerufen und mitgeteilt hatte, dass er unerwartet Vater geworden war, war sie es, die sofort meinte, er muss mit seiner Tochter wieder nach Hause ziehen. Allein würde er, weil doch total unerfahren, diese Situation wohl nicht meistern können. Dankbar hatte er das Angebot angenommen. Seinen Job in der Tierklinik Sonnenhof in Wien hatte er gekündigt. Jetzt verbrauchte er gerade die letzte Urlaubswoche. Danach würde er bei seinem Vater in die Praxis einsteigen.
Und Zoe? Sie hatte das Herz ihrer Großeltern im Sturm erobert, genau wie seines. Anne hatte wirklich gute Vorarbeit geleistet. Wahnsinn! Zoe sprach und erzählte oft von ihr. Manchmal, vor allem im Schlaf, weinte sie trotzdem. Felix nahm sie dann in die Arme und versuchte, sie zu trösten. Obwohl sie ihre Mama sehr vermisste, lebte sie sich hier rasch ein. War sie ihm anfangs total schüchtern und still vorgekommen, wurde sie von Tag zu Tag lockerer und gesprächiger. Das abendliche Baden vor dem Schlafengehen gehörte schon zum Ritual. Es freute ihn auch, dass sie gerne den Kindergarten besuchte. Seine Mutter arbeitete ja noch in der Praxis mit und es wäre nicht einfach gewesen, Zoes Betreuung den ganzen Tag zu übernehmen, wenn die Kleine nicht in die Kita gegangen wäre. Die erste Woche war er die meiste Zeit bei ihr geblieben, einfach, um ihnen die Chance zu geben, sich besser kennenzulernen. Er war auch gemeinsam mit ihr zu diesem Depot gefahren, wo ihre restlichen Sachen verstaut gewesen waren. Und zu diesem Pfarrer, von dem Anne geschrieben hatte. Ohne Probleme überreichte er ihm die Urne von Anne, die er mit gemischten Gefühlen entgegennahm. Wieder zu Hause wünschte sich Zoe, dass die Urne in ihrem Zimmer aufgestellt wurde. Man gewährte es ihr, mit dem abgerungenen Versprechen, solange, bis die Urne am örtlichen Friedhof beigesetzt werden würde. Dann hatte sich Zoe vor eine Schachtel gesetzt, das Klebeband heruntergezogen, um sie zu öffnen. Drinnen befanden sich Stofftiere. Sie zog ein kleines Äffchen heraus und drückte es an die Brust. Dann strahlte sie zu Felix hoch.
»Ich habe meine Tiere vermisst«, gestand sie.
Felix schnürte es die Kehle zu. Er schluckte und beugte sich zu ihr hinunter. Er streichelte über ihre weichen Locken.
»Gut, dass du sie nun wieder hast. Komm, wir tragen sie in dein Zimmer hoch.« Als er dann auch die anderen Boxen öffnete, kamen sehr viele Erinnerungen zu Tage, darunter sämtliche Kinderalben und Fotos, die Anne gemacht hatte. Zoes Dokumente waren sorgfältig in einer Mappe verstaut worden. Felix fand von Anne noch einen weiteren Brief, in dem sie ihm beschrieb, was Zoe liebte, was sie gerne aß, wovor sie sich fürchtete und was sie beide noch gerne alles unternommen hätten, was die Krankheit leider nicht mehr zuließ. Er hatte lange wach gelegen und bereute die versäumte Zeit mit Anne zutiefst. Am meisten erschütterte ihn, dass er diese Frau gänzlich vergessen hatte, nicht einmal an ihr Aussehen erinnerte er sich. Daher begann er mitten in der Nacht, die Fotoalben durchzublättern, bis er ein Foto von ihr entdeckte. Ihr Gesicht darauf wirkte unnatürlich. Lange starrte er das Bild an. Jedoch kam keine Erinnerung. Für ihn war sie wohl schon damals ein bedeutungsloses Techtelmechtel gewesen, eine von vielen. So wie Lisa, schoss es ihm durch den Kopf. Plötzlich schämte er sich. Natürlich hatte er seinen Bettgeschichten klar gemacht, dass es keine gemeinsame Zukunft geben wird, aber trotzdem dürfte er wohl das eine oder andere Frauenherz verletzt haben.
Nun lebte er wieder zu Hause. Es war ein seltsames Gefühl gewesen, wieder in sein altes Zimmer einzuziehen. In Wien hatte er eine kleine Wohnung gehabt. Auch diese hatte er bereits gekündigt. Mittels einer Umzugsfirma wurde sein Hab und Gut rasch und problemlos überstellt. Sein Zimmer war noch mit ungeöffneten Schachteln vollgestopft, die Möbel hatte er dort lassen können. Zum Glück. Er musste sich erst an die neue Situation gewöhnen. Das Haus seiner Eltern, wo auch die Praxis untergebracht war, war ausreichend groß und bot genügend Platz für alle. Zoe hatte das Gästezimmer bekommen, das direkt neben seinem lag. Es war zwar nett eingerichtet, aber natürlich brauchte Zoe kein Doppelbett und keinen großen Kleiderschrank. Deshalb waren sie bereits gemeinsam in einem Möbelgeschäft gewesen, um ein Kinderzimmer auszusuchen. Es dauerte jetzt eben noch ein paar Wochen, bis es geliefert wurde.
»Papa, hast du heute viele Tiere geheilt?« Große, neugierige Kinderaugen blickten ihn an.
»Ein paar Tieren konnten wir helfen, ja. Sag, magst du nicht aus dem Wasser steigen? Dir wachsen sicherlich schon Schwimmhäute zwischen deinen Fingern und Zehen. Lass mal schauen«, neckte er sie.
Zoe lachte. »Nein, Papa, mir wachsen doch keine Schwimmhäute, ich bin doch kein Frosch. Schau mal«, sie streckte ihm die Hände entgegen.
»Ein bisschen kann sie schon noch in der Wanne bleiben«, meinte seine Mutter. »Ich richte in der Zwischenzeit das Abendessen und wenn ich damit fertig bin, komme ich und helfe euch beim Anziehen.«
»O ja, super«, jubelte Zoe und fischte sich ein Plastikboot aus dem warmen Wasser.
Felix nahm die Wasserente, um Zoe damit anzuspritzen. Zoe ließ sich das nicht gefallen und bald darauf waren auch sein Hemd und die Hose nass. Vor lauter Lachen hatten sie nicht einmal bemerkt, wie Claudia ins Bad gekommen war.
»Na hallo, wie sieht es denn da aus?«, tat sie entrüstet, konnte sich jedoch anscheinend das Lachen auch nicht verkneifen. »Da habe ich ja die beiden Richtigen allein hier verlassen.«
»Ui, ich glaube, Oma schimpft mit uns«, flüsterte Felix mit einem Augenzwinkern. »Komm, jetzt aber schnell, es ist Zeit fürs Essen. Ich habe schon einen Bärenhunger und du?«
»Ja, ich auch«, meinte Zoe nun und ließ sich ohne Gezeter aus der Wanne heben und von ihrer Oma abtrocknen. Felix eilte derweil in sein Zimmer, um sich trockene Kleidung überzustreifen.
Zum Abendbrot gab es Bratwürste und zum Dessert Pfannkuchen, weil Zoe diese über alles liebte.
»Darf ich heute wieder bei dir schlafen, Papa? Allein fürchte ich mich. Früher habe ich mich immer ganz fest an Mama gedrückt, da hab ich dann gar keine Angst gehabt und keine bösen Träume.« Bettelnde Kinderaugen guckten ihn groß an.
»Schätzchen, du darfst immer bei mir schlafen und du brauchst keine Angst haben. Ehrlich. Du musst mir und Oma und Opa einfach erzählen, was Mama alles gemacht hat, und was du vermisst, damit wir das auch tun können.« Wie so oft in letzter Zeit bildete sich ein Kloß in seinem Hals. Sie war so ein kleines tapferes Mädchen, nur zu gerne hätte er seiner Tochter ihre geliebte Mama wiedergegeben. Aber das Leben spielte hier ein sehr grausames Spiel. Er war aufgestanden und hielt die Arme ausgebreitet. Zoe verstand es auf Anhieb. Sie stand auch auf und lief zu ihm. Mit Schwung hob er sie hoch in die Luft und wirbelte sie herum.
»So, und jetzt sag Gute Nacht zu Oma und Opa. Dann lese ich dir noch eine Geschichte vor.« Felix drückte sein Mädchen fest an seine Brust. Sie kicherte.
»Gute Nacht, Oma, gute Nacht, Opa«, trällerte sie, so laut sie konnte.
Niemals hätte sich Felix gedacht, dass er einmal sein Bett mit einem Kind statt mit einer Frau teilen würde. Und überraschenderweise störte es ihn nicht. Er genoss es sogar, wenn Zoe in seinen Armen einschlief oder sich in der Nacht dicht an ihn kuschelte, auch wenn ihm dadurch fürchterlich warm wurde. Das abendliche Vorlesen gehörte ebenfalls zum Ritual des Zubettgehens. Auch das hätte er sich niemals im Leben vorstellen können. Bis jetzt hatte er es sich immer einteilen können, um rechtzeitig hier zu sein und Zoe zu Bett zu bringen.
Als sein Mädchen eingeschlafen war, ging er in die Küche, wo seine Eltern in einem Fotoalbum blätterten. Seine Mutter blickte ihn über den Rand ihrer Lesebrille an.
»Hast du dir die Fotos schon angesehen?«
»Ja, alle. Wieso fragst du?«
»Weil ich einfach nicht verstehe, warum wir Anne und Zoe nicht kennenlernen durften! Anne scheint mir eine wunderbare Frau gewesen zu sein. Und hübsch war sie obendrein.«
Felix ließ sich auf den Stuhl neben ihr plumpsen. Er wischte sich mit den Händen über sein Gesicht.
»Mama, es tut mir leid. Ehrlich! Aber ich habe, bis ich Zoe abgeholt habe, nichts von ihrer Existenz gewusst. Das musst du mir glauben. Anne und ich haben uns in Wien in einer Disco kennengelernt. Wir haben die Nacht zusammen verbracht, weil wir uns sympathisch waren und weil es für uns beide passte. Am nächsten Tag ist sie mit ihren Freundinnen wieder nach Hause gefahren. Das war’s. Wir haben uns nie mehr gesehen. Ich war damals noch Student. Was Anne machte, weiß ich nicht, darüber haben wir nicht gesprochen. Für eine Beziehung wäre ich sowieso noch zu jung gewesen. Aber das habe ich ja bereits erzählt.«
Seine Erklärungen klangen sogar in seinen Ohren mau. Und er fühlte sich grottenschlecht. Albträume plagten ihn seit den letzten Tagen, dass er noch mehr uneheliche Kinder hatte, und deren Mütter standen plötzlich alle vor der Tür. Schweißgebadet wurde er dann jedes Mal munter.
»Es sind halt verlorene Jahre«, stöhnte seine Mutter und fuhr gedankenverloren über ein Babyfoto von Zoe. »Unser Mädchen hat nächste Woche Geburtstag. Fünf Jahre ist sie dann.«
»Ich weiß, Mama.«
»Sie hat doch gesagt, dass sie sich ein Kätzchen wünscht, eines von Lisa.«
»Jaaa?«
»Nun, wir«, sie blickte seinen Vater an, »haben beschlossen, dass es uns nichts ausmacht, wieder ein Tier ins Haus zu nehmen. Und dass wir Zoe den Wunsch gerne erfüllen möchten. Aber es wäre besser, gleich zwei Kätzchen zu nehmen, damit ihnen nicht langweilig wird, wenn wir mal nicht für sie Zeit haben.
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