Weites Land und raues Leben - Karl-Wilhelm Rosberg - E-Book

Weites Land und raues Leben E-Book

Karl-Wilhelm Rosberg

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Beschreibung

Texas ist Ende des 19. Jahrhunderts ein Land der ungeahnten Möglichkeiten. Eine Rancherfamilie betreibt in zweiter Generation die größte Ranch und Rinderzucht in Texas. Der ältere Sohn führt die Ranch weiter, der jüngere Sohn geht in die Politik und macht auch als Geschäftsmann mit Erdölförderung, Bauunternehmen und Automobilen eine märchenhafte Karriere. Alles geschieht gleichzeitig: Ranchbetrieb, Farmerkrieg, Viehdiebstahl, Entführungen, politische Intrigen und Geschäfte in einem sich entwickelnden Großkonzern. Ein packender Roman über eine aufsteigende Familiendynastie und eine Darstellung amerikanischer Frühgeschichte.

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Seitenzahl: 439

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Prolog

Personen

Weites Land zwischen Rio Grande und Pecos River

Was soll aus den Jungs werden?

Es gibt Ärger mit Viehdieben

Noch mehr Ärger

Die Herde holen wir uns wieder

Was haben sie über den Eisenbahnbau gehört?

Das kann ja wohl nicht wahr sein

Ihr werdet Chihuahua niemals erreichen

Warum habt ihr die Bagage nicht von unserem Land gejagt?

Wo soll die Eisenbahnstrecke denn nun gebaut werden?

Erwartet ihr etwa, dass ich die Kerle jetzt hier behalte?

Ich glaube, du hast heute einen Freund fürs Leben gefunden

Sie schickt der Himmel Pete Chandler

Großvater wird sich im Grabe umdrehen

Rodeo in Stockton

Dieses schöne Land gehört ganz sicher nicht uns

Ich glaube, dass du mit dem Angebot geködert wirst

Wenn ich keinen brauchbaren Vorschlag mache, holt mich vielleicht der Teufel

Pete wird jetzt ein völlig anderes Leben führen

Ihr verdammten Mörder, das werdet ihr bereuen

Haben sie mich deswegen zu ihrem Sekretär gemacht?

Zweitausend acre im Norden von Texas müsste doch reichen

Sie sind nicht allein, wir helfen ihnen

Wie schön doch dieses Land ist, unser Land

Ihr könnt euer armseliges Leben zumindest so lange retten, bis man euch aufknüpft

Da muss erst einmal jemand drauf kommen

Und was macht man mit dem Öl sonst noch?

Sie sollten als Abgeordneter für das Gebiet im Westen kandidieren

Die Vereinigten Staaten sind eine Demokratie und alles fängt mit eurer Stimme an

Der jährliche Viehtrieb eine Angelegenheit für harte Männer

Die Station wird Chandler Station heißen

Die Landschaft ist viel zu schön um hier zu arbeiten

Viel Öl, Mister Chandler, sie sitzen auf der Terrasse und werden ein reicher Mann

Ein Unwetter über der Herde

Habe ich noch Zeit mir ein Pferd zu holen?

Über den Brazos River

Das alles zusammen kann ich nicht leisten

Sucht euch woanders anständige Arbeit

Sue, möchtest du meine Frau werden?

Ihr solltet euch schämen, unserem jungen Abgeordneten ein solches Schauspiel zu bieten

Lassen sie ihr Abgeordnetenmandat ruhen und beantworten sie die Fragen der Untersuchungskommission

Habt ihr Cowpunscher es tatsächlich mit euren dreckigen Kühen bis Oklahoma geschafft

Wir müssen vor allen Dingen vorschlagen, wo die Armee Forts einrichten soll

Zum Glück wissen die nicht, dass wir Texaner sind. Dort muss jeder sein Gepäck selber tragen

Der Tag hat in Texas auch nur vierundzwanzig Stunden Mister Cavendish

Sie sind aber gläubige Männer und lesen aus der Bibel, wenn sie jemanden erschossen haben

Dort werden schon heute Entscheidungen auch über uns getroffen und niemanden interessiert es, ob wir das wollen

Da wird es bald sprudeln, Mister Chandler

Pete übernimmt so langsam die Führung der Familie, Rose. Wer hätte das gedacht?

Wenn wir das nicht machen, dann übernehmen das andere

Eine solche Hochzeit hat es in ganz Texas noch nicht gegeben

Nennt den Ort ganz einfach Chandler

Wir müssen uns nicht mehr den Hintern wund reiten, wenn wir an die Ostküste wollen

Dies ist die Stunde der Vernunft

Wie viele Firmen sind das dann?

Gehen sie davon aus, dass ich alles in guter Ordnung halte

Heute haben wir jedenfalls großes Glück gehabt

Na, Opa, wie gefällt dir das?

Kann es sein, das dein Hengst grinst?

Das ist hier wie eine Schlangengrube, da kann man niemandem trauen

Ich hätte auch nichts dagegen, wenn ein wenig Westernromantik dabei wäre

Ja, dann liegen sie da und ihr Pferd wundert sich

Der Sternenhimmel über Texas glitzert, wie selten und Texas entfaltet seine Wirkung

Diese Einflussnahme wird ein gefundenes Fressen für Gegner und Neider sein

Diese Spur führte eindeutig nach Mexiko

Das Beste, was Texas zurzeit zu bieten hat

Leider geht es ihren Neidern gar nicht um die Sache

Der Herr hätte ja auch statt seiner irgendeinen Strolch abberufen können

Der Teufel soll sie alle holen. Mich sieht da keiner wieder

Der Neid ist für anständige Menschen eine Auszeichnung, die er sich hart erarbeitet hat

Wir müssen darauf achten, dass sich in die Kette der Erdölwirtschaft niemand dazwischen schieben kann

Hier müssen wir aufpassen, dass wir dem Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht die Schau stehlen

Es ist, als säßen alle in einem schnell fahrenden Zug, von dem man nicht mehr abspringen kann

Wir müssen Erdöl fördern und sind hier keine Landschaftspfleger

Wieso Jungs? Was, wenn sich ein Mädel dafür interessiert?

Es entsteht eine eigene Gemeinschaftskultur, die Rose Sanssouci nennt

Ich würde mir wünschen, dass wir darauf unsere Energie konzentrieren und nicht darauf, ob irgendjemand in unserem Staat zu viel arbeitet

Hier haben wir jetzt ein kleines Paradies und können über Arbeit nicht klagen

Dem wird sie hoffentlich Beine machen

Da fällt ein Schuss

Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass ich großes Glück hatte

Chandler Internat entlässt ersten Schüler in das Leben

Eine interessante, junge Frau

Als Präsident können sie natürlich nicht noch nebenbei ein Unternehmen führen

Pete und Sue werden vielleicht im Weißen Haus wohnen

Europa ist die Heimat unserer Vorfahren

Das Wissen und Können finden wir ganz sicher hier in Europa

Hier gibt es noch offene Rechnungen aus dem deutschfranzösischen Krieg

Schade, dass es so etwas in Amerika nicht gibt

Es sollte mich wundern, wenn wir den nicht fertigmachen könnten

Mit Bone werden wir keine Verbesserung der Situation erreichen

Meine Damen und Herren, ich verspreche hiermit vor Zeugen, dass ich in Zukunft alles tun werde, um älter zu werden

Ich staune über die Aufbruchstimmung in Amerika

Kommen hierher direkt von der Hochschule und wollen mir Vorschriften machen

Ich werde selbstverständlich meine Aufgaben als Unternehmer ruhen lassen

Die Zukunft gehört ganz sicher ihnen Pete

Chandler Erdöl. Erfolgreich und der Natur verpflichtet

Gewinne durch Ausbeutung von Menschen und Zerstörung der Natur darf es bei uns Chandlers niemals geben

Weites Land am Rio Grande

Prolog

Texas im Jahr 1870, ein weites, raues, sonnendurchflutetes Land in der Mitte der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Land von faszinierender Schönheit, das sich von den Stränden des Golfs von Mexiko bis weit nach Nordwesten erstreckt, wo Hochgebirge Texas von Oklahoma und New Mexiko abgrenzt. Texas ist der jüngste und größte Staat der jungen Nation der Vereinigten Staaten. Über weite Prärien streicht der Wind, der die Gräser wie Wellen auf dem Meer bewegt. Der Golf von Mexiko ganz im Süden nimmt das Wasser der drei großen Ströme des Brazos, des Colorado Rivers und des Rio Grande auf, der auch das Wasser des Pecos Rivers mit sich führt.

Nach einer kurzen, wechselvollen Geschichte, ist das Land jetzt zur Ruhe gekommen. Die Kriege gegen Mexiko und der Bürgerkrieg der Nordstaaten gegen die Südstaaten haben Spuren hinterlassen, weniger im Land, aber um so mehr bei den Menschen, die in Texas leben, das Land besiedeln und ihren Traum von Unabhängigkeit und Freiheit verwirklichen wollen. Sie kommen aus dem Osten der Vereinigten Staaten, wo sie nach ihrer Auswanderung aus Europa gelandet sind, wo sie aber nicht bleiben wollten, nachdem der Osten immer geordneter und europäischer wurde. Sie suchten neue Herausforderungen und Chancen und sie fanden diese in ihrer neuen Heimat, in Texas. Sie sind stolze Texaner geworden und niemand könnte sie bewegen, dieses für sie herrliche, weite Land – ihr Land - wieder zu verlassen, das Land zwischen Rio Grande und Pecos River, wo sich Jeff Chandler niedergelassen hat und eine große Ranch führt. Jeffs Vater, Ben Chandler, hat die Ranch vor über 40 Jahren gegründet und mit Geduld und harter Arbeit aufgebaut. Die Chandler Ranch gehört heute in Texas zu den größten Ranch-Betrieben des Landes und Jeff Chandler ist ein angesehener Mann. Wenn es nach ihm ginge, könnte alles immer so bleiben, wie es ist. Sein Gebiet erstreckt sich im Süden vom Rio Grande mit satten Weideflächen für die großen Herden bis zum Pecos River im Norden, wo die Prärie allmählich in Bergland übergeht. Auch hier gibt es gute Weiden für die Rinderherden der Chandler Ranch. Jeff Chandler ist besonders stolz auf seine Pferdezucht und auf sein schönes, weites Land, das er in gut zwei Tagesritten durchqueren kann. Alles könnte immer so bleiben, wie es ist, wäre da nicht der ständige Kampf um sein Land und seine Herden.

Personen

Jeff Chandler

Großrancher und Familienoberhaupt

Rose Chandler

Ehefrau von Jeff Chandler

Ronald Chandler gen. Ron

ältester Sohn von Jeff und Rose

Maggie Chandler

Tochter und Ehefrau von John Simons

Pete Chandler

jüngster Sohn von Jeff und Rose

Nancy Simons

Haushälterin bei den Chandlers

John Simons

Sohn von Nancy Simons

Robert Chandler

Sohn von Ron und Marilyn Chandler geb. Davis

Randy Simons

Sohn von John und Maggie Simons geb. Chandler

Jessica Chandler

Tochter von Pete und Sue Chandler geb. Fairfield

Mike Lannigan Vormann der Chandler Ranch

Nick Carsson

zweiter Vormann der Chandler Ranch

Shorty Chester

Cowboy der Chandler Ranch

Bud Hanson Sheriff von West County in Stockton

Bud Coleman

Sheriff von Fort Summer

Jonathan Baxter

Sheriff von El Paso

Thomas Fairfield Kleinfarmer, der sich auf dem Chandler Gebiet niederlässt

Eleonore Fairfield

Ehefrau von Thomas Fairfield

Sue Fairfield

Tochter von Thomas und Eleonore Fairfield Ehefrau von Pete Chandler

Fred Duncan

Farmhelfer auf der Fairfield Farm

Mike Davis

Großrancher und Nachbar der Chandlers

Bette Davis

Ehefrau von Mike Davis

Marilyn Davis

Tochter von Mike und Eleonore Davis Ehefrau von Ron Chandler

Fred Walker

Vormann der Davis Ranch

Bob Cunningham Farmer aus El Paso
Jim Snyder Farmer aus Fort Hancock
Abraham Duffee Gouverneur von Texas
Ben Crocker Helfer des Gouverneurs

Ronald Raven

Oberster Friedensrichter von Texas

Patrick Mc Albright

Chef der Eisenbahn

Henry Porter

Bauleiter der Eisenbahn

Hank Talbot

Abgeordneter aus Sherman

Randolf Malony

Colonel des Army-Regiments in Fort Worth

Luigi Marietta

Besitzer der Marietta Oil Company

Tim Bronson

Texas Oil Corporation

Henry Baskerville

Leiter des Abgeordnetenhauses von Texas

Peter Stapelton

Leiter der Untersuchungskommission Sandy Mills

Ken Boulders

Leiter des Grundbuchbüros für Texas

Paul Mac Kinsey

Abgeordneter aus Waco

Ted Slater

Mitarbeiter von Ford Philadelphia und Fahrer

Hank Cavendish

Leiter von Ford Philadelphia

Walter von Trotha

General und Oberbefehlshaber US Army

Jerry O’ Conner

Baustellenleiter der Baufirma

Sam Nicolsen

Farmer im Westcounty

Adrian Goodrich

Präsident des Abgeordnetenhauses in Philadelphia

Angy Goodrich

seine Frau

Henry Bruebaker

Fraktionsvorsitzender der Konservativen Partei

Doc Sullivan

Arzt in Austin

Billy Cooper Captain der Special Police

Jim Collins

Sergeant der Special Police

Fred Bowing

Sergeant der Special Police

Estobar Cautillos Mexikanischer Rinderbaron und Vieh Dieb
Harold Justin Abgeordneter der Konservativen Partei
Julie Justin Tochter von Harold Justin
Christopher Bone Baustellenleiter in der Erdölfirma Sandy Mills

Weites Land zwischen Rio Grande und Pecos River

Die Sonne brennt unbarmherzig über der Prärie. Ein paar Wolkenfetzen sprenkeln den ansonsten tiefblauen Himmel über der stillen, einsamen Landschaft. Zwei Reiter – Ron und Pete Chandler - sind schon seit einigen Stunden unterwegs. Mit gemäßigtem Galopp streben sie nach Norden, wo sich am Horizont schon die Bergkuppen der Ilano Estacados zeigen. Ganz langsam beginnt die Landschaft sich zu verändern. Die endlosen Flächen der Prärie werden spärlicher und durch niedrige Büsche abgelöst, dazwischen steiniges Land und Felsen.

Die Reiter müssen ihre erstklassigen Pferde jetzt etwas vorsichtiger bewegen und einen sicheren Weg zwischen den zunehmend häufiger werdenden Gesteinsbrocken finden. Ron Chandler, der ältere Bruder von Pete ist achtundzwanzig Jahre alt, groß gewachsen, schlank und hier geboren. Genau wie Pete, der vier Jahre jüngere Bruder, sind beide schon echte Texaner. Pete ist etwas kleiner von Statur, ein aufgeweckter Bursche, ausdauernder Reiter und hat das Aussehen eines Schauspielers. Kein Wunder, dass sich manches Mädel nach ihm umschaut, wenn es sich unbeobachtet fühlt. Pete fliegen die Herzen zu. Egal, was er anfängt, er findet immer offene Ohren und trifft auf Sympathie und Hilfsbereitschaft.

Ron wird einmal die Leitung der Ranch übernehmen, das ist schon klar, Pete weiß aber noch nicht so recht, was er machen wird. Natürlich kann er auf der Ranch bleiben, Arbeit gibt es genug für alle. Aber irgendetwas scheint ihn fortzutreiben. Er möchte noch etwas mehr kennen lernen, als nur die Ranch und macht daraus auch kein Hehl. Ungeachtet dessen verstehen Ron und Pete sich prächtig. Nichts kann sie jemals trennen, sollte man meinen. Jedenfalls sind beide davon überzeugt.

„Geht’s noch Bruderherz?“ ruft Ron Chandler über die Schulter. „Kein Problem Ron“ antwortet ihm Pete, „ da drüben in den Bergen sollten wir eine Pause machen. Gegen Abend werden wir am Pecos River sein. Mann, wie ich mich auf die Jungs freue. Ist immer ganz amüsant, sich mit denen über das Rodeo zu streiten. Jeder will gewinnen.“ Ron Chandler wischt sich mit dem Ärmel über die Stirn ohne den Weg aus dem Auge zu verlieren. „Gönn ihnen den Spaß, Pete. Wirst du dieses Jahr deinen neuen Wallach reiten?“ „Weiß ich noch nicht“, antwortet Pete, „kann sein, dass er dann schon so weit ist.“ „Da drüben können wir eine Pause machen“, sagt Ron und deutet auf eine enge Schlucht, die sich mittlerweile aufgetan hat.

Sie sind am Fuße der Bergkette angekommen und müssen jetzt ohnehin langsamer reiten, da sie über ansteigendes Gelände müssen, das ihren schon etwas strapazierten Pferden einiges abverlangt. „Guter Platz“ bemerkt Pete und hat sich schon aus dem Sattel gleiten lassen. Pete nimmt einen tiefen Schluck aus dem Wassersack, hat seinen Stetson abgenommen und sich etwas Wasser über den Kopf gegossen. „Ganz schöne Hitze“, stöhnt Pete und beginnt damit, sein Pferd in den Schatten zu führen und zu versorgen. Ron folgt ihm. Dann legen sie sich unter einen ausladenden Busch und genießen die Ruhe nach dem anstrengenden Ritt.

Vor ihnen erhebt sich ein gewaltiger Felsen aus rostbraunem Sandstein, den die Natur zu einer bizarren Form entwickelt hat. Jahrhunderte muss das gedauert haben und immer noch ist das Werk nicht abgeschlossen. „Ist das nicht ein herrlicher Anblick?“ sagt Pete, „kaum zu glauben, dass all diese Schönheiten uns gehören.“

Eine längere Pause tritt ein, bis Ron schließlich sagt: „Gehört uns das wirklich Pete?“ Pete schaut seinen Bruder etwas verwundert von der Seite an und meint: „Na klar gehört uns das oder sind wir nicht etwa als Eigentümer dieses Gebietes in Austin eingetragen?“ Ron antwortet nicht sofort, so dass Pete noch einmal nachstößt: „Ron, wie soll ich das verstehen?“ Ron wendet sich zu Pete und sagt: „Pete, können Menschen überhaupt Eigentümer einer solchen Natur sein? Gehörte dieses Land nicht vor uns den Mexikanern, davor den Spaniern und davor den Indianern, den Apachen oder den Comanchen oder den Kiowa? Auch ihnen hat es einmal gehört, bis andere kamen und es ihnen wegnahmen. Heute haben wir uns das Land genommen, weil es unserem Großvater zur Besiedelung angeboten wurde. Nur deshalb glauben wir heute, dass es uns gehört.“

Pete schaut seinen Bruder nachdenklich an „Und was bedeutet das für uns Ron?“ fragt Pete. „Ich bin mir nicht ganz sicher, was das für uns bedeutet“, gibt Ron zur Antwort. „Ich bin aber davon überzeugt, dass wir das Glück haben, dieses herrliche Land zu bewirtschaften und es zu behüten. Wir sollten aber niemals so tun, als gehörte uns alles und als ob andere keinerlei Rechte an unserem Land hätten. Ich weiß, dass sich manche Rancher genau so verhalten. Sie umzäunen ihr Land, bewachen es scharf und jagen jeden davon, der es wagt, ihr Land zu betreten. Da wird gleich scharf geschossen und mancher arme Kerl hat dabei schon sein Leben verloren. Vielleicht wollte er ja nur seine Arbeitskraft anbieten oder das Gebiet auf seinem Weg nach Westen nur überqueren. Wie kommen manche Rancher dazu, ihn dann fortzujagen, wie einen räudigen Hund?“

Eine längere Pause entsteht. Ron und Pete hängen ihren Gedanken nach und erholen sich langsam von dem langen Ritt. Die Pferde haben sich auch im Schatten niedergelassen und äugen herüber da sie natürlich wissen, dass es irgendwann weitergehen wird. „Du weißt, dass Vater anders darüber denkt“, stellt Pete fest, „hast du mit Pa schon darüber gesprochen?“ „Ich habe es versucht“ sagt Ron, „aber es scheint ein Problem unserer Generation zu sein, dass wir etwas anders über mache Dinge denken. Vielleicht hätten wir mit unserer Auffassung diese große Ranch ja niemals aufgebaut und über so lange Zeit dieses große Gebiet zusammenhalten können. Deswegen sagte ich ja, dass ich mir nicht sicher bin, was das alles für uns bedeutet. Ich weiß nur, dass die Zeit nicht still stehen wird, schon gar nicht in Texas. Der Fortschritt wird kommen und man wird von uns erwarten, dass wir uns am weiteren Aufbau des Landes beteiligen und uns nicht einbilden, niemand hätte ein Recht auf unser Gebiet. Wie sollen die Menschen denn von Osten nach Westen kommen, zum Beispiel nach Kalifornien, wenn alle Eigentümer sich einbilden, niemand dürfe ihr Land jemals betreten. Tut mir Leid, Pete, aber ich sehe das so.“

„Ist schon in Ordnung“, sagt Pete „ich glaube, dass du mit deinen Ansichten richtig liegst. Dennoch ist es schön in solch einem Land zu leben und zumindest das Gefühl zu haben, das einem alles gehört.“ „Ich freue mich, dass wir uns verstehen“, sagt Ron, „wollen wir weiter reiten, Bruderherz, wir haben noch einige Stunden vor uns?“

Ohne eine Aufforderung haben die Pferde sich erhoben und kommen langsam zu Ron und Pete. Auch hier gibt es offensichtlich ein Einverständnis. Beide schwingen sich in die Sättel und machen sich auf den Weg. Es geht jetzt aufwärts, immer ansteigend, durch die immer imposanter werdende Bergwelt. Ron und Pete genießen das Panorama und schauen auf dem höchsten Punkt über ein weit ausgedehnte Bergwelt, die sich ihnen friedlich und wie gemalt präsentiert. Ron und Pete tauschen einen vielsagenden Blick aus. Ron deutet nach Norden auf eine Gebirgspassage, wo sie nach einer mehrere Meilen langen Senke hindurch müssen. „Mal sehen, ob du auch richtig reiten kannst“, sagt er und zieht ganz plötzlich das Tempo an. Pete kennt das schon und ist kein Spielverderber. Er gibt seinem Pferd Leine und folgt seinem Bruder mühelos hinab in die Senke, eine weit sichtbare Staubfahne hinter sich lassend.

Was soll aus den Jungs werden?

Das Ranchhaus der Chandlers ist ein ansehnliches Anwesen. Imposant ist die Fassade mit einer vorgelagerten Veranda und mit einem Eingangsportal, das links und rechts mit Säulen geschmückt ist. Um das Haupthaus verteilen sich weitere Gebäude, die sich auf dem großen Anwesenden mit ziemlichen Abständen gruppieren. Das Bunkhaus ragt als zweitgrößtes Gebäude heraus. Hier wohnen die Cowboys, wenn sie nicht auf den Weiden sind, hier wohnt auch der Verwalter Mike Lannigan, der Vormann der Chandler Ranch. Es gibt auch Ställe und ein Werkstattgebäude mit Lagerräumen, sowie Scheunen und umzäunte Koppeln, in denen sich immer einige Rinder aufhalten und sich gemächlich hin und her bewegen. Die Pferdekoppel ist das Schmuckstück mit vielen sehr ansehnlichen Pferden. Man kann sofort erkennen, dass sie dem Rancher wichtig sind. Wer die Ranch betritt sieht sofort, mit wem er es zu tun hat. Hier wohnt ein bedeutender Rancher mit seiner Familie und seiner Mannschaft.

Jeff Chandler sitzt mit seiner Frau Rose auf der Veranda und hält Siesta. Er hat es sich in einem Schaukelstuhl gemütlich gemacht und die Beine weit von sich gestreckt. Rose sitzt in einem gemütlichen Sessel und flickt ein Hemd, das so langsam an das Ende der Tragezeit kommen wird. Sie weiß, dass Jeff nicht schläft. Irgendetwas scheint ihn zu beschäftigen.

„Ich höre es knirschen, wenn du so angestrengt nachdenkst“ sagt sie verschmitzt, „lass es raus Jeff Chandler, sonst platzt dir noch der Kopf“. Jeff blinzelt zu Rose hinüber und sagt: „Vor dir kann man aber auch gar nichts geheim halten. Wieso glaubst du, dass mich etwas beschäftigt?“ „Weil es so ist“ entgegnet Rose mit entwaffnender Logik. „Na schön“ sagt Jeff, „wie wäre es erst einmal mit einem Kaffee?“ „Steht neben dir“ sagt Rose und kann ein Lachen kaum unterdrücken. „Sehr schön“ brummt Jeff, „es ist doch wirklich gut, wenn man seinen Betrieb gut organisiert hat und jeder seine Aufgaben kennt.“

Jeff schaut zu Rose und wartet auf eine passende Antwort. „Ist schon gut Jeff Chandler“ sagt Rose, „nimm einen Schluck und du fühlst dich bald wieder ganz normal.“ Jeff hat sich erhoben und wandert mit dem Becher in der Hand hin und her. Rose denkt nicht daran, ihn anzusprechen. „Weißt du Rose, manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nicht mehr der Jüngste bin“, sagt Jeff, „da muss man schon manchmal über die Zukunft nachdenken.“ „Du meine Güte“, meint Rose „vielleicht solltest du künftig etwas langsamer reiten.“ „Ich danke dir für dein Mitgefühl“, sagt Jeff, „aber jetzt mal im Ernst, sollten wir beide nicht langsam die Ranch an Ron übergeben? Ron ist ein toller Bursche. Er kennt den Betrieb mittlerweile im Schlaf und die Jungs mögen ihn und vor allem, sie folgen ihm. Das ist ganz wichtig.“ Rose hat das Hemd zur Seite gelegt und schaut Jeff etwas skeptisch an. „Jeff, so eine Krise geht vorbei. Du auf dem Altenteil? Wie soll das gehen? Außerdem erwartet das niemand von dir? Du bist hier der Chef und bleibst es, bis du aus den Stiefeln fällst. So ist das nun einmal im Westen. Und unsere Söhne sind mitten drin in der Führung der Ranch. Sie unterstützen dich wie selbstverständlich. Jeder weiß, was er zu tun hat. Wo ist das Problem?“ Jeff hat seine Wanderung auf der Veranda fortgesetzt und schaut nun nachdenklich in die Ferne. „Das stimmt schon“, sagt er „und bei Ron bin ich mir auch ganz sicher. Bei Pete bin ich aber im Zweifel. Ich habe das Gefühl, dass er weg möchte, einmal etwas anderes machen und die Welt kennen lernen.“ „Wäre das so dramatisch?“ Du hast schon das richtige Gefühl. Pete weiß, dass Ron die Ranch nach dir führen wird und er möchte sich etwas Eigenes aufbauen. Er hängt ganz bestimmt an der Ranch und er wird sicher immer wieder nach Hause kommen, aber er wird nicht bleiben. Eines weiß ich aber ganz sicher. Pete wird seinen Weg machen, was immer das auch sein wird.“ Jeff krault sich das Kinn und brummt mit seiner tiefen Stimme: „Hoffentlich hast du Recht mit deiner Einschätzung. Aber man kann es nicht wissen. Mancher ist auch unter die Räder gekommen.“ Rose schaut Jeff etwas belustigt an. „ Ein Gangster wird er schon nicht werden, obwohl es auch unter denen berühmte Männer gibt.“ „Rose, Rose“ sagt Jeff, „es wird noch der Tag kommen, an dem ich mit meinen Lieblingspferd Susy über meine Sorgen sprechen muss.“ Rose lacht leise, hält es aber für angebracht, jetzt besser nichts mehr zu sagen.

Maggie Chandler, die Tochter, hat fast unbemerkt die Veranda betreten und die letzten Worte des Gesprächs ihrer Eltern gehört. „Pete ein berühmter Gangster“, bemerkt sie lachend, „das finde ich aufregend. Seit wann nennt ihr einen Politiker einen Gangster?“ „Sag nicht so etwas“, brummt Jeff und legt liebevoll seinen Arm um Maggies Schulter. „Wieso glaubst du, dass Pete ein Politiker werden könnte?“ Zweifelnd schaut Jeff erst auf Maggie und dann auf Rose. „Frag ihn selbst“, entgegnet Maggie, „der Gouverneur hat Pete wohl in sein Herz geschlossen. Mehr weiß ich aber auch nicht.“ Unterdessen hat Nancy die Veranda betreten.

Nancy Simons ist die Haushälterin der Chandlers, niemand der Familie käme allerdings auf die Idee, sie so zu bezeichnen. Sie lebt mit ihrem Sohn John seit über zwanzig Jahren im Hause der Chandlers und gehört zur Familie. Ihr Mann Burd Simons ist als Soldat der Südstaatenarmee kurz vor dem Ende des Krieges in einem Hinterhalt erschossen worden, es war nicht einmal sicher, dass es überhaupt Soldaten waren. Man nahm an, dass es sich um das übliche Gesindel handelte, das sich in Kriegszeiten herumtreibt. Jeff Chandler war sein Regimentskommandeur, Oberst und ein vorzüglicher Offizier, dem seine Leute blind vertrauten. Er hatte die tragische Pflicht, Nancy die schlimme Nachricht zu bringen. Der damals kleine John Simons war zum Halbwaisen geworden und Nancy wusste nicht, wie es als Witwe weiter gehen sollte ohne Burd.

Die Chandlers haben ihr damals angeboten, doch bei ihnen zu bleiben und den Haushalt zu führen. So wurden aus Monate Jahre und aus Jahren Jahrzehnte. Nancy war immer mehr als nur eine Haushälterin. Sie war Amme für die Kinder der Chandlers und Freundin und Vertraute von Rose und John war wie ein Sohn und Bruder. Heute ist John, wie alle, auf der Ranch tätig. Die Cowboys respektieren ihn und das nicht nur, weil er wie ein Familienmitglied im Haupthaus wohnt. Nein, sie achten John wegen seiner außerordentlichen Fähigkeiten als Cowboy und weil er ein zuverlässiger Freund der Jungs ist, auf den man sich verlassen kann und der schon manchen Streit geschlichtet hat, da er mit allen gut auskommt.

Nancy hat während des Gesprächs von Jeff und Rose die Veranda betreten und fragt: „Störe ich?“ „Im Gegenteil“, sagt Jeff, „gut, dass Du kommst. Wir sprechen gerade über Ron und Pete. Hat Pete mit Dir einmal über seine Zukunft gesprochen?“ „Nein“, sagt Nancy, „das würde er auch nicht tun, Jeff, im Übrigen bist du dafür zuständig. Pete und John haben aber in der letzten Zeit verdächtig häufig die Köpfe zusammen gesteckt. Beide haben offensichtlich Pläne. Die von Pete kann ich nur ahnen, aber was John möchte, habe ich schon mitgekriegt. So etwas undankbares, ich habe ihm schon ordentlich den Kopf gewaschen.“

„Meine Güte“, sagt Rose, „dann muss das ja etwas ganz Furchtbares sein. Will er in eine Gangsterbande eintreten?“ „Ich glaube nicht, dass man die Ranch von Mike Davis so bezeichnen kann“, sagt Nancy schmunzelnd. „Mike Davis?“ ruft Jeff überrascht aus, „was hat John denn mit Mike Davis zu tun?“ „Das kann mal wohl sagen“, meint Nancy etwas kleinlaut, „John gehört doch hierher und nicht auf die Davis Ranch.“ „Was soll John denn auf der Davis Ranch?“, fragt Jeff und schaut Nancy fast schon etwas misstrauisch an. „Einmal kommt es ja doch heraus“, sagt Nancy, „dann kann ich es Dir ja auch gleich sagen. Mike Davis möchte John als Vormann auf seiner Ranch haben. Fred Walker, der jetzige Vormann, soll wohl so langsam die Reitstiefel ausziehen und da hat Mister Davis John gefragt, ob er als Vormann zu ihm kommen will.“

„John hat doch hier alles“, brummt Jeff, „wieso sollte er auf die Davis Ranch gehen?“ „Weil er weiter kommen will, Jeff Chandler“, sagt Rose, „mein Gott, kannst Du denn nicht verstehen, dass dies ein tolles Angebot für John ist, oder willst Du ihn zum Vormann machen?“ „Nein“, sagt Jeff, „Mike Lannigan ist doch noch ganz gut beieinander und denkt noch nicht daran, aufzuhören. Na ja, später vielleicht, wäre John schon der richtige Vormann bei uns. Daran habe ich auch schon gedacht.“ „Mike Davis hat aber nicht nur daran gedacht, sondern es John angeboten“, sagt Rose, das ist ein kleiner Unterschied. Kannst Du es John verdenken, wenn er ein solches Angebot bekommt?“

Jeff hat seine Wanderung über die Veranda wieder aufgenommen, Rose und Nancy stören ihn nicht. „Nein“, sagt Jeff mehr zu sich selber, „nein, verdenken kann ich ihm das nicht. Die Davis Ranch ist ja kein Kuhstall und Mike ein bedeutender Rancher. Sein Land ist ganz schön groß, nicht ganz so groß, wie unseres, aber immerhin. Wie kommt der alte Gauner dazu, mir John wegzuschnappen? Sollst Du ihm auch den Haushalt führen, Nancy?“, fragt Jeff unvermittelt. „Jetzt ist es aber gut“, entgegnet Nancy fast schon empört, „glauben Sie im Ernst, dass ich auf so etwas eingehen würde?“ „Wir duzen uns doch“, sagt Jeff etwas verwundert und schaut Nancy verwundert an. „ Da kannst du mal sehen, wie durcheinander ich bin“, erwidert Nancy und verlässt die Veranda. „Ich würde mich an deiner Stelle bei ihr entschuldigen“, sagt Rose zu Jeff und verlässt ebenfalls die Veranda. Jeff bleibt etwas verwirrt zurück und nimmt seine Wanderung wieder auf. ER muss das alles erst einmal verdauen.

Am Ende der Veranda bleibt Jeff stehen. Er hat zwei Reiter entdeckt, die in äußerster Eile auf die Ranch zustreben. Sie scheinen das Letzte aus ihren Pferden herauszuholen und reiten wie die Teufel. „Das sind ja Mike und John“ brummt Jeff, „was ist denn in die gefahren?“ Für Jeff war ganz klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Aus dem Bunkhaus waren mittlerweile einige Cowboys herausgetreten, da sie Mike Lannigan und John Simons ebenfalls schon erkannt hatten und ihre Erfahrung ihnen sagte, dass etwas Ungewöhnliches geschehen sein musste.

Es gibt Ärger mit Viehdieben

Mike Lannigan und John Simons haben mittlerweile die Ranch erreicht und springen aus den Sätteln. „Was ist los?“ ruft Jeff Chandler, „ist der Teufel hinter Euch her?“ „Viel schlimmer“, ruft Mike Lannigan, völlig außer Atem, „diese verdammten mexikanischen Viehdiebe haben uns überfallen und einen Teil der Herde entführt, mindestens hundert Stück Vieh.“ Die Cowboys bilden einen Ring und bombardieren die beiden mit Fragen. „Wie konnte das passieren? Habt Ihr geschlafen? Habt Ihr Eure Gewehre verlegt?“ Jeff schaltet sich beruhigend ein. „Nun mal ganz ruhig, Jungs“, sagt er, „zuerst einmal müssen die beiden sich etwas erholen, dann können sie uns in Ruhe erzählen, was passiert ist.“ An Mike Lannigan gewandt, sagt er: „Mike, Ihr solltet erst einmal etwas zu Euch nehmen. Ich komme dann rüber in das Bunkhaus und dann werden wir in Ruhe überlegen, was zu tun ist“. Zu den Cowboys gewandt sagt er, „ Jungs, es gibt Arbeit. Macht Euch fertig. Wir werden bald losreiten zum Rio Grande und die Angelegenheit klären. Ich werde meine Rinder zurückholen.“

„Völlig klar“, murmeln die Cowboys, „diese Mistkerle werden uns kennen lernen. Verdammte Mexe, wissen die eigentlich nicht, mit wem sie es zu tun haben?“ Langsam hat sich die Gruppe aufgelöst. Mike und John sind in das Bunkhaus gegangen, einige Cowboys gehen zu dem Korral, um ihre Pferde zu holen. Alle sind beschäftigt. Jeff geht zu Rose und Nancy, um sie zu informieren und macht sich dann auf den Weg zum Bunkhaus, wo Mike und John mittlerweile dabei sind, Riesensteaks in sich hinein zu stopfen, als ob sie tagelang nichts gegessen hätten. Von dem scharfen Ritt haben sie sich einigermaßen erholt.

„Schieß los, Mike“, sagt Jeff Chandler kurz. Die anderen Cowboys hören im Hintergrund zu, keiner käme auf die Idee, sich jetzt einzumischen. „Die Kerle haben uns reingelegt“, knurrt Mike Lannigan, „sie kamen kurz vor Sonnenuntergang über die westliche Furt des Rio Grande und haben uns in ein Feuergefecht verwickelt, ungefähr fünf Mann. Sie hatten gute Deckung und schossen aus allen Rohren. Tom hat es dabei erwischt,… am Arm,… er lebt noch.“ „Weiter“, drängt Jeff Chandler, „die hatten doch nicht vor, mit Euch um die Wette zu schießen“. „Natürlich nicht“, sagt Mike Lannigan und schaut unsicher auf die Cowboys im Hintergrund, die ganz gespannt auf seine Antwort warteten. „Das war ja auch ein Ablenkungsmanöver“, sagt Mike, „das weiß ich jetzt auch. Wir haben versucht sie einzukreisen und von der Rückseite zu erwischen. Mittlerweile war es schon fast dunkel“, stellt Mike fest. „Ist das jetzt eine Denksportaufgabe oder erzählst Du uns noch, was dann passiert ist?“ knurrt Jeff sichtlich ungeduldig. „Na ja“, sagt Mike, „wie ich schon sagte, das war ein Ablenkungsmanöver“. Mike ist ganz sicher kein guter Geschichtenerzähler und das Ganze ist ihm sichtlich peinlich.

Jeff wendet sich abrupt an John Simons: „Kann man von dir etwas mehr erfahren?“ fragt er ganz direkt. „Natürlich“, sagt John, „während wir uns mit den Mexikanern ein Schießgefecht lieferten, müssen etwa zwanzig weitere Viehdiebe an der östlichen Furt über den Fluss gekommen sein und ohne große Umstände einen Teil der Herde – etwa hundert Tiere – hochgescheucht und abgetrieben haben, direkt durch die östliche Furt über den Rio Grande nach Mexiko. Inzwischen war es dunkel geworden und wir konnten die Herde noch verschwinden hören. Wir haben sofort die Verfolgung aufgenommen, gerieten aber schon nach einer Meile in einen Hinterhalt. Eine Nachhut hat uns in einer Schlucht schon erwartet und uns aus absolut sicherer Deckung kräftig eingedeckt. Es war in dieser Nacht nicht mehr viel zu machen.“

Im Bunkhaus herrscht Totenstille nach diesem Bericht. Die Cowboys haben die Luft angehalten und schauen gespannt auf Jeff Chandler und etwas mitleidig auf Mike und John. Was kommt jetzt wohl. Jeff Chandler kann bisweilen ganz ungemütlich werden, da möchte man nicht in der Haut von Mike und John stecken. „Ist das alles?“, brummt Jeff, erhält aber keine Antwort mehr. Es entsteht eine lange Pause, man könnte eine Stecknadel fallen hören. „Großartig“, sagt Jeff, „in einer Stunde reiten wir, macht Euch fertig. Wir reiten die Nacht durch.“ Ohne weitere Worte verlässt er das Bunkhaus.

Noch mehr Ärger

Ron und Pete haben ihr Ziel fast erreicht. Sie haben auf der Höhe des letzten Passes noch eine kurze Pause eingelegt, sind abgestiegen und lassen das vor ihnen liegende grandiose Panorama auf sich wirken. Das Gelände fällt jetzt gleichmäßig ab, überall blickt man auf rotfarbene Gesteinsmonumente mit bizarren Formen. Am Fuße der Bergwelt erstreckt sich bis zum Horizont ein fruchtbares Tal mit ausgedehnten Weideflächen, auf denen sich die Herden gemächlich bewegen. Am Horizont erkennen sie den träge fließenden Pecos River, der sich in leichten Windungen von Westen nach Osten dahin schlängelt, wo er weit hinter dem Horizont in der Nähe von Del Rio auf den Rio Grande treffen wird.

„Da sind unsere Jungs“, sagt Ron kurz, „komm Pete, gleich haben wir es geschafft.“ Die Reiter sitzen auf und reiten ohne Eile hinunter in das Tal, wo sie noch vor Sonnenuntergang ankommen. „Hallo Ron, he Pete“, ruft Nick Carson, der schwergewichtige stellvertretende Vormann der Chandler Ranch, der hier zurzeit das Sagen hat, „wir haben Euch schon etwas früher erwartet, alles okay?“ „Wenn ihr ein paar ordentliche Steaks gebraten habt, dann ist alles bestens“, ruft Ron lachend und lässt sich aus dem Sattel gleiten. Pete folgt ihm. Beide satteln ab, versorgen ihre Pferde und lassen sie dann laufen. Ihr Sattelzeug haben sie in die Nähe des Lagerfeuers geworfen.

Mittlerweile sind einige Cowboys dazu gekommen. Ron und Pete werden freundlich begrüßt und mit Fragen bombardiert. Ron sagt schmunzelnd: „Gemach, Jungs, wir haben heute Abend sehr viel Zeit, lasst uns erst einmal zur Ruhe kommen. Das war ein verdammt anstrengender Ritt. Etwas Handfestes zu essen und ein Kaffee wären nicht schlecht.“ Shorty, der Kleinste unter den Cowboys hat sich mittlerweile herangeschlichen und die letzten Worte von Ron gehört.

„Ron, vielleicht solltet ihr Euch in Zukunft mit der Kutsche fahren lassen,“ meint er ganz trocken, „mein Großvater hat solche Fahrten immer sehr genossen, vor allem, wenn die Kutsche ein Sonnendach hatte, dann konnte er sogar noch ein Buch lesen.“ Shorty konnte sich gerade noch ducken, sonst hätte ihn ein feuchter Lappen erwischt, der zufällig neben dem Kochkessel lag und von Pete fast zielgenau abgefeuert worden ist und den hinter ihm stehenden Dick erwischte, der völlig unschuldig ist.

Wieherndes Gelächter der anderen Cowboys setzt daraufhin ein und Shorty zieht sich beleidigt zurück, knurrt aber noch: „Wenn man es schon einmal gut meint, erntet man nur Undank. Die jungen Leute verstehen aber auch keinen Spaß.“

Unterdessen ist es dämmrig geworden. Die Sonne ist hinter den Bergen im Westen verschwunden und beleuchtet eindrucksvoll die scharfen Kanten des Gebirges mit diffusem Restlicht. Bis auf einige Wachen haben sich die Cowboys am Lagerfeuer niedergelassen, haben sich mit gebratenen Steaks und Bohnen bedient und genießen dösend und rauchend die abendliche Ruhe, die nur gelegentlich von den vertrauten Geräuschen der Herden, vom Heulen eines Coyoten oder dem Knurren der Präriehunde unterbrochen wird, die das Lager hungrig umkreisen, sich aber ganz sicher eine Kugel einfangen, wenn sie zu aufdringlich werden. Die Whiskeyflaschen werden jetzt für den Rest des Abends kreisen. Diese Stunden, in denen die Hitze des Tages einer angenehm frischen Luft weicht, mögen die Cowboys besonders gerne. Da können sie sich kein schöneres Dasein irgendwo anders vorstellen. Lockere Gespräche ergeben sich, manch einer hört auch nur zu und erbaut sich an den Hänseleien oder Neuigkeiten, die man vor allem von John und Pete erwartet.

„Dieses Jahr haben wir beim Rodeo in Stockton wohl keine Chance“, meint Shorty ganz unvermittelt, „die Jungs von der Davis Ranch werden wohl die Mannschaftswertung gewinnen.“ Die Gespräche verstummen und Stille breitet sich um das Lagerfeuer aus. Pete ist der erste, der sich von der Überraschung erholt. „Sag maln spinnst du?“ stößt er heraus, was wohl auch die meisten Cowboys gerade denken. „Die Mannschaftswertung gehört uns,“ bekräftigt Pete, „die anderen werden wohl im Whiskey saufen oder bei Schlägereien eine Chance haben, aber niemals im Rodeo, erzähl solch einen Blödsinn bloß nicht weiter“.

Beifälliges Gemurmel begleitet Petes entrüsteten Einwand. „Ist aber so“, legt Shorty nach, „meinst du, ich finde das gut?“ „Shorty, ich fürchte, du bist komplett übergeschnappt“, schaltet sich jetzt Ron ein, „sag mal, wie kommst du eigentlich zu so einem Einfall?“ „Weil John Simons dieses Jahr für die Davismannschaft reiten wird und ohne John können wir das Rodeo nicht gewinnen“, sagt Shorty und wirft eine leere Whiskeyflasche im hohen Bogen nach einem Präriehund, der sich fast unbemerkt angeschlichen hat. Ein kurzes Aufheulen ist die Antwort. „Guter Wurf“, hört man aus der Runde, „sollte vielleicht beim Rodeo eingeführt werden, darin wäre Shorty einsamer Meister“. „Auch im Erfinden von unsinnigen Stories würde ihm keiner etwas vormachen“, kommt es vom Lagerfeuer. „Jetzt habe ich aber genug“, stößt Shorty schon ziemlich entrüstet hervor, „was kann ich denn dafür, wenn ihr alle wie die Rinder durch die Gegend latscht und von der Welt um uns herum nichts mitbekommt.“

„Halt mal“, sagt Pete jetzt, „ich glaube ich weiß, was Shorty meint. John Simons trägt sich tatsächlich mit dem Gedanken, zur Davis Ranch zu wechseln. Es soll aber noch nicht darüber gequatscht werden, da er sich noch nicht entschieden hat. Woher weißt das das eigentlich Shorty?“ „Nick, von der Davismannschaft ist mein Freund und der hat mir das erzählt“, antwortet Shorty immer noch beleidigt, „und John soll der neue Vormann auf der Davis Ranch werden und dann ist es doch klar, dass er dann auch für die Davisgang das Rodeo reitet, oder?“

Jetzt ist es mit der Ruhe am Lagerfeuer endgültig vorbei. Einige Cowboys sind aufgesprungen und bedrängen Shorty mit entrüsteten Bemerkungen, wie: „Deine blöden Witze kannst du woanders machen“. „Warte nur, bis John das erfährt, dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken.“ „Hört auf“, ruft Ron, „damit ändert ihr auch nichts. Ihr habt doch von Pete gehört, dass da etwa dran ist und dass John sich noch entscheiden wird. Bis dahin sollten wir uns da nicht einmischen und schon gar nicht Gerüchte in die Welt setzen. Darum möchte ich dich auch bitten, Shorty“, sagt Ron und hat sich wieder am Lagerfeuer niedergelassen.

Langsam kehrt wieder Ruhe ein. Nur Shorty knurrt noch leise vor sich hin: „ Warum haben die meisten Cowpunscher nur den gleichen Verstand, wie die Rinder, frage ich mich. Dösen den ganzen Tag im Sattel und kriegen nichts mit, was in der Welt vor sich geht“. „Lass es gut sein, Shorty“, mischt sich jetzt auch Pete ein, „ich finde, Ron hat Recht und damit können wir dieses Thema wohl erst einmal abhaken“. „Savy“, knurrt Shorty noch und macht sich unter seiner Decke lang. Obwohl es jetzt etwas ruhiger geworden ist, hängen die Cowboys noch ihren Gedanken nach; der Eine oder Andere ist wohl auch schon eingeschlafen.

Nick Carson ist jetzt zu Ron und Pete herüber gekommen und führt jetzt mit beiden noch ein etwas leiseres Gespräch, das nicht unbedingt jeder hören soll. „ Ron, ich habe da mal eine Frage“, sagt Nick, „ seit wann haben wir Siedler oben im Pecos Valley auf unserem Gebiet?“ „Ich verstehe deine Frage nicht“, sagt Ron sichtlich überrascht, „es kann keine Siedler auf unserem Land geben, wie kommst du darauf?“

„Dann ist es gut, dass wir darüber sprechen“, sagt Nick, „ich war mit zwei Jungs in den letzten Tagen seit langer Zeit einmal wieder ganz oben im Pecos Valley, um die Weideflächen zu prüfen und da fiel uns eine ganz neue Farm am Rande unseres Gebietes , aber ganz sicher auf unserem Gebiet, auf. Wir sind natürlich hin geritten und haben mit den Leuten gesprochen. Der Mann heißt Thomas Fairfield und hat behauptet, ihm gehöre das Land jetzt, er hätte das Recht, sich mit seiner Familie, Frau und Tochter und noch einem Farmhelfer, dort niederzulassen. Er muss wohl vor sechs Monaten mit dem Bau des Farmgebäudes und mit seiner Pferdezucht begonnen haben und niemand hat ihn bisher dabei gestört“.

„Da kommen wir auch selten hin“, sagt Ron nachdenklich, „das müssen wir natürlich klären. Pete, wir werden morgen wohl einen Umweg machen müssen und uns diesen Fairfield einmal ansehen. Danke Nick, dass du die Augen offen gehalten hast. Wer weiß, wann wir das bemerkt hätten. Morgen früh reiten wir zuerst zum Pecos Valley“. Ron und Pete machen sich lang und es kehrt Ruhe am Lagerfeuer ein, dass noch eine Zeit lang wohlig knistert.

Die Herde holen wir uns wieder

Das südlich gelegene Gebiet der Chandler Ranch besteht zunächst noch aus leicht hügeligem Bergland, dass sich aber nach Süden hin immer mehr in eine flache Prärie verwandelt. Niedriges Buschwerk ist eingebettet in wallendes Präriegras. Nach wenigen Meilen werden die Reiter direkt nach Süden reiten und die letzten Meilen durch den Canyon hindurch müssen. Der Rio Grande zwängt sich hier durch ein gewaltiges Felsmassiv hindurch, bevor er nach weiteren fünf Meilen die weite Ebene erreicht, wo sie auf die Herde und ihre Leute treffen werden.

Die Chandler Mannschaft ist schnell unterwegs. Die Männer sind die Nacht durchgeritten und nähern sich nach Sonnenaufgang und nach weiteren wenigen Meilen dem Canyon Eingang. Jeff Chandler und Mike Lannigan bilden die Spitze. Sie reiten leicht nach vorne gebeugt nebeneinander und haben so die Möglichkeit, kurze Gespräche zu führen. „Ich möchte dich um etwas bitten, Jeff“, ruft Mike Lannigan zu Jeff hinüber, erhält aber keine Antwort von Jeff. „Ich möchte die Angelegenheit wieder in Ordnung bringen, schließlich war es meine Schuld, dass wir uns so übertölpeln ließen.“ Jeff schweigt weiter und konzentriert sich auf das Gelände. „Ich würde gerne mit zehn Jungs sofort über den Rio Grande setzen und die Herde zurückholen. Ist das in Ordnung?“ Jeff schaut lächelnd zu Mike hinüber. „In Ordnung“, ruft Jeff zurück, „ich könnte dich doch sowieso nicht davon abhalten oder soll ich dich vielleicht festhalten?“ „Danke“, ruft Mike zurück „ich werde dir die Herde wieder zurückbringen. John sollte mitkommen.“ „Du stellst die Mannschaft zusammen“, brummt Jeff und beendet damit das kurze Gespräch.

Die Chandler Mannschaft ist jetzt am Canyon Rand angekommen. Ab hier müssen sie vorsichtig reiten, denn der Weg zum Canyon hinab ist steil und steinig. Mike übernimmt die Spitze und schaut bereits in den Canyon hinein. „Nichts für schwache Nerven“, brummt er zu Jeff hinüber. „Immer noch besser, als der lange Umweg durch die Prärie“, ruft Jeff, „sei vorsichtig, Mike, sonst sind wir schneller unten, als uns lieb ist.“ Die Männer lassen ihren Pferden jetzt alle Freiheiten und vertrauen ganz auf die Geschicklichkeit der Pferde, die jetzt einzeln ihren Weg nach unten suchen und dabei erstaunlich umsichtig vorgehen. Die Männer haben diesen Abstieg schon oft gemacht und sind jetzt voll konzentriert. Pferd und Reiter scheinen zu einer Einheit verwachsen zu sein. Es gibt nur einen Weg hinunter, aber die Männer finden ihn ohne Schwierigkeiten. Mike ist schon tief hinunter abgestiegen, die Mannschaft folgt ihm. Nach einer weiteren halben Stunde kommen sie über dem Rio Grande am Fuße des Canyons an. Alles ist wieder einmal gut gegangen. Jetzt sind sie außer Gefahr und können die gewaltige Schlucht genießen. Es ist jedes Mal erneut ein Erlebnis. Ohne Hast folgen sie dem Lauf des Flusses zwischen senkrecht aufsteigenden Felsen und können in der Ferne schon den Canyon Ausgang erkennen, den sie nach einer weiteren halben Stunde erreichen. Von hier aus ist es nicht mehr weit zur Herde und ihren Männern bei der Herde, wo sie schon mit Spannung erwartet werden.

Die Begrüßung ist nur kurz. Die Männer haben sich um Jeff Chandler und Mike Lannigan versammelt. „Mike wird mit zehn Mann über den Rio Grande gehen und die Verfolgung aufnehmen“, sagt Jeff, „die Kerle haben jetzt zwei Tage Vorsprung, werden aber wissen, dass sie verfolgt werden. Hundert Rinder hinterlassen eine Spur, der ein Blinder folgen kann. Mike wird die Sache erledigen, John wird dabei sein. Wie wirst du vorgehen, Mike?“ fragt Jeff und alle schauen erwartungsvoll auf Mike Lannigan, der sich nachdenklich das Kinn krault. „Ich habe mir natürlich schon das Hirn zermartert und mich gefragt, wer wohl hinter dieser Geschichte steckt“, sagt Mike mehr zu sich selbst, “Ich bin fest davon überzeugt, dass hinter diesem Viehdiebstahl kein Geringerer, als Estobar Cautillos steckt, der reichste Rancher in Nordmexiko, der seine gesamte Herde zusammen gestohlen hat und in Chihuahua zu finden ist. Bis dahin sind das etwa hundert Meilen und die Kerle brauchen dafür mindestens fünf Tage. Wenn wir gleich losreiten, erwischen wir die Bande vorher, ungefähr in der Gegend von La Morita. Die Gegend kenne ich, ist ziemlich schwierig zu treiben durch die Llanos de los Caballos Mestenos. Das sind ziemlich hohe Gebirge und wenn sie durch die Täler treiben, verlieren sie viel Zeit. Dafür gibt es auf der gesamten Strecke nach Chihuahua regelmäßig Wasserstellen und kleinere Bergseen. Wir verfolgen sie zunächst nach Süden in Richtung Santa Fe del Pino, um die Fährte aufzunehmen. Ich bin mir aber sicher, dass sie sich dann nach Westen wenden, um auf kürzestem Weg nach Chiuahua zu kommen. Das ist mein Plan. Wir werden sehen, ob ich Recht habe.“ „Klingt überzeugend“, brummt Jeff, „dann macht euch mal auf den Weg, seid aber vorsichtig und nehmt Ersatzpferde mit, meine Mannschaft ist mir wichtiger, als die Rinder. Bringt am besten die Kerle gleich mit, dann können wir sie beim Sheriff in Stockton abliefern und es gibt ein paar weniger davon.“ Die Gruppe murmelte Beifall. Alle erheben sich und treffen die letzten Vorbereitungen für das Aufgebot, das ab sofort nur noch ein Ziel hatte, die gestohlene Herde zurück zu holen.

Was haben sie über den Eisenbahnbau gehört?

Stockton besteht aus zehn Häusern und einer staubigen Hauptstraße, wird aber von allen in stiller Übereinkunft Town genannt, was so viel wie Stadt bedeuten soll. Wenn die Cowboys in kürzeren oder längeren Abständen etwas erleben wollen, dann reiten sie gerne in die Stadt und nicht in ein Kuhdorf. So haben sich überall im Lande zwischen den Ranches und Farmen kleine Orte gebildet, in denen die wichtigsten Dinge zu finden sind, die zum Leben dazu gehören. Sie ähneln sich alle, diese Towns, und ein Fremder findet sich mühelos in ihnen zurecht, so auch in Stockton.

In der Mitte der Hauptstraße befindet sich das größte Gebäude des Ortes, das alles Wesentliche zu bieten hat: ein Store, einen Saloon, ein Hotel und eine Post. Den Begriff Hotel sollte man nicht überbewerten. Als Nebengebäude des Saloons werden dort einige Zimmer angeboten, die etwas mehr Komfort bieten, als ein Stallgebäude. Dafür braucht man sich dort aber auch keinen Zwang aufzuerlegen. Mancher Durchreisende zieht es vor, in Stiefeln zu schlafen, die Waffe griffbereit mit einem nützlichen zweiten Ausgang durch das Fenster über den Dachüberhang des Saloons. Das stört allerdings auch niemanden, da für die Übernachtung immer schon im Voraus gezahlt wird. Als Hotelgast kommt man normalerweise auch erst sehr spät zur Ruhe, da im Saloon bis weit in die Nacht hinein gezecht wird und die Stimmen wegen des sich ständig steigernden Lärms immer lauter werden. Gelegentlich krachen auch schon einmal Schüsse oder es entsteht eine wilde Schlägerei im Saloon, von der hinterher niemand so genau sagen kann, warum sie entstanden ist. Die Cowboys brauchen bei ihrem öden Job gelegentlich Abwechslung. Dazu gehört eine ordentliche Menge Whiskey und ein Tresen, auf den man gelegentlich mit der Faust hauen kann, wenn es Grund zum Ärger gibt. Der Tresen ist dabei die harmlose Variante. Das Kinn eines anderen Streithammels verrichtet den gleichen Dienst, führt aber automatisch zu mehr Ärger und zu der besagten Schlägerei, aus der sich der Sheriff normalerweise heraus hält. Auch wenn geschossen wird, ist das noch kein Grund, einzugreifen. Erst wenn ihm gemeldet wird, dass nach einer Schießerei einer oder mehrere am Boden liegen und sich nicht mehr bewegen, macht sich Sheriff Bud Hanson an die Arbeit. Das passiert aber selten, höchstens einmal in der Woche.

Bud Hanson residiert gegenüber im zweiten Hauptgebäude von Stockton, gleich neben der Bank, die auf diese Weise automatisch den Schutz des Gesetzes genießt. Sheriff Bud Hanson ist ein schwergewichtiger Mann und für das gesamte Gebiet im Umkreis von etwa hundert Meilen um Stockton zuständig. Das ist ein verdammt großes Gebiet und da kann er nicht überall sein. Gar nicht auszudenken, wenn er ganz im Westen wäre und im Osten des County würde etwa passieren oder umgekehrt. Nein, der Sheriff ist ein alter Fuchs und sagt sich, dass es besser ist, wenn er in seinem Office in Stockton bleibt. Die Leute wissen ja, wo sie ihn zu finden haben.

So sitzt er auch heute in seinem kleinen von Tabakqualm verräucherten Office und lauscht misstrauisch auf den zunehmenden Lärm aus dem gegenüberliegenden Saloon. Hätte er keinen Sheriffstern, würde man ihn auf den ersten Blick gar nicht als Sheriff erkennen, in seiner etwas abgetragenen Kleidung, seinem Dreitagebart und der Zigarre im Mund, die perfekt in eine Zahnlücke passt. Seine zwei Gefängniszellen sind heute leer, was sich aber bei dem ansteigenden Lärm von Gegenüber schnell ändern kann und so wird er aus seinen Gedanken gerissen, als Mike Davis das Büro betritt.

Mike Davis ist neben Jeff Chandler der zweite Großrancher im Stockton County und ein wichtiger Mann. Seine Ranch liegt nördlich der Chandler Ranch, die ihn von der mexikanischen Grenze abschirmt. So hat er weniger Ärger mit Viehdieben, dafür gibt es ständig Streit mit Durchreisenden, die glauben, sich auf seinem Land niederlassen zu können. Mike Davis regelt dass im Allgemeinen selber, lediglich die betroffenen Kleinfarmer oder Schafzüchter beschweren sich dann beim Sheriff, der sie aber nach kurzer Belehrung aus dem Office schmeißt und ihnen dringend rät, woanders Land zu finden.

„Hallo Sheriff“, sagt Mike Davis beim Eintreten, „schon wieder ganz schöne Stimmung drüben, was?“ „Kann man wohl sagen“, brummt Sheriff Hanson und hat sich erhoben, was er nur bei zwei Leuten aus dem County macht, bei Mike Davis, Jeff Chandler und natürlich beim Gouverneur von Texas, sollte er einmal kommen. Hoher Besuch also heute in seinem Office. Bud Hanson zieht einen Stuhl heran und bietet Mike Davis den Platz an.

„Danke Sheriff“, sagt dieser und fährt sogleich fort. „Sagen sie mal, was haben sie über den Eisenbahnbau gehört?“, kommt Mike Davis sofort zur Sache, „wie man hört, ist die Strecke schon bis Austin fertig und demnächst sind wir wohl an der Reihe, was?“ „So ist es, Mr. Davis“, platzt der Sheriff amtsbeflissen heraus, „ Das ist eine ganz wichtige Sache und kaum einer nimmt das hier zur Kenntnis. Die Blödhammel drüben in der Kneipe sowieso nicht und dem Rest außer Ihnen und Jeff Chandler scheint das egal zu sein. Austin ist schon angeschlossen und der Gleisbau soll bis El Paso gehen, also mitten durch unser Gebiet. Stockton wird einen Bahnhof bekommen. Hier können sie dann ihre Rinder verladen und sich den langen Viehtrieb nach El Paso ersparen“.

„Sehr schön“, brummt Mike Davis, „und wo genau geht die Eisenbahnlinie durch, doch nicht etwa über mein Gebiet, oder?“ „Wenn ich das wüsste, würde ich es ihnen sagen“, brummt der Sheriff, „dazu müsste man die Streckenplanung der Eisenbahngesellschaft in Austin einmal einsehen, dann kann man das genauer sagen. Wenn ich es mir aber genau überlege, so führt die kürzeste Strecke von Stockton nach El Paso mitten über das Gebiet der Chandler Ranch. Das ist Pech, aber es wird sicher eine Entschädigung dafür geben.“ „Sicher“, brummt Mike Davis, „das mit der Einsichtnahme in Austin ist eine gute Idee, Sheriff. Das werde ich wohl tun. Bis dahin erst einmal vielen Dank. Passen sie nur auf die Kameraden da drüben im Saloon auf, gute Cowboys sind schwer zu bekommen.“ Mike Davis hat sich erhoben und macht Anstalten, das Büro zu verlassen. „Vielen Dank für ihren Besuch, Mister Davis“, sagt Bud Hanson, der ebenfalls aufgesprungen ist „vielleicht sollte ich drüben doch einmal nach dem Rechten sehen, bevor es zu spät ist. Nur beim Auge des Herrn, gedeiht das Vieh.“ Mike Davis sitzt schon im Sattel und verlässt den Ort, als der Sheriff auf den Saloon zuhält, wo es offensichtlich zu einer Auseinandersetzung gekommen ist. Mal sehen, was er noch retten kann?

Das kann ja wohl nicht wahr sein

Das Pecos Valley ist ein im äußersten Nordwesten gelegenes Tal des Chandler Gebietes. Es wird umsäumt von Bergketten, ist bewachsen mit Wäldern und saftigen Weideflächen, umsäumt von den Flussschleifen des Pecos Rivers und wird von Maggie Chandler „das Paradies“ genannt. Wenn auf den anderen Weideflächen im Norden schon Dürre herrscht, finden die Herden hier im Pecos Valley immer noch reichlich Nahrung und viel Schatten.