Wiener Kongress - Karl-Wilhelm Rosberg - E-Book

Wiener Kongress E-Book

Karl-Wilhelm Rosberg

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Beschreibung

Der Episodenroman führt uns in das Jahr 1814 nach Wien. Dort kommt es zu einem Ereignis von geschichtlicher Bedeutung, dem Wiener Kongress. Die Stadt quillt über von Monarchen, Begleitern und Besuchern. In 7 Monaten kommt die Stadt nicht zur Ruhe. Den Kongress begleiten Feste, Empfänge und vielerlei Lustbarkeiten. Während die Diplomaten versuchen, Europa nach Napoleons Sturz neu zu ordnen, vergnügen sich die nicht unmittelbar am Kongress Beteiligten in heute kaum mehr vorstellbarem Maße. Es bleibt nicht aus, dass es auch zu Intrigen, Skandalen und Affären kommt und mitten im Geschehen agiert der österreichische Staatskanzler Metternich wie ein Kanzler für ganz Europa.

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Seitenzahl: 180

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Personen

Prolog

Machtzentrale am Ballhausplatz

Erweisen sie ihrem Land einen großen Dienst Majestät und ziehen sie aus

Sorg dafür, dass wir Winneburg und Beilstein zurückerhalten

Dem Kongress das Weltgefühl christlicher Geisteshaltung geben

Die reinste Diplomatenschwemme

Müssen die eigentlich alle an einem Tag kommen?

Herrscher wirken am besten hoch zu Ross

Ein Verlierer schlägt zu

Wer mit wem, wo, wie oft?

Der Habsburger Familienrat

Clemens, über unser Fest soll noch die Nachwelt sprechen

Wir haben ein richtiges Problem mit König Friedrich August von Sachsen

Feste, Empfänge, Redouten, Bälle, wenn das so weiter geht, lasse ich mich jubilieren

Ich weiß nicht, ob sie diesen Brief der Kaiserin lesen möchten, Majestät?

Unsere Anschauungen sind gar nicht so verschieden

Palais Palm, ein Liebesnest gleich um die Ecke

Die Königin von Dänemark

Wir müssen aufpassen, dass der Zar nicht Johannisberg bekommt

Meine Tochter kostet mich über dreißigtausend im Monat, finden sie eine Lösung

Feiern, Feiern ohne Ende. Ein Höhepunkt der Geldverschwendung und ein Tiefpunkt menschlicher Vernunft

Ihr Völkerrecht interessiert mich nicht

Dieser Metternich ist der größte Störenfried

Der Zar ist ein uneinsichtiger Weiberheld

Für ein solches Fest hat sich die Völkerschlacht schon gelohnt

Metternich, sie müssen ein Dreierbündnis schaffen - gegen Preußen und Russland

Dem Kongress fehlt gerade noch ein Leichenbegräbnis

Der Zar führt sich wie ein wildgewordener Tyrann auf

Sie dürfen aber nicht schummeln, Gräfin

Versuchen sie ihren König von seinem Jagdtrieb abzubringen

Ein fürstliches Palais geht in Schutt und Asche

Ich möchte mich wenigsten noch einmal in Würde von dir verabschieden

Der Geheimdienstchef berichtet

Das ist ja ohrenbetäubender Lärm und kein Konzert

Ein Kongress, der gar keiner ist

Was tun gegen Langeweile?

Sie sind sehr weise, mein lieber Alexander. Von ihnen kann man viel lernen

Lord Pumpernickel, der Goldfasan

Haben die jetzt wieder die Guillotine aufgebaut?

Der Kuhhandel beginnt

Das Monster ist wieder da

Der Krieg, ein Segen für den Kongress

Eine Rangordnung für die manische Sucht nach Prestige

Diesmal lassen wir uns nicht einzeln von ihm verprügeln

Woher kommen all die Schulden, Vater?

Immerwährende Neutralität für die Schweizer Eidgenossen

Es ist so, als hätte es überhaupt keine niederländischen Vertreter bei dieser Konferenz gegeben'

Einen deutschen Kaiser will keiner mehr

Was sollen wir dieses Mal mit ihm machen?

Haben wir jetzt einen Katzenjammer?

Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein

Waren wir vielleicht zu kurzsichtig?

Zurück in der Gegenwart

Personen

Das Haus Metternich

Clemens Fürst Metternich, Staatskanzler Österreichs, Kongressleiter

Eleonore von Kaunitz, Gattin von Clemens Fürst Metternich

Franz Georg Fürst von Metternich und Ochsenhausen, Vater von Clemens Metternich

Mitarbeiter

Friedrich von Gentz, Berater Metternichs und Sekretär des Kongresses

Johann Phillip Freiherr von Wessenberg-Ampringen, weiterer Sekretär

Philipp Freiherr von Neumann, Legationskommissar, Vertrauter Metternichs, Enkel Maria Theresias

Die kaiserliche Familie Österreichs

Franz I., Kaiser von Österreich, bis 1806 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als Franz II.

Maria Ludovika Beatrix von Österreich- Este, Kaiserin von Österreich und dritte Frau von Franz I.

Erzherzog Karl, Bruder des Kaisers

Herzog Albert von Sachsen-Teschen, Onkel von Kaiser Franz I. Adoptiv Vater von Erzherzog Karl

Marie Christine, Gattin von Herzog Albert, Tochter Maria Theresias

Erzherzog Johann, Bruder des Kaisers, hasste Metternich, heiratete bürgerl.

Josef Hormayr, Vertrauter des Erzherzogs Johann, Gegner Napoleons und Bayerns

Erzherzog Josef, Bruder des Kaisers, Palatin in Ungarn Vertrauter der Kaiserin

Erzherzog Anton Viktor, Bruder des Kaisers Franz I. Kurfürst von Köln, Hochmeister Deutsch. Ritterorden

Erzherzog Rainer Joseph, Bruder des Kaisers Fran I. Generalartilleriedirektor, Vizekönig Lombardo-Venetien

Erzherzog Ludwig, Unterstützer Metternichs

Erzherzog Rudolph, Kommandeur des Infanterieregiments 14, Kardinalerzbischof von Olmütz, Förderer Beethovens

Erzherzog Ferdinand, Bruder des Kaisers und Großherzog der Toskana

Die Kinder der kaiserlichen Familie

Marie Louise, Tochter des Kaisers Franz I., verheiratet mit Napoleon, später mit Adam Graf Neipperg und Karl Graf Bombelles

Ferdinand, ab 1835 Nachfolger als Kaiser von Österreich

Leopoldine, Tochter des Kaisers, verheiratet mit Pedro von Brasilien

Franz Karl, Sohn des Kaisers Franz I., dessen Sohn Franz Joseph wurde 1848 nach Ferdinand Kaiser von Österreich

Die Monarchen und Delegationen

Russland

Alexander I., Zar von Russland und Vatermörder

Luise Marie Auguste von Baden, ungeliebte Frau des Zaren Alexander

Czartoryski, Liebhaber der Zarin, wohnhaft in Wien

Konstantin, Großfürst und Bruder des Zaren, ungezügelter Charakter

Katharina von Oldenburg, die schöne und von ihm geliebte Schwester des Zaren, heiratete nach langer Suche Prinz Wilhelm von Württemberg

Karl Robert Graf von Nesselrode, außenpolitischer Sprecher des Zaren und Delegationsleiter

Johann von Anstett, Elsässer und Berater des Zaren

Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, Berater des Zaren in deutschen und wirtschaftlichen Angelegenheiten

Fürst Andreas Kyrillowitsch Rasumowsky, russischer Botschafter in Wien

Preußen

Friedrich Wilhelm III., König von Preußen

Wilhelm, Prinz von Preußen, Bruder von Friedrich Wilhelm

August, Prinz von Preußen, Onkel von Friedrich Wilhelm

Karl August von Hardenberg, Staatskanzler und Delegationsleiter

Wilhelm von Humboldt, rechte Hand von Hardenberg

Bayern

Maximilian Josef, König von Bayern u. von Napoleons Gnaden

Karoline Friederike von Baden, Königin von Bayern

Ludwig Karl August, Kronprinz von Bayern, schwerhörig

Karl Theodor, Prinz von Bayern

Eugèn Rose de Beauharnais, Adoptivsohn Napoleons, Schwiegersohn von Max

Großbritannien

Henry Robert Stewart Castlereagh, Viscount of Londonderry

Lord Charles William Stewart, Botschafter in Wien, genannt Lord Pumpernickel

Arthur Wellesley Duc Marquis and Count of Wellington, Feldherr Großbritanniens und Nachfolger Castlereaghs

Frankreich

Charles Maurice de Talleyrand - Périgord, ehemaliger Bischoff, vom Papst entlassen, diente vor und nach der Revolution in den verschiedensten Ämtern als Regierungschef auch für Napoleon, wurde Außenminister unter Ludwig XVIII und Delegationsleiter Frankreichs

Dorothea von Talleyrand- Pèrigord, Frau des Neffen Talleyrands. Führte anstelle der Ehefrau Talleyrands in Wien den Haushalt und übernahm Sekretariatsaufgaben der Gesandtschaft.

Dänemark

Friedrich VI., König von Dänemark

Margarete Berger, gab sich als Königin von Dänemark aus

Württemberg

Friedrich, König von Württemberg und von Napoleons Gnaden, das Monster

Wilhelm, Kronprinz von Württemberg, vermählte sich mit der Tochter des bayerischen Königs, schickte sie aber zurück. Gehasst vom bayerischen Kronprinzen

Hofbedienstete

Ferdinand von Trautmannsdorff, Obersthofmeister

Johann Josef Maria von Wilcek, Obersthofmarschall

Johann Josef Robert von Trautmannsdorff, Oberstallmeister

Rudolf von Wrbna – Freudenthal, Oberstkämmerer

Franz Hager Baron von Allentsteig, Präsident der Polizei Hofstelle

Die vornehmen Damen

Molly Zichy-Ferraris, Gräfin, weigerte sich eine Million an den Zaren zurückzuzahlen.

Julie Zichy, Schwiegertochter des Ministers Karl Graf Zichy-Vásonykeö. Wurde vom preußischen König angehimmelt.

Auch die Töchter des Grafen schäkerten und verwöhnten die illustren Gäste.

Franziska (Fanny) Arnstein, Frau des jüdischen Bankiers Nathan Adam Arnstein, führte eine Salon in Wien mit illustren Gästen.

Wilhelmine Herzogin von Kurland-Sagan, führte mit ihren Schwestern einen sehr begehrten Salon, Alexander und Metternich hatten eine Liaison mit ihr.

Fürstin Katharina Pawlowna Bagration, die russische Andromeda, hatte ein Verhältnis mit Metternich, nahm sich in Wien etlicher Fürsten und des Zaren an, der am Ende ihre Schulden bezahlte

Prolog

Von September 1814 bis Juli 1815 ist Wien der Mittelpunkt Europas. Nach einem Jahrzehnt der Kriege, Unterdrückungen und Demütigungen, befinden sich die Menschen - vor allem die Monarchen, Politiker und Diplomaten - in einem Zustand tiefster Verunsicherung. Nahezu alle über Jahrhunderte gewachsenen Ordnungen sind aufgehoben, verändert oder zerstört. Napoleon, der sich zum Weltherrscher berufen fühlte, ist an der Überforderung Frankreichs und am eigenen Größenwahn gescheitert. Nach der Völkerschlacht in Leipzig 1813 ist er abgesetzt und zu einem komfortablen Exil auf Elba verbannt worden. Er hinterlässt ein von Kriegen verwüstetes Europa, millionenfache Tote und ebenso viele Traumatisierte und Verarmte. Es gibt aber auch Kriegsgewinner, und zwar Länder, die hinzugewonnen haben und Fürsten, die zu Königen von Napoleons Gnaden erhoben wurden. Nach seiner Abdankung und dem Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 besteht das dringende Bedürfnis, den Frieden und die Ordnung in Europa wieder herzustellen. Als Kongressort zur Klärung aller damit im Zusammenhang stehenden Fragen wurde Wien festgesetzt. Der Kongress sollte im September 1814 beginnen und alle gekrönten Häupter Europas, reisten dazu für mehrere Monate mit ihren Frauen, Prinzen, Prinzessinnen, Politikern, Bediensteten und Diplomaten nach Wien zu einem bis dahin einmaligen Kongress. Der Kaiser Franz des Gastgeberlandes Österreich kommt für den Großteil der Kosten auf und sein Kanzler, Clemens Fürst von Metternich, leitet den Kongress mit unnachahmlichem Geschick.

Die Geschichte des Wiener Kongresses ist in vielen hervorragenden Analysen sorgfältig aufgearbeitet worden. Neue Analysen wurden anlässlich des zweihundertjährigen Jubiläums dieses Großereignisses herausgegeben. In Wien existiert ein Österreichisches Haus-, Hof und Staatsarchiv mit allen Kongressakten. Einige Historiker haben in mühevoller Arbeit die Berichte von Zeitzeugen zusammengestellt und bearbeitet. Beispielhaft seien genannt: Wolfram Siemann, Metternich; Alan Palmer, Metternich. Der Staatsmann Europas; Hilde Spiel, Der Wiener Kongress in Augenzeugenberichten; Anna Ehrlich und Christa Bauer, Der Wiener Kongress. Diplomaten, Intrigen und Skandale; Hans-Dieter Dyroff, Der Wiener Kongress 1814/15. Die Neuordnung Europas; Heinz Durchardt, Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas; Hans Leidinger, Trügerischer Glanz: Der Wiener Kongress. Eine andere Geschichte; Hazel Rosenstrauch, Congress mit Damen; Alan Palmer, Glanz und Niedergang der Diplomatie. Dies stellt nur eine kleine Auswahl von Werken dar, die sich mit dem Wiener Kongress befassen.

Es soll daher nicht der Versuch unternommen werden, eine weitere historische Analyse hinzuzufügen. Dem Verfasser kommt es vielmehr darauf an, die Ereignisse des Wiener Kongresses in Form eines Episodenromans unterhaltend und hoffentlich interessant zu erzählen. Alles, was dargeboten wird, hat sich tatsächlich so ereignet. Um die handelnden Personen wieder zum Lebe zu erwecken, wurde die Romanform gewählt, die natürlich nicht ohne ein Mindestmaß an Fantasie auskommt. Niemand der heute Lebenden war damals dabei. Man kann sich die Ereignisse also nur vorstellen.

Begeben wir uns also nach Wien in das Jahr 1914 und schauen wir, was passiert ist. Der Verfasser wünscht dem Leser viel Freude, Unterhaltung und vielleicht auch einige neue Erkenntnisse.

Machtzentrale am Ballhausplatz

Das Bundeskanzleramt in Wien, Am Ballhausplatz 2, ist die politische Zentrale der heutigen Republik Österreich. Sie war es schon zu Zeiten des Kaiserreichs und während des Wiener Kongresses am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Damals war Österreich eine europäische Großmacht, ein Vielvölkerstaat, der große Teile Ungarns, Böhmens, des Balkans und Norditaliens einschloss. Der österreichische Kaiser Franz aus dem Hause Habsburg war traditionell – oder mit Hilfe von Geldgebern - für den Stimmenkauf zugleich Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, ein Sachwalter des von Karl dem Großen geschaffenen europäischen Großreichs. Er war es.

Nachdem Napoleon 1806 das Reich quasi aufgelöst hat, nennt er sich nur noch Franz I. Kaiser von Österreich. Die Politik macht ihm sein Staatskanzler, bei dem alle Fäden des komplizierten Vielvölkerstaates und die außenpolitischen Beziehungen zusammenlaufen. Es bedarf schon außerordentlicher Fähigkeiten, dieses Gewirr von politischen Aktivitäten, staatlich gebotenen Erfordernissen, Begehrlichkeiten, Animositäten und Zumutungen zu durchschauen und jeweils den für richtig befundenen Weg darin zu finden.

Das Gebäude ist wuchtig, wie für die Ewigkeit gebaut und vermittelt schon bei der Annäherung den Eindruck, dass hier Macht ausgeübt wird. Besucher kann das schon beeindrucken. Begeben wir uns hinein. Es ist der erste September 1814. Ganz Wien befindet sich wie in einem Fieber. Man erwartet die Monarchen und Delegationen fast aller Staaten und Länder Europas zu einem ganz großen Kongress. Es geht um nichts weniger, als darum, die alte und von Napoleon völlig veränderte Ordnung Europas nach dessen vernichtender Niederlage wieder herzustellen, zumindest in großem Umfange zu korrigieren.

Schon in der Vorhalle des Kanzleramtes herrscht reges Treiben. Ungewöhnlich viele Besucher halten sich hier auf und alle haben ihre Anliegen, die früher oder später von den Mitarbeitern des Kanzlers entgegengenommen werden. Dieser, Clemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich – wir wollen ihn künftig nur Clemens Metternich nennen - befindet sich in seinem geräumigen Arbeitszimmer an einem barocken Schreibtisch und studiert konzentriert die ihm vorgelegten Listen. Sein Sekretär und persönlicher Berater, Friedrich von Gentz, steht vor dem Schreibtisch und wartet geduldig auf die Reaktion seines Kanzlers.

Metternich blättert die umfangreichen Listen durch, liest konzentriert einzelne Namen und schaut schließlich zu Gentz auf. „Hätten sie es für möglich gehalten, dass wir mit dem Kongress eine derartige Völkerwanderung auslösen würden, Gentz?“ „Eigentlich konnten wir nichts anderes erwarten, wenn fünf gekrönte Häupter mit ihren Bediensteten, Diplomaten und Angehörigen kommen wollen. Dazu noch alle Fürsten, Grafen, Herzoge und wer sonst noch.“ „Haben sie einmal die Anzahl der Teilnehmer gezählt?“ „Ich habe sie zählen lassen. Es dürften wohl über dreißigtausend sein.“

Metternich erhebt sich von seinem Schreibtisch, wirft einen kurzen Blick durch die halb geöffnete Tür in sein Vorzimmer, wo sich mehrere Personen aufhalten und begibt sich dann zum Fenster, durch das er den Vorplatz vor dem Gebäude einsehen kann. „Wie sollen wir in einer Stadt mit gut zweihunderttausend Einwohnern so viele Menschen unterbringen?“ Der angesprochene Sekretär legt beide Hände hinter dem Rücken übereinander - eine für ihn ganz typische Haltung – und beginnt seinerseits mit einem Rundgang durch das Arbeitszimmer.

„Wir sollten es vielleicht einmal so sehen, Durchlaucht, es hat viele Vorteile für Österreich, wenn diese Konferenz in Wien stattfindet. Wir müssen uns im Grunde genommen nur um die Unterbringung der Monarchen kümmern. Die Delegationen müssen sehen, wo sie unterkommen. Wien hat viele Vorstädte, auch der größere Umkreis kann davon profitieren.“

„Und wo bitte sollen die Monarchen mit ihren Begleitern wohnen?“ „In der Hofburg selbstverständlich. Wir müssen entsprechend Platz schaffen und der Kaiser kann für zwei Monate nach Schönbrunn ziehen.“ „Glauben sie lieber nicht, dass wir nur zwei Monate benötigen. Erfahrungsgemäß dauern derart schwierige Verhandlungen immer sehr lange, vor allem dann, wenn so viele mitreden wollen.“ Gentz nickt zustimmend: „Und je gastfreundlicher wir sind, umso länger werden sie bleiben. Da fällt mir ein, draußen wartet der Obersthofmeister von Trautmannsdorff. Der macht einen sehr unglücklichen Eindruck. Ich nehme an, er weiß auch nicht, wo er die Staatsgäste unterbringen soll.“ „Holen sie ihn herein, Gentz.“

Ferdinand von Trautmannsdorff betritt würdevoll das Arbeitszimmer. Er ist wie immer elegant gekleidet, mit blaugoldenem Rock, aufwändig bestickten Tressen, leicht grauem Haar und sich der Verantwortung, die auf ihm ruht, sichtbar bewusst. Metternich geht rasch auf ihn zu und drückt ihm beide Hände: „Sie sind nicht zu beneiden, Trautmannsdorff. Ich muss nur die Staatsgeschäfte regeln, aber sie müssen sich um alle kümmern. Ich fürchte, sie haben die schwierigere Aufgabe.“ Trautmannsdorff nickt kaum erkennbar: „Danke für das Beileid. Ich möchte ihre Probleme aber auch nicht haben.“ „Legen sie los, Obersthofmeister, wie steht es um die Unterbringung?“

„Ganz schwierig, eigentlich unlösbar. Wie kann man den Adel ganz Europas für Monate nach Wien einladen? Wir müssen uns um fünf gekrönte Häupter mit ihren Angehörigen und Bediensteten kümmern. Dazu steht uns nur die Hofburg zur Verfügung, wo wir sie zusammen betreuen und bewachen können. Wenn Kaiser Franz solange nach Schönbrunn zieht, geht das sogar.“ „Was sagt der Kaiser?“ „Der lehnt es ab, überhaupt darüber zu sprechen. Wir sollen uns etwas einfallen lassen.“

Metternich wendet sich an Gentz: „Wann kommt der Erste?“ „Am zweiundzwanzigsten kommt der König von Württemberg, Friedrich. Am gleichen Tag der König von Dänemark, auch ein Friedrich.“ „Wann kommt der Zar?“ „Drei Tage später zusammen mit dem König von Preußen. Die treffen sich irgendwo und wollen zusammen ankommen.“ Der Obersthofmeister schüttelt den Kopf: „Damit haben wir dann auch ein Rangproblem. Warum müssen die denn ausgerechnet zusammen kommen?“ Metternich wird ungeduldig: „Der Zar ist der Ranghöhere, der einzig ebenbürtige zu unserem Kaiser. Im Übrigen muss ich so schnell, wie möglich mit dem Kaiser darüber sprechen. Wann kommen die ersten Gäste?“ Gentz überlegt kurz: „Morgen kommt bereits der päpstliche Gesandte, Kardinal Consalvi. Der Vatikan hat es wie immer sehr eilig und möchte nichts verpassen.“ „Na großartig. Wer begrüßt den?“ „Sie natürlich, der Kaiser kümmert sich nur um die Monarchen.“

Metternich fragt: „Sonst noch Probleme?“ „Gewiss“, sagt Trautmannsdorff, „für den Württemberger König müssen wir ein Bett verstärken, der ist ungeheuer dick und schwer. Außerdem kann der nicht an einem normalen Tisch essen. Dazu müssen wir ein halbrundes Loch in die Tischplatte schneiden." „Tun sie das“, sagt Metternich schmunzelnd, erteilt noch einige Aufträge und wendet sich seinem Schreibtisch zu, während Gentz und Trautmannsdorff rückwärts den Raum verlassen.

Erweisen sie ihrem Land einen großen Dienst Majestät und ziehen sie aus

Metternich begibt sich zur Hofburg. Er muss dringend mit Kaiser Franz sprechen. Heute scheint die Sonne und er gönnt sich das Vergnügen, zu Fuß durch die Stadt zu gehen. Am Toreingang zur Hofburg erkennen ihn die Wächter sofort, salutieren und grüßen. Metternich nickt freundlich und geht geradewegs auf das Portal mit der Freitreppe zu. Dort wiederholt sich die Begrüßung. Der diensthabende Offizier wundert sich ein wenig, dass der Kanzler nicht mit der Kutsche vorfährt. Metternich eilt mit langen Schritten die Treppe hinauf. Oben angekommen öffnen ihm zwei Soldaten die schwere Eingangstür. Der Kanzler kennt den Weg zu den kaiserlichen Gemächern im Schlaf, grüßt hier und da im Vorbeigehen. Ein Besucher, der versucht ihn anzusprechen, wird kurz abgewiesen. Metternich hat wenig Zeit und befindet sich kurz darauf im Vorzimmersekretariat. „Gott sei Dank“, wird ihm dort bedeutet, „der Kaiser erwartet sie schon.“ Metternich wird sofort vorgelassen und steht dann schon vor dem kaiserlichen Schreibtisch.

Franz I., als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nannte er sich noch Franz II., studiert aufmerksam ein Schriftstück, das er halb hoch hält. Metternich weiß, dass der Kaiser sehr detailverliebt ist, sich vor allem um Kleinigkeiten kümmert, über die er unnachsichtig entscheidet und das für Regierungskunst hält, wie der preußische General Knesebeck das einmal ausdrückte. Metternich kann damit umgehen. Wenn er etwas erreichen will, muss er die Dinge kompliziert vortragen. Der Kaiser wird dann schnell ungeduldig, winkt meistens ab und bedeutet ihm, der Kanzler möge sich selber darum kümmern. Er kann schließlich nicht alles entscheiden.

So geht Metternich auch jetzt vor. Franz, eine große und sehr schlanke Erscheinung, erhebt sich, um seinen Kanzler zu begrüßen. "Ich dachte schon, sie kommen überhaupt nicht mehr“, rüffelt er. „Wir müssen den Obersthofmeister etwas im Rang erheben, der Obersthofmarschall wähnt sich ihm gegenüber gleichwertig. Das geht so nicht. Machen sie mir rasch einen Vorschlag.“ Metternich nickt kurz.

„Haben sie noch etwas?“ Der Kaiser setzt sich wieder hinter seinen Schreibtisch und deutet Metternich an, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. „Ich muss da etwas ausholen, Majestät. Bei der Unterbringung der gekrönten Staatsoberhäupter müssen wir genau auf die Rangfolge achten. Das bedeutet sehr viel für das Zeremoniell und die Veranstaltungen, aber auch für die Unterbringung. Wir müssen auch genau bedenken, welche Räumlichkeiten wir zuweisen und wie diese in ihrer Größe abgestuft sind. Für den russischen Zaren müssen wir die größte Suite bereithalten, denn er kann bis zu sechzig Bedienstete mitbringen. Der Preußische König muss mit weniger auskommen.“

Der Kaiser wird ungeduldig: „Kommen sie bitte zur Sache.“ „Das größte Problem dabei ist ihre Unterbringung, Majestät.“ „Wieso das denn?“ „Weil sie als Gastgeber und im Rang noch über dem russischen Zaren stehen. Dazu benötigen sie mindestens einen Gebäudeflügel.“ Kaiser Franz denkt nach: „Verstehe, und was kann man da machen?“ „Erweisen sie dem Land einen großen Dienst, Majestät, und ziehen sie aus. Sie wohnen besser in Schönbrunn, in einem ganzen Schloss. Das schafft auch den nötigen Abstand.“ Kaiser Franz nickt. „Sie haben vollkommen Recht. Das geht nur so. Dann müssen die anderen bei mir vorfahren und können nicht einfach über den Gang kommen. Warum hat der Trautmannsdorff das nicht gleich gesagt? Na ja, hat eben jeder seine Grenzen, Metternich. Wir machen das so. Noch etwas?“ „Fürs erste nicht Majestät, wir werden den Umzug jetzt vorbereiten. Das Zeremoniell bei der Ankunft der Monarchen können wir später besprechen. Das hat noch etwas Zeit. Haben sie Vorgaben für die Politik beim Kongress?“ „Um die Politik kümmern sie sich, halten sie mich aber informiert.“ Metternich erhebt sich rasch, verlässt rückwärts den Raum, verbeugt sich am Ausgang und verlässt das Arbeitszimmer des Kaisers. Geschafft. Trautmannsdorff kann jetzt loslegen.

Sorg dafür, dass wir Winneburg und Beilstein zurückerhalten

Metternich muss sich jetzt um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Er bewohnt eine Dienstwohnung im Stockwerk über dem Kanzleramt, besitzt aber noch das Stadtpalais, Am Rennweg – eine Erbschaft seiner Frau - das vor allem für größere Einladungen und Bälle genutzt werden kann. Seine Frau Maria Eleonore erwartet ihn schon ungeduldig. Sie hat für den bevorstehenden Kongress große Pläne und möchte über alles informiert sein, was den Kongress angeht.

Eleonore – Metternich nennt sie liebevoll Lori – hat einen starken Kaffee im Kaminzimmer vorbereiten lassen und Metternich muss sich erst einmal etwas von den Strapazen des Tages erholen. „Der Kaiser hat überhaupt keine Schwierigkeiten gemacht“, beginnt er seinen Bericht und weißt du, welches Argument ihn sofort überzeugt hat, Lori?“ „Ich nehme an, er möchte hin und wieder seine Ruhe haben.“ „Das wohl auch, aber dass die gekrönten Häupter nicht einfach über den Gang zu ihm kommen können, sondern sich eine Audienz besorgen müssen und durch die halbe Stadt nach Schönbrunn zu ihm fahren müssen, gab den Ausschlag.“ Eleonore schmunzelt: „Du weißt eben, wie man überzeugen kann. Kommst du in unserer Sache weiter?“

Metternich genießt den duftenden Kaffee, gönnt sich einige Kekse und lässt sich mit der Antwort etwas Zeit. „Wir dürfen nicht ungeduldig sein. Sieh mal, der Kongress hat ja noch gar nicht begonnen. Ich warte auf die Verhandlungsführer der Siegermächte und werde mir erst einmal ihre Forderungen anhören. Da geht es um ganze Länder, wie Polen und Sachsen. Da ist unser Anliegen vergleichsweise bedeutungslos.“ „Aber nicht für uns, Clemens, für uns ist das von außerordentlicher Bedeutung. Die linksrheinischen Gebiete haben allein einen Kapitalwert von einer halben Million Gulden und Einnahmen von jährlich bestimmt zwanzigtausend Gulden. Man muss uns die zurückgeben.“