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Hier werden die Voraussetzungen sowohl unserer Weltsicht als auch unseres Denkens über uns und die Welt deutlich thematisiert. Vor allem aber wird gezeigt, wie sehr unsere "Bilder im Kopf" diese Sicht dominieren und wie schwer es ist, dies zu erkennen, insonderheit aber loszulassen oder gar zu überwinden.
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Seitenzahl: 1119
Veröffentlichungsjahr: 2019
Peter Schlabach
Weltsichtebenen
bestimmen unsere
„Bilder im Kopf“
Wie kann daraus selbständiges Denken entstehen?
© 2019 Peter Schlabach
2., überarbeitete Auflage
Covermotiv: © pixabay.de
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback
978-3-7497-3467-2
Hardcover
978-3-7497-3468-9
e-Book
978-3-7497-3469-6
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Peter Schlabach
Weltsichtebenen bestimmen unsere
„Bilder im Kopf“
Wie kann daraus selbständiges Denken entstehen?
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Gedanken zur Einführung
I. Was macht uns Menschen zu dem, was und wer wir sind?
a) Evolution der Menschen
b) Die geistige Entwicklung eines Kindes, oder, wie entstehen unsere „Bilder im Kopf“?
c) „Malwerkzeuge“
c1) Weltsichtebenen
c2) Linien
c3) Libido – Zustände und Typen
II. Das Patriarchat und die durch dieses initiierten Entwicklungen
a) Vorbedingungen
b) Erziehung im Patriarchat und die Folgen
c) Götterhimmel
d) Monotheismus und seine herrschaftsstabilisierende Wirkung
e) Macht und Gewalt und deren Folgen
III. Vom Eigentum zur Globalisierung
a) Eigentum, Geld und Zins
b) Die sog. „Freie Marktwirtschaft“
c) Marktwirtschaft total, global, brutal
IV. Menschliche Gesellschaften
a) Historisches
b) Orange, positive wie negative gesellschaftliche Folgen
V. Wissenschaft – Fluch und Segen
VI. Neue „Bilder für den Kopf“
a) Gibt es eine lebenswerte Zukunft?
b) Neue „Bilder für den Kopf“
Literaturverzeichnis
Vorwort
Es wird immer deutlicher, dass wir Menschen von vier zentralen Bereichen aus entscheiden, und/oder angetrieben, oder gar „gesteuert“ werden, unserem Gehirn, unseren Gefühlen, den meist unbekannten Be-Wirkungen aus unserem Unbewussten und unserer Umgebung. Unsere Gefühle treten erst in letzter Zeit verstärkt in den Fokus der Wissenschaften, wurden sie doch lange ignoriert, bzw. alleine als Folgereaktionen hormonaler Zustände gedeutet. Durch die Erforschung der Linien, s.u., aber auch der immer feineren Beobachtungsmöglichkeiten bildgebender Verfahren bei der Untersuchung unseres Gehirns wird immer klarer, dass sie in weit umfassenderer Weise Einfluss auf all unsere Reaktionen oder Handlungen haben, als bis noch vor kurzem angenommen. Eines wird aber immer eindeutiger: sowohl unserer geistigen Entscheidungen, als auch die Gefühle unterliegen Entwicklungsprozessen, die in ganz vergleichbarer Weise „Stufen“ durchlaufen, bzw. auf solchen „verharren“, wie es Piaget zu Beginn des letzten Jahrhunderts, oder Claire Graves im letzten Jahrhundert für die kognitive Entwicklung, bzw. deren Zuständen beobachteten, als auch immer mehr PsychologInnen für unsere Gefühle und andere Zustände, die inzwischen als Linien bezeichnet werden, erforschten. Die Ergebnisse beider Erkenntnisse verweisen immer nachdrücklicher darauf, dass wir im umfassenden Sinne Lernwesen sind, werden doch sowohl unsere kognitiven Fähigkeiten, als auch unsere gefühlsmäßige Vorgabe und Bereitschaft durch unsere jeweilige Ontogenese nicht nur hervorgebracht, sondern auch in umfassender Weise geprägt. Sicher spielen hier auch genetische und seelische Vorgaben und/oder Absichten in diese Prozesse hinein. Aber die durch die Prozesse und Abläufe unserer Ontogenese hervorgerufenen „Bilder in unseren Köpfen“, die ja das Ergebnis dieser Prozesse sind, sind die umfassenden Voraussetzungen all unserer Erkenntnisse, Absichten und Handlungen, gerade weil sie sich sowohl auf unsere geistige als auch gefühlsmäßige Entwicklung stützen, bzw. durch diese erzeugt und bestimmt werden. In noch deutlicherer Weise im Sinne des Übersehens gilt dies nach wie vor für die Wirkungen unseres Unbewussten.
Wenn ma´u (im Folgenden immer benutzte Abkürzung für man/frau) sich aber auf diese Ausgangsposition einer möglichen Interpretation menschlicher Verhaltensweisen einlässt, muss unbedingt eine weitere Folge dieser Ontogenese mit einbezogen werden, die zuvörderst eine Folge der immer noch weitgehend geltenden Umstände patriarchaler Erziehungspraktiken sind, die in der frühesten Kindheit erlebten und dann verdrängten Verhaltensweisen der Eltern ihren Kindern gegenüber nämlich. Schon Sigmund Freud und viele seiner SchülerInnen haben auf diese Zusammenhänge hingewiesen. Aber in jüngster Zeit war es insbesondere Arno Grün, der in seinen Büchern nochmals diese immer noch oft übersehenen Umstände erneut exemplarisch aufzeigte und an vielen Beispielen belegte. Der folgende Text versucht nun in einem Gespräch zwischen einem „Opa“ und seinen zwei Enkeln, sowie zeitweise einem Freund derselben, auf dieser Grundlage aufzuzeigen, in welchem Ausmaß diese „Bilder im Kopf“ einerseits für den Zustand unserer heutigen Situation verantwortlich sind, aber auch wo, warum, wie und in wessen Interessen diese Einsicht in diese Umstände, aber auch mögliche darauf aufbauende positive Entwicklungen be- und oft auch verhindert werden. Das Beispiel der immer vergeblicheren Bemühungen wenigstens die Probleme der Erderwärmung anzuerkennen, geschweige denn daraus Konsequenzen zu ziehen, zeigen dies erneut exemplarisch.
Gedanken zur Einführung
Vor einiger Zeit begleitete ich meine Enkelin Melanie nach einem Besuch bei uns zum Bahnhof. Wir hatten uns während ihres Besuches über eine Reihe von Themen unterhalten, die sie, eine Studentin der Volkswirtschaftslehre im dritten Semester, interessierten. Dabei stellte ich ihr eine Menge kritischer Fragen zu ihrem Studium vor allem in Bezug zu den letzten Wirtschaftskrisen und deren Folgen, die sie offensichtlich ziemlich zum Nachdenken brachten. Plötzlich fragte sie mich: „Opa, gibt es in der heutigen Zeit für junge Menschen überhaupt eine Chance auf ein erfülltes glückliches Leben?“ Ich war doch etwas überrascht, antwortete aber ganz spontan: „Aber ja doch, das ist doch vor allem eine Frage der eigenen inneren Einstellung dem Leben gegenüber!“ „Meinst Du?“ Immer noch zweifelnd und nachdenklich stieg sie dann in den Zug.
Einige Tage später telefonierte ich mit meinem Enkel Thomas und da kam fast die gleiche Frage: „Lohnt es sich denn wirklich in dieser Art von Schule und anderer allgemeiner Bildungseinrichtungen weiter zu arbeiten und zu lernen? Danach erwartet mich ja doch nur ein schwieriges Leben in einer solch zerrissenen Gesellschaft und einer so unsicheren Situation?“ Auch hier wollte ich ihm spontan ähnlich wie seiner Cousine antworten, aber dann wurde mir bewusst, dass hier doch tiefer liegende Probleme und vor allem umfassende Unkenntnisse und falsche Vorstellungen sowohl über das Leben generell, als auch über die derzeitigen Lebensumstände sowohl in unserer Gesellschaft, als auch die weltweiten Entwicklungen existieren. Nach einigen Rückfragen machte ich ihm den Vorschlag sich zusammen mit mir und seiner Cousine in Form mehrerer gemeinsamer Gespräche die Mühe zu machen, sich mit einer Reihe wichtiger und grundlegender Fragen über uns Menschen, unsere Gesellschaft und die derzeitige Situation zu beschäftigen. Da ich mich mit ihm schon einmal in ähnlicher Weise über die Schule unterhalten hatte, war er damit sofort einverstanden. Melanie war nicht ganz so schnell zu gewinnen, aber nachdem sie sich nochmals mit mir und dann nochmals Thomas unterhalten hatte und über seine Erfahrungen mit einem solchen Gespräch einiges erfuhr, war auch sie einverstanden. Ich schlug ihnen vor, ihnen eine umfassende Liste von Themen zukommen zu lassen, die mir als wesentlich für dieses Vorhaben erschienen und sie sollten dazu weitere Vorschläge und/oder erweiternde Fragen von ihrer Seite anfügen. Aus diesem „Umlauf“ ergaben sich folgende Themen, mit denen wir uns gemeinsam auseinandersetzen wollen:
− Menschen als Produkt weitgehend abgeschlossener biologischer und enorm aktiver geistiger Evolution, mit besonderen Schwerpunkten auf den Forschungen von Piaget, Arno Gruen und deren Erkenntnissen in Bezug auf die Erziehungseinwirkungen der Familie und Gesellschaft,
− eine umfassende Betrachtung von “Spiral Dynamics“ und den darin dargestellten Weltsichtebenen, aber auch den Bewusstseinsstrukturen nach Gebser, sowie deren Bedeutung im Verständnis von Gesellschaft und der „Großen Kette des Seins“,
− die begründende und gesellschaftlich stabilisierende Rolle aller Religionen, vor allem aber der monotheistischen in diesen Zusammenhängen,
− heutige Gesellschaft, entstanden aus den Bedingungen und Folgen des Patriarchates, wie Machthierarchien, private und gesellschaftliche Gewalt, bürgerliche Ehe, Eigentum, Kolonialismus, Monopolkapitalismus, Globalisierung und formale Schein-Demokratie und immer noch fortgesetzte Kriege, heute vor allem aus wirtschaftlichen Interessen
− die überlebensbedrohlichen Folgen der einseitig materialistisch- mechanistischen Interpretationen des Lebens durch die Naturwissenschaften und die katastrophalen Auswirkungen solcher Interpretationen insbesondere auf die Humanwissenschaften und auf die derzeitige Wirtschafts- und Weltlage,
− sowie die ideologisch begründete und begründende schwerwiegende Rolle der momentan herrschenden Sichtweisen der Ökonomie, mit besonderen Schwerpunkten auf ihren „blinden Flecken“ und deren verheerenden Folgen in den weltweiten wirtschaftlichen Katastrophen
− und als eine Art Zusammenfassung: haben wir Menschen insgesamt und damit insbesondere junge Menschen eine lebenswerte Zukunft.
Dieser „Katalog“ ist nach übereinstimmender Auffassung von uns allen dreien eine gute Grundlage für solche Gespräche, denn auch meinen beiden Enkeln fielen keine weiteren über diese hinausgehenden Fragen oder Inhalte ein. So einigten wir uns auf einen Termin hier bei den Großeltern und ich bin schon richtig gespannt, was dabei so alles zu Tage kommt.
I. Was macht uns Menschen eigentlich zu dem, was und wer wir sind?
An einem schönen Samstagmorgen stand ich am Ausgang der Ankunftshalle des Münchner Bahnhofs und schloss meinen Enkel Thomas herzlich in meine Arme:
O etwas gerührt: Komm her und lass Dich umarmen, nach einer kleinen Weile der gegenseitigen Freude, na wie war Deine Fahrt?
T freudig erregt: Hallo Opa, ich freue mich richtig Dich mal wieder zu sehen. Die Fahrt war wie immer kurz und schmerzlos. Aber wo ist denn Oma, warum ist Sie denn nicht mitgekommen?
O etwas bedauernd lächelnd: Tja, Oma fährt nicht so gerne längere Strecken mit dem Auto und außerdem bereitet Sie schon mal unser gemeinsames Mittagessen vor.
T: Oh, da freue ich mich aber drauf, Oma kocht ja so gut.
O lachend: Ja das kann Sie wirklich hervorragend. Deshalb geht es mir ja auch so gut. Aber jetzt müssen wir noch etwas warten und Melanie in Empfang nehmen.
Opa und Thomas gehen in den Verbindungsteil des Münchner Bahnhofs und treffen dort Melanie, die wenigen Minuten zuvor angekommen war. Gemeinsam fahren sie dann mit der Regionalbahn weiter und dann mit dem Auto zum Anwesen der Großeltern. Nach ihrer Ankunft werden sie auch von ihrer Oma ganz herzlich begrüßt und diese zeigt ihnen anschließend ihre Zimmer. Nachdem Thomas und Melanie ihre Sachen in ihren Gästezimmern untergebracht und sich etwas erfrischt haben,treffen sich alle zum gemeinsamen Mittagessen, das den beiden jungen Leuten auch ausgezeichnet schmeckt. Nach einem kleinen Nachtisch setzen sich Opa, Thomas und Melanie gemeinsam auf die Terrasse und Thomas beginnt:
T engagiert: Tja Opa. Da sitzen wir mal wieder zu einem Gespräch zusammen, auf das ich mich jetzt schon ganz besonders freue. Ich habe unseren „Katalog“ auch meinen Eltern gezeigt. Die waren ganz schön beeindruckt und beide freuen sich schon auf unsere “Erfolge“, die Du ja wahrscheinlich wieder schriftlich festhältst, so dass sie dieselben wieder nachlesen können. Und ich freue mich schon auf die dann folgenden Gespräche mit meinen Eltern. Vor allem der Punkt mit dem Patriarchat ist mir und meinen Eltern noch völlig schleierhaft. Da bin ich mal besonders gespannt, was wir da zu Tage fördern.
M ebenfalls angeregt: Ja Opa, der interessiert mich ebenfalls ganz besonders. Ich habe übrigens unseren „Katalog“ auch einigen BekanntInnen aus meinem Studium gezeigt. Die waren ganz schön erstaunt was wir uns da vorgenommen haben. Die finden praktisch alle Themen spannend. Vor allem interessieren sie die Themen Ökonomie und was das ganze mit dem Patriarchat und dessen Folgen zu tun hat. Wir hatten im letzten Semester in einem Seminar auch das Thema der derzeitigen Wirtschaftskrise besprochen. Aber uns erschienen die Antworten und Begründungen unseres Profs irgendwie nicht wirklich deutlich und nachvollziehbar. Da bin natürlich auch ich besonders gespannt, was wir da so an „blinden Flecken“, wie Du es nennst, aufdecken werden. Und schreibst Du das hinterher wirklich alles auf? Das finde ich ja besonders toll, da kann ich mir das zuhause nochmals gründlich nachlesen und bedenken und auch meinen FreundInnen zeigen.
O erfreut und zustimmend lächelnd: Ja natürlich schreibe ich Euch das wieder auf. Es ist ja auch erfreulich, dass Ihr schon bei anderen Interesse an unserem Vorhaben geweckt habt, aber ich muss doch etwas bremsen. Erstens muss ich Euch darauf hinweisen, dass, wenn wir unser Vorhaben in der jetzt vorgesehenen Form besprechen bzw. durchführen wollen, wir doch einige Zeit dafür einrechnen müssen, denn das ist ein ganz schöner Umfang, zumindest dann, wenn wir es einigermaßen begründet machen wollen. Und zweitens denke ich, müssen wir doch auch irgendwie systematisch das Ganze angehen und können daher nicht die Themen vorziehen, die euch jetzt besonders interessieren.
T: Ja natürlich. Ich weiß das ja noch von unseren letzten Gesprächen, wie wichtig eine solche Systematik ist. Und natürlich müssen wir bei uns Menschen anfangen, wenn wir verstehen wollen, was und warum wir Menschen bestimmte Dinge tun und andere lassen.
M nickt zustimmend: Ja grundsätzlich denke ich hier genauso wie Thomas. Allerdings bin ich auf der anderen Seite doch auch etwas erstaunt, dass Du diesen Punkt so hervorhebst. Es gibt doch ganze Bibliotheken voller Bücher über uns Menschen!
O leise lächelnd: Ja Melanie, da hast Du natürlich völlig Recht. Es stellt sich aber doch dann sofort die Frage: wenn wir so viel über uns wissen, warum sind denn dann so viele Umstände unseres Lebens so widersprüchlich? Und warum bleiben so viele Fragen ohne wirklich erklärende Antworten, z.B. die Fragen des Terrorismus, der wachsenden Kriminalität Jugendlicher, der allgemeinen Umweltbelastungen, der verschiedenen finanziellen Einbrüche usw.. usw., usw.?
M etwas betroffen und auch nachdenklich, fragt aber fast spöttisch: Da hast Du schon recht. Aber glaubst Du wirklich, dass wir hier zu all diesen Fragen ganz neue Antworten finden werden?
O lacht: Na ja, in einer solch pauschalen Weise, wie sie Deine Frage impliziert natürlich nicht. Aber warte mal ab, was wir so alles zu Tage fördern werden. Aber dazu eine grundsätzliche Bemerkung. Siehst Du Melanie, Fragen nach Antworten überhaupt, nach neuen oder bekannten, hat mich fast ein Leben lang beschäftigt. Warum ich das Bedürfnis hatte, für mich offenen Fragen immer und immer wieder nachzugehen, weiß ich bis heute nicht, bzw. kann das nur vermuten. Wobei ich schon sehr früh aufgrund bestimmter Erfahrungen im Zusammenhang mit meinen Erlebnissen im Krieg und dann später der Religion alle Antworten grundsätzlich kritisch hinterfragte, die mir woher auch immer gegeben wurden. Das war schon immer so. Aber schon seit Beginn meiner Suche, als ich mich zunächst mit den üblichen Wegen einer solchen Suche beschäftigte, - also die üblichen Bücher zu lesen, oder mich später mit meinen Professoren zu unterhalten -, brachten mich die „angebotenen“ Antworten dabei oft keinen Schritt weiter. Immer schien es, als wäre alles völlig richtig und in sich weitgehend stimmig erklärt. Aber viele der existierenden Probleme, die mich schon damals beschäftigten, z.B. die Probleme mit den immer wiederkehrenden Kriegen, die oft tödliche Feindschaft zwischen den Religionen, die unveränderlichen Widersprüche in den Gesellschaften zwischen arm und reich und viele andere, wurden dadurch weder erklärt noch erbrachten sie für mich irgend eine Lösung. Da stieß ich als Student der 68er Zeit auf Karl Marx. Da wurde mir zum ersten Mal klar, dass es neben den immer angebotenen, sozusagen offiziell abgesegneten Antworten, durchaus auch andere alternative Sichtweisen gab und gibt, wobei ich natürlich auch die Marxschen Lehren kritisch hinterfragte, was mir auch schon damals wenige Freunde einbrachte. Das führte dazu, dass ich seither immer neben allgemein akzeptierten Antworten, andere weniger beachtete, oder gar verpönte Antworten in meine Suche mit einbezog und zunehmend einbeziehe, wobei ich selbstverständlich auch diese Antworten der kritischen Betrachtung unterziehe. Wir werden im Laufe unseres Gespräches auf eine ganze Reihe davon stoßen. Aber oberster Maßstab war immer die Frage, ob mir diese alternativen Sichtweisen irgendwie meine Fragen überhaupt beantworteten, vor allem aber, ob sie uns als Menschheit insgesamt irgend einen Nutzen bringen könnten. M.a.W.: mir wurde im Laufe der Zeit immer bewusster, dass letztlich nur selbständiges Denken weiterführen kann und gerade nicht das „Nachbeten“ irgendwelcher vorgegebener Antworten und seien diese auch von noch so hoch angesehenen Personen oder WissenschaftlerInnen gegeben, oder, und das ist besonders wichtig, sind diese gerade „in“. Übrigens gibt es einen ganz guten deutschen Philosophen, Johannes Heinrichs, der in seinem jüngsten Buch genau eine solche Grundeinstellung bei wissenschaftlicher Arbeit anmahnt. Mir wurde im Laufe der Zeit immer klarer, dass alle Menschen je eigene „Bilder im Kopf“ mit sich „herumtragen“, die Ihnen ihre je eigene Welterklärung anbieten. Wir werden im Zusammenhang mit den Fragen zu den Folgen der derzeitigen allgemein akzeptierten Wissenschaftserklärungen, aber auch der Ökonomie sehr ausführlich darüber zu sprechen haben. Lange Rede kurzer Sinn: natürlich habe auch ich nicht den Stein der Weisen gefunden, aber ich hoffe sehr, dass wir einige Antworten finden werden, die einerseits von den heute üblichen durchaus abweichen, aber trotzdem, oder gerade deshalb, deutlichere und auch manchmal umfassendere Antworten möglich machen werden, vor allem aber Euch helfen können selbständig zu denken.
T engagiert zu Melanie: Wie Du ja schon weißt, habe ich mit Opa ähnliche Gespräche über die Schule geführt. Ich werde Dir mal die Aufzeichnungen mailen. Auch da zeigte mir Opa einige Zusammenhänge auf, die mir völlig unbekannt waren und auch nirgends nachzulesen waren. Aber nach allem, was ich bisher in der Schule erlebte und täglich erlebe, muss ich Opa immer mehr Recht geben. Er sieht vieles meiner Meinung nach völlig richtig, zumindest nachvollziehbarer, als die allgemeine Meinung dazu und ich bin sicher, dass wir auch in diesem Gespräch auf Zusammenhänge stoßen, die uns bisher noch unbekannt sind, die uns aber im Verständnis derselben weiterhelfen werden.
M etwas betroffen: Ich muss gestehen, dass ich mich da etwas schwer tue, denn nach meinen bisherigen Erfahrungen, sowohl in der Schule, als auch im Studium ist selbständiges Denken nicht gerade gefragt. Ja eigentlich ist es eher unerwünscht, so dass ich mir das ziemlich abgewöhnt habe, wobei ich damit bisher nicht gerade schlecht gefahren bin.
O lachend: Ja das ist mir und Thomas keineswegs unbekannt, ganz im Gegenteil. Wenn Du die Texte gelesen hast, die Dir Thomas mailen will, kannst Du auch die Begründungen nachlesen, warum das Ganze so abläuft, aber auch welche umfangreichen und gravierenden, ja eigentlich katastrophalen Folgen das für jeden einzelnen Menschen, aber letztlich auch für unsere Gesellschaft hat. Wir werden das zwar in diesem Gespräch nicht nochmals eingehender aufrollen, aber trotzdem müssen wir ab und zu kurz auf diese Umstände hinweisen. Vor allem aber sollte ma´u sich von all diesen Umständen nicht davon abbringen lassen selbständig zu denken, denn das ist Deine ganz eigene, höchst persönliche Angelegenheit. Was andererseits aber nicht daran hindern sollte darauf zu achten, wo ma´u sich das „leisten“ kann und wo nicht.
T ziemlich ärgerlich: Ja Opa, das habe ich auch schon ziemlich unangenehm erfahren müssen. Du hast mir ja damals empfohlen mehr selbständig zu arbeiten, was ich dann auch mit großem Gewinn für mich und in den betreffenden Fächern, auch für meine Noten gemacht habe. Aber einigen meiner LehrerInnen passt es gar nicht besonders, wenn ich ihre Äußerungen kritisch hinterfrage und bei einigen muss ich aufpassen, dass sich das nicht auf meine Note auswirkt.
O bedauernd: Ja, das ist nun mal leider häufig so. Ma´u muss eben immer auf die Zusammenhänge und Umstände achten, in denen ma´u sich bewegt, vor allem aber wo die „Macht“ der möglichen Sanktionen liegt. Das ist zwar dann eine höchst fadenscheinige, ja eigentlich schwächliche, um nicht zu sagen schäbige „Macht“, aber gerade Menschen, die so etwas brauchen, weil sie selbst schwach sind, nutzen dann solche ihnen von der jeweiligen Institution eingeräumten Möglichkeiten oft rücksichtslos, manchmal gar gnadenlos aus, um damit letztlich ihre Schwäche zu verdecken.
M nachdenklich: Jetzt wo Du das so sagst, fallen mir da so einige Umstände ein, wo das genau so abgelaufen ist. Da ich aber schon länger nicht mehr auf so was geachtet habe, bzw. mir nie Gedanken gemacht habe, was da so eigentlich vor sich geht, habe ich zwar die Betroffenen bedauert, aber letztlich, scheint mir, eher den Standpunkt des/r Mächtigen eingenommen und nicht weiter danach gefragt.
O: Ja, Melanie, das ist leider die übliche Art und Weise wie Menschen mit solchen Umständen umgehen, bzw. sich dazu verhalten. Genau daher bewegt sich hier auch so gut wie gar nichts. Bitte verstehe mich nicht falsch, ich möchte Dich natürlich keinesfalls kritisieren. Aber es ist immer gut die Zusammenhänge zu kennen, vor allem diejenigen, die ma´u nicht gerade auf Anhieb erkennen kann, oder die gar im Hintergrund ablaufen.
M irgendwie erleichtert: Danke Opa. Ich denke ich muss in Zukunft einfach genauer hinschauen, vor allem aber meinen Standpunkt zu solchen Abläufen hinterfragen, mal sehen, was sich dabei für mich ergibt.
a) Evolution der Menschen
O lächelnd: Völlig ok. Aber jetzt sollten wir uns doch mal langsam unserem ersten Thema zuwenden, eine etwas kritische Sicht auf uns Menschen nämlich, wobei ich kritisch hier in dem Sinne meine, dass die uns angebotenen Erklärungen und bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr genau zu betrachten sind und gegebenenfalls eben auch zu ergänzen oder gar zu korrigieren sind. Na, was meint Ihr, wer oder was sind wir Menschen? Was würdet Ihr z.B. dem Herrn Jauch auf eine solche Frage antworten?
M etwas zögerlich: Na ja Opa, nach allem, was ich bisher dazu gehört und gelernt habe würde ich antworten: der Mensch ist ein Produkt der biologischen Evolution hier auf der Erde. Menschen haben sich aus den Affen heraus entwickelt. Diese sind sozusagen unsere Vorfahren.
O: M.a.W., Du hast bisher weder Zweifel an der üblicherweise in den Schulen gelehrten Evolutionstheorie nach Darwin, noch hast Du schon mal etwas an kritischen Anmerkungen dazu wahrgenommen.
M erstaunt: Gibt es denn wirklich ernst zu nehmende Einwände gegen diese Theorie? Ich weiß zwar, dass in der USA die sog. Kreationisten – also eine Schöpfung durch Gott vor nur einigen Tausend Jahren – wieder mehr Einfluss gewinnen, aber die sind doch nicht wirklich ernst zu nehmen, oder doch? In der Schule wurde uns Darwins Theorie jedenfalls als die reale und unbezweifelbare Abfolge der Entwicklung des Lebens gelehrt. In den Büchern wurden uns dazu ja auch jede Menge Beweise in Form von durchgeführten Versuchen, aber vor allem an Fossilien gezeigt oder vorgeführt.
O nickt bedauernd: Ja ich weiß sehr wohl, dass ma´u in der Schule wissenschaftliche Theorien der unterschiedlichsten Art auf eine solche Weise der angeblich absolut sicheren Gesetzmäßigkeit präsentiert und damit den Eindruck einer absoluten Sicherheit und Zuverlässigkeit wissenschaftlicher Erklärungen vermittelt. Ich halte diese Art der Vermittlung solcher Inhalte für einen schlichten Skandal. Aber um zu verstehen was ich meine eine Frage: was heißt denn das Wort Theorie?
M erstaunt, dann nachdenkend: Also soweit ich weiß, meint ma´u doch mit einer Theorie wissenschaftlich begründete Aussagen und… ah ja auch Erklärungen über beobachtbare Sachverhalte.
T eifrig: Einer unserer Lehrer erklärte uns dies vor kurzem als eine Lehre von Aussagen und Begriffen eines bestimmten Bereichs.
O anerkennend: Ja, beide Aussagen betreffen das Gemeinte ganz gut. Die eine etwas umfassender, die andere etwas allgemeiner. Aber warum, glaubt Ihr, dass ich eben von einem Skandal sprach?
M und T sehen sich etwas ratlos an und T zuckt mit den Schultern: Keine Ahnung!
O: Der alles entscheidende Punkt ist der Umstand, dass ma´u ganz allgemein, sowohl an Schulen, meist sogar öfter auch an Universitäten, vor allem aber in der Öffentlichkeit eben über Theorien so spricht, als wären sie unumstößliche Wahrheiten, vor allem im Sinne von immer und überall gültigen Gesetzen. Ma´u verschweigt, ja unterschlägt regelrecht den Umstand, dass alle wissenschaftlichen Aussagen immer nur den momentanen Stand des bisher Erforschten und dadurch Erkannten beinhalten können. Wobei der Begriff „Erkanntes“ noch in dem Sinne einzuschränken ist, dass diese Erkenntnis ja nur durch die schon existierenden Erklärungen bestimmt ist – also den schon existierenden „Bildern im Kopf“ - und daher andere Erklärungs- und damit Erkenntnismöglichkeiten gerade nicht existieren. Thomas, vielleicht kannst Du Dich noch an den Umstand erinnern, als ich Dir erklärte, dass dann, wenn ich von etwas keinen Begriff habe, ich davon auch nichts wissen kann. T sehr erstaunt: Natürlich kann ich mich noch sehr gut an diesen Umstand erinnern, aber gilt dies denn auch so umfassend, dass ma´u auch wissenschaftliche Aussagen damit betrachten, bzw. konfrontieren kann?
O sehr nachdrücklich: Ja selbstverständlich. Auch WissenschaftlerInnen sind doch „nur“ Menschen, obwohl sie manchmal in der Öffentlichkeit so dargestellt und behandelt werden, als seien sie so was wie „heilige Kühe“.
M fast erregt: Moment, Moment, Opa Du musst mir da jetzt aber doch einiges erklären, vor allem aber Gründe und zwar für mich nachvollziehbare Gründe beibringen. Erstens: was meintest Du eben mit diesem „Begriff“, den ich haben müsse und dem Nichtwissen?
O sieht M fast amüsiert an: Hoppla, sehr gut Melanie, immer nach nachvollziehbaren Gründen fragen. Nimm das vielleicht aber auch für Dein Studium mit. M wird leicht verlegen. Aber zu Deiner Frage ganz kurz: schon der bekannte englischen Philosoph David Hume hat nachdrücklich auf folgenden Umstand verwiesen; wenn irgendjemand irgend einem Umstand oder gar Gegenstand begegnet, zu dem er keinen Begriff, also noch keine Erfahrung hat, kann er/sie damit einfach nichts anfangen. Otto Hahn hat es mal mit folgendem Satz gut auf den Punkt gebracht: „Wir wissen viel, aber verstehen nichts.“ Wir erkennen Dinge und Umstände im Sinne von verstehen eben nur als Erinnerungen an Erfahrungen damit. Dieser Umstand ist inzwischen spätestens seit Jean Piaget auch sowohl in der Psychologie als auch der Sprachtheorien bekannt. Kannst Du das nachvollziehen?
M: Noch nicht so richtig. Wenn ich etwas sehe, kann ich doch damit etwas anfangen?
T lachend: Ich antwortete Opa damals genau so wie Du. Aber da legte er mir ein chinesisches oder vielleicht sogar japanisches Schriftzeichen vor, ich weiß bis heute nicht was für eins, und da begriff ich was er meinte.
M erfreut: Ah, ja natürlich. Jetzt fällt mir auch ein Beispiel aus meinem Studium dazu ein. Als eine unserer TutorInnen zum ersten mal solche Begriffe wie Liquiditätsprämie oder Grenznutzen erwähnten, konnten die meisten von uns damit auch nichts anfangen.
O lächelnd: Ich befürchte, dass Euer Verständnis immer noch nur begrenzt zutrifft, denn diese Begriffe sind Ausdrücke der zwar derzeit allgemein üblichen neoklassischen Theorie, die aber so viele „blinde Flecken“ hat, dass sie die ökonomischen Umstände eher verschleiert, aber nicht erklärt.
M etwas lauter, fast böse: Wie bitte? Diese Theorie ist die seit über 100 Jahren gängige und anerkannte Theorie der Ökonomie. Alle bisherigen Nobelpreisträger der Ökonomie vertreten diese Theorie. Wie kannst Du da so eine Bemerkung machen Opa?
O legt seiner Enkelin beschwichtigend eine Hand auf deren Arm: Nur langsam Melanie. Wenn ich dazu keine wichtigen und eben auch durchaus nachvollziehbaren Gründe hätte, hätte ich eine solche Bemerkung gerade Dir gegenüber nicht gemacht, denn mir ist durchaus klar, dass ma´u Euch in genau dieser Theorie unterrichtet. Aber ich habe eine Bitte: stelle Deinen Ärger und Deine Fragen dazu etwas zurück, bis wir uns ausdrücklich damit beschäftigen, denn wie Du ja weißt ist gerade das auch eines unserer zentralen Themen, kannst Du das im Moment akzeptieren?
M noch keineswegs ganz beruhigt, atmet aber tief durch und sagt dann: Ok Opa, aber dann will ich wirkliche Fakten von Dir hören und kein darum herumreden. Opa nickt nachdrücklich bestätigend. Jetzt aber noch eine Frage zu der Wissenschaft:
Ich habe zwar schon ab und zu mal kritische Stimmen zu unserem Wissenschaftsparadigma gehört, aber bis heute noch keine mich überzeugenden Fakten. Also konkret, was stimmt nicht daran, wie Wissenschaft vermittelt wird?
O sieht M ruhig an: Melanie, bist Du überhaupt bereit Fakten anzuhören und kritisch zu befragen, wenn sie Deiner bisherigen Meinung, oder Deiner „Bilder im Kopf“ widersprechen? M will erneut auffahren. Langsam, langsam Melanie. Ich will Dir doch nicht zu nahe treten, oder Dich gar beleidigen. Meine Frage betrifft einen Umstand, der ganz weit, ja fast generell verbreitet ist, vor allem und gerade auch in der Wissenschaft. T bevor O weiterfahren kann, hebt er die Hand: Moment Opa, bevor Du weiterfährst, was meinst Du denn ständig mir diesem Begriff der „Bilder im Kopf“?
O nickt ihm zu: Danke für Deine Frage Thomas, ganz kurz: Mir wird immer klarer, dass alles was und wie wir Menschen denken davon abhängt, was wir zu dem jeweiligen Thema im Laufe unseres Lebens gehört und erfahren haben. Und das Ergebnis dieses Prozesses führt dazu, dass wir zu allem was uns überhaupt bewusst ist, Urteile, ja meist Vor-Urteile im Kopf haben. Und es sind diese unsere je eigenen Erkenntnisse, die ich mit diesem Begriff „Bilder im Kopf“ zusammenfasse. Übrigens wird es bei unserem Gespräch ja letztlich vor allem darum gehen zu erkennen, welche „Bilder“ wir im Kopf haben, bzw. zu verstehen, wie sie entstanden und wie ma´u sie verändern kann.
T höchst interessiert: Ahhh, jetzt verstehe ich diesen Begriff. Das heißt doch aber dann auch, dass jeder Mensch, also auch Du und ich, oder ein Prof, seine eigenen hat, richtig?
O nickt nachdrücklich: Ja selbstverständlich. Diese Metapher soll ja genau das zum Ausdruck bringen. Aber lasst uns zu unserem Thema zurückkehren. Ich will Euch dazu eine kleine Geschichte erzählen. Ihr habt sicher beide schon von Galilei gehört? Beide nicken. Ihr habt vielleicht auch gehört, dass sich Galilei vor der Inquisition der Kirche für seine neuen Lehren verantworten musste, z.B. für seine Behauptung der Jupiter habe Monde.
T nickt erneut: M etwas erstaunt: Ich dachte immer, er sei wegen seiner Behauptung des heliozentrischen Weltbildes angeklagt worden?
O nickend: Deswegen auch. Aber meine Erzählung bezieht sich auf die Jupitermonde, bzw. die damit zusammenhängenden Folgen und ihre „Widerlegung“ durch den Inquisitor. Ma´u muss dazu wissen, dass damals die Kirche in allen Fragen, auch den wissenschaftlichen, das letzte Wort beanspruchte, oder anders gewendet, Mann war überzeugt alles zu wissen und erhob daraus den Anspruch alles zu entscheiden, vor allem im Sinne von richtig und falsch. Wichtig ist aber auch mit zu denken, dass die Kirche ihren Anspruch in entsprechenden Fällen durch Wortverbote, Lehrverbote und, wenn das nichts half, auch die Todesstrafe durchsetzte. Galilei hatte nun mit Hilfe des damals gerade neu erfundenen Fernrohres die Jupitermonde entdeckt und war der Überzeugung, er brauche ja nur den Inquisitor aufzufordern durch dieses zu schauen und dann würde er sie ja selbst sehen und damit wäre das Problem erledigt. Aber weit gefehlt. Dem Inquisitor fiel überhaupt nicht ein durch das Fernrohr zu schauen, denn er war völlig davon überzeugt, dass es diese Monde einfach nicht geben könne, denn am Himmel gab es sieben Gestirne und das war`s. Er begründete nun diese seine Meinung wie folgt: “Sieben Fenster sind den Tieren im Domizil des Körpers gegeben, um die Luft ins Tabernakel des Körpers einzulassen, um ihn zu erleuchten, zu wärmen und zu nähren. Welche sind diese Teile des Mikrokosmos? Zwei Nasenöffnungen, zwei Augen, zwei Ohren und ein Mund. Am Himmel aber wie in einem Mikrokosmos sind zwei günstige Sterne und zwei unheilvolle, zwei Himmelskörper und Mercurius, unentschieden und indifferent. Dieser und viele andere Ähnlichkeiten in der Natur – denken wir an die sieben Metalle -, die aufzuzählen müßig wäre, entnehmen wir, dass die Zahl der Planeten sieben ist. Danach erübrigt es sich durch deine Vorrichtung zu schauen“(zitiert nach Ken Wilber „Eros, Kosmos, Logos“ S.457f).
T und M völlig baff: T: Wie bitte, mit einem solch unglaublichen Argument wurde Galilei abgefertigt und dieser Mensch schaute einfach nicht durch das Fernrohr?
O nachdrücklich: Ja genau so lief das ab, wie ma´u den Überlieferungen entnehmen kann. Aber nun könntet Ihr einwenden, das könne doch heute überhaupt nicht mehr vorkommen, vor allem auf eine so primitive Weise. Aber da muss ich Euch gerade mit dem Hinweis auf die eben erklärte Metapher widersprechen. Das ist ein ganz vorzügliches Beispiel, was dieses „Bilder im Kopf“ meint. Das was hier der Inquisitor vortrug ist genau sein „Bild“ zu diesem Umstand. Und da er als Vertreter der Kirche, vor allem damals, völlig davon überzeugt war, dass sein „Bild“ die Realität „richtig“ abbilden würde, war er absolut überzeugt eben auch recht zu haben. Ganz nebenbei bemerkt machen das heute sehr viele WissenschaftlerInnen wieder ganz genauso und wir werden im weiteren Verlauf unseres Gesprächs noch eine Menge solcher Beispiele erfahren. Und damit muss ich Euch in Bezug auf eine grundsätzliche Änderung der Situation leider enttäuschen. Wenn wir uns mit dem Thema derzeitige Wissenschaft und ihre Interpretationen der Welt näher beschäftigen, muss, bzw. kann ich Euch Beispiele zeigen und auch belegen, die ganz genau so ablaufen wie damals. Für den sog. Mainstream der Wissenschaften gilt heute das Selbe wie damals für die Kirche: ich bzw. wir haben recht, basta. Unsere „Bilder in unseren Köpfen“ stimmen. Es wird immer noch sehr häufig nach dem Motto verfahren: was nicht sein kann – nach unserer Meinung natürlich - ist nicht, Punkt. Und siehst Du Melanie, diese Probleme haben immer damit zu tun, dass ma´u manchmal eben von einer bestimmten Sichtweise, seinen „Bildern“ so überzeugt ist, dass eine andere Sichtweise gar nicht in Betracht kommt und daher auch gar nicht genauer angeschaut wird. Genau darauf bezog sich meine Frage von vorhin, ob Du von Dir weißt, in wieweit Du andere Denkansätze als die von Dir bisher akzeptierten annehmen und eventuell zwar kritisch, aber nicht generell ablehnend betrachten kannst. Verstehst Du mich jetzt?
M sehr nachdenklich: So langsam bekomme ich einen Schimmer, wie Du argumentierst und was das für mich bedeuten könnte. Für mich ist das allerdings ziemlich neu und ungewohnt und daher habe ich damit noch so meine Probleme. Ich kann Dir auch nicht wirklich sagen, in wie weit ich völlig neue Sichtweisen, die mir begegnen, ohne Vorbehalte annehmen kann. Mir ist so etwas bisher meines Wissens noch nicht begegnet.
O lächelnd: Das kann ich gut nachvollziehen, denn auch in meinem Studium war dies keinesfalls anders wie heute. Auch damals bekamen wir alles als fix und fertige „Bilder“ vorgesetzt, so nach dem Motto: Vogel friss oder stirb, denn ich habe immer recht. Eine selbständige Meinung oder gar Kritik war auch da meist nicht gefragt. Es gibt natürlich durchaus den Umstand, wenn Du eine eigene Meinung vertreten willst, dass ein/e ProfessorIn das zunächst akzeptiert. Aber Du solltest Dich da vorher sehr gut vorbereiten, denn natürlich weiß so jemand eine Menge über sein/ihr Fachgebiet. Aber zurück zu unserem Thema. Du hast da vorhin einen interessanten Begriff benutzt: Wissenschaftsparadigma nämlich. Weißt Du eigentlich, wer diesen Begriff Paradigma in die Diskussion um wissenschaftliche Sachfragen eingebracht hat und was der genau meint?
M ziemlich verlegen: Nein, eigentlich nicht. Er wird nur häufig an der Uni benutzt und so habe ich ihn mir wohl auch angeeignet ohne mich um seine Bedeutung zu kümmern.
O lächelt sie an: Du musst Dich da nicht grämen, aber vielleicht ganz einfach als erneute Anregung nehmen zukünftig nicht einfach alles was Dir so begegnet kritiklos selbst zu übernehmen, sondern genauer hinzuschauen, was solche Begriffe eigentlich meinen, ok? M nickt nachdrücklich. Aber zurück zu unserem Begriff Paradigma. Natürlich ist der Begriff selbst nicht neu. Er meint im einfachsten Falle Beispiel, Muster, oder auch einen Begriff von etwas haben. Der Autor Thomas S. Kuhn hat ihn aber in seinem wissenschaftshistorischen Buch „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ in dem heute meist gemeinten Sinne benutzt und damit vorgeschlagen, dass damit die zu einer bestimmten Zeit jeweils gültige Interpretation wissenschaftlicher Phänomene gemeint ist, also so was ähnliches, wie ein allgemeines „Vor-Bild“. Um ein Beispiel zu nennen, das ehemals alleine für solche Erklärungen herrschende Weltbild nach der Newtonschen Mechanik wäre ein solches Paradigma. Leider wird das Wort heute häufig nicht in dem Sinne benutzt, wie es Kuhn gemeint hat, denn nach seiner Überzeugung, war die Grundlage eines solchen Paradigmas eine Fülle experimenteller Fakten und nicht nur ein beliebiger Erklärungsrahmen, den sich jeder nach seiner Facon zurechtbiegen kann. Leider spielt es in vielen Diskussionen genau im letzteren Sinne eine nicht unwesentliche Rolle, was dann natürlich zu großen Missverständnissen Anlass gibt und damit eine Ursache von völlig unsinnigen Streitereien bis in die „höchsten“ wissenschaftlichen Regionen.
T etwas nachdenklich: Seit unseren zuletzt geführten Gesprächen schaue ich mir manchmal Diskussionen im Fernsehen an. Aber ich komme immer mehr wieder davon ab, weil selten sachlich argumentiert wird. Oft streiten die sich wie die Kesselflicker, was dann oft sehr frustrierend für mich ist, weil ich dann gar nichts mehr verstehe. Hat das auch etwas mit diesem von Dir eben beschriebenen „Bildern“ zu tun?
O bedauernd, nickt dann aber: Ja Thomas, mir geht es meist genau so und momentan kann ich Dir da nur manche Sendungen auf 3sat, Arte oder Bayern 3@ empfehlen. Da geht es meist vernünftig zu. Es gibt da allerdings neben dem Thema Paradigma noch eine Reihe weiterer Umstände und Gründe für solche Streitereien, aber da kommen wir in Kürze noch näher darauf zu sprechen. Kannst Du dann nochmals Deine Frage einbringen?
T erfreut: Aber natürlich Opa.
O nickt Thomas lächelnd zu und wendet sich wieder an Melanie: Melanie, warum denkst Du, habe ich Dich vorhin im Zusammenhang mit Deiner Aussage über die Herkunft der Menschen nach diesem Wort Paradigma gefragt?
M etwas erstaunt, dann nachdenklich: So ganz ist mir das noch nicht klar. Aber warte mal… nach kurzer Bedenkzeit wäre es möglich, dass die derzeitige meist benutzte evolutionistische Theorie auch so etwas wie ein Paradigma darstellt?
O sehr erfreut: Aber natürlich ist sie das. Das Wort Paradigma meint ja die momentan allgemein übliche Auslegung von Sachverhalten. Das meint natürlich keineswegs, dass das damit völlig unumstritten sei. Und das gilt ganz besonders für die weitgehend anerkannte Darwin’sche, genauer müsste ich sogar sagen neodarwinistische Evolutionstheorie.
M und T schauen ziemlich erstaunt. T: Aber unsere Biolehrerin hat uns doch zuletzt sehr ausführlich diese Theorie vorgestellt und sie als die zutreffende Begründung und Erklärung des Lebens auf der Erde benannt. Stimmt das denn wirklich nicht? Und was meinst Du denn mit neodarwinistisch?
O engagiert: Zur ersten Frage ja und nein. Thomas, kannst Du mir die beiden wichtigsten Umstände nennen, auf die sich diese Theorie stützt, bzw. von denen sie abgeleitet ist?
T etwas erstaunt: Meinst Du die Mutation und Selektion?
O nickt nachdrücklich: Genau die meine ich. Hat Euch dabei Eure Lehrerin auch gesagt, dass die Selektion für Darwin keineswegs als zutreffend abgeschlossen war, oder m.a.W., dass da für ihn noch viele Fragen unbeantwortet waren? Übrigens hängt damit auch der Begriff neodarwinistisch zusammen, denn natürlich hat ma´u viel Zeit und Aufwand in die Erforschung der Theorie investiert, allerdings fast ausschließlich von dem bekannten materialistisch-mechanistischen Standpunkt aus, wobei hier besonders die neuen Erkenntnisse der Atom- und dann teils auch der Quantenlehre, wie auch der Genforschung ganz entscheidende Rollen spielten.
T höchst erstaunt: Wie bitte? Über die von Dir erwähnten Zweifel Darwins weiß ich überhaupt nichts. Da hat die Lehrerin nichts dazu gesagt. Aber natürlich hörten wir eine Menge über Gene und die dort ablaufenden Mutationen.
O nickend: Siehst Du, genau so läuft das meist ab. Es werden natürlich nur die „Beweise“ der Theorie vorgestellt, wobei Fragen oder gar Einwände dazu nicht erwähnt werden. Ich will da nur ein Beispiel nennen: gerade einige Genforscher errechneten auf Grund Ihrer Erkenntnisse die zeitliche Möglichkeit, ob denn die Evolution nach der gängigen Theorie da stehen könnte, wo sie wirklich ist. Das Ergebnis war vernichtend für die Theorie. Legt ma´u nämlich nur den immer bemühten Zufall Generator zugrunde, könnte die Entwicklung des Lebens nie da stehen, wo sie heute ist, sie wäre wohl kaum weiter, als den Aminosäuren. M und T schauen völlig perplex und schauen sich höchst erstaunt an, sagen aber nichts, so dass O fortfährt. Und ob Eure Lehrerin über die Zweifel Darwins selbst etwas weiß, ist völlig offen, denn das erfährt ma´u nur wenn ma´u entweder das Originalbuch von Darwin selbst liest, oder einen Hinweis bei einem Kritiker findet, wobei solche Bücher ja meist nicht gelesen werden. Der Grund warum diese neuen Erkenntnisse mit solcher Begeisterung aufgriffen wurden, lag darin, weil er die WissenschaftlerInnen aus einem regelrechten Dilemma erlöste. Aber nur die „gesamte“ Theorie, also unter Ansetzung von Mutation und Selektion, erbrachte den erhofften Durchbruch in den damaligen Auseinandersetzungen.
M engagiert, aber auch etwas ratlos: Kannst Du uns das etwas erklären Opa? Ich habe von solchen Umständen, Einwänden oder gar Streitereien, wie Du sie andeutest, nicht die leiseste Ahnung.
T ebenso engagiert: Mir geht es genauso.
O: Ok. Aber ich muss da leider etwas ausholen. Ich möchte aber bitten, wenn Ihr etwas nicht gleich versteht, dann nachzufragen. M und T nicken nachdrücklich. Wie Ihr aus meiner vorhin erzählten Geschichte mit dem Herrn Galilei erfahren habt, gab es seit Beginn der sog. Neuzeit oder Moderne oft heftigste Auseinandersetzungen zwischen der Kirche und der sich neu entwickelnden Wissenschaft. Da aber die Wissenschaft in aller Regel ihre Behauptungen auch beweisen konnte, zumindest in dem vorgegebenen Rahmen, so dass jederma´u der/die es wissen wollte, feststellen konnte, wer Recht hat, setzte sich die Wissenschaft Stück für Stück in der Auslegung, bzw. Erklärung „der Welt“ gegen die Kirche durch. Ma´u muss dabei aber unbedingt im Auge behalten, dass das keineswegs für alle Menschen galt, ganz im Gegenteil. Das galt vor allem nur für Menschen, die rational denken konnten und das waren einerseits noch recht wenige Menschen, vor allem aber zunächst Wissenschaftler, oder Menschen, die die wissenschaftlichen Aussagen nachvollziehen konnten. Wie diese Aussage gemeint ist, wird noch später ausführlich zu erörtern sein. Wichtig ist aber unbedingt dabei zu beachten, dass dies bis heute immer noch die Minderheit der Bevölkerung ist, aber auch schon damals, die „Eliten“, also ganz allgemein gesprochen, vor allem Menschen mit entsprechender Ausbildung waren, vor allem mit Studium.
T eifrig: Ah, beziehst Du Dich hier auf die Erkenntnisse des Herrn Piaget und später „Spiral Dynamics“ Opa, wie Du sie mir in einem unserer früheren Gespräche erklärt hast? M sieht Ihn und dann Opa fragend an.
O erfreut: Ganz recht Thomas, das meine ich hier. Melanie zu Deiner Frage, wir werden uns diese hier von Thomas erwähnten Umstände etwas später genauer ansehen, ok? Wir hatten also damals die Situation widersprüchlicher Erklärungen der Welt, auf der einen Seite die der Kirche und auf der anderen Seite die der Wissenschaft und beide hatten ihre absolut „gläubigen“ Anhänger, also auch hier wieder das Thema „Bilder im Kopf“. Melanie, siehst Du, Dein Hinweis von vorhin auf die Kreationisten zeigt, dass dieser Streit bis heute keineswegs endgültig beigelegt ist. Das führte natürlich zu permanenten Streitereien, die durchaus auch öffentlich ausgetragen wurden, z.B. über die schon damals weit verbreitete Presse. Entscheidend an dieser Situation ist es sich klar zu machen, dass diese unterschiedlichen Sichtweisen, bzw. Anhängerschaften an die jeweilige Seite nichts mit Dummheit oder gar böser Absicht zu tun hat, sondern schlicht mit der jeweiligen Tradition des Denkens, das ma´u gelernt hatte, vor allem aber mit der erreichten Ebene der geistigen Entwicklung und damit dem je persönlichen Weltbild. Was dieser Ausdruck genau meint und wie er zu erklären ist, werden wir später näher bestimmen. Auf Grund dieser zu Zeiten sehr heftigen und manchmal auch aggressiven Fehden, die vor allem von Seiten der Kirche auch ab und zu Menschenopfer forderten, - als besonders bekanntes Opfer sei hier Giordano Bruno genannt, aber auch die Hexenverfolgungen spielen hier teilweise mit hinein – grenzte sich die Wissenschaft gegenüber den Lehrpositionen der Kirche immer rigoroser ab. Um aber zu sicheren Erkenntnissen zu gelangen, die ma´u auch „beweisen“ konnte, konzentrierte ma´u sich zunächst nur auf solche Umstände der beobachtbaren Natur, die ma´u messen – in umfassendem Sinne gemeint – konnte, wobei ma´u sich aber damals sehr wohl darüber im klaren war, dass es noch andere Bereiche des Wirklichen gab, die ma´u hier ausklammerte. Dass gerade diese es sind, die spätere Generationen von WissenschaftlerInnen völlig aus dem Blick verloren, sei hier nur kurz erwähnt, darauf müssen wir aber noch zurückkommen. „Gedenket der Gräuel“, war einer der Schlachtrufe der Anhänger der wissenschaftlichen Sichtweise. Diese Umstände führten letztlich zu einem absoluten Materialismus innerhalb der wissenschaftlichen Sicht. Alles was mit Begriffen wie Gott, GEIST (spirit) oder gar Seele zusammenhing – also die eben erwähnten Bereiche des Wirklichen, die ma´u vorerst bei Seite ließ -, gab es ab jetzt einfach nicht mehr, Punkt.
M nachdenklich: Ah so hängt das zusammen. Ich dachte bisher immer, diese Positionen der Wissenschaft seien alleine Folgen ihrer Erkenntnisse und hätten überhaupt keine solchen doch zuerst psychologischen Ursachen.
O lächelnd: Ja Melanie, wenn Du heute einen besonders nachdrücklich seine materialistische Meinung vertretenden Wissenschaftler oder auch –in hörst, dann wird er/sie dies in der Regel auch so erklären. Aber wir werden noch sehen, dass eine solche Position reine Fiktion ist, oder erneut, ein „Bild im Kopf“. Ma´u muss der Wissenschaft allerdings zugute halten, dass die ersten Gesetze, die sie entdeckte – also die aus dem Gemessenen gewonnenen - und die letztlich ja ihren Siegeszug ermöglichten, sich praktisch alle auf die „Materie“, bzw. ihre beobachtbaren Verhaltensweisen beziehen. Der schon erwähnte Ken Wilber brachte es mit folgendem Satz ziemlich gut auf den Punkt: „Man untersuchte ausschließlich sich bewegende Steine.“ Ein weiterer fundamentaler Aspekt dieser Entwicklung war die immer dominierendere Rolle der Mathematik. Das erste Wissenschaftsparadigma, das sich aus diesen Anfängen entwickelte war die sog. cartesianisch- newtonsche Mechanik. Descartes war ein damals lebender Philosoph, der diese wissenschaftliche Sicht und Denkweise theoretisch begründete und absicherte und Newton kennt ihr sicher als den „Entdecker“ der Gravitation. M und T nicken. Wir müssen später nochmals näher auf dieses Thema und die damit verbundene Entwicklung, vor allem im Hinblick auf ihre positiven wie negativen Folgen eingehen. Für unsere obige Frage der Evolution sind jetzt zwei Dinge wichtig: Erstens übertrug Mann alle diese „steinischen“ Erkenntnisse auch auf alle Erklärungsversuche des Lebens generell. Mann glaubte allen Ernstes mit Hilfe dieses jetzt entwickelten Paradigmas den Kosmos, die Welt und das Leben umfassend erklären zu können. So stellte Mann sich z.B. zeitweise Menschen als besonders komplizierte mechanische Maschinen vor. Mann spricht in diesem Zusammenhang daher auch von einer mechanistischen Sichtweise des Lebens. Besonders wichtig ist aber der Umstand, dass ma´u jetzt aus dieser Sicht heraus zur endgültigen Bestätigung derselben dringend eine Erklärung für die Herkunft und vor allem Entwicklung des Lebens hier auf der Erde brauchte. Hätte ma´u die, dann, so war ma´u überzeugt, hätte ma´u den letzten Beweis alles erklären zu können und eine göttliche oder gottähnliche Vorstellung als Erklärungsgrund konnte endgültig verabschiedet werden. Mann hatte sogar schon eine theoretische Vorstellung, dass diese Entwicklung eine aus einfachsten Anfängen herkommende Evolution sein müsse. Die Philosophen Leibnitz und vor allem Kant hatten dazu schon klare Gedanken entwickelt. Ihr könnt Euch leicht vorstellen, wie und warum sich dann die Darwin’sche Evolutionstheorie in wissenschaftlichen Kreisen so rasend schnell durchsetzte. Einwände und Bedenken, die es von Beginn an, auch von Darwin selbst, gab, wurden einfach an die Wand gehauen und wenn ma´u mal nicht weiter wusste, setzte ma´u jetzt für die Lösung solcher Fragen nicht wie früher Gott ein, sondern den Zufall. Die Wissenschaft hatte jetzt endgültig über die Kirche gesiegt und leider verhalten sich alle Sieger zu allen Zeiten praktisch immer gleich: ich bin der Sieger und habe deshalb immer recht, Punkt. Wie gesagt, müssen wir später auf diese Zusammenhänge und ihre Folgen noch näher, vor allem aber im Zusammenhang mit dem Patriarchat ausführlicher eingehen. Habt Ihr bisher alles verstanden?
M zuversichtlich: Ja Opa ich glaube schon. Mir sind diese Zusammenhänge einerseits zwar ziemlich neu, aber andererseits zeigen sie eben auch, dass wir immer und überall vor allem und zuerst Menschen sind, mit allen Stärken und Schwächen.
T lachend: Ja Melanie, da muss ich Dir voll zustimmen.
O erfreut: Ja da habt ihr ganz recht, wir bleiben immer und zuerst Menschen. Und was das eigentlich konkret meint, ist ja der Grund all dieser unserer Überlegungen. Also zurück zur Sache. In dem Annehmen der Evolutionstheorie steckt aber indirekt noch eine ganz andere Entscheidung. Dass damit für die WissenschaftlerInnen die Schöpfungstheorie von Gott her gedacht erledigt war, ist ja evident. Aber in den bisherigen theoretischen Vorüberlegungen zu einer möglichen Evolution spielten zwei bis dato unentschiedene Fragen eine Rolle, nämlich war die Evolution ein langsamer, ganz gleichmäßig verlaufender Prozess, oder spielten da nicht manchmal so etwas wie Katastrophen eine Rolle. Also war das ganze eher problemlos verlaufen, oder gab es da nicht manchmal irgendwelche Turbulenzen, die gewisse Schubwirkungen zur Folge hatten. Ma´u dachte da an so etwas wie gigantische Vulkanausbrüche, oder Klimakatastrophen. Durch die Evolutionstheorie Darwins war diese Frage weitgehend entschieden, denn es galt jetzt die Regel: es kann nur ganz kleine Fortschritte geben und jeder Vorteil muss sich im evolutiven Fortschritt erst durchsetzen.
T etwas erstaunt: Moment Opa, das ist mir noch nicht ganz klar. Was meinst Du denn damit: „muss sich durchsetzen“?
O: Also stellen wir uns mal vor, ein neugeborenes Tier bekam durch eine Mutation etwas längere Beine, vielleicht eine Katzenart. Wie glaubst Du, geht das weiter, oder anders gefragt, was bedeutet hier das Durchsetzen?
T nachdenklich: Hmmm, mal überlegen. Etwas längere Beine könnte eine höhere Laufgeschwindigkeit bedeuten, richtig? …. Ah ja, jetzt verstehe ich, dieses Tier könnte mehr Beute machen, weil es schneller rennen kann und damit besser die Beutetiere erreichen? O nickt erfreut und auffordernd. …. Ja, das hat noch was zur Folge: es könnte sich daher eventuell auch besser durchsetzen und mehr Weibchen begatten, oder wenn es ein Weibchen ist, begattet werden und dadurch seine neue Fähigkeit weitervererben. Und wenn dann mehrere seiner Nachkommen die gleiche überlegene Fähigkeit erben, setzen diese sich besser durch und so bekommen im Laufe der Zeit alle Mitglieder dieser Rasse diese neue Fähigkeit. Ja aber vielleicht entsteht dadurch sogar eine neue Rasse?
O nickt erfreut: Ja, Du beschreibst ziemlich gut, wie ma´u sich das vorstellt. Diese „langsame“ Sichtweise auf die Evolution hatte aber noch zwei weitere damals neue Erkenntnisse zur Unterstützung, die in die gleiche Richtung einer eher langsamen und störungsfreien Entwicklung von Naturprozessen zeigten. Da waren zunächst Entdeckungen aus der sich neu entwickelnden Wissenschaft der Geologie. Ein schottischer Forscher namens Lyell interpretierte die immer wieder zu beobachtende Schichtenfolge von Erde und Gesteinen, wie ma´u sie bei Erdrutschen, Steinbrüchen oder Tongruben sehen kann, als eine langsame und gleichmäßige Veränderung der Erde. Dies erschien den Menschen damals als einleuchtend und war sozusagen ein weiterer willkommener Hinweis für die Richtigkeit der Evolutionstheorie. Noch viel entscheidender war aber der damals fast zeitgleich entdeckte zweite Hauptsatz der Thermodynamik, die sog. Entropie.
M engagiert: Halt Opa. Könntest Du mir das mit der Entropie etwas näher erklären? Ich habe das schon in der Schule nicht wirklich verstanden.
O nickend: Ok, Melanie. Um das zu verstehen, müssen wir uns die damalige Situation verdeutlichen. Im Zusammenhang mit der sich immer schneller weiterentwickelnden Industrie, bestand sehr großes Interesse von dieser Seite an der Optimierung der Dampftechnologie.
M etwas erstaunt: Was hat denn die Industrie mit diesen Entwicklungen zu tun?
O beinahe lachend: Ja glaubst Du denn wirklich, dass die ganze wissenschaftliche Entwicklung auch schon in der Frühzeit der Wissenschaft ohne handfeste wirtschaftliche Interessen vor sich ging? Das ist für eine Studentin der Ökonomie aber schon fast naiv.
M ziemlich erstaunt: Wieso das denn? Von einer Ökonomie als Wissenschaft kann ma´u doch berechtigter Weise erst ab Mitte des 18. Jh. sprechen.
O: Da hast Du zwar recht. Aber mir geht es hier doch nicht um die Ökonomie als Wissenschaft, sondern um die sich in dieser Zeit entwickelnde Ökonomie als gesellschaftliche Form der Produktion, vor allem mit Hilfe der neuen Erkenntnisse der Mechanik, in den immer größer werdenden Manufakturen. Es wird zwar von Seiten der WissenschaftlerInnen nicht so gerne zugegeben, dass am Beginn ihrer Entwicklung im modernen Sinne auch wirtschaftliche Interessen mit eine Rolle spielten, aber von Kennern der Umstände wird das sehr wohl immer wieder betont. Wissenschaft ist eben keineswegs eine menschliche Unternehmung mit besonderer ethischer Begründung, oder besonders hehren Zielen, wie ma´u ständig die Menschen glauben machen will. Natürlich haben da immer auch wirtschaftliche und zuletzt vor allem militärische Interessen eine ganz entscheidende Rolle gespielt. Aber kommen wir zurück zu der Erforschung der Thermodynamik, die ja eine wesentliche Voraussetzung immer besserer Dampfmaschinen darstellt. Bei dieser Erforschung entdeckte ma´u unter anderem den Umstand, dass bei allen Verwertungsvorgängen von Energie in welchen Prozessen auch immer keine Energie verloren geht. Das ist der erste Hauptsatz der Thermodynamik, oder auch Energieerhaltungssatz genannt. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass sich sehr wohl die Form oder Qualität der Energie verändert. M.a.W., ma´u erkannte, dass in technischen Prozessen, dann aber auch in der Natur generell, alle Energie von einem höheren zu einem niedereren Niveau absinkt, mit der Folge, dass letztlich jede Form der Energie, ob atomare – erst später entdeckt -, chemische, mechanische oder Lageenergie, usw. sich in Wärme verwandelt und sich letztlich im Weltraum ausbreitet. Das meint der 2. Hauptsatz der Thermodynamik, oder auch Entropiesatz genannt. Die Entropie ist also ein grundlegendes Gesetz der immer existierenden Energieumwandlung hin zu Wärme, ma´u könnte auch sagen von einer höheren Ordnung zu einer niedereren. Auch dieses neue Gesetz enthält also den Grundgedanken einer kontinuierlichen Veränderung in der Natur ohne große Sprünge. Interessant ist bei dieser Geschichte, dass ma´u zunächst der Überzeugung war, die beiden Theorien, also die der Entropie und die der Evolution würden sich dabei nicht widersprechen und besonders materialistisch orientierte Wissenschaftler behaupten das immer noch und so gibt es seit vielen Jahrzehnten einen heftigen Streit um diese Frage, obwohl die Fakten einfach etwas anderes aussagen. Die Entropie ist in einem Koordinatensystem dargestellt als eine Bewegung – zeitlich gesehen – von links oben – höherer Ordnung - nach rechts unten - niederere Ordnung - und die Evolution eine solche von links unten – niederere Ordnung - nach rechts oben – höhere Ordnung -. Konntet Ihr mir jetzt folgen? M und T nicken. T: Ja Opa, wir haben das erst vor kurzem auch in der Schule besprochen, aber da war es irgendwie komplizierter. Jetzt habe ich es besser verstanden, vor allem die Variante mit der Ordnung. Aber wieso streitet ma´u sich denn über die Richtung der Entwicklung der beiden Theorien, das ist doch ganz offensichtlich?
O: Tja, wenn das immer so einfach wäre, denke erneut an die „Bilder im Kopf“. Es geht hier schlicht um die fundamentalere Erklärungshoheit der hier beteiligten Wissenschaften. Viele PhysikerInnen sind nämlich immer noch der Überzeugung: nur physikalische Gesetze erklären die Natur richtig und irgendwelche Ausnahmen gibt es da einfach nicht, Punkt. M.a.W., da der Entropiesatz physikalisch gesehen absolut fundamental ist, kann es keine Ausnahme geben, basta. Dass es eventuell, zwar natürlich aufbauend auf physikalischen Grundbedingungen, in komplexeren Zusammenhängen, wie sie z.B. in der Biologie ja zweifellos existieren, dann auch andere Grundbedingungen geben könnte, wird einfach bestritten. Das hat aber vor allem mit dem schon oben erwähnten völligen Verleugnen anderer als materieller Realitäten zu tun. Höchst bedeutsam ist dabei aber, dass z.B. die Quantenphysik einfach nicht mehr daran vorbeikommt, eine Art GEISTige Realität anzuerkennen, weil sie sonst ihre eigenen Erkenntnisse nicht mehr interpretieren kann. Eine solche Einsichtsfähigkeit setzt aber ein Denkvermögen voraus, das über das rein rationale hinausgeht. Was ich hier meine hängt wieder mit diesen Weltsichtebenen zusammen, wir werden gleich darauf näher eingehen. Ganz offensichtlich aber können nicht wenige WissenschaftlerInnen diesen Erkenntnissen und daraus gewonnenen neuen Einsichten nicht folgen. Diese hier von mir erhobene Behauptung, die ja doch weitreichende Folgen hat, wird auch von einsichtigen WissenschaftlerInnen vertreten, wie z.B. dem bekannten Quantenphysiker Hans-Peter Dürr. Umso vehementer bestreiten viele WissenschaftlerInnen jetzt diese Möglichkeiten. Besonders heftig werden solche Auseinandersetzungen auf anderen Wissenschaftsgebieten geführt, z.B. der Humanwissenschaften, die selbst aber meist gar nicht in der Lage sind, solche Aussagen von QuantenphysikerInnen nachzuvollziehen. Da ma´u sowohl in der Schule als auch in fast allen Studiengängen den Primat der Physik doktrinär, ja eigentlich ideologisch der jungen Generation von WissenschaftlerInnen vorsetzt und damit letztlich aufzwingt, wehren sich solche Wissenschaftsbereiche besonders heftig gegen solche alternativen Vorschläge oder gar Aussagen und neuartige Vorschläge zur Lösung bisher einfach nicht zu verstehender Zusammenhänge. Es werden dann auf Biegen und Brechen Konstruktionen erdacht, um existierende Phänomene zu erklären, die selbst die eigenen Grundforderungen schlicht ignorieren, oder gar widerlegen. Besonders krasse Beispiele liefern da gerade die EvolutionstheoretikerInnen.
T höchst erstaunt: Kannst Du uns da ein Beispiel nennen Opa? O etwas zögernd: Eigentlich wollte ich solche Zusammenhänge erst bei dem Thema „Auswirkungen der rein materialistischen Sichtweise der Wissenschaften“ anführen, aber es gibt da gerade in Bezug auf die menschliche Evolution sehr bezeichnende Beispiele. Da wir im Fortgang unserer Überlegungen jetzt eh auf dieses Thema eingegangen wären, will ich damit hier gleich beginnen. Also, wie erklären uns die meisten BiologInnen und nicht zuletzt auch AnthropologInnen unsere Herkunft? Vorhin am Beginn unseres Gesprächs sagte auf meine diesbezügliche Frage Melanie ganz im Sinne der allgemeinen Sichtweise, wir stammen vom Affen ab.
M fragend: Stimmt das denn deiner Meinung nach nicht?
O nickend: Ich glaube schon auch an diese These. Zumindest kenne ich bisher keine alternative mich überzeugendere. Grundsätzlich kann ma´u wohl von dieser Position ausgehen, wobei ma´u aber dann doch mitbedenken muss, dass diese Annahme auch den Umstand enthält, dass wir und die heute lebenden Primaten die gleichen Urahnen haben. Aber genau ab da beginnen dann die Probleme. Habt ihr eine Ahnung was ich mit dieser Bemerkung meinen könnte?
M und T schütteln ratlos den Kopf. M: Ich habe da noch nie etwas von irgendwelchen Problemen gehört.
O lachend: Das glaube ich Dir gerne. Wie solltest Du denn auch, wenn ma´u Dir die üblichen Erklärungen vorsetzt, ohne sie irgendwie in Frage zu stellen? Also schauen wir mal genauer hin. Erste Frage: wie muss die erste Lebensform aussehen, die wir als direkten Vorfahren des Menschen nach dem Affen ansehen, oder anders gewendet, welche besondere neue Fähigkeit muss sie besitzen?
T fragend: Wäre das der aufrechte Gang?
O erfreut: Ganz recht Thomas. Aber wisst Ihr auch, wie ma´u sich seine Entstehung erklärt?
M nickt: Nach meiner Erinnerung soll das durch eine Klimaveränderung hin zu größerer Trockenheit geschehen sein, wodurch die Urwälder zurückgingen und die ehemaligen baumbewohnenden Vormenschen oder Affen gezwungen waren sich an ein Leben in der jetzt entstehenden Savanne anzupassen. Dabei sei es wichtig gewesen durch den aufrechten Gang größere Vorteile durch bessere Übersicht, bzw. weitere Sicht gehabt zu haben.
O anerkennend lächelnd: Sehr gut Melanie. Du hast die bisher übliche evolutionistische Erklärung sehr gut wiedergegeben. Danach geht ma´u von folgender Überzeugung aus: um eine existierende Veränderung zu erklären, braucht ma´u eine Vorstellung einer „Anpassung an die gegebenen Lebensumstände, die eine bessere Überlebenschance bieten könnte“. Diese wird nach evolutionstheoretischer Behauptung alleine durch die Mutation und Selektion geliefert, richtig?
M und T nicken. M: Gibt es denn eine andere Erklärung für solche Prozesse?
O: Bevor ich Deine Frage beantworte, wollen wir erst sehen, ob wir mit der bisherigen Erklärung die Fragen an einen Übergang vom Affen zum Menschen ohne Widersprüche erklären können. Ich erinnere dabei nochmals an die schon oben genannten Bedingungen: erstens, evolutionäre Fortschritte können immer nur in kleinen Schritten erfolgen und zweitens, der Vorteil muss sich in der Konkurrenz zu den Mitgliedern der gleichen Gruppe durchsetzen. Könnt ihr Euch daran erinnern? M und T nicken. Dann lasst uns mal anschauen, wie sich nach dem momentanen Wissenstand der anthropologischen Forschung das Ganze erklären lässt. Wisst Ihr, welches momentan die älteste bekannte Vorform des Menschen mit aufrechtem Gang ist und wie alt die sein soll?
T angestrengt nachdenkend: Warte mal Opa. Ich kann mich dunkel an einen Frauennamen erinnern, irgendwas mit i und u?
O nickend: Ja Lucy.
T eifrig: Richtig, jetzt wo Du es sagst fällt es mir wieder ein. Ist das auch richtig mit mehr als 3 Mio. Jahre?
O: Ja, vor ca. 3,2 Mio. Jahren lebten diese Vormenschen, zu denen Lucy gehörte. Weißt Du da vielleicht noch was Melanie?
M nickend: Irgendwie kommt es mir vor als hätte ich noch gar nicht so lange her eine Meldung in irgend einer Zeitung von einer Frau gelesen, die noch älter sein soll. Aber mehr weiß ich nicht mehr.
O zustimmend nickend: Ganz recht, Ardi wird dieses weibliche Wesen genannt, aus einer Rasse, die ma´u ardipithecus ramidus getauft hat und die nach den inzwischen sehr gut bestimmten Fundumständen auf ein Lebensalter von ca. 4,4 Mio. Jahren eingeordnet wurde. Der alles entscheidende Punkt dabei ist der ebenfalls bestätigte weitgehend aufrechte Gang, den ma´u anhand eines fast komplett erhaltenen Skeletts bestätigen konnte. An den Fundumständen ist aber etwas anderes, fast Sensationelles. Der damalige Lebensraum dieser Wesen war eine wasserreiche, urwaldbestandene Flusslandschaft. Könnt Ihr erkennen, warum das so sensationell ist, und warum andere Forscher seit bekannt werden dieser Umstände versuchen dies zu bestreiten?
M fragend: Warte mal, wenn diese Wesen erstens praktisch in einem Urwald lebten und zweitens aufrecht gingen, dann kann die bisher behauptete Begründung für die Evolution des aufrechten Ganges nicht stimmen, richtig?
O sehr erfreut: Ganz genau Melanie, Du hast es erfasst, warum dieser Fund so sensationell ist.
T etwas verlegen: Könntet Ihr mir etwas auf die Sprünge helfen? Ich verstehe überhaupt nicht was Ihr meint.
M: Kannst Du Dich nicht erinnern Thomas? Vorhin habe ich doch erzählt mich erinnern zu können, dass ma´u den aufrechten Gang wegen Klimaveränderungen in Richtung sich ausbreitender Trockenheit erklärt, wodurch die Vormenschen aus den sich zurückentwickelnden Urwäldern vertrieben wurden. Sie waren dann gezwungen auf die vordringenden Steppenlandschaften auszuweichen und hier sollte nun der aufrechte Gang den entscheidenden evolutiven Vorteil bringen, vor allem durch das „weitere“ Sehen.
T erfreut: Ah ich verstehe jetzt das Argument und die Frage Opas. Aber irgendwie kommt mir dieses Argument nicht ganz stichhaltig vor. Irgendwann hat uns mal eine Lehrerin sinngemäß erklärt, dass der aufrechte Gang gar nicht so einfach zu verstehen sei. Vor allem seien die Veränderungen gegenüber der vermuteten Vorformen bedeutender, als ma´u sich das üblicherweise vorstellen würde.
O ziemlich erstaunt: So etwas hat Frau Euch erklärt? Da bin ich aber baff. Hat Sie da auch eventuell etwas mehr an Erklärungen hinzugefügt?
T etwas verlegen: Ich glaube schon. Aber ich war gerade so mit meiner Freundin, die ja in der Schule neben mir sitzt beschäftigt, dass ich da leider nur wenig mitbekam.
O und M lachen. O: Du lieferst uns hier gerade ein ganz gutes Beispiel, warum es nicht sehr sinnvoll ist, wenn ma´u in der Schule oder in vergleichbaren Umständen, in denen ma´u etwas aufmerksam verfolgen sollte, sich neben eine/n Freund/in zu setzen. Ma´u wird da doch oft zu schnell abgelenkt.
M fragend: Opa, kannst Du uns erklären, was die Lehrerin gemeint hat?
O nickend: Ja natürlich. Wir haben hier nämlich einen der Umstände vor uns, wo die üblichen Erklärungen der Darwin’schen Theorie schlicht kläglich versagen. Es handelt sich hier um einen der größeren „Sprünge“ in der Evolution, die ma´u eben mit der herkömmlichen Theorie absolut nicht erklären kann.
M erstaunt: Was meinst Du denn hier mit „Sprüngen“?