Wen liebst du wirklich? - Sara Wood - E-Book
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Sara Wood

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Beschreibung

Laura träumt vom großen Glück: Sie hat sich in den erfolgreichen Autor Cassian Baldwin verliebt. Er hat das Anwesen gekauft, auf dem sie wohnt. Glücklich merkt Laura, dass Cassian sie oft voller Bewunderung betrachtet und ihre Nähe sucht. Nach seinem erst

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Sara Wood

Wen liebst du wirklich?

Impressum

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Tel: +49(040)60 09 09-361 Fax: +49(040)60 09 09-469 E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung: Thomas Beckmann

Redaktionsleitung: Claudia Wuttke

Cheflektorat: Ilse Bröhl (verantw. f. d. Inhalt)

Grafik: Deborah Kuschel, Birgit Tonn, Marina Grothues

© 2001 by Sara Wood

Originaltitel: „The Unexpected Mistress“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./ S.àr.l

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA

Band 1670 (17/1) 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG Hamburg

Übersetzung: Irmgard Sander

Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 06/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN 978-3-86494-222-8

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

JULIA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert ein-gesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

1. Kapitel

Cassian Baldwin saß zufrieden auf der Dachterrasse seines großen, gemieteten Hauses, das er in typisch kosmopolitischer Art mit zwei englischen Stripperinnen, einem Buddhisten aus Florida und einem marokkanischen Kräuterkundler teilte. Es war schon spät. Am samtschwarzen Nachthimmel funkelten die Sterne.

Zusammen mit seinem Literaturagenten sah Cassian den Schlangenbeschwörern und Akrobaten auf dem Djemaa el Fna, dem bemerkenswerten Marktplatz von Marrakesch, zu. Seit sie die Dachterrasse betreten hatten, war der Agent aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, und Cassian beobachtete ihn amüsiert.

"Das ist schon etwas anderes als London", meinte sein Agent schließlich mit dem typisch britischen Hang zur Untertreibung, wobei sein Blick wie gebannt einer Gruppe von Nomaden aus der Sahara folgte, die majestätisch über den Platz schritten.

In Lumpen gekleidet, schreiten sie wie die Könige, dachte Cassian und fand wieder einmal seine Überzeugung bestätigt, dass das Äußere oftmals nichts über die wahre Person aussagte. "Die gleiche Welt, aber völlig andere Werte und Wünsche. Das Leben auf das absolut Notwendige reduziert: das Bedürfnis nach Essen, Unterkunft und Liebe", bemerkte er beiläufig, schenkte den Kaffee aus einer Kanne mit versilbertem Ausgießer ein und bot dann seinem Agenten süßes Gebäck an.

Die Szenerie unten auf dem Markt regte seine Fantasie an, brachte ihn aber nicht mehr aus der Fassung. Nachdem er ein Jahr hier lebte, war ihm das alles wunderbar vertraut geworden: die Geschichtenerzähler, die Schlangenmenschen, die Gaukler und das Berbervolk, bunt durchmischt von staunenden Touristen. Inzwischen hatten sich seine Ohren an den Lärm gewöhnt. Trommeln, Becken und westliche Musik übertönten das Stimmengewirr … und dankenswerterweise auch die Schmerzenslaute vom Stand des Dentisten, der mit Feuereifer von seinen Zangen Gebrauch machte.

Cassian, der sich gern starken Gefühlen und sinnlichen Erfahrungen verschrieb, sog dieses unverwechselbare menschliche Flair förmlich in sich auf, zusammen mit dem Duft exotischer Gewürze und Gerichte von den Kohlenfeuern, die ringsum auf dem Platz glühten. Und dabei fragte er sich neugierig, wohin ihn seine Leidenschaft, das Leben in vollen Zügen zu genießen, als Nächstes tragen würde.

"So." Sein Agent lehnte sich zufrieden zurück. "Nachdem Sie jetzt Ihr Buch fertig haben, werden Sie und Ihr Sohn sicher eine Weile nach Hause zurückkehren, oder?"

Cassian trank einen Schluck türkischen Kaffee und genoss das starke Aroma. "Jai und ich, wir haben kein Zuhause."

Andererseits … Wie zum Widerspruch tauchte plötzlich ein Bild vor seinem geistigen Auge auf. Statt der nächtlichen Marktszene unten mit ihren exotischen Gauklern und lodernden Fackeln sah er plötzlich smaragdgrüne Hügel, gesäumt von grauen Steinmauern, uralte Wälder und kleine Dörfer an den Ufern eines klaren, wirbelnden Flusses. Die Yorkshire Dales … und vor allem: Thrushton.

Überrascht atmete er tief ein. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er eine schmerzliche Sehnsucht nach einem Ort, den er einmal gekannt und geliebt hatte. Das erstaunte ihn zutiefst. Bis dahin hatte er jeden Ort voller Neugier und Lebensfreude angenommen, ihm stets auch seine dunkleren Seiten entlockt, um daraus die Stoffe für seine beliebten Krimis zu schaffen, die er unter dem Pseudonym Alan Blake veröffentlichte … und war dann zu neuen Horizonten aufgebrochen.

"Aber zumindest haben Sie erst einmal Ihre Freiheit wieder", fuhr sein Agent leutselig fort, "und müssen nicht mehr stundenlang am PC sitzen."

"Ich habe meine Freiheit noch nie verloren. Und wenn ich das je befürchten müsste", antwortete Cassian ruhig, "würde ich sofort mit dem Schreiben aufhören."

"Um Himmels willen, bloß nicht! Wir haben wieder ein lukratives Angebot von einem Filmproduzenten für Ihr nächstes Buch." Die Vorstellung, seine zwölf Prozent Provision verlieren zu können, versetzte den Agenten in Panik.

Doch Cassian hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Seine scharfen Ohren hatten in der kleinen Gasse neben dem Haus ein ungewöhnliches Geräusch registriert. Er trat an die niedrige Brüstung und sah da unten einen Mann, der sich zusammengekrümmt und stöhnend am Boden wälzte. Eine dunkle Gestalt lief davon und verschwand in der Nacht. Cassian entschuldigte sich bei seinem Agenten und ging hinunter, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Wenige Minuten später entdeckte er, dass der Mann, den er in sein Haus geschleppt hatte, Tony Morris war, sein alter Feind aus genau der Gegend von England, an die er bei dem Wort "Zuhause" so unerwartet gedacht hatte. Während Tony stöhnte und jammerte und er, Cassian, ihm schweigend das Blut aus dem zerschundenen Gesicht wusch, stellte er fest, dass seine Sehnsucht nach Yorkshire beunruhigend wuchs und die Erinnerungen ihn beharrlich bedrängten.

Er war es gewöhnt, seinen Instinkten zu folgen. Vielleicht war es ja an der Zeit, zurückzukehren und in eine Landschaft einzutauchen, die ihm liebevollen Trost und Seelenfrieden gespendet hatte. Zeit auch, sich den alten Dämonen zu stellen, die ihn in seinen Träumen verfolgten.

Und dann bot Tony ihm die Gelegenheit, genau das zu tun.

Laura stellte zwei Kaffeebecher auf den Tisch und löffelte nachdenklich den letzten Instantkaffee aus der Dose. Kaffee war nicht das Einzige, das sie in Zukunft von ihrer Einkaufsliste würde streichen müssen. Die Armut starrte ihr förmlich ins Angesicht.

"Sue", wandte sie sich eindringlich an ihre beste Freundin. "Ich muss unbedingt einen neuen Job auftreiben!"

Sue Collins sah sie mitfühlend an. "Du hast also immer noch nichts gefunden?"

"Nein, und dabei habe ich die ganze Woche sogar in Harrogate gesucht!"

"Wow!" Sue war ehrlich beeindruckt, denn sie war vermutlich der einzige Mensch, der ermessen konnte, was für ein Schritt das für Laura gewesen war.

Es war jetzt einen Monat her, dass Laura ihren Job verloren hatte. Nacht für Nacht hatte sie wach gelegen und sich um die Zukunft ihres Kindes gesorgt, um seine labile Gesundheit und seine empfindsame Psyche. Adam zuliebe musste sie unbedingt Arbeit finden! Die Tage verrannen, und ihre Panik wuchs. Weder in Thrushton, wo sie lebten, noch in den benachbarten Gemeinden Grassington und Skipton war ein Job zu bekommen. Lauras Existenz war aber bis dahin ausschließlich auf die sanften Täler und malerischen Dörfer entlang des River Wharfe beschränkt gewesen. Das übrige Yorkshire kannte sie nicht, geschweige denn England oder die Welt. Und die Vorstellung, über ihre engen Grenzen hinaus zu reisen, ließ sie vor Angst erzittern.

Ihr war klar, dass das dumm war, aber sie konnte nichts dafür. Eine restriktive Erziehung hatte jeden Funken Selbstbewusstsein in ihr erstickt. Und wenn sie je so etwas wie Ehrgeiz besessen haben mochte, dann war es verkümmert dank der scharfen Zunge von Tante Enid, der Schwester ihres Adoptivvaters, und dank des Hohns und der Grausamkeit ihres Halbbruders Tony.

Doch bei aller Unterwürfigkeit und Zurückhaltung, die Bedürfnisse ihres Sohnes veranlassten sie, ihr Leben neu zu überdenken. Ihr persönlich machte es nichts aus, Kleider vom Flohmarkt zu tragen, aber sie musste genug Geld verdienen, um Adam vernünftige Sachen kaufen zu können, sonst würde er in der Schule weiterhin gnadenlos schikaniert werden.

"Ich würde alles tun, damit wir hier bleiben können", sagte sie nun aus ganzem Herzen. "Dieses Haus ist mein … mein …"

"Deine Kuscheldecke", ergänzte Sue lächelnd. "Sei ehrlich, Laura, du verkriechst dich doch hier."

Laura erwiderte das Lächeln ihrer Freundin zerknirscht. "Du hast Recht. Aber ich brauche einfach eine stabile, vertraute Umgebung. Und Adam geht es genauso. Anderswo würden wir zerbrechen."

"Ich weiß, Darling. Deshalb denke ich auch, du hast richtig Mut bewiesen, in Harrogate nach einem Job zu suchen." Die rundliche Sue tätschelte bewundernd Lauras schlanke, schmale Hand. "Aber … es wäre schon eine anstrengende Anfahrt ohne Auto, meinst du nicht?"

Laura seufzte. "Was habe ich für eine Wahl? Ein neunjähriger Junge braucht vernünftiges Essen und anständige Kleidung. Und hier in der Gegend hat sich wahrhaftig niemand darum gerissen, mich einzustellen. Ich bin es so leid!"

"Es muss doch einen Job für dich geben!" versuchte Sue ihr Mut zu machen.

Laura verdrehte die Augen. "Aber natürlich. Als Erotiktänzerin zum Beispiel." Sie stimmte in das Kichern ihrer Freundin ein, sprang auf und vollführte aus reinem Trotz einige laszive Posen an einer imaginären Stange, wobei sie aufreizend mit den Wimpern klimperte und sich mit natürlicher Anmut bewegte.

"Wow! Ich würde dir auf der Stelle fünf Pfund dafür geben", versicherte Sue anerkennend. "Sehr erotisch. Aber du hast auch wundervolle Beine und eine tolle Figur."

Hastig strich sich Laura durch das zerzauste Haar, sank wieder auf den Küchenstuhl und zog sich befangen den Saum ihres Rockes herunter. Er stammte wie das meiste ihrer Garderobe vom örtlichen Flohmarkt und war eine Spur zu eng.

Ihre kleine Tanzeinlage hatte Laura ein wenig aus der Fassung gebracht. Allem Anschein nach besaß sie ein natürliches Talent in diesen Dingen … Von ihrer Mutter geerbt? Immerhin war sie ein "Bastard", was man sie nie hatte vergessen lassen. Wenn sie nur gewusst hätte, wie ihre Mutter wirklich gewesen war! Tante Enid hatte immer behauptet, sie sei ein Flittchen gewesen.

"Sie ist mit jedem ins Bett gegangen", hatte Tante Enid gewettert. "Obwohl sie mit deinem Vater, einem respektablen Anwalt, verheiratet war! Diana hat den Namen Morris in Misskredit gebracht!"

Laura würde die Wahrheit vermutlich nie erfahren. Sie würde nie wissen, warum ihre Mutter ihrem Mann untreu geworden war, nie die Identität ihres wahren Vaters feststellen können. George Morris, den alle für ihren Vater hielten, und seine Schwester Enid waren inzwischen tot. Und niemand sonst wusste, dass sie nicht George Morris' Tochter war. Unmittelbar nach ihrer Geburt war ihre Mutter auf und davon, und George hatte gar keine anderen Wahl gehabt, als sie, Laura, als sein Kind aufzuziehen. Er hatte es nicht gern getan, was seine fehlende Zuneigung erklärte.

Wehmütig blickte Laura sich in der gemütlichen alten Küche um. Sie wagte sich den Aufruhr gar nicht vorzustellen, als die Untreue ihrer Mutter entdeckt worden war. Und sie verstand durchaus, dass es für ihren "Vater" hart gewesen sein musste, den "Bastard" seiner Frau anzunehmen.

In dem Bemühen, sie um jeden Preis auf dem "geraden Weg" zu halten, hatte er zusammen mit Tante Enid ein so strenges, restriktives Regime geführt, dass sie, Laura, zu einer verschüchterten grauen Maus herangewachsen war. Die allerdings beachtliche häusliche Fertigkeiten und eine kerzengerade Haltung, die ihresgleichen sucht, vorweisen kann, dachte sie jetzt spöttisch.

"Ach weißt du, Sue, ich bin es so leid, mich bei Vorstellungsgesprächen lächelnd anzupreisen! Ich hasse es!" Laura verlor die Beherrschung und schlug mit der Faust auf den Tisch.

Ihre Freundin zuckte angesichts dieses ungewohnten Gefühlsausbruchs zusammen. "Es wird sich sicher bald etwas finden", sagte sie tröstend. "Weißt du, ich habe doch nachher meinen Zahnarzttermin in Harrogate. Da bringe ich dir die Tageszeitung mit dem aktuellen Anzeigenteil mit."

"Ich würde wirklich jeden Job annehmen und bin bereit, zu lernen und hart zu arbeiten … Aber Tatsache ist doch, dass ich blass und schüchtern bin und meine Garderobe vorsintflutlich ist", entgegnete Laura bedrückt. "Ich sehe die anderen Bewerberinnen, strotzend vor Selbstbewusstsein, perfekt geschminkt und elegant gekleidet, und weiß, dass sie hinter ihren fein manikürten Händen über mich lachen." Wütend hob sie ihre Hände. "Sieh dir meine an! Sie sind rau von der harten Arbeit. Aber weißt du, Sue, ich wäre genauso toll wie die anderen, wenn man mir etwas Lippenstift, einen Friseurbesuch und einen großen Topf mit Handcreme spendieren würde!"

"He, so habe ich dich ja noch nie erlebt!" rief Sue erstaunt aus.

"Na ja, ich bin wütend." Lauras blaue Augen blitzten auf. "Wann wird die Welt endlich begreifen, dass Äußerlichkeiten nicht alles sind?" Sie verstummte und blickte verwirrt zum Fenster hinaus. "Und was macht der Umzugswagen da draußen?"

"Der hat sich sicher verfahren", meinte Sue.

Thrushton Hall erhob sich ganz am Ende der zwanzig Häuser, aus denen der winzige Ort bestand, und war ursprünglich im Mittelalter aus dem Felsgestein der Gegend erbaut und später in georgianischer Zeit erweitert worden. Ein bunter, blühender Bauerngarten trennte das stattliche Herrenhaus von der schmalen Straße davor, die nur bis zum Fluss führte.

Laura beugte sich vor und spähte angestrengt durch das Sprossenfenster. Sue hatte sicher Recht … andererseits nickten die beiden Umzugsleute zufrieden, als sie das Namensschild an der niedrigen Trockenmauer lasen, holten Thermosflaschen und Sandwiches heraus und ließen sich damit auf der Mauer nieder.

"Wie es aussieht, sind wir zu einem beliebten Picknickziel geworden", sagte Laura. Im nächsten Moment hielt hinter dem kleinen Umzugslaster ein ramponierter, staubiger Jeep. "Und da kommt noch ein Ausflügler!"

Sie verstummte, denn aus dem Jeep stieg ein großer, schlanker Mann, bekleidet mit schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt.

"Was ist los?" Sue eilte an Lauras Seite. "Du liebe Güte! Ist das nicht …?"

Laura war kreidebleich geworden. "Ja … es ist Cassian!"

Völlig fassungslos über sein unerwartetes Auftauchen, beobachtete sie, wie er mit den beiden Umzugsleuten einige Worte wechselte. Und plötzlich wandte er sich um und sah zum Haus. Laura und Sue duckten sich hastig wie zwei Kinder, die bei etwas Verbotenem ertappt worden waren.

"Was für ein toller Mann er geworden ist!" meinte Sue bewundernd. "Aber … warum taucht er ausgerechnet hier auf?"

Laura brachte kein Wort über die Lippen. Der Anblick dieser dunklen, imposanten Gestalt brachte sie genauso durcheinander wie bei seinem ersten Auftauchen vor siebzehn Jahren … und seinem ebenso plötzlichen Verschwinden fünf Jahre später, als ihre Familie zerbrochen war.

Sie war zehn Jahre alt gewesen, als George Morris verkündet hatte, er würde Bathsheba Baldwin, eine Künstlerin, die Klientin in seiner Anwaltskanzlei war, heiraten, und Bathsheba würde mit ihrem zwölfjährigen Sohn Cassian auf Thrushton Hall einziehen. Was Laura verriet, dass George sich irgendwann von ihrer Mutter hatte scheiden lassen. Tony, bis dahin der vergötterte und verwöhnte einzige Sohn, hatte mit Wut und Groll reagiert. Für sie, Laura, aber war die Ankunft von Bathsheba und Cassian eine Offenbarung gewesen. Plötzlich war das Haus voller Leben, Lachen, Farbe und Musik gewesen, und der Duft von Ölfarbe und Terpentin mischte sich mit dem Duft exotischer Gewürze und Gerichte.

Doch von Anfang an hatte es zwischen George und Enid einerseits und Bathsheba andererseits heftige Auseinandersetzungen wegen Cassians Verhalten gegeben. Laura sah ihn wieder vor sich: ein schweigsamer Junge, der sich einfach nicht anpassen wollte. Unbeugsam trotzte er Tante Enids strengen Regeln und verschwand tagelang, wobei er anscheinend ohne Essen und menschliche Zuwendung existieren konnte. Und während Laura ihn einerseits um seine Unabhängigkeit und seine hartnäckige Weigerung, sich zu verbiegen, beneidete und aus der Ferne bewunderte, fürchtete sie sich auch genau vor der Freiheit, die er verkörperte. Er war unbezähmbar, mit einer abenteuerlichen, unkonventionellen Vergangenheit, und er kam aus einer Welt, die sie nie kennen lernen oder verstehen würde.

Als er zu einem jungen Mann heranwuchs, hatte er die Mädchen aus dem ganzen Umkreis magisch angezogen. Er war der umschwärmte "Bad Boy" der Gegend. Ein oder zwei Mädchen hatten das Glück, seine Aufmerksamkeit zu erregen, und erzählten den anderen Mädchen von seiner Leidenschaft. Laura hatte entsetzt, insgeheim aber auch aufgeregt gelauscht. Nicht, dass sie überhaupt Teil von Cassians Leben sein wollte. Er machte ihr Angst, und sie wollte nicht ergründen, warum ihr Herz bei seinem Anblick jedes Mal schneller schlug.

So wie jetzt wieder. Vorsichtig spähte sie aus dem Fenster. Cassian hatte sich erneut den Umzugsleuten zugewandt und sprach angeregt mit den beiden Männern. Er besaß Charisma, war immer anders und besonders gewesen. Sogar Sue, ihre sonst so vernünftige Freundin, beobachtete ihn mit unverhohlener Bewunderung.

Laura mochte es nicht, wenn ihre Gefühle außer Kontrolle gerieten. Warum sollte sie so übertrieben auf Cassians Anblick reagieren? Sicher, er war ein attraktiver Mann, aber in dem Hotel in Grassington, in dem sie gearbeitet hatte, war sie vielen gut aussehenden Männern begegnet: jung, wohlhabend und von angenehmer Erscheinung … sie, Laura, hatte sie kaum wahrgenommen. Und umgekehrt natürlich auch!

Verwirrt betrachtete sie Cassian genauer. Ihre Faszination wuchs. Sein Haar war immer noch dicht und rabenschwarz, aber die widerspenstigen Locken waren einer gepflegten Kurzhaarfrisur gewichen, was sein markantes Gesicht betonte. Dieses Gesicht … wohl jede Frau wäre beim Anblick seiner samtbraunen Augen und seines sinnlichen Mundes ins Schwärmen geraten! Und das schwarze T-Shirt schmiegte sich an seinen muskulösen Oberkörper, dass Laura der Atem stockte.

"Was für eine Figur!" flüsterte Sue ehrfürchtig. "Einfach perfekt. Dabei war er als Junge doch eher hager."

Nein, hätte Laura ihr am liebsten widersprochen, er war schon immer sehr stark und drahtig. Aber sie wollte nicht verraten, wie genau sie ihn beobachtet hatte. Und Sue hatte Recht, Cassian besaß jetzt einen atemberaubend athletischen Körper. Aber was sie, Laura, an ihm faszinierte, war mehr als das … Er … Sie erstarrte, als sie plötzlich begriff, warum sie sich so magisch zu ihm hingezogen fühlte. Cassian besaß, wonach sie und viele andere Menschen vielleicht ihr Leben lang vergeblich strebten: unerschütterliches Selbstbewusstsein. Er war im Einklang mit sich selber, wohingegen sie immer im Schatten der Regeln anderer Menschen gelebt und ihr Verhalten dem Willen anderer Menschen angepasst hatte.

Und sie sehnte sich danach, so zu sein wie er.

Plötzlich lachte er da draußen herzlich. Seine dunklen Augen funkelten, er strahlte eine unbändige Vitalität aus, und Laura durchzuckte es heiß.

"Das nenne ich Sex-Appeal!" flüsterte Sue beeindruckt. "Ist er nicht wie seine Mutter? Bathsheba, nicht wahr? Ein ungewöhnlicher Name. Er passte zu ihr."

"Exotisch." Laura nickte. Cassians Mutter war die schönste und temperamentvollste Frau gewesen, die sie je gesehen hatte. Schwarze Locken und dunkle Augen, die wie Juwelen funkelten, wenn sie glücklich war. In den fünf Jahren, in denen Bathsheba Lauras Stiefmutter gewesen war, hatten sie und Cassian kaum Notiz von Laura genommen. Allerdings hatte Tante Enid sie auch so weit wie möglich voneinander fern gehalten. Und das Verhältnis zwischen Bathsheba und George Morris war ein tragisches Beispiel dafür gewesen, wie zwei Menschen sich lieben und dennoch auf Dauer nicht miteinander leben konnten. Ihre zutiefst unterschiedlichen Auffassungen vom Leben und vor allem auch von Cassians Erziehung schufen einen unüberwindlichen Graben zwischen ihnen.

"Soweit ich mich erinnere, sind Bathsheba und Cassian damals über Nacht verschwunden", sagte Sue.

"Ja", bestätigte Laura. "Eines Nachts sind sie einfach auf und davon. Ich war entsetzt und habe mich gefragt, wie sie zurechtkommen würden. Wie du weißt, hat George sich nie davon erholt." Sie erinnerte sich voller Mitgefühl. Ihr strenger, unbeugsamer Adoptivvater war tatsächlich an gebrochenem Herzen gestorben. Ein weiterer Beweis für die zerstörerische Kraft von Leidenschaft.

"Nun, Cassian scheint jedenfalls seine Vorbehalte gegenüber Thrushton überwunden zu haben. Er kommt zum Haus!" rief Sue aufgeregt aus. "Warum muss das ausgerechnet dann passieren, wenn ich morgen in Urlaub fliege?"

"Er wird sowieso nicht lange bleiben", wehrte Laura ab. "Du weißt doch, wie er dieses Haus gehasst hat. Ich wüsste auch nicht, warum er mich besuchen sollte. Er hat doch nie Notiz von mir genommen, und Tony hat er geradezu verabscheut …"

Sie verstummte erschrocken. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss der Haustür. Die Tür knarrte. Dann herrschte für einen Moment absolute Stille. Im nächsten Moment wurde die Küchentür kraftvoll aufgestoßen. Cassian erschien auf der Schwelle, groß und stattlich. Sichtlich irritiert ließ er den Blick durch die Küche schweifen und richtete ihn schließlich finster und ungläubig auf Laura.

2. Kapitel

Beim Öffnen der Haustür war Cassian der Duft von frisch gebackenem Brot in die Nase gestiegen. Ein köstlicher Duft, der ihn dennoch ärgerlich innehalten ließ. Denn er konnte nur eines bedeuten: ein Mieter und damit langwierige Rechtsstreitigkeiten.

Cassian verharrte einen Moment, um sich zu sammeln. Er hatte sich vorgestellt, bei seiner Ankunft auf Thrushton Hall allein zu sein, um die Dämonen der Vergangenheit ungestört zu vertreiben. Deshalb hatte er Jai in Marrakesch zurückgelassen und ihn mit einem ihrer Berberfreunde auf eine Bergtour ins Atlasgebirge geschickt.

Allem Anschein nach musste er, Cassian, nun erst einmal einen unerwünschten Mieter vertreiben. Er verwünschte Tony, der ihm das verschwiegen hatte, und stieß ungeduldig die Küchentür auf. Und dann fiel sein Blick auf Laura.

Er blieb wie vom Donner gerührt stehen. "Du?" fragte er ungläubig. Ausgerechnet sie! Sie hätte dieses Haus schon vor Jahren verlassen und ein neues Leben beginnen müssen! Als sie bei seiner schroffen Ansprache sichtbar zusammenzuckte, verspürte Cassian noch größere Lust, Tony bei ihrem nächsten Zusammentreffen den fetten Hals umzudrehen. Ihre großen blauen Augen blickten ihn argwöhnisch und vorwurfsvoll an. Ganz ohne Zweifel würde sie sich die Seele aus dem Leib weinen, wenn er sie vor die Tür setzte, und er würde sich wie ein Schuft fühlen.

"Hallo, Cassian."

Die fröhliche Begrüßung kam von einer Blondine an Lauras Seite.

"Sue." Offenbar freute es sie, dass er sich noch an sie erinnerte. Cassian begutachtete Lauras beste Freundin mit einem Blick: Ehering, der etwas eng saß … schon eine Weile verheiratet, Gewichtszunahme nach Schwangerschaften oder weil es ihr zu gut ging oder beides. Ihre Kleidung war gepflegt, das rotblonde Haar professionell gefärbt. Aber Sue interessierte ihn nicht. Er wandte sich wieder Laura zu, die sich immer noch nicht rührte und ihn aus ihren unglaublich blauen, von schwarzen Wimpern gesäumten Augen ansah.

"Was … machst du hier?" fragte sie heiser.

Er presste irritiert die Lippen zusammen. Sie hatte keine Ahnung! Dieser egoistische Feigling Tony hatte seiner Halbschwester anscheinend nicht mitgeteilt, was er mit dem Haus gemacht hatte, das er nach dem Tod seines Vaters geerbt hatte. Ratte! "Ich nehme an, Tony hat dich nicht vorgewarnt, dass ich kommen würde?"

Ihre rosigen, vollen Lippen begannen zu beben. "Nein. Ich … habe seit fast zwei Jahren nichts mehr von ihm gehört." Laura warf einen fragenden Blick hinaus auf den Umzugswagen. Dann schien es ihr zu dämmern. "Du willst doch nicht etwa …? O nein!" flüsterte sie verzweifelt.

Cassian hätte sie am liebsten geschüttelt. Das war immer noch die verschüchterte und verängstigte Laura, wie er sie in Erinnerung hatte. Sie war fünfzehn gewesen, als er fortgegangen war. Mit anderen Worten, sie musste jetzt siebenundzwanzig sein, alt genug, um sich darüber im Klaren zu sein, dass das Leben an ihr vorüberging!

Nun wich sie vor ihm zurück, als hätte er sie geschlagen, griff sich ein Geschirrtuch und begann Besteck zu polieren, das auf dem Ablaufbrett zum Trocknen lag! Ein völlig unlogisches Verhalten, aber typisch für Laura.

Cassian fühlte seinen Zorn wachsen. Laura hatte sich immer in sinnloses Putzen geflüchtet, um Tante Enid zu gefallen … und sie hatte nie begriffen, dass jeder Versuch in dieser Hinsicht von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war und sie sich genauso gut offen der alten Hexe hätte widersetzen können, wie er es getan hatte. Es erschreckte ihn, dass Laura offenbar immer noch nicht aus ihrem Schneckenhaus herausgekommen war. Nun, von jetzt an würde ihr gar nichts anderes mehr übrig bleiben. "Hör bitte damit auf!" Energisch machte er einen Schritt auf sie zu.

Laura blickte zu ihm auf. "Ich … muss es tun."

"Ersatztherapie?" Schon früher hatte sie immer etwas zu putzen angefangen, wenn Tante Enid böse auf sie gewesen war. Überrascht stellte er fest, wie liebreizend ihr Gesicht aus der Nähe aussah: zart und herzförmig, klare blaue Augen und ein überaus sinnlicher Mund. Das dichte blonde Haar war zu einer nichts sagenden Frisur zusammengebunden, schimmerte jedoch wie Seide in der Morgensonne.

"Ich … ich weiß nicht, was du meinst!" protestierte sie. Ihre ganze Haltung bot ein Bild der Verschüchterung und Abwehr.

Cassian seufzte. Das würde nicht leicht werden. "Mir ist klar, dass es für dich ein Schock sein muss, wie ich hier so hereinplatze, aber ich habe hier niemanden erwartet", sagte er ungewollt sanft.

"Tony hat dir einen Schlüssel gegeben!" rief sie verwirrt aus. "Warum?"

"Damit ich ins Haus kann", antwortete er trocken.