Wenn der Orthopäde Rücken hat - Matthias Manke - E-Book

Wenn der Orthopäde Rücken hat E-Book

Matthias Manke

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Beschreibung

Über 15 Jahre hat der Bochumer Orthopäde Dr. Matthias Manke, bekannt als "Revierdoc", erfolgreich Rückenpatienten behandelt – bis es ihn selbst erwischt: Der Arzt wird zum Patienten! Am eigenen Leib erfährt Doc Manke, dass in der Therapie von Rückenschmerzpatienten längst nicht alles rund läuft. Also beherzigt er, was er seinen Patienten rät: Er sucht die Ursachen und versucht, seine Rückenprobleme selbst aktiv in den Griff zu bekommen. Der "Revierdoc" erzählt sehr persönlich, wie er den Weg aus der Schmerzspirale gefunden hat. Hier ist er nicht nur der versierte Experte, der medizinisches Wissen leicht verständlich vermittelt – als "Leidensgenosse" begegnet er dem Leser auf Augenhöhe. Bewährte Therapien wie Beckenbodentraining stellt er ebenso vor wie neueste Erkenntnisse zu Taping, Muskeldehnung oder Entspannungstechniken. Mit vielen Beispielen aus seiner Praxis zeigt er, dass oft nicht "der Rücken", sondern der Lebensstil die Schmerzen verursacht. Ob der Rücken gesund ist, hat jeder selbst in der Hand! Der "Revierdoc" hilft: als medizinischer Experte, verständnisvoller Ratgeber und humorvoller Motivator.

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Seitenzahl: 263

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Dr. Matthias Manke ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und führt in Bochum-Wattenscheid seine eigene Praxis. Geboren in Dortmund ist er ein Kind des Ruhrgbiets und wollte nie da weg. Warum auch? Der Kohlenpott bietet, was zu ihm passt. Er studierte an hochrangigen Wissenschafts- und Ausbildungsstätten und unterrichtet bis heute angehende Mediziner an der Ruhr-Universität Bochum. Er war Mannschaftsarzt auf Schalke und betreut Spitzensportler am Olympiastützpunkt NRW/Westfalen – von grazilen Turnerinnen bis zu kugelstoßenden Kraftpaketen. Sein Slogan „Wie das Revier so der Doc“ bringt es auf den Punkt: Matthias Manke ist ehrlich, direkt, humorvoll und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, den Rücken zu retten und seine Patienten zur Bewegung zu motivieren. Kein Wunder, dass er auch ein gern gesehener Gast im Fernsehen, erfolgreicher Buchautor und gefragter Redner bei Patientenveranstaltungen ist.

Raus aus der SchmerzHölle

Rücken ist schlimm, aber Bandscheibe ist die Hölle. Wenn es dich erwischt, überkommt dich nicht nur einmal das Gefühl, dass es vorbei sein könnte mit deinem schönen Leben. Du musst dich plötzlich an etwas Neues, Fieses und Hartnäckiges gewöhnen: Jede Bewegung tut so weh, dass du schreien könntest.

Auch Orthopäden sind davor nicht geschützt – das hat „Revierdoc“ Matthias Manke am eigenen Leib erfahren. Ein Bandscheibenvorfall mit Nervenwurzelreizung warf ihn aus der Bahn und katapultierte ihn auf die andere Seite der Behandlungsliege. Nach außen der starke Arzt, innen unterm Rückenpanzer der schmerzgeplagte Patient. Mit dem Wissen eines Mediziners, dem Optimismus eines echten Revierlers und dem Ehrgeiz eines Sportlers kämpfte er sich zurück. Heute ist Matthias Manke wieder schmerzfrei und hat über seine Erfahrungen dieses Buch geschrieben.

DANK AN

meine Frau Mela – fürs tägliche Rücken-Freihalten,

meinen Sohn Max – für seine Mitarbeit als „Vorturner“,

meinen Freund Patrick – für seine fachorthopädische Unterstützung

INHALT

 

Vorwort mit noch mehr …

Höllische Schmerzen

Ein Kerl wie ein Baumstamm, zerbrechlich wie ein Grashalm

Erste Hilfe im Akutfall: Die Stufenlage0rung

Meine Therapie: Schmerz lindern, um weiterzuleben und weiterzuarbeiten

Meine Anti-Autsch-Übungen:Wenn der Rücken schreit, brauchst du schnell Hilfe

Mit Verstand und Respekt

Der beste Zeitpunkt: Wann du mit Rücken zum Arzt solltest

Arzt gesucht: Wie du den Orthopäden deines Vertrauens findest

Hey Doc, hilf mir! So erkenne ich gute Patienten

Zum besseren Verständnis: So arbeitet ein Kassenarzt

Checkliste – Besuch beim Orthopäden

Rücken kommt selten allein

Zwischen Kopf und Wirbelsäule: Nacken ist der neue Rücken

Warum der spezifische Nackenschmerz kompliziert ist

Im Überblick: Meine Tipps für deinen Nacken

Wenn’s im Nacken wehtut:Vier Übungen als schnelle Hilfe für den akuten Fall

Wie Bandscheibenschäden entstehen und was du dagegen tun kannst

Was bei einem Bandscheibenvorfall genau passiert

Bandscheiben-Fütterung: Wie du deine Stoßdämpfer gut ernährst

Ein Blick auf die Wirbelsäule

Hättest du das gewusst? 10 Fakten über die Bandscheibe

Raus aus dem Bett: Warum langes Schlafen Rückenschmerzen macht

Der gemeine Hexenschuss: Nicht nur zu Weihnachten eine Katastrophe

Schaufensterkrankheit und beinschwache Etappengänger

Schmerz-Chronifizierung: Verlass dich nicht auf „wird schon wieder“

Osteoporose: Oh und Aua beim gefährlichen Knochenschwund

Hilfe, ich habe mich verlegt: Der eingeklemmte Bootsfahrernerv

Fit mit dem Schwingstab:So stärkst du Muskeln, die du sonst nicht erreichst

Zaubermittel Bewegung

Bewegung im digitalen Zeitalter: Du musst dich aufraffen

Stundenlang am Bildschirm: So entsteht der Gamer-Buckel

Damit es noch länger gut geht:Übungen für Menschen mit Büro-Nacken

Mein Training für Schreibtischtäter und andere Vielsitzer

Wunderwerk Rücken: Warum die Wirbelsäule genial angelegt ist

Eine Frage der Haltung: Warum du richtig sitzen und stehen musst

Kerzengerade oder hingelümmelt: So sitzt du rückengesund

Dynamisch statt statisch: So stehst du richtig

Bewegung als Ausgleich zur Arbeit: Mach Schluss mit den Ausreden

Beweg dich vom Aufstehen bis zum Schlafengehen

Bewegung ist toll, Sport noch besser. Aber welcher Sport soll es denn bitte sein?

Das ist kein Widerspruch: Sport-Ass mit Rückenschmerzen

Mach den Selbsttest: Wie beweglich bist du?

Core-Stabilität: Meine Übungen für einen starken Rücken

Top 10 Rückenschul-Regeln

Was sonst noch hilft

Bewegung muss sein, aber es gibt auch angenehme Ergänzungen

Thermotherapie: Warum Wärme so guttut, aber keinen Raubtierrücken machen darf

Medikamente wirken wunderbar, sind aber ein Segen mit Risiken

Elektrotherapie für Technikfreunde

Injektionstherapie: Es muss nicht immer gleich die Spritze sein

Bandagen und Orthesen: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Krankengymnastik und Rehasport: Du brauchst mehr als eine Massage

Flexibilitätstraining: Dehnen und Stärken im richtigen Maß

Beckenbodentraining: Gut gegen Schmerzen und für die Manneskraft

Mein Zaubermittel: Übungen für die Beckenbodenmuskulatur

Warum du manuelle Therapien besser Fachleuten überlässt

Akupunktur: Warum das Nadelsetzen so gut wirkt

Kinesiologisches Taping: Stabilisation mit bunten Bändern

Stärke Rücken und Nacken mit Fitnessband und Necktrainer

Progressive Muskelentspannung: Raus aus der Daueranspannung

Die beste Matratze finden: Wie man sich bettet, so leidet man

Kopfkissen: Warum die gängigen Standardformate nicht gut sind

Die Rückenoperation sollte immer das letzte Mittel sein

Gutes für Körper und Seele

Iss dich gesund. Das freut nicht nur deinen Rücken

Richtig essen für starke Knochen

Vorsicht: Gefährliches Bauchfett

10 goldene Regeln für deine gesunde Ernährung

Psyche und Rückenschmerzen: Die Heilung beginnt im Kopf

Trost, Glück und Betäubung: Warum Sex bei Rücken hilft

Ausblick: Vorbeugen bitte

Das Nächste bitte: Warum der Orthopäde sich über Kinder freut

 

Impressum

„KERL, WAT HAB ICH HEUTE WIEDER RÜCKEN“

Hast du fast immer, manchmal oder nur hin und wieder Rückenschmerzen? Dann bist du nicht allein. Mehr als 80 Prozent der Deutschen leiden unter der Volkskrankheit. Gut ein Viertel von ihnen gehen deshalb zum Arzt. 6,6 Millionen Geplagte betäuben ihren Schmerz im Kreuz regelmäßig mit Medikamenten. Unzählige Menschen setzen sich überflüssigerweise riskanten Rückenoperationen aus. Erkrankungen an der Wirbelsäule sind für etwa 25 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage verantwortlich. Du siehst: Das schmerzhafte Phänomen ist weitverbreitet und offensichtlich nur schwer auszurotten. Kein Wunder, denn das, was nachhaltig hilft, ist mühsam, und das, was nicht mühsam ist, hilft nicht nachhaltig.

Schmerzen aus der Sicht des Mediziners und des Patienten

Die Patienten aus meinem Revier, die tagtäglich in meiner Praxis sitzen und verzweifelt Hilfe suchen („Kerl, wat hab ich heute wieder Rücken“), erfahren von mir meist das, was in diesem Buch steht: Du musst dich bewegen. „Der Doc hat gut reden, der weiß ja gar nicht, wie weh das tut“, denkt so mancher dann. Doch da täuscht er sich. Seit ein paar Jahren weiß ich, was höllische Rückenschmerzen sind. Und zwar nicht nur aus der Sicht eines Mediziners, sondern auch aus der des Patienten. Ich hatte nach einem Bandscheibenvorfall mit Nervenwurzelreizung ein Jahr lang das zweifelhafte Vergnügen, meine eigenen Empfehlungen an mir selbst auszuprobieren.

Ich konnte meine Empfehlungen für deine Therapien verbessern

Der praktische Nebeneffekt für dich als Leser: Ich weiß jetzt ziemlich genau, was wirklich hilft, und konnte meine Therapieempfehlungen verbessern. In diesem Buch erzähle ich dir nicht nur meine eigene Geschichte. Es geht auch um den Nacken, um eingeklemmte Nerven, Hexenschüsse, einen rückenfreundlichen Alltag, den richtigen Sport und vieles mehr. Die komplizierte Beziehung zwischen Arzt und Patient ist ebenso ein Thema wie die beste Matratze und hilfreiche Gedanken, wenn der Schmerz aufs Gemüt schlägt. Dazu gibt’s ausgewählte Behandlungen, Therapien und Übungen, die mir selbst geholfen haben.

Und auch sonst wird einiges behandelt, das dich vielleicht interessiert:

•Warum du beim Orthopäden immer Unterwäsche tragen solltest

•Weshalb ich Personenschützer und Kugelstoßer umarme

•Checkliste für den Arztbesuch: Was den Doc und sein Team nervt

•Schnelltest: Wie beweglich bist du noch?

•Erkennen und dingfest machen: Warum ich gerne Polizist geworden wäre

•Männer aufgepasst: Beckenbodentraining ist gut für die Potenz

•Vorsicht, Türrahmendiagnostiker: Wie erkenne ich einen guten Arzt?

•Warum Hexen auch auf ihresgleichen schießen

 

Ein gesundes Glück aus Wattenscheid

dein

 

Ein Kerl wie ein Baumstamm, ZERBRECHLICH WIE EIN GRASHALM

Ich habe heute wieder viel vor. Leider beginnt mein Tag schon mit Rückenschmerzen. Eine stressige Woche liegt hinter mir. Beim Aufwachen fühle ich mich bereits gerädert. Als Einzelkämpfer mit einer eigenen Praxis ist an Schonung nicht zu denken. Die volle Patientenversorgung lastet auf meinen breiten Schultern – und auf meinem schmerzhaften Rücken. Was tut man in solchen Situationen, wenn man selbst Orthopäde ist? Zum Orthopäden gehen? Mein Freund Andreas hat seine Praxis zwar um die Ecke, aber ich kann nicht einfach dahin. Ich muss zu meinen Patienten; diese Verpflichtung kann mir niemand abnehmen.

Also sage ich mir: Reiß dich zusammen, steh auf, trink zwei Espresso zum Wachwerden – und ab in die Praxis. Hauptsache, mein Team und meine Patienten merken nichts. Gespielt souverän betrete ich das Untersuchungszimmer. Der erste Patient berichtet von starken Beschwerden im unteren Rückenbereich, die ihn seit sechs Monaten plagen. Problemlos geht er zur Untersuchungsliege. Ich erhebe mich aus meinem Bürostuhl und mache mich auf den Weg zu ihm. Doch ich komme nicht an. Einen Meter vor der Liege ist Schluss. Mit allem. Das, was ich spüre, ist so etwas wie die Potenzierung des Wortes „unerträglich“ um das gefühlt Hundertfache.

Schlagartig geht nichts mehr. Ich bin sprichwörtlich gelähmt vor Schmerz. Ich merke, wie meine gesamte Rückenmuskulatur sich verhärtet. Mein Körper versucht, den Höllenschmerz ein wenig zu lindern, indem er mich in eine Zwangshaltung steckt. In dieser sogenannten ischiatischen Fehlhaltung habe ich bisher nur richtig schmerzgeplagte Patienten gesehen. Aber die konnten sich meistens trotzdem noch irgendwie bewegen. Ich nicht. Jeder noch so kleine Versuch macht die Schmerzen schlimmer. Ich habe keine Chance mehr. Die Tränen schießen mir in die Augen und kullern übers Gesicht. Meine Arzthelferinnen kommen in den vermeintlichen Genuss, ihren Chef weinen zu sehen. Zum Glück erkennen sie den Ernst der Lage sofort und begleiten den Patienten aus dem Zimmer. Mir ist klar, dass irgendetwas in meinem Rücken passiert sein muss. Es ist nicht dieser funktionelle Rückenschmerz, der durch Fehlbelastung oder mangelnde Bewegung entsteht. Es muss ein Bandscheibenvorfall sein, der schön auf meine Nervenwurzel drückt.

Mein erster Gedanke: Wenn der bleibt, kannst du deine Zukunft vergessen. Du wirst keinen Spaß mehr am Leben haben und deine Schulden für Haus und Praxis nie abbezahlen können. Du wirst zur Belastung für Frau und Kinder.

Ich bin eine Stunde wie erstarrt und der Schmerz verschwindet nicht

Im nächsten Augenblick springt mein Optimismus trotz meiner katastrophalen Lage an: Vielleicht hat sich die Bandscheibe nur kurzzeitig verlagert und drückt bestimmt gleich nicht mehr auf den Nerv. Ich rede mir selbst ein: Das, was du jetzt noch fühlst, verschwindet sicher in ein paar Minuten wieder. Leider verschwindet nichts – auch nach fast einstündiger Bewegungsstarre im Sprechzimmer ist der Schmerz unverändert da. Was nützt es jetzt, wenn ich jammere?, frage ich mich. Ich bin doch Kummer gewohnt. Als diensthabender Arzt in der Unfallambulanz musste ich auch bei Schwerverletzten mein Programm abspulen. Also sollte mir das in meinem persönlichen Fall doch wohl auch gelingen.

Ich greife mit Mühe zum Telefon. Mein Nachbar, der Apotheker, soll mir schnellstmöglich ein Morphiumpräparat bringen. Das lege ich mir unter die Zunge, denn da wirkt’s am schnellsten. In meiner Nachbarschaft gibt’s praktischerweise einige Praxen. Da kann ich auch gleich ein Notfall-MRT beim Radiologen anfordern. Netterweise verzichtet eine seiner Patientinnen auf ihre MRT-Untersuchung, damit ich mich sofort durchleuchten lassen kann. Vielen Dank dafür an dieser Stelle!

Inzwischen ist meine Frau gekommen. Das Morphium wirkt. Wir schaffen mich gemeinsam in einen Rollstuhl. Sie schiebt mich rüber. Da liege ich nun in der engen Röhre. Der Magnetresonanztomograf hämmert. Ich habe die Schallschutz-Kopfhörer auf und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Die sind nicht gut. Ich habe Angst. Was geschieht jetzt mit meinen Patienten in der vollen Praxis? Wie lange werde ich ausfallen? Wenn ich keinen Vertretungsarzt finde, verdiene ich nicht nur kein Geld, sondern fahre jeden Tag Verluste ein. Denn ich muss die Gehälter für meine Mitarbeiter und alle anderen laufenden Kosten zahlen, auch wenn nichts in die Kasse kommt. Mir wird bewusst, wie zerbrechlich meine Existenz ist. Meine Praxis kann nicht erfolgreich sein, wenn mir etwas passiert. Wie ist es dazu gekommen? Wurde der Grundstein beim Kofferheben im Urlaub gelegt? Oder ist es der jahrelange Raubbau an meinem eigenen Körper?

Schon nach 40 Minuten wirkt die Morphiumdosierung nicht mehr

20 Minuten im MRT können einem wie eine Ewigkeit vorkommen. Meine Gedanken werden von Schmerzen unterbrochen, die wieder stärker aufkeimen. Warum reicht meine Morphiumdosierung bei anderen Schmerzgeplagten acht Stunden, während die Wirkung bei mir schon nach knapp 40 Minuten langsam verpufft? Das kann kein gutes Zeichen sein.

Glücklicherweise ist die Untersuchung jetzt abgeschlossen. Ich werde zum radiologischen Kollegen ins Sprechzimmer geführt. Der Blick meiner Frau lässt mich nichts Gutes erahnen. „Tja, jetzt hat’s den Orthopäden auch an der Bandscheibe erwischt“, sagt der Kollege, während ich auf seinen Befundungsmonitor starre und das Übel in der letzten Bandscheibenetage erblicke. Da zeigt sich doch tatsächlich ein Bandscheibenvorfall, der die Nervenwurzel S1 rechtsseitig unter Druck setzt. Einen Bandscheibenvorfall in diesem Ausmaß habe ich nicht erwartet. Ich hatte schließlich nicht den dafür typischen Beinschmerz mit Beteiligung der Wadenmuskulatur. Ist das vielleicht ein kleiner Trost und ein positives Zugeständnis meines Körpers? Ich schöpfe Hoffnung. Leider zu Unrecht, wie der weitere Verlauf zeigen wird.

Ich kann mir nicht mehr allein die Hose herunterziehen

Meine Frau will, dass ich die Sprechstunde für morgen absage. „Natürlich nicht“, entgegne ich. Über Nacht wird’s bestimmt besser. Ich bin Optimist durch und durch. Wird schon. Leider sieht die Realität am nächsten Tag anders aus. Es geht immer noch genau nichts. So muss ich mich dazu durchringen, die gesamte Woche nicht zu arbeiten. Also fünf Tage Verdienstausfall, verärgerte Patienten, die zum Teil mehrere Wochen auf ihren Termin gewartet haben, und genervte Mitarbeiter, die sich von ihnen tadeln lassen müssen. Und ich liege zu Hause.

Ich bin pflegebedürftig, kann nicht allein zur Toilette und mir nicht mehr eigenständig die Hose herunterziehen. Mein Bewegungsradius ist immer noch deutlich eingeschränkt. Meine Frau muss mir helfen. Ich musste mir bis jetzt noch nie von jemandem helfen lassen. Ich war immer der Starke – und habe das auch allen gezeigt. Jetzt bin ich der Schwache und schockiert, dass es so schnell gehen kann. Ein Kerl wie ein Baumstamm, nun zerbrechlich wie ein Grashalm.

Kompetenz und weißes Outfit schützen leider nicht vor fiesen Schmerzen

Hast du dir schon jemals darüber Gedanken gemacht, ob dein Orthopäde auch mal Rückenschmerzen hat? Oder bist du davon überzeugt, dass seine Kompetenz und das weiße Outfit ihn vor fiesen Schmerzen schützen? Wenn das so ist, wird nun eine Welt für dich zusammenbrechen: Denn ich als Facharzt für den Bewegungsapparat hatte nicht nur den beschriebenen Bandscheibenvorfall, sondern auch sonst immer wieder Episoden, in denen es mal mehr, mal weniger zwickte. Jetzt fragst du dich sicherlich, wie es dazu kommen kann. Die Antwort darauf ist einfach: Zum einen können Rückenschmerzen eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen haben und zum anderen sind wir Ärzte auch nur Menschen. Für mich gibt es keinen Halbgott in Weiß. Keinen Medizin-Messias, der dich mit Worten und Taten gesund macht – oder selbst immer gesund ist.

Ich kenne keinen ärztlichen Kollegen, der sich permanent an die Regeln hält, die er seinen Patienten predigt. Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass wir Ärzte ein gesundheitlich perfektes Leben führen. Ich kenne Sport- und Ernährungsmediziner, die mehr durch körperliche Fülle als durch fachliche Kompetenz überzeugen. Ist es da verwunderlich, wenn man als Patient deren Empfehlungen anzweifelt?

Ich verrate schon an dieser Stelle: Bei den zahlreichen Ursachen für Rücken und Co. gibt es nicht die eine perfekte Therapie oder Vorbeugung. Wichtig für die effektive Behandlung ist aber die Zusammenarbeit von Arzt und Patient. Beide müssen hoch motiviert und am Therapieerfolg interessiert sein. Fehlt die Motivation auf einer Seite, halten anfängliche Erfolge erfahrungsgemäß nicht lange an.

Warum hältst du dieses Buch in deinen Händen? Hast du es dir selbst zugelegt, um deinen Rückenschmerz endlich zu besiegen? Hat dein Partner oder deine Partnerin es dir geschenkt? Oder kommt es von einem Freund, der dein Jammern und deine schmerzbedingt schlechte Laune nicht länger ertragen will? Egal, was dahintersteckt, das Ziel muss es sein, dass du deinen Rückenschmerz in den Griff bekommst. Denn jeder Rückenschmerz reduziert die Lebensqualität. Wenn du irgendwann das Alter erreicht hast, in dem du den Erfolg deines bisherigen Lebens beziehungsweise Arbeitens genießen kannst, möchtest du das doch ohne Schmerzen tun, oder? Sollten dich eines Tages elendige Schmerzen quälen, wirst du dich wahrscheinlich fragen, warum du bisher so ungesund gelebt hast.

Erste Hilfe im Akutfall: Die Stufenlagerung

Um die angespannte Rückenmuskulatur zu entlasten, eignet sich die sogenannte Stufenlagerung. Dafür legst du dich rücklings auf eine nicht allzu weiche Unterlage, schiebst ein kleines Kissen oder ein zusammengerolltes Handtuch in den Nacken und winkelst die Beine in den Hüft- und Kniegelenken jeweils um 90 Grad an. Natürlich lässt du die Beine nicht in der Luft schweben, sondern legst sie auf eine Erhöhung. Wahrscheinlich hast du nicht zufällig einen Bandscheibenwürfel zur orthopädischen Lagerung im Haus? Das macht nichts, denn es gibt Alternativen.

Mit Würfel, Sofa oder Bierkasten

Entweder packst du mehrere Sofakissen übereinander oder du nimmst einen Getränkekasten und legst ein Kissen oder eine Decke darauf. Wenn deine Beine eher kurz sind, wählst du einen Kasten mit 0,3-Liter-Flaschen, sind sie länger, liegen sie auf 1-Liter-Flaschen besser. Die Höhe sollte etwa deiner Oberschenkellänge entsprechen. Wenn du dazu neigst, deine Schmerzen mit Alkohol zu betäuben, bist du mit einem Wasserkasten besser bedient als mit einem Bierkasten. Hast du keine Getränkekiste griffbereit, tut’s auch ein gepolsterter Hocker, ein Sessel oder ein passendes Sofa. Hauptsache, du legst dich nicht einfach platt auf den Boden oder ins Bett. Denn dabei lassen die Schmerzen nicht nach.

Nur über die Seite aufstehen

In der Stufenlagerung lastet weniger Druck auf den Bandscheiben und auf dem gesamten Bewegungssegment. Das natürliche Hohlkreuz der Lendenwirbelsäule flacht sich durch die Stufe ab. Die Bandscheibe wird weniger belastet, die Zwischenwirbellöcher weiten sich und der Druck auf den gereizten Nerv nimmt ab. Wichtig: Bevor du aufstehst, solltest du dich zur Seite rollen und dann erst aufstehen.

Hilft auch bei Hexenschuss

Auch andere Rückenschmerzen kannst du mit der Stufenlagerung lindern. Dazu zählt zum Beispiel der gefürchtete Hexenschuss. Wenn du den ganzen Tag am PC sitzen oder stehen musst, fühlt es sich gut an, wenn du deinen Rücken zwischendurch mal stufenlagerst. Um Schmerzen zu lindern, Verspannungen zu lösen und dem Hohlkreuz entgegenzuwirken, solltest du grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten in der Lagerung bleiben. Denn sie ist leider kein Wundermittel, mit dem du im Liegen gesund werden könntest. Früher wurde Menschen mit einem Bandscheibenvorfall tatsächlich geraten, sich ein bis zwei Wochen ins Bett zu legen und abzuwarten. Heute ist das Gegenteil der Fall. Du musst dich so bald wie möglich wieder bewegen, damit deine Muskeln und Knochen nicht schwächer werden und dir am Ende neue Probleme bereiten.

Merke

Beine hoch und ausruhen: Die Stufenlagerung ist am Anfang und bei akuten starken Schmerzen prima, relativ angenehm und effektiv als Erste-Hilfe-Maßnahme, denn die Bandscheiben werden dabei entlastet. Sie ist aber keine Dauerlösung. Du musst nach ein paar Minuten wieder raus und dich bewegen.

Unser Rücken erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit, damit er uns nicht quält

Wir wissen alle, dass es schwieriger ist, ein Problem zu lösen, als es gar nicht erst entstehen zu lassen. Wie immer im Leben ist alles eine Frage der Einstellung und der Motivation. Mit der falschen Einstellung und mangelnder Motivation ist man in fast allen Bereichen schlecht. Aber wie soll man sich motivieren, wenn man von Schmerzen gepeinigt wird? Wenn du für den Arzt vielleicht nur eine Nummer bist? Ich war Betroffener und gleichzeitig Orthopäde, also ein Spezialist für den Bewegungsapparat. Ich musste einen schweren und steinigen Weg gehen. Aber ich hatte ein Ziel: endlich wieder schmerzfrei sein und das ohne Operation. Dieses Ziel habe ich erreicht, auch wenn es den einen oder anderen Rückschlag zwischendurch gegeben hat. „Wenn der Orthopäde Rücken hat“ ist meine Geschichte. Sie wird fortlaufend weitergeschrieben, denn unser Rücken erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit, damit er nicht wieder anfängt, uns zu quälen.

In Patientengesprächen höre ich oft: „Herr Doktor, Sie wissen gar nicht, welch höllische Schmerzen ich habe!“ In diesen Momenten würde ich gerne verbal ausholen und meine Rückenschmerzgeschichte erzählen. Aber ich halte mich zurück. Ich ziehe es gewöhnlich vor, die Patienten nicht mit meiner persönlichen Geschichte zu belästigen, auch wenn sie daraus wichtige Informationen für beziehungsweise gegen ihre Leiden gewinnen könnten. Ich bin auch nicht der Bergdoktor, der einen kleinen Patientenstamm und viel Zeit hat, um mit seinen Patienten medizinische und vielleicht auch private Dinge zu besprechen. Ich bin Kassenarzt und eine Kassenarztpraxis ist ein Wirtschaftsunternehmen. Die Kunst des Kassenarztes besteht darin, bei allen Reglementierungen immer noch ein perfektes Zeitmanagement zu fahren und dem Patienten zu helfen. Wenn nun der Helfer selbst zum Hilflosen wird, spitzt sich die Lage zu.

Die fleischlastige Hausmannskost mit viel Leistungssport kompensiert

Meine eigene Rückengeschichte begann schon lange vor dem anfangs geschilderten Drama. Im Jahre 1974 erblickte ich in Dortmund das Licht der Welt und verhagelte meiner Mutter die Rosenmontagsfolge von Ekel Alfred in „Ein Herz und eine Seele“. Dafür wurde sie aber mit einem großen Bürschchen belohnt. Meinem Vater fiel sofort nach meiner Geburt auf, dass sein erster Sohn mit seinen Maßen etwas Besonderes war: Ich war 59 Zentimeter lang und brachte 5000 Gramm auf die Waage. Meine Eltern hatten nie das Gefühl, einen Säugling im Arm zu halten. Ich war eher ein etwas zu klein geratenes Kindergartenkind in Strampelhosen. Die vorzügliche und zugegebenermaßen fleischlastige Hausmannskost meiner Mutter trug dazu bei, dass ich mich körperlich gut entwickeln konnte. Damit der Junge die ganze mit der Nahrung aufgenommene Energie nicht direkt in Fettgewebe umwandeln konnte, achteten meine Eltern schon früh auf sportliche Betätigung. So musste ich als talentloser Verteidiger einige Jahre eine Fußballmannschaft ohne große Ambitionen unterstützen. Zum Glück entdeckte mein Sportlehrer bald mein Talent für Volleyball. Das lag mir mehr. Ich wurde Spielführer in der Schul- und in einer Vereinsmannschaft. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.

Warum ich dir das erzähle? Weil ich in meiner Kindheit und Jugend nie über Rückenschmerzen geklagt habe. Ich hatte auch keine, wie mein Vater mir jetzt noch mal versicherte. Dafür bewegte ich mich. Und wie! Dank Leistungssport hatte ich mit 14 Jahren einen Körper, hinter dem sich ein Erwachsener verstecken konnte. Anders als heute gab es keine digitalen Medien. Wir hatten nur uns und konnten unsere (überschüssige) Energie beim Sport rauslassen. Sport und Bewegung waren in dieser Zeit immer ein Thema. Mit zunehmendem Alter änderten sich bei mir nur die Interessen. Mit 18 wollte ich lieber tanzen als Volleyball spielen. Dabei konnte ich mich nicht nur bewegen, sondern als schüchterner Junge auch flirten, was die Motivation stärkte. Ja, auch der stärkste Kerl kann elegant übers Parkett gleiten, hoffte ich zumindest.

Dann begann mein Studium – und damit auch der erste körperliche Verfall. Denn das Studium der Humanmedizin insbesondere an der Ruhr-Universität Bochum war kein Zuckerschlecken. Viel zu viele Studenten auf zu wenig Studienplätzen bedeutete: Es wurde gut gesiebt.

Wenn du nicht wirklich gelernt hast, bestand immer die Gefahr, dass du noch zwei Semester hinten dranhängen musst. Die Angst davor hat mich angetrieben. Ich habe mich durchgekämpft, um alles auf Anhieb und möglichst gut zu schaffen. Viel Lernen ist da natürlich hilfreich, heißt aber auch: Ich hatte wenig Zeit für Sport und fürs weibliche Geschlecht, das ich als Tänzer zu schätzen gelernt hatte.

Orthopäden im Krankenhaus mussten groß und kräftig sein – da passte ich rein

Wenn das Studium einen großen Teil des Lebens ausmacht, ist es nicht verwunderlich, dass sich dabei eine Beziehung zu einer Mitstudentin entwickelt. Glücklicherweise war meine Auserwählte auch sportlich. Wir gingen regelmäßig zusammen zum Sport. Ich hielt meine Figur. Rückenschmerz war ein Fremdwort für mich. Das änderte sich erst im Praktischen Jahr (PJ genannt). In diesem Abschnitt des Medizinstudiums müssen angehende Ärzte in einer Uniklinik arbeiten. Ich hatte einen Job als studentische Hilfskraft bei einem orthopädischen Oberarzt namens Joachim im Universitätsklinikum St. JosefHospital Bochum. Da lag es nahe, in die Orthopädie zu gehen. Denn wenn es nach meinem alten Professor und Klinikchef Jürgen geht, ist die Orthopädie die Königsdisziplin unter den medizinischen Fächern. Mich lockte auch noch etwas anderes: Um die Jahrtausendwende mussten Orthopäden in diesem Krankenhaus nicht nur fachlich qualifiziert sein, sondern auch groß und kräftig. Da passte ich rein. Ich landete im damaligen deutschen Top-Krankenhaus für Rückenschmerzen auf einer der wenigen Assistenzarztstellen und war mächtig stolz. Auch sonst lief es gut. Ich schrieb meine Doktorarbeit, war frischgebackener Arzt, verheiratet und bald Vater meiner bezaubernden Wunschtochter Marlene.

Aber ich hatte auch ein Problem: Anders als die meisten meiner damaligen Kollegen kam ich nicht aus einer Arztfamilie, sondern wollte meine eigene Arztdynastie erst aufbauen. Um den Lebensunterhalt für meine Familie und mich zu sichern, musste ich viele Dienste im Monat machen. Ich spreche von Diensten, die anfangs noch bis zu 36 Stunden am Stück dauerten – im schlimmsten Fall ohne Schlaf. Das Grundgehalt eines Anfängerarztes war damals so niedrig, dass man problemlos einen Wohnberechtigungsschein erhielt.

Schlank dank Stress, aber die ersten Rückenschmerzen schlichen sich ein

Mit den Diensten konnte ich mir ein bisschen Luxus gönnen, wobei meine Ansprüche bescheiden waren. Eine freie Nacht zum Beispiel, die ich mit meiner nachtaktiven Tochter verbrachte. Zu den Klängen der Münchener Freiheit („Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein“) hatte ich die Aufgabe, mit ihr umherzulaufen und sie in den Schlaf zu wiegen. Denn ich wollte meine Vaterrolle natürlich auch ausleben. Wenig Schlaf, wenig Sport, viel Arbeit, wenig Personal, unbezahlte Überstunden, stundenlange Operationen und keine geregelten Mahlzeiten. Bald kannte ich alle Dönerexpressfahrer der Stadt mit Namen. Kleiner Pluspunkt: Der Stress hielt mich schlank. Mein Körpergewicht blieb stabil. Dafür nahm ich eine andere Entwicklung nur sehr langsam wahr: Meine ersten eigenen Rückenschmerzen schlichen sich ein.

Zuerst schob ich das auf die Röntgenschürze aus Blei, die ich bei Operationen mehrere Stunden tragen musste. Dann meldete sich der Rücken auch in der Freizeit. Und was macht ein angehender Orthopäde in so einer Situation? Er ignoriert die Schmerzen, denn schließlich ist er ein Kerl wie ein Baumstamm. Schmerz bedeutet Schwäche. Und Schwäche kann man sich in einer orthopädischen Universitätsklinik ebenso wenig wie im Privatleben leisten, dachte ich damals zumindest.

Glücklicherweise kannte ich die Ursache meiner Beschwerden und konnte einen Bandscheibenvorfall ausschließen. Denn dafür fehlten die Symptome. Ich wusste, dass schon damals einiges zusammenkam. Zu wenig Sport, zu viel Stress und zu ungesunde Ernährung. Trotzdem wollte ich meine Situation wohl nicht ändern. Sollte ich die private Zeit mit meiner Familie reduzieren, um ins Fitnessstudio zu gehen? Meine Frau in der Freizeit mit dem Kind allein lassen? Nein, das wollte ich nicht. Da ich an meiner beruflichen Situation nichts ändern konnte, gingen drei weitere Jahre ins Land, ohne dass ich etwas für meinen Rücken tat. Dann kam unsere Tochter in den Kindergarten. Ich traf andere Väter, die zunehmend körperlich verfielen. Manchen fehlte der Drive, wieder loszulegen. Andere hatten sich ihrem Schicksal ergeben und gar nicht mehr den Anspruch, wieder in Form zu kommen.

Der Rücken mag einfach keine Beschleunigung von null auf hundert

Ich motivierte die Vätertruppe zum Badminton und spürte sofort wieder mei nen „Killerinstinkt“. Den unbändigen Willen zu siegen, der mich schon damals beim Volleyballspiel angetrieben hatte. Wenn, dann auch richtig. Verlieren gibt’s bei mir erst, wenn das Spiel zu Ende ist. Ansonsten geht’s mit Vollgas in den Kampf. Leider war ich nicht mehr 18, sondern 30. Meine Übermotivation hatte sofort Folgen: Der Rücken gab keine Ruhe, sondern nervte mich weiter mit Schmerzen. Er mag einfach keine Beschleunigung von null auf hundert. Während ich meinen Patienten schon damals einen behutsamen Wiedereinstieg in den Sport empfahl, galt das wohl für mich nicht.

Ich hätte mich als Verlierer gefühlt, wenn ich meine neu gewonnene sport-liche Freiheit schnell wieder aufgegeben hätte. So musste ich lernen, meinen Körper langsam wieder an seine maximale Belastbarkeit heranzuführen. Irgendwann konnte ich schmerzfrei spielen – und (fast) alle meine Gegner gnadenlos besiegen. Dann wurde das zweite Kind geboren, mein wunderbarer Sohn Max. Für mich galt wieder: Familie vor Sport. Doch diesmal wollte ich nicht ganz aufhören, sondern nur etwas weniger trainieren. Mit zwei Kindern war es auch an der Zeit, sich nach einer größeren Unterkunft umzuschauen. Gesucht und gefunden – im selben Jahr zogen wir ins Eigenheim. Was auf der einen Seite schön ist, bringt auf der anderen Seite zusätzliche finanzielle Belastungen mit sich. Meine Frau blieb für die Kinder zu Hause. Ein Gehalt fiel weg. Wir brauchten zwei Autos. Ich musste wieder Nachtdienste machen.

Rückenschmerzen haben auch immer etwas mit Lebensumständen zu tun

Damit du mich nicht falsch verstehst: Ich möchte nicht auf hohem Niveau klagen, aber wer glaubt, dass man als junger Krankenhausarzt reich ist, der irrt in den meisten Fällen. Ich erzähle dir meine Geschichte so ausführlich, weil sie zeigt, wie Rückenschmerzen mit den Lebensumständen eines Menschen zusammenhängen. Das ist bei mir nicht anders als bei dir oder bei meinen Patienten. Der alte Rhythmus schlich sich wieder ein, diesmal mit mehr medizinischer Verantwortung. Pizza um Mitternacht in der Klinik, zu Hause Nächte mit Baby im Arm. Mittlerweile operierte ich eigenständig an der Wirbelsäule und war erfahren, was das Setzen von rückenmarksnahen Spritzen anging. Ich behandelte Patienten aus ganz Europa – und freute mich über die Erfolge, die wir minimalinvasiv erreichen konnten. Der Satz meines Klinikdirektors bestimmte mein ärztliches Handeln: „Wir Orthopäden operieren gut und gerne. Aber wenn’s geht, müssen wir eine Operation vermeiden.“

Ich hatte aus meinen persönlichen Fehlern gelernt und nutzte jede freie Minute, um Rückenschmerzen zu verhindern. Ich empfand es als Glück, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein Fitnessstudio eröffnete. Um Geld zu sparen, bot ich dort einmal in der Woche eine Sprechstunde an. Im Gegenzug bekam ich die Schlüssel zum Studio und konnte trainieren, wann immer ich wollte. Erfreulicher Nebeneffekt: Außerhalb des Krankenhauses konnte ich mir einen Namen als Sportarzt machen.

Trotz 24-Stunden-Diensten arbeitete ich freiwillig in der orthopädischen Praxis bei meinem Freund Andreas in Wattenscheid. Warum? In der Klinik behandelt man nur strukturelle Veränderungen an der Wirbelsäule, in einer Praxis aber meist funktionelle Beschwerden. Ich wollte beides können und holte mir wieder zusätzlichen Stress ins Haus, statt mal auszuspannen.

Unter Druck tat der Rücken weh, obwohl ich gut trainiert und gesund war

Ich genoss die Rushhour meines Lebens, liebte meine Frau, meinen Beruf, meine Familie, konnte aber wohl nicht allem gleichzeitig gerecht werden. Als unsere Ehe kriselte, wusste ich nicht, was ich falsch machte, und war überzeugt, dass es nicht an mir liegt. Nach langer Zeit kehrten die Rückenschmerzen zurück, obwohl ich gut in Form war. Die Muskeln waren gleichmäßig und ausreichend trainiert. Ich hatte mein Normalgewicht. Es gab keinen Hinweis auf eine strukturelle Veränderung wie einen Bandscheibenvorfall. Dennoch tat der Rücken weh, wenn ich unter Druck stand.

Diesmal wollte ich nicht den gleichen Fehler machen und die Warnsignale meines Körpers wieder ignorieren. So fasste ich den Entschluss, mich beruflich zu verändern und als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in die Niederlassung zu gehen. Als Oberarzt im Klinikum hätte ich weiter Nacht- und Wochenenddienste schieben und immer in Bereitschaft sein müssen. Das schien mir auf einmal nicht mehr erstrebenswert. Außerdem sah ich die Chance, meine Ehe zu retten, indem ich weniger arbeitete.

Es kam aber erst mal anders. Da kein Kassenarztsitz frei war, musste ich als Assistenzarzt in einer großen orthopädischen Praxis in Bochum anfangen. Ich legte mich mächtig ins Zeug, um möglichst schnell Teilhaber zu werden. Mehr Zeit für die Familie? Fehlanzeige. Stattdessen besuchte ich Weiterbildungen in ganz Deutschland und war noch weniger zu Hause. Je weiter ich mich von zu Hause entfernte, desto anfälliger wurde ich wohl für Versuchungen. Meine neue Beziehung war zwar für den Moment schön, belastete mich aber auf Dauer und hielt daher nicht lange. Ich litt unter Gewissensbissen, weil ich die Ideale einer harmonischen und liebevollen Ehe, wie ich sie von meinen Eltern kannte, nicht aufrechthalten konnte. Mein Rücken meldete sich zurück. Anfangs unterschwellig, dann aber eindeutig.