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Wie gut sind wir gerüstet? Über die Zukunft unserer Sicherheit
Ein dringender Appell des ehemaligen Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses
NATO-Gipfel in Den Haag 24. –25. Juni 2025
Die russische Invasion der Ukraine markiert eine sicherheitspolitische Zäsur. Der Krieg ist zurück in Europa und hat eine neue Ära kollektiver Verteidigung eingeläutet.
Rob Bauer, langjähriger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, reist seit 2022 um die Welt, um politische Entscheidungsträger, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich auf den Krieg vorzubereiten. Je besser die Bündnispartner gerüstet sind, desto wirksamer können sie abschrecken – und desto geringer das Risiko, in einen Krieg hineingezogen zu werden.
Dieses Buch vermittelt sieben strategische Lektionen zur Stärkung unserer Sicherheit. Es ist eine Einladung, darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir alle leisten können, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Indem wir uns auf den Krieg vorbereiten, erhöhen wir unsere Chancen, ihn zu verhindern. Die Verantwortung für den Schutz unserer Freiheit liegt nicht allein auf den Schultern derjenigen in Uniform. Sie ist eine Aufgabe für uns alle.
»Dieses Buch wird den Gesellschaften der Bündnisstaaten helfen, stärker zu werden.«
– Jens Stoltenberg, ehemaliger NATO-Generalsekretär
»In unserer komplexen Welt entscheidet nicht nur der Wille zum Handeln, sondern die Kunst, mit Präzision und Mut das Richtige zu tun. Dieses Buch weist uns den Weg dahin.«
– General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr
»Ein herausragendes Buch über die Notwendigkeit, in einer zunehmend bedrohlichen Welt unsere Resilienz zu stärken und unsere Abschreckungsfähigkeit zu gewährleisten.«
– General a.D. David Petraeus, ehemaliger CIA-Direktor
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Seitenzahl: 192
Veröffentlichungsjahr: 2025
Zum Buch
Die russische Invasion der Ukraine markiert eine sicherheitspolitische Zäsur. Der Krieg ist zurück in Europa und hat eine neue Ära kollektiver Verteidigung eingeläutet.
Rob Bauer, langjähriger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, reist seit 2022 um die Welt, um politische Entscheidungsträger, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich auf den Krieg vorzubereiten. Je besser die Bündnispartner gerüstet sind, desto wirksamer können sie abschrecken – und desto geringer das Risiko, in einen Krieg hineingezogen zu werden.
Dieses Buch vermittelt sieben strategische Lektionen zur Stärkung unserer Sicherheit. Es ist eine Einladung, darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir alle leisten können, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Indem wir uns auf den Krieg vorbereiten, erhöhen wir unsere Chancen, ihn zu verhindern. Die Verantwortung für den Schutz unserer Freiheit liegt nicht allein auf den Schultern derjenigen in Uniform. Sie ist eine Aufgabe für uns alle.
»Dieses Buch wird den Gesellschaften der Bündnisstaaten helfen, stärker zu werden.«
– Jens Stoltenberg, ehemaliger NATO-Generalsekretär
»In unserer komplexen Welt entscheidet nicht nur der Wille zum Handeln, sondern die Kunst, mit Präzision und Mut das Richtige zu tun. Dieses Buch weist uns den Weg dahin.«
– General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr
»Ein herausragendes Buch über die Notwendigkeit, in einer zunehmend bedrohlichen Welt unsere Resilienz zu stärken und unsere Abschreckungsfähigkeit zu gewährleisten.«
– General a.D. David Petraeus, ehemaliger CIA-Direktor
Zu den Autoren
Admiral a.D. Rob Bauer war von 2017 bis 2021 Befehlshaber der niederländischen Streitkräfte und von 2021 bis 2025 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Er blickt auf eine über 40jährige Karriere beim Militär zurück. Seine umfassende Erfahrung in den Bereichen Verteidigung und strategische Planung sowie seine operative Rolle bei Reaktionen auf globale Bedrohungen machen ihn zu einer führenden Stimme in Fragen internationaler Sicherheit.
Eleonora Russell war bei der NATO Beraterin für strategische Kommunikation (StratCom) und Redenschreiberin. In ihrer Funktion verstand sie es, komplexe geopolitische Themen in verständliche und fesselnde Erzählungen zu übersetzen. Für die von ihr verfasste Rede »If You Want Peace, Prepare For War« erhielt sie 2024 den renommierten Grand Cicero Award.
Admiral Rob Bauer & Eleonora Russell
Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor
Eine Blaupause zur Abschreckung
Aus dem Englischen von Stephan Pauli und Alexander Weber
HarperCollins
Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »If You Want Peace, Prepare For War. A Blueprint for Deterrence« bei Nieuw Amsterdam.
© 2025 Rob Bauer & Eleonora Russell
© 2025 Nieuw Amsterdam
© 2025 für die deutschsprachige Ausgabe
by HarperCollins in der
Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH
Valentinskamp 24 · 20354 Hamburg
Covergestaltung von zero-media.net, München, nach einem Design von Buro Blikgoed
Coverabbildung von NATO
E-Book Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN9783749909179
www.harpercollins.de
Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte der Urheber und des Verlags bleiben davon unberührt.
Für die Menschen der Ukraine
In der Dunkelheit des Krieges sind sie ein Leuchtfeuer, das der Welt zeigt, was es heißt, für das »Wir« zu kämpfen.
Am Vorabend des 24. Februar 2022 stehe ich in meinem Büro im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Ich betrachte die Karte der Ukraine, die wir vor wenigen Monaten aufgehängt haben. Und ich weiß, dass ich die Nacht einen Anruf erhalten werde, in dem mir mitgeteilt wird, dass der Angriff begonnen hat. Ich schicke uns alle früh nach Hause, damit wir noch etwas Schlaf bekommen. Um viertel nach vier kommt der Anruf. Um halb sieben bin ich zurück im Hauptquartier, um halb neun tagt der Nordatlantikrat und erörtert die ersten Fakten zum Angriff auf die Ukraine. Am Tisch macht sich ein Gefühl der Bestürzung breit. Nicht, weil wir die Invasion nicht hatten kommen sehen. In den Monaten zuvor waren nachrichtendienstliche Erkenntnisse in einem noch nie da gewesenen Umfang ausgetauscht worden, und das nachrichtendienstliche Bild der NATO war besser denn je. Es ist die Bestürzung darüber, dass sich im Verlauf einer Nacht der Lauf der Weltgeschichte verändert hat. Die russische Vollinvasion in der Ukraine gleicht einer tektonischen Verschiebung. Der Krieg ist zurück auf dem europäischen Kontinent, Russlands Angriff hat eine neue Ära der kollektiven Verteidigung eingeläutet. Nicht nur für die Ukraine, nicht nur für die NATO-Mitgliedstaaten, sondern für alle demokratischen Länder der Welt. Die Erschütterungen der russischen Panzer, die am 24. Februar 2022 über die ukrainische Grenze rollten, sind bis heute zu spüren. Sie reichen bis nach Japan, Australien und Argentinien. Ob es uns gefällt oder nicht, der Krieg ist zurück. Ein Großmachtkonflikt wird wieder auf dem Schlachtfeld ausgefochten, und Russland stellt erneut eine Bedrohung für das Bündnis dar.
Für mich persönlich schloss sich in diesem Augenblick ein Kreis. Zu Beginn meiner militärischen Laufbahn in den 1980er-Jahren galt Russland bzw. die Sowjetunion schon einmal als Bedrohung unserer Sicherheit. In der Königlichen Marine der Niederlande hatten wir rund um die Uhr eine Fregatte zu Wachdiensten abgestellt. Sogar zu Weihnachten patrouillierten wir in der Nordsee und hielten Ausschau nach allem, was uns verdächtig erschien. Im Verbund mit britischen, norwegischen und dänischen Fregatten eskortierten wir regelmäßig sowjetische Kriegsschiffe auf ihrem Weg durch den Ärmelkanal in Richtung Mittelmeer. All das änderte sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Für die NATO begann ein neues Zeitalter, das von zwei Faktoren bestimmt wurde: Operationen zur Krisenbewältigung auf dem Westbalkan, im Irak und in Afghanistan bei gleichzeitigen Kürzungen der Verteidigungsausgaben in ganz Europa und Kanada.
Es war eine Zeit, in der die europäischen NATO-Partner und Kanada ihre sogenannte Friedensdividende für andere Zwecke als die Verteidigung ausgaben. McKinsey hat den Wert dieser Friedensdividende kürzlich auf schockierende 8,6 Billionen (8600 Milliarden) US-Dollar geschätzt. 1 Wenn es keine Bedrohungen mehr gab, so dachte man, warum sollte man dann weiter in die Verteidigung investieren? Bei all den komplexen Entscheidungen, die Politikerinnen und Politiker bei der Verteilung von Geldern treffen müssen, schien wenigsten der Verteidigungshaushalt ein Posten, den man vernachlässigen konnte. Europa und Kanada dachten, sie könnten damit davonkommen, nur das Nötigste für die Verteidigung auszugeben, und manchmal nicht einmal das.
Als ich 2017 Oberbefehlshaber der niederländischen Streitkräfte wurde, änderte sich diese Einstellung gerade. Die Kürzungen wurden gestoppt und die niederländische Regierung begann in die Verteidigung zu reinvestieren. Warum? Weil die NATO-Staaten nach Russlands völkerrechtswidrigen Angriffen auf Georgien im Jahr 2008 und auf die Krim im Jahr 2014 zu begreifen begannen, dass Russland erneut zu einer Bedrohung für das Bündnis werden könnte. Es wurde deutlich, dass die russische politische Führung das »traditionelle« Russland gegen den »dekadenten und sündigen« Westen in Stellung brachte. Die russische Außenpolitik zielte darauf ab, die nach dem Kalten Krieg entstandene Sicherheitsordnung in Europa zu zerstören einschließlich des Rechts eines jeden Staates, seine Sicherheitsmaßnahmen selbst zu bestimmen. Georgien und die Krim zeigten uns, dass der Kreml nicht davor zurückschreckte, seine Ziele mit brachialer Gewalt durchzusetzen.
Aus diesem Grund verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der Bündnispartner beim NATO-Gipfel 2014 in Wales, in die Verteidigung zu investieren: Die Verteidigungsausgaben sollten nicht weiter gekürzt, sondern innerhalb von zehn Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöht werden. 2 Im Jahr 2018 leiteten die Generalstabschefs der Bündnispartner eine umfassende Überprüfung unserer Verteidigungsstrategien und -planungen ein, um sicherzustellen, dass wir diese neue Ära der kollektiven Verteidigung gewappnet sind. Diese Änderungen waren dringend erforderlich, weil sich die kollektive Verteidigung unserer Länder fundamental von Maßnahmen zur Krisenbewältigung unterscheidet. Bei der Krisenbewältigung bestimmen wir, wann, wo und für wie lange wir uns an einer Mission oder Operation beteiligen. Wir legen sogar ihre »Ziele« fest. Wenn wir eine Beteiligung aus politischen Gründen beenden wollen, finden wir Wege, dies zu tun. Doch im Falle einer kollektiven Verteidigung bestimmen nicht wir, sondern unsere Gegner den Zeitplan. Wir müssen in allen militärischen Domänen auf Angriffe vorbereitet sein: zu Lande, in der Luft, auf See, im Cyberspace und im Weltraum. Wir müssen uns darauf einstellen, dass jederzeit und in jedem geografischen Raum etwas Gravierendes passieren kann. Darüber hinaus müssen wir auf mehrere Angriffe in mehreren Domänen in mehreren geografischen Räumen gleichzeitig vorbereitet sein. In einer Zeit der kollektiven Verteidigung muss das Bündnis die Transformation der Kriegsführung so schnell wie möglich vorantreiben – statt auf »selbst gewählte Kriege« müssen wir uns auf »notwendige Kriege« vorbereiten.
Der NATO-Militärausschuss
Der Militärausschuss ist das wichtigste Gremium für die konsensbasierte Beratung des Nordatlantikrats und der Nuklearen Planungsgruppe in militärpolitischen und strategischen Fragen. Er berät die beiden strategischen Oberbefehlshaber der NATO – den Alliierten NATO-Oberbefehlshaber Europa (SACEUR) und den Alliierten NATO-Oberbefehlshaber Transformation (SACT).
Damit ist es das wichtigste Bindeglied zwischen den politischen Entscheidungsprozessen und den militärischen Strukturen der NATO.
Der Militärausschuss ist für die Umsetzung der politischen Beschlüsse und Richtlinien in militärische Weisungen zuständig. Er empfiehlt Maßnahmen, die zur Verteidigung des NATO-Territoriums für notwendig erachtet werden, und führt Beschlüsse aus, die militärische Operationen betreffen.
Er entwickelt zudem Strategien und Konzepte und erstellt eine jährliche Beurteilung der militärischen Stärken und Fähigkeiten von Ländern und Regionen, die den Interessen der NATO gefährlich werden könnten.
Der Militärausschuss und sein Vorsitzender tagen regelmäßig auf der Ebene der nationalen militärischen Vertreter des Militärs und mindestens dreimal jährlich auf der Ebene der Oberbefehlshaber.
Als ich im Juni 2021 mein Amt im NATO-Hauptquartier antrat, war die Rückkehr zur kollektiven Verteidigung bereits in vollem Gange. Meine Aufgabe als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses bestand darin, die Generalstabschefs aller Bündnispartner zusammenzubringen, um die politische Führung der NATO umfassend zu beraten, was das Bündnis aus militärischer Perspektive brauchte, um Aggressionen angemessen zu verhindern und unsere Länder zu verteidigen. Ich wurde von den Generalstabschefs dazu bestimmt, als Katalysator für die militärische Führung der NATO zu fungieren, in ihrem Namen auf politischen Tagungen zu sprechen und dafür zu sorgen, dass unsere 3,4 Millionen Männer und Frauen in Uniform alles bekommen, was nötig ist, um das zu schützen, was uns lieb und teuer ist. Wie meine 92-jährige Mutter es auf ihrem Sterbebett ausdrückte, bestand meine Aufgabe darin, »einen Sack Flöhe zu hüten«.
Als ich mein Amt antrat, übersetzte die militärische Führungsebene der NATO unsere neuen Verteidigungsstrategien in detaillierte, auf die jeweilige Region abgestimmte Pläne und erstellte eine umfassende Liste, die alles enthielt, was wir militärisch benötigten. Zu dieser Zeit zögerte die politische Seite im Hauptquartier noch, Russland als Bedrohung zu bezeichnen. Doch im Laufe meines ersten Jahres änderte sich diese Einstellung. Die sich verdichtenden Geheimdienstinformationen über die Vorbereitung Russlands auf einen groß angelegten Überfall auf die Ukraine machten es fast unmöglich, Russlands Absichten weiterhin zu leugnen. Die politische Ebene begann zu verstehen, dass Russland nicht länger ein »Partner für den Frieden« war und dass wir sehr wohl wieder mit einem Angriff auf das Bündnisgebiet rechnen mussten.
In den Monaten vor dem 24. Februar 2022 wurde auf allen Ebenen versucht, diplomatische Lösungen zu finden. Die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses brachten tiefe Besorgnis zum Ausdruck, dass Russland nach der unrechtmäßigen Annexion der Krim und der Besetzung von Teilen der Regionen Donezk und Luhansk im Jahr 2014 nun fast 200000 Soldaten entlang der Grenzen von Russland und Belarus zur Ukraine stationierte. Im Gegenzug bestritten russische Regierungsvertreter vehement entsprechende nachrichtendienstliche Informationen der NATO und behaupteten, es handele sich lediglich um »Routineübungen«. Sie beklagten »den Mangel an Respekt und Vertrauen des Westens« und behaupteten dies sei ein Ausdruck von »Russophobie«.
Die Frage, die alle beschäftigte, lautete: Wird Putin es wirklich tun? Doch wer je Zweifel an der Antwort hatte, musste nur den Russen selbst zuhören. Im Januar 2022, einen Monat vor dem Beginn des Angriffs, trafen sich NATO-Bündnispartner mit russischen Vertretern zu einer historischen Sitzung des NATO-Russland-Rates. Ich war überrascht, wie schlecht vorbereitet und unkoordiniert die russische Delegation agierte. Dies waren nicht die gewieften Verhandlungsprofis, die ich erwartet hatte. Tatsächlich entfernten sich ihre Argumente so weit von der Realität, dass die NATO-Bündnispartner ihnen nur mit Überraschung und besonnenen Gegenargumenten begegnen konnten. Russland behauptete unter anderem, die NATO sei für den Zerfall Jugoslawiens in den Jahren 1991 – 1992 verantwortlich. Wir waren darauf vorbereitet, ihren Argumenten zu widersprechen, hatten jedoch nicht damit gerechnet, dass diese so absurd sein würden. Die Entgegnung der Bündnispartner war dennoch einstimmig. Nacheinander ergriffen die Vertreter Kroatiens, Montenegros, Nordmazedoniens und Sloweniens das Wort und legten der russischen Delegation den wahren Verlauf der Geschichte dar: Ihre Länder hatten sich nach dem Zerfall Jugoslawiens gegenseitig bekriegt, bis die NATO zu Hilfe kam und dem Töten ein Ende setzte.
Die russische Delegation führte anschließend weiter auf, was sie von der NATO auf der Grundlage eines schriftlichen Ultimatums vom Dezember 2021 verlangte. Dazu gehörten ein Verbot für die Ukraine und andere ehemalige Sowjetrepubliken, der NATO beizutreten, sowie der Abzug aller NATO-Truppen und -Waffen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, die dem Bündnis nach 1997 beigetreten waren.
Beide Forderungen waren für die NATO nicht akzeptabel. Die Bündnispartner verteidigten die Politik der offenen Tür mit Nachdruck als ein Grundprinzip, und sie verteidigten ebenso nachdrücklich das Recht der NATO, über ihre eigene militärische Positionierung zu entscheiden. 3 Den Bündnispartnern, die der NATO nach 1997 beigetreten waren, Truppen und militärische Infrastruktur zu entziehen, hieße, sie zu Mitgliedern zweiter Klasse zu degradieren. Dies kam nicht infrage. Der NATO-Russland-Rat im Januar 2022 zeigte, wie weit sich die NATO und Russland voneinander entfernt hatten, und die Gräben sollten sich weiter vertiefen. Als die Russen begannen, Beutel mit wertvollem, leicht verderblichem Blut an die ukrainische Grenze zu transportieren, wussten wir, dass dies kein Routinemanöver werden würde. Die Russen bereiteten sich auf Gefechte vor. In der Nacht zum 24. Februar zerstörten die Ketten der russischen T-72- und T-90-Panzer alle Mechanismen der Konfliktlösung und internationalen Diplomatie, die wir über die vergangenen Jahrzehnte gemeinsam aufgebaut hatten.
Unabhängig davon, wie der Krieg in der Ukraine enden wird, wird Russland eine Bedrohung für das Bündnis bleiben. Ein Erfolg wird die Russen weiter ermutigen, ein Misserfolg wird sie frustrieren. Erschwerend kommt hinzu, dass Russland auf seinem Weg der Aggression nicht allein ist. Es wird aktiv von autokratischen Nationen auf der ganzen Welt unterstützt. Die sogenannten CRINK-Staaten (China, Russland, Iran, Nordkorea) stellen finanzielle Mittel, Waffen, Technologien und sogar Truppen zur Verfügung. 4 Für Nordkorea und den Iran eröffnet die Unterstützung Russlands die Möglichkeit, aus der jahrzehntelangen Isolation auszubrechen, Zwietracht zu säen und im Ausland Demokratien zu zerstören, um die autokratischen Systeme im eigenen Land zu erhalten. Als noch gefährlicher könnte sich das Verhältnis zwischen Russland und China erweisen. Die »grenzenlose Partnerschaft« wird sich in den kommenden Jahrzehnten auch auf unsere Sicherheit auswirken. China füllt seine Waffenlager mit beispielloser Geschwindigkeit und Entschlossenheit und versucht zunehmend, die Vereinigten Staaten im Wettlauf um die globale Vorherrschaft herauszufordern. China unterstützt Russland unter anderem, um Europa und Nordamerika ihrer Ressourcen zu berauben. Denn wenn Russland seine politischen, militärischen und wirtschaftlichen Mittel verbraucht, um die Ukraine zu bekämpfen, und Nordamerika und Europa ihre, um die Ukraine zu unterstützen, wer profitiert dann von diesem Konflikt? Genau. In vielerlei Hinsicht geht es in dem Krieg in der Ukraine eher um China gegen die Vereinigten Staaten als um Russland gegen die Ukraine.
Die Großmachtkonflikte sind zurück. Sie werden auf dem Schlachtfeld in der Ukraine ausgetragen, doch es ist nicht undenkbar, dass sie sich in Zukunft auch an anderen Schauplätzen abspielen. Es könnte zu direkten Auseinandersetzungen im Indopazifik oder zu unerwarteten Kämpfen in der Arktis kommen. Oder indirekt sogar zu einem weiteren Konflikt in Europa. Die Großmächte gehen immer mehr auf Konfrontationskurs und nutzen dabei alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Dies führt zu einer stärker geteilten Welt.
Die CRINK-Staaten werden zuweilen als »Allianz von Autokratien« bezeichnet. Doch ich denke, »Allianz« ist ein zu großes Wort für etwas, was im Wesentlichen einen zutiefst defizitären, zeitlich begrenzten und auf Eigeninteressen basierenden Austausch beschreibt. Zwischen diesen Ländern gibt es weder wahre Freundschaft noch echtes Vertrauen, noch teilen sie eine ähnliche Geschichte und gemeinsame Werte wie die NATO-Bündnispartner. Dennoch ist es wichtig zu erkennen, wie die einzelnen Punkte miteinander zusammenhängen. Wir müssen begreifen, dass es keine mächtigere Waffe auf der Welt gibt als unsere Einheit.
Die Bündnispartner müssen lernen, wie sie die Dinge, die ihnen lieb und teuer sind, kollektiv verteidigen. Machiavelli schreibt in seinem 1521 veröffentlichten Werk Die Kunst des Krieges, wer die Pläne und strategischen Ziele des Feindes genau beobachte und sich um die Ausbildung der eigenen Truppen kümmere, laufe ein weniger großes Risiko, angegriffen zu werden, und verbessere seine Chance auf einen Sieg. 5 Mit anderen Worten: Einen Krieg kann man nur gewinnen, wenn man gut vorbereitet ist. Dem würde ich hinzufügen: Nur wenn man gut vorbereitet ist, kann man einen Krieg verhindern.
In meinem ersten Jahr als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses erkannte ich, dass die Vorbereitung auf einen Krieg nicht nur Sache der Militärs war. Krieg ist ein Ereignis, das eine ganze Gesellschaft betrifft. Kollektive Verteidigung ist tatsächlich eine Aufgabe für das Kollektiv, für uns alle. Sicherzustellen, dass wir starke und fähige Streitkräfte haben, ist wichtig, doch einen Krieg durch Abschreckung zu verhindern, geht weit darüber hinaus. Dies erfordert die aktive Beteiligung aller Mitglieder der Gesellschaft. Deshalb habe ich im März 2022 begonnen, öffentlich darüber zu sprechen, und deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Die Kluft zwischen dem Sicherheitsempfinden der Öffentlichkeit und den gewaltigen Herausforderungen, vor denen wir im NATO-Hauptquartier standen, wurden zu groß. Allen Mitgliedern unserer Gesellschaften musste klarwerden, dass auch sie Teil der Lösung werden mussten.
Vielen Menschen mag der Gedanke, sich auf einen Krieg vorbereiten zu müssen, beängstigend, paradox oder sogar eskalierend erscheinen. Doch macht die Vorbereitung auf ein Ereignis dieses nicht wahrscheinlicher. Sich auf Krieg vorzubereiten, heißt nicht, dass wir mit Fackeln auf die Straße gehen müssen. Es geht nicht darum, aggressiv aufzutreten. Im Gegenteil. Es geht darum, dass wir lernen, uns zu verteidigen und unsere Verwundbarkeit in allen Bereichen zu minimieren. Es geht darum zu verstehen, dass der Feind alles und jeden in Stellung bringen wird, um uns in die Knie zu zwingen. Energie, (Des-)Information, Lebensmittelengpässe und Migration werden heute bereits als Waffen eingesetzt. Wir müssen damit umgehen und unseren Gegnern einen Schritt voraus sein. Krieg ist beängstigend, die Vorbereitung darauf muss es nicht sein; sie macht uns stärker. Indem wir uns gut auf einen Krieg vorbereiten, verringern wir das Risiko, im Krieg zu sein. Und sollte es so weit kommen, sind wir zumindest in einer besseren Lage, mit ihm umzugehen.
Dieses Buch zeigt, wie wir uns besser vorbereiten können:
Indem wir das Unerwartete erwarten und verschiedene Szenarien durchspielen; indem wir nicht erwarten, dass das Morgen so aussieht wie das Heute.
Indem wir wie Investorendenken und unsere wirtschaftliche Abschreckung verstärken.
Indem wir Effektivität über Effizienz stellen, weil gerade noch rechtzeitig gerade genug zu tun zu wenig wäre und zu spät käme.
Indem wir Verantwortung übernehmen und nicht darauf warten, dass andere unsere Probleme lösen.
Indem wir Risikenidentifizieren, mindern und akzeptieren – und begreifen, dass das größte Risiko darin besteht, keinerlei Risiken einzugehen.
Indem wir denExperten vertrauen und eine klare Hierarchie und Arbeitsteilung schaffen.
Und schließlich, indem wir in einer Welt des »Ich« für das »Wir« kämpfen und erkennen, dass wir dadurch stärker werden.
Einige dieser Ideen mögen idealistisch oder optimistisch erscheinen, etwas, was mir nicht oft vorgeworfen wird. Ich versuche immer realistisch zu bleiben, und man kennt mich eher für meine Offenheit, wenn es darum geht, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Wenn ich also darüber rede, was NATO-Bündnispartner tun können und was nicht, dann handelt es sich keineswegs um einen Marketingtrick. Es gründet auf festen Überzeugungen und auf Erfahrungen aus erster Hand.
Krieg ist nicht vorhersehbar. Wir können nie bis ins letzte Detail wissen oder kontrollieren, was unsere Gegner tun werden und wie rational sie handeln. Was wir jedoch mit Sicherheit wissen, ist, dass wir, wenn wir uns besser auf einen Krieg vorbereiten, größere Chancen haben, ihn zu verhindern oder zu gewinnen. Hätte die Ukraine in den Jahren nach 2014 keine Maßnahmen ergriffen, um ihre Streitkräfte und die gesellschaftliche Resilienz zu stärken, wäre sie 2022 nicht in der Lage gewesen, den massiven russischen Angriff abzuwehren und ihren Kampf für die Freiheit weiterzuführen. Über der Werchowna Rada würde heute die russische Flagge wehen. 6 Auch die NATO hat im Verlauf ihrer Geschichte bewiesen, dass sie sich an veränderte Umstände anpassen und an ihren Aufgaben wachsen kann. Wenn genügend Menschen erkennen, dass das auch jetzt dringend geboten ist, gibt es nichts, was wir nicht gemeinsam erreichen können.
In diesem Buch werden wir zweifellos Dinge sagen, denen Sie heftig widersprechen werden. Aber wir hoffen aufrichtig, dass es Sie ermutigen wird, beim Abendessen, in den Vorstandsetagen, Parlamenten, Kabinetten, Klassenzimmern und Hörsälen unangenehme Wahrheiten und komplexe Themen anzusprechen. Wir möchten Sie ermutigen, darüber nachzudenken, was Sie zu unserer kollektiven Verteidigung beitragen können und ob Ihre Familie, Ihre Organisation und/oder Ihr Unternehmen bereit für einen Krieg ist, sollte es dazu kommen.
Wir müssen die Welt so sehen, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie gerne hätten. Der Krieg ist zurück, ob wir es wollen oder nicht, und er steht vor unserer Tür. Wenn wir nicht wollen, dass er weiter zu uns vordringt, müssen wir gemeinsam schwierige Entscheidungen treffen. In unserer Zeit der kollektiven Verteidigung dreht sich alles um das Kollektiv. Wir müssen wieder lernen, in einer Welt des »Ich« für das »Wir« zu kämpfen. Diese Lektion ist viel älter als Machiavellis: Wenn du Frieden willst … bereite dich auf den Krieg vor.
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Erwartet das Unerwartete
»Die Zukunft der Welt wird in diesem Moment auf dem Schlachtfeld in der Ukraine entschieden.«
– Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
Im März 2024 reise ich nach Kyjiw, um die erste NATO-Militärdelegation zu leiten, die seit Beginn des russischen Angriffskrieges die Ukraine besucht. Bis zum NATO-Gipfel in Washington sind es noch mehrere Monate. Es gibt eine breite öffentliche und politische Debatte darüber, ob der Ukraine während des Gipfels die NATO-Mitgliedschaft gewährt werden soll und ob die Bündnispartner Bodentruppen in das Land schicken sollen. Ziel meines Besuchs ist es, mir ein genaueres Bild von den Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte zu machen und zu verstehen, wie die NATO sie besser unterstützen könnte. Es geht außerdem darum, der politischen Führung und der Öffentlichkeit zu versichern, dass sich die NATO und die Ukraine einander annähern und die Ukraine sich auf einem unumkehrbaren Weg in das Bündnis befindet, wenngleich eine Mitgliedschaft derzeit politisch nicht realisierbar ist.
Ich bin mir der erheblichen Herausforderungen dieser Reise bewusst, und dieses Gefühl wird durch die Sicherheitsvorkehrungen während unseres Aufenthalts im Land noch verstärkt. Meine Delegation und ich fliegen zunächst nach Polen, wo wir am Flughafen abgeholt und mit einem Kleinbus direkt zum Bahnsteig gebracht werden. Mehrere Waggons sind abgeriegelt. Die Rollos sind runtergezogen, und wir dürfen sie während der Fahrt nicht öffnen, da dies auf die Anwesenheit von »VIP