Wenn Medien lügen - Heiko Haupt - E-Book

Wenn Medien lügen E-Book

Heiko Haupt

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Beschreibung

Medienschelte und Journalisten-Bashing – ein Sport, den mittlerweile viele betreiben. Nicht ohne Grund: Immer öfter drängt sich der Verdacht auf, dass die Presse eher verschleiert anstatt aufzuklären und unsere Nachrichten vielfach manipuliert sind. Dass Medien die Wahrheit verzerren und das Berufsethos ihrer Macher in vielen Fällen auf der Strecke geblieben ist, ist leider Fakt. Mancher Reporter ist mehr auf das eigene Ego als auf die reine Wahrheit fixiert, Journalisten lassen sich korrumpieren, Nachrichten werden aufbereitet statt recherchiert, Produkte werden dann gelobt, wenn sie einen möglichst hohen Presserabatt versprechen. Heiko Haupt belegt anschaulich und beispielhaft, warum die Medien in dieser sehr bedenklichen Entwicklung stecken. Der Journalist weiß aus jahrelanger Arbeit in Redaktionen und als unabhängiger Medienexperte, wie mit der Ware »Nachricht« täglich umgegangen wird: unterbesetzte Redaktionen gehen in der Nachrichtenflut unter, fischen das Falsche heraus, oftmals aus dem Internet, klammern sich an fremde Textkonserven. Hinzu kommt Einfluss und Druck von allen Seiten: Hinter den Kulissen ist es längst zum Alltag geworden, dass Werbekunden, Industrie und Politik die Berichterstattung bestimmen. Alle erwarten, »gut bedient« und richtig dargestellt zu werden und dass ihre guten Beziehungen Früchte tragen. Kein Wunder, dass zwischen Presse, Politik, Promotion und Product-Placement kein Blatt mehr passt. Und dass der investigative, seriöse, unabhängige Journalismus nahezu abgedankt hat. Wenn Medien lügen – ein aufklärendes, aufrüttelndes Plädoyer wider den Abgesang auf die Wahrheit.

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Heiko Haupt

Wenn Medien lügen

Heiko Haupt

Wenn Medien lügen

Ein Blick hinter die Kulissen von manipulierten Medien und gekauften Journalisten

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Bärbel Knill, Landsberg am Lech

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch, München

Umschlagabbildung: Getty Images, Mengdi Ma, EyeEm, shutterstock.com

Satz: Andreas Schlangen, Neuss

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86881-603-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-756-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-755-5

Inhalt

Vorwort

Der Tag, an dem Schokolade zum Schlankmacher wurde

Warum selber denken, wenn es doch PR gibt?

Pressefreiheit ist das, was der Chefredakteur will

Eine fragwürdige Nähe zu Macht und Eliten

Nehmen ist seliger als Geben

Wer manipuliert hier eigentlich wen – und vor allem wie?

Werbung kostet 50.000 Euro, der Journalist nur die Hälfte

Flüchtlinge und »ein neuer Grad der Grausamkeit«

Es wird berichtet, was die berichten

Neues aus dem Tal der Ahnungslosen

Kleine Rädchen in der Propagandamaschine

Zwischen Billigflieger, Amokläufer und Sensationsgeilheit

Schlamperei mit Tradition

Wie Ignoranz die täglichen Nachrichten prägt

Worte machen wichtig – oder eben nicht

Schuldendrama um Pleitegriechen

Wir machen die Welt, wie sie uns gefällt

Berliner Klüngel & Co.

Unseren täglichen Experten gib uns heute

Recherchieren oder nicht – und bloß nicht kaputt recherchieren

Wahrheit lässt sich machen

Schlussbemerkung

Über den Autor

VorwortFehler und Tatsachenverdrehung sind allgegenwärtig

Flüchtlinge, Germanwings, Ukraine oder Griechenland – das sind vier von vielen Themen, die in jüngster Zeit die Schlagzeilen beherrschten. Es sind aber auch vier Begriffe, die stellvertretend dafür stehen, wie Medien manipulieren, wie sie Tatsachen verdrehen und manchmal aus schierem Unwissen Wahrheiten zu formen versuchen. Denn wer den Medien Fehler oder Verdrehung von Tatsachen nachweisen will, der muss dafür nicht erst lange suchen: Es ist vollkommen ausreichend, sich an einem beliebigen Tag vor das Fernsehgerät zu setzen, die Nachrichtenportale im Internet aufzurufen oder auch ganz klassisch die Tageszeitung aufzuschlagen. Dort findet all das nämlich täglich statt. Die Ursachen dafür sind allerdings sehr unterschiedlich und vielfältig. Mal werden schlicht die Fehler der anderen abgeschrieben, mal will der Chefredakteur unbedingt Neues zu einem Thema berichten lassen, wenn es eigentlich gar nichts Neues gibt, und nicht selten wird gelogen, weil der Journalist einfach keine Ahnung vom Thema hat.

Das ist, wie gesagt, alltäglich, aber es soll nicht heißen, dass alle Journalisten grundsätzlich lügen und manipulieren. Denn eines muss auch gesagt werden: Es gibt durchaus eine große Zahl an Journalisten, die auf gute Recherche und objektive sowie fundierte Berichterstattung Wert legen. Nur erhalten die immer seltener die Möglichkeit, genau das zu tun. Häufig sind Manipulation und verdrehte Wahrheiten nämlich auch die Folge davon, dass Medien immer stärker die Geschwindigkeit, mit der sie vermeintlich Neues verbreiten, mit tatsächlichen Inhalten verwechseln. Sie meinen ihre Arbeit getan zu haben, wenn sie etwa im Netz, so oft es geht, Neues nachlegen, ohne wirklich noch darauf zu achten, was sie denn da nachlegen, und ob es überhaupt wert ist, an die Öffentlichkeit zu gelangen. Da wird es in Sachen Griechenland dann schnell wichtiger, auf die fehlende Krawatte eines Ministers hinzuweisen, als sich mit dem eigentlichen Thema zu beschäftigen. Und nach einer Flugzeugkatastrophe werden sofort ahnungslose Experten vor die Mikrofone gezerrt, die ihre Ahnungslosigkeit mit noch gar nicht vorliegenden Fakten übertünchen sollen.

Das aber ist nur die eine Seite, wenn es um Kritik an den Medien geht. Es ist außerdem im Grunde auch noch die harmlosere. Denn es gibt tatsächlich auch eine andere, und die besteht in der Manipulation der Medien durch Dritte. Auch hier allerdings gibt es verschiedene Stufen der Einflussnahme. Dass es für Journalisten vollkommen normal ist, von Unternehmen – über die sie eigentlich objektiv berichten sollen – mit Rabatten und Geschenken geködert zu werden, das hat inzwischen schon Tradition. Ebenso wie die Tatsache, dass man gerne mal an luxuriösen Einladungsreisen teilnimmt, und damit nicht zuletzt wieder einmal die Objektivität etwas sein lässt, mit dem sich andere abmühen sollen. Nun gibt es unterschiedliche Arten solcher Einladungsreisen, und manche machen auch durchaus Sinn, um Medien über Neues zu informieren. Aber es gibt eben auch Beispiele für Reisen, bei denen Unternehmen fünfstellige Summen für jeden teilnehmenden Journalisten investierten – was nichts anderes bedeutet, als dass damit der Journalist und die Art der Berichterstattung gekauft werden sollte.

Wenn von Beeinflussung durch Dritte die Rede ist, dann darf natürlich die Politik nicht vergessen werden. Auch hier ist es so, dass mancher Journalist die nötige Nähe zur Informationsbeschaffung mit zu viel Nähe verwechselt, und sich damit der Beeinflussung aussetzt. Manche Journalisten allerdings brauchen noch nicht einmal solche Bemühungen von außen, um sich und damit wiederum ihr Publikum in einer politischen Richtung zu beeinflussen. Denn diese Journalisten sind selbst in politischen und mächtigen Zirkeln aktiv und geben ihre Einstellung dann wie selbstverständlich auch mal an die Medienkonsumenten weiter.

Dass überhaupt über die Fehler der Medien, über Manipulation und Beeinflussung gesprochen werden muss, das hat längst nicht mehr nur mit Kritik an der Sache zu tun. Vielmehr haben neue Kommunikationsmöglichkeiten dazu geführt, dass auch wirklich große und komplexe Themenbereiche schneller ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Nicht nur schneller, sondern im Vergleich zu früheren Jahrzehnten auch öfter. Diese Geschwindigkeit und Masse der Nachrichten aber verlangt im Grunde geradezu nach Journalisten, die Zusammenhänge erläutern oder Hintergründe beschreiben. Weil der durchschnittliche Mensch in seinem ebenfalls beschleunigten Alltag kaum mehr die Möglichkeit hat, sich auch damit noch intensiv zu beschäftigen. Dabei müssen sie aber darauf vertrauen können, dass die Medien und ihre Journalisten diese Arbeit auch ernst nehmen und sie beherrschen. Nur verlieren die Menschen genau dieses Vertrauen zunehmend, weil die Medien eben vielfach gar nicht mehr an dieses Publikum denken, das sie ernährt. Wirkliche Inhalte müssen sich daher hinter Klickzahlen und Quoten einreihen – sehr weit dahinter.

Doch nicht alle Probleme der Medien und ihrer Berichterstattung sind Begleitumständen wie Rabatten, Reisen oder eben den neuen Zeiten zuzuschreiben. Mancher Ursprung der Beeinflussung ist sehr menschlich und alltäglich – er ist sozusagen hausgemacht. Und manchmal reicht schon das Wort Schokolade aus, um einen Journalisten zu einem willfährig manipulierenden Berichterstatter zu machen.

Der Tag, an dem Schokolade zum Schlankmacher wurdeDie unglaubliche Karriere einer unsinnigen Nachricht

Für manipulierte oder manipulierende Medien lassen sich unzählige Beispiele anfügen. Doch wie so oft sind es auch bei diesem Thema scheinbare Kleinigkeiten, die das Thema besonders deutlich machen. Etwa die unglaubliche Karriere einer vollkommen unsinnigen Nachricht. Am 28. März 2015 überraschte die Bild-Zeitung ihre Leser auf der Titelseite mit der Überschrift »Wer Schokolade isst, nimmt schneller ab«. Andere Medien folgten: RTL berichtete über das Thema, die Frauenzeitschriften Cosmopolitan und Brigitte ebenso. Focus Online fand die neue Erkenntnis sogar so interessant, dass man zu dem Thema eigens ein Video drehte. Bald zog die Geschichte immer weitere Kreise und verbreitete sich international. In Großbritannien berichteten die großen Tageszeitungen von der Schokoladendiät, von dort machte sich Meldung auf nach Indien und Australien, wo sie ebenfalls mit Schlagzeilen gewürdigt wurde. Auch in Russland erregte die Neuigkeit viel Aufmerksamkeit und fand sich in zahlreichen Medien wieder. Sogar in Afrika war plötzlich Hunger kein Thema mehr, sondern wurde die Erkenntnis gewürdigt, dass sich Übergewicht mit Schokolade bekämpfen lasse.

Weil zu jener Zeit das Osterfest kurz bevorstand, machte sich die Neuigkeit schließlich auf den Weg über den Atlantik und sorgte nun auch in den USA für Furore. Fernsehsender berichteten über die großartige Neuigkeit, dass der Verzehr von Schokoladenostereiern kein Problem für die schlanke Linie darstelle. Im Gegenteil: Diätpillen oder Abnehmhilfen seien überflüssig, weil Naschen den wahren Weg zur schlanken Linie darstelle. Davon waren inzwischen weltweit Millionen Menschen überzeugt, die von der Neuigkeit gehört hatten. Was allerdings keiner wusste, und was auch keinen einzigen Journalisten interessierte, der die Meldung veröffentlichte: Das Ganze war genau das, was der gesunde Menschenverstand jedem auf Anhieb hätte sagen müssen – kompletter Unsinn nämlich.

Manipulation soll Manipulation aufdecken

Ihren Anfang nahm die Schokoladengeschichte in den Köpfen eines kleinen Journalistenteams, das dabei durchaus Gutes im Sinn hatte. Man wollte nämlich darüber berichten, wie viel Manipulation und Korruption hinter den unzähligen wissenschaftlichen Studien steckt, die beinahe täglich veröffentlicht werden. Dass Journalisten nur zu gern und ohne jegliches Nachdenken auf solche Studien zurückgreifen, stand zunächst gar nicht im Mittelpunkt. Am Ende aber sollte das Team des deutsch-französischen Senders Arte die Wissenschaftler ebenso wie die Journalisten bloßstellen, und eine seit vielen Jahren übliche Praxis der Medien und deren Hintergründe ans Licht bringen. Denn geltungssüchtige Wissenschaftler und Journalisten arbeiten häufig Hand in Hand, wobei jede Seite von der Rücksichtslosigkeit der anderen profitiert.

Gerade Diätthemen sind dabei ein besonders dankbares Gebiet. Schließlich heißt es, dass in Deutschland 75 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen zu dick sind. Worüber in zahllosen Medien immer wieder berichtet wird, und zwar natürlich mit dem Verweis auf entsprechende wissenschaftliche Studien. Um gegen dieses Übergewicht etwas zu unternehmen, führen Menschen immer wieder Diäten durch. Meist solche, über die in den Medien berichtet wurde – und deren Wirkung von wissenschaftlichen Studien untermauert wurde. Das Arte-Team recherchierte, dass es weltweit 28.345 Ernährungsstudien gibt. Über die meisten davon berichten die Medien, ohne sich auch nur im Geringsten darum zu scheren, dass fast jede dieser Studien etwas anderes aussagt: Mal soll der Mensch mehr Gemüse essen, mal benötigt er mehr Kohlehydrate, weil sie ihm mehr Kraft verleihen würden – und mal wird vor Kohlehydraten gewarnt, weil sie dick und krank machen sollen. Alles natürlich wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, wie die Medien immer wieder gerne betonen. Denn wenn die Wissenschaftler so etwas sagen, dann wird es schon stimmen – nachdenken oder selber recherchieren ist also überflüssig. Das Ergebnis kennt mittlerweile jeder von uns: All die vielen Berichte haben es für uns zur Selbstverständlichkeit gemacht, dass zum Beispiel mediterrane Kost immer gut ist, Wurst dagegen sollte nicht zu viel auf den Tisch kommen, und Mehl ist auch nichts, was in großen Mengen auf den Speiseplan gehört. Das haben Wissenschaftler herausgefunden, das haben sie veröffentlicht – und weil sie eben Wissenschaftler sind, haben sie auch Recht.

Nun könnte man sagen, alles halb so wild, ich ernähre mich gesund, achte auf genügend Bewegung, solche Studien brauche ich nicht – es gibt wichtigere Themen. Doch gerade wenn es um die Medien geht, lässt sich das Thema der halbgaren pseudowissenschaftlichen Studien vor allem auch im Zusammenhang mit dem Thema Ernährung nicht vernachlässigen. Denn Diätthemen gehören zu den ganz großen Erfolgsgeschichten auch bei seriösen Medien. Steht irgendwo etwas von einer neuen und mit einer wissenschaftlichen Studie untermauerten Diät, dann stürzen sich die Menschen darauf. Egal wie absurd die Sache eigentlich ist. Genau hier also fand sich der Ausgangspunkt für die Überlegungen des Arte-Teams: Was wäre, wenn man sich einmal eine vollkommen verrückte und sinnlose Diät erschafft, die auch noch wissenschaftlich untermauert, und sie dann auf die Welt loslässt? In einer Welt, in der man sich auf Seriosität und vernünftiges Denken verlassen könnte, wäre es vermutlich bei der Idee geblieben, weil die Umsetzung des Plans keine Chancen gehabt hätte. In einer Welt allerdings, in der Manipulation an der Tagesordnung ist, war es zumindest einen Versuch wert.

Wie man das gewünschte Ergebnis erzielt

Schnell fand man auch passende Partner und Berater. Die klärten auf, dass die unzähligen wissenschaftlichen Studien gar nicht immer dem Finden neuer Wahrheiten dienen. Vielmehr wird immer mehr sogenannter Wissenschaftsmüll veröffentlicht, der nur dem Fördern von Karrieren dient. Wissenschaftler müssen entsprechende Veröffentlichungen vorweisen können, um nicht von der rührigen Konkurrenz in den Hintergrund gedrängt zu werden. Und es stellte sich auch heraus: Ob eine Studie an einschlägiger Stelle veröffentlicht wird, hängt nicht immer mit deren tatsächlichem Neuigkeitswert zusammen, sondern häufig damit, wie viel denn für die Veröffentlichung gezahlt wird – manchmal reicht dafür schon ein besseres Taschengeld aus, wie sich bei der Schokoladenstudie noch zeigen sollte.

Zunächst aber sicherte das Team sich die Mitarbeit erfahrener und auch kritischer Wissenschaftler, und begann mit der Arbeit an der eigenen Studie. Die Experten machten dann schnell klar, worauf es ankommt, damit das gewünschte Ergebnis erzielt wird, das dann auch bei der Masse lese- und denkfauler Journalisten das gewünschte Ergebnis bringt – die kritiklose Veröffentlichung nämlich.

Eine Grundlage besteht etwa darin, dass die an der Studie beteiligten und untersuchten Probanden dem Ergebnis entsprechend ausgewählt werden. Eine Gruppe wird also so zusammengestellt, dass von vornherein feststeht, dass sie am Ende nicht so gut abschneiden wird. Es wird also nur eine Gruppe dazu verdonnert, während der Untersuchungen eine Diät und dazu noch Sport zu machen. Die andere lebt weiter wie zuvor, ernährt sich von Fastfood und faulenzt, wann immer es möglich ist. Dann wird bei der Aufteilung auch noch auf zusätzliche Parameter geachtet: Wer sich wenig kooperativ zeigt und auch nicht regelmäßig zu Vorabuntersuchungen erscheint, der kommt natürlich in die faulenzende Fastfood-Gruppe.

Die andere und sozusagen »gute« Gruppe wird mit Personen gefüllt, die sich besonders engagiert zeigen, und bei denen davon auszugehen ist, dass sie Vorgaben erfüllen und auch Termine immer einhalten. Wenn dann doch noch einer ausscheidet, weil ihm etwas dazwischenkommt, ist das für die Studie auch kein Problem: Er wird zwar nach dem Ausscheiden keine weiteren Werte oder Ergebnisse mehr liefern, aber das macht gar nichts – stattdessen werden einfach die Werte verwendet, die er bis dahin lieferte.

Für die Schokoladendiät wurden so insgesamt 16 Teilnehmer ausgewählt, die drei Wochen den Ernährungsrichtlinien des Teams zu folgen hatten. Um dem Vorhaben einen besonders seriösen Touch zu geben, teilte man die Teilnehmer nicht nur in zwei, sondern gleich in drei Gruppen ein. Eine Gruppe sollte nur Diät halten, eine wie bisher weitermachen und eine dritte die Diät mit dem Konsum von Bitterschokolade ergänzen. Die Teilnehmer wurden vermessen und gewogen, die Daten aufgenommen und notiert – und dann ging es los. Inklusive täglicher Urinuntersuchung. Der Grund dafür: Man wollte schon zu Beginn möglichst viele Daten sammeln, um am Ende die passenden daraus aussuchen zu können.

Außerdem war da eben noch die Zusammenstellung der Gruppen. In der reinen Diätgruppe ohne Schokoladenkonsum fanden sich etwa Personen, die sich seit geraumer Zeit bewusst und gesund ernährten und zudem auch darauf achteten, dass sie sich sportlich betätigten. Der Sinn dahinter: Personen mit ausgeprägtem Körperbewusstsein und ausgewogener Ernährung sind in der Regel ohnehin schon recht schlank. Dass sie nun während der Studie weiter nach einem Diätplan lebten, änderte für diese Menschen nur wenig. Sie würden daher während der drei Wochen auch kaum abnehmen. Was gerade für die Gruppe, die Diät ohne Schokolade hielt, natürlich auch ein durchaus gewünschter Effekt war.

In der Gruppe, die ihre Diät mit Schokoladenkonsum ergänzte, waren natürlich vollkommen andere Personen. Einige etwa hatten schon zahllose Diäten absolviert und hatten dabei unzählige Kilos abgespeckt – die dann durch den sogenannten Jojo-Effekt aber bald wieder auf die Hüften zurückkehrten. Nun also machten sie einmal mehr Diät und nahmen dabei schnell wieder ab – woran der tägliche Riegel Schokolade nichts ändern konnte. Also auch hier der gewünschte Effekt.

Nach drei Wochen wurde dann gemessen, was sich in der Zwischenzeit getan hatte. Vor allem wurde nicht nur gemessen, sondern auch gewogen. Und dabei griff man zu einem weiteren Trick, um der Studie zu dem gewünschten Ergebnis zu verhelfen. Während die Gruppe mit der Schokoladendiät einfach direkt auf die Waage steigen konnte, mussten die Teilnehmer aus den anderen beiden Gruppe zuvor noch ein großes Glas Wasser trinken. Denn auch Wasser hat Gewicht, und diese Probanden sollten ja schwerer sein als die Schokoladenesser.

Mithilfe der realen Werte und einer ganzen Reihe kleiner Tricks bei der Erfassung, Auswertung und dann auch Wiedergabe der Werte konnte so ein ebenso echtes wie vollkommen falsches Bild dessen erstellt werden, was sich in den drei Gruppen getan hatte. Es war sogar möglich, zu belegen, dass die reinen Diätteilnehmer schon wieder zunahmen, als das Gewicht der Schokoladengruppe immer noch abnahm. Dann wurden noch ein paar passende Daten zusammengesucht, und schließlich machte sich das Team daran, die eigentliche Studie zu verfassen. Formvollendet genauso, wie man es von einer wissenschaftlichen Studie verlangen kann, und wie es auch erwartet wird. Und damit es noch besser wirkt, wurde der Text außerdem in Englisch verfasst.

Das wissenschaftliche Umfeld macht’s

Eine vollkommen unsinnige Idee war so also tatsächlich zu einem Stück Wissenschaft geworden. Bevor das allerdings an die Öffentlichkeit und in die Hände von Journalisten gelangen konnte, war noch eine weitere Hürde zu nehmen. Denn eine wissenschaftliche Studie wird nicht einfach nur geschrieben, sie muss eben auch in einem entsprechenden wissenschaftlichen Umfeld veröffentlicht werden. Am besten in einem Journal, in dem eigentlich andere Wissenschaftler vor der Veröffentlichung die Studie prüfen, um sinnvolle Studien von sinnlosen abzugrenzen.

Tatsächlich stellte sich aber heraus, dass es gar nicht um Qualität, sondern um Geld ging. Denn auch manches angesehene wissenschaftliche Magazin, so berichteten Insider, veröffentlicht selbst schlechte Studien, wenn denn genug dafür bezahlt werde. Was wieder zum Thema Journalismus führt: Denn Journalisten gibt es nicht nur in den herkömmlichen Medien, es gibt auch Fach- und Wissenschaftsjournalisten, die einen wesentlich besseren Ruf als ihre Kollegen vom Boulevard haben. Hier allerdings zeigte sich, dass dieser Ruf nicht immer auch gerechtfertigt ist. In der Arte-Dokumentation zu dem Schokoladen-Coup berichtete ein Kenner der Szene, dass es für 10.000 Dollar möglich sein soll, sich als Co-Autor einer wissenschaftlichen Publikation in einem namhaften Magazin zu verewigen. Man muss also gar nicht wissenschaftlich oder journalistisch arbeiten, man muss einfach nur die entsprechenden Mittel besitzen – was nur die Spitze des Eisbergs der Korruption sei.

Für das Journalistenteam war zuvor aber noch ein weiterer Schritt zu absolvieren. Sie brauchten einen seriösen Namen, unter dem sie ihre angeblich wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Veröffentlichung anbieten konnten. Die realen Namen eigneten sich dafür wenig, auch der Name des TV-Senders dürfte in wissenschaftlichen Kreisen eher für ungläubiges Stirnrunzeln sorgen. Also handelte man nach dem Motto, warum kleckern, wenn man auch klotzen kann – und gründete gleich ein ganzes wissenschaftliches Institut. Beziehungsweise stellte man eine Homepage online, die den frei erfundenen Namen eines frei erfundenen Institutes trug. Das musste natürlich ein Name sein, der auch international einen gewissen Klang hatte. Die fiktive Institution bekam den Titel Institute of Diet and Health, das in der Stadt Mainz seinen Sitz hatte, beziehungsweise haben sollte.

Nachdem Name und Homepage nun standen, war alles bereit, um die Studie zur Veröffentlichung an wissenschaftliche Magazine zu schicken. Bald gab es auch die ersten Rückmeldungen – ein Magazin sei gegen Zahlung von gerade einmal 100 Euro zur Veröffentlichung bereit. Chefredakteur sei ein Professor aus Pakistan, der sich eigentlich mit Geflügelspermien beschäftigen sollte. Was natürlich so gar nichts mit einer Schokoladendiät zu tun hat, aber ein weiterer Hinweis darauf ist, wie korrupt und käuflich die vielen Ebenen zwischen reiner Wissenschaft und reinem Journalismus heute wirklich sind.

Vor allem aber war durch die Veröffentlichungen in einem im weitesten Sinne wissenschaftlichen Umfeld der Weg frei, mit der Studie an die ganz große Öffentlichkeit zu gehen. Nun ging es darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen, indem auf verschiedenste Art und Weise über den Wissenschaftsfake berichtet wurde.

Noch eine Prise Marketing

Ein Schritt bestand darin, dass zusätzlich die Facebook-Seite The Chocolate Transformation online ging. Für nur 15 Dollar verpflichtete man zudem ein Bikinimodell, das leicht bekleidet in einem Video berichtete, dass es mit der Schokoladendiät in Null Komma nichts sechs Kilogramm abgenommen habe. Als wäre das noch nicht verrückt genug, ließ man noch einen Rapper einen Song zum Thema aufnehmen und produzierte mit ihm ebenfalls ein entsprechendes Video.

Dann waren wirklich alle Vorbereitungen getroffen, und man konnte sich an den eigentlichen Coup machen. Unter dem Titel »Schoko statt Jojo« wurde eine Pressemitteilung verfasst, die zunächst an Medien in Deutschland ging – mit der eingangs erwähnten Resonanz.

Wie schon gesagt, handelt es sich bei der vermeintlichen Schokoladendiät eigentlich nur um eine kleine Geschichte. Doch es ist eine Geschichte, hinter der sich viel mehr verbirgt, als das Thema vermuten lässt. Denn es ist eben auch die große Geschichte von Lügen, Manipulation und nicht zuletzt Faulheit oder Ignoranz. Und diese Begriffe hängen sehr eng zusammen. Journalisten setzen Lügen in die Welt, weil sie einerseits von zahllosen Stellen und Personen manipuliert werden, die ihre ganz eigene Wahrheit in die Öffentlichkeit bringen wollen. Andererseits gibt es eine große Zahl an Journalisten, die einfach unfähig sind, und es gibt eine ebenfalls recht große Zahl an Journalisten, für die die Wahrheit nicht an erster Stelle steht. Sie wollen etwas veröffentlichen, das möglichst viel Aufmerksamkeit erzielt, die sich in Einschaltquoten, Auflagenstärken oder im Internet in möglichst vielen Aufrufen messen lässt. Da geht es nicht darum, ob eine Schokoladendiät ähnlich glaubhaft wirkt wie ein Auto, das kein Benzin verbraucht, sondern auf jedem Kilometer selbstständig Kraftstoff erzeugt. Nicht Sinn oder Sinnlosigkeit sind die Währung, sondern eben einfach die Tatsache, dass das Thema an sich überrascht. Dass der Hintergrund der Meldung in diesem Fall öffentlich wurde, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass hier mit Manipulation versucht wurde, Manipulationen aufzudecken. Täglich ziehen aber zahllose weitere Unsinnsmeldungen durch die Medien, deren Hintergrund wohl niemals öffentlich wird – weil nach dem einen manipulierten Thema schon das nächste darauf wartet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Quellen zu diesem Kapitel

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2418780/Schlank-durch-Schokolade#/beitrag/video/2418780/Schlank-durch-Schokolade

https://www.youtube.com/watch?v=gZZGrmgWPo0

http://future.arte.tv/de/wissenschaftliche-studien

http://www.arte.tv/guide/de/052711-000/schlank-durch-schokolade

http://instituteofdiet.com/

http://www.focus.de/gesundheit/videos/erstaunlicher-effekt-neue-studie-schokolade-hilft-beim-abnehmen_id_4577002.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/diaet-fake-studie-behauptet-schokolade-macht-schlank-a-1035685.html

https://www.facebook.com/ChocolateTransformation?fref=ts

http://www.bild.de/ratgeber/gesundheit/schokolade/wer-schokolade-isst-bleibt-schlank-studie-diaet-jojo-effekt-40332104.bild.html

Warum selber denken, wenn es doch PR gibt?Wenn Medien nur noch vorgefertigte Meinungen transportieren

Dass sich eine Geschichte wie die Schokoladendiät so schnell und auch weltweit verbreiten konnte, dafür gibt es einen einfachen Grund: Die Macher hatten Pressemitteilungen an die Medien ausgesendet. Zwar sollen Journalisten unabhängig und unvoreingenommen arbeiten, viele von ihnen lieben allerdings solche Pressemitteilungen. Denn Pressemitteilungen beinhalten Informationen zu einem Thema, die also nicht mehr selbst recherchiert werden müssen. Gerade in den Zeiten des Onlinejournalismus, der in kurzen Abständen neue Nachrichten verlangt, lassen sich so schnell und bequem neue Inhalte nachliefern.

Mit einem sehr wichtigen Nachteil allerdings: Pressemitteilungen sind Public Relations, kurz PR. Jeder Redaktion flattern täglich Unmengen solcher Mitteilungen via Mail oder ganz klassisch per Post auf den Tisch. Jede der Mitteilungen stammt von einem Unternehmen oder einer Organisation, die damit über ihre eigenen Leistungen informieren und nicht zuletzt auch Meinungen transportieren will. Nur wird dieser Umstand immer weniger beachtet, weil in den Redaktionen immer größerer Zeitdruck herrscht, und man, wie schon erwähnt, mithilfe solcher Informationen sehr schnell neuen Pseudo-Inhalt generieren kann.

Vor allem im vergangenen Jahrzehnt wurden die PR-Abteilungen in Wirtschaft, Politik und auch Behörden gewaltig aufgestockt, während auf der Seite der Redaktionen das Gegenteil der Fall war. Weil man festgestellt hatte, dass sich via PR die eigenen Anliegen so einfach in die Medien bringen lassen.

Veröffentlicht wird, was wenig Arbeit macht

Nehmen wir einmal einen ganz normalen Arbeitstag in einer Spezialredaktion einer großen Nachrichtenagentur, die wiederum die Themenredaktionen von Medien versorgt. Darunter versteht man diejenigen Teilredaktionen, die sich mit speziellen Interessengebieten beschäftigen – von Gesundheit über Ernährung bis zu Bauen oder Multimedia. Jeder Redakteur hat für sein Fachgebiet an jedem Tag eine möglichst große Zahl an einzelnen Kurzmeldungen und auch längeren Artikeln zu verfassen, die dann von der Agentur an die Medienkunden gesendet werden. In der Regel beginnt so ein Arbeitstag damit, dass der Journalist sich im Schnellverfahren durch besagte Pressemitteilungen wühlt, und schließlich eine auswählt, mit der er seine Arbeit beginnt. Dabei wird er sich üblicherweise nicht ein mehrseitiges und umständlich formuliertes Werk zu einem an sich schon komplizierten Thema aussuchen. Er wird eine nehmen, die ihm möglichst wenig Arbeit bereitet. Eine, die er selbst schnell begreift, die ein Thema möglichst knapp und knackig umreißt, und aus der sich mit wenigen neuen Formulierungen eine scheinbar neue und journalistisch einwandfreie Nachricht fertigen lässt. Was letztlich nichts anderes bedeutet, als dass der Journalist sich zum Erfüllungsgehilfen der PR und der Pressestellen macht.

Genau diese PR-Leute wissen inzwischen sehr genau, wie solche Journalisten ticken. Sie wissen, wie sie ihnen welche Themen verkaufen können, damit diese dann möglichst große Verbreitung finden.

Viele der so entstehenden Nachrichten sind auf den ersten Eindruck banal, oder sie bringen auch ein eigentlich sinnvolles Thema in die Öffentlichkeit – dahinter aber verbergen sich immer Interessen. Und das Erscheinen einer Nachricht bedeutet immer auch, dass da jemand seine Interessen durchgesetzt hat, indem er einen Journalisten in dem Sinne manipuliert hat, dass der diese Interessen stützt.

Qualitätsjournalismus ist vertrauenswürdig – oder?

Ein Beispiel dafür ist eine kleine Meldung, die sich in den Sommerferien 2015 in manchen Medien fand. Eine Meldung, die Eltern interessieren könnte: Es ging darum, dass Eltern die Augen ihrer Kinder vor Schulbeginn überprüfen lassen sollten. Denn bei Kurzsichtigkeit könnte es zu Problemen beim Ablesen der Tafel kommen, Weitsichtige könnten dagegen Schwierigkeiten mit Lese- oder Schreibübungen am eigenen Tisch bekommen. In der Meldung wurde auch darauf hingewiesen, dass sich erste Tests zu etwaigen Sehschwächen ganz einfach zu Hause durchführen ließen. Seien dann tatsächlich Schwächen wahrscheinlich, sollte auf jeden Fall ein Sehtest absolviert werden.

Die Herkunft der kurzen Meldung war mit dem Kürzel dpa/tmn gekennzeichnet. Dahinter verbirgt sich der sogenannte Themendienst der größten deutschen Nachrichtenagentur Deutsche Presse Agentur – dpa. Der Themendienst ist der größte Lieferant für Inhalte der Themenredaktionen in Deutschland und steht als Teil der dpa grundsätzlich für unabhängige Nachrichten und auch eine gewisse Qualität. Nur ist das mit dem Halten eines solchen Niveaus immer so eine Sache.

Die Überschrift der Meldung lautete in den Onlinemedien, die sie übernahmen und veröffentlichten, in der Regel »Vor Schulbeginn – Augen der Kinder prüfen lassen«, was keinerlei Rückschluss auf den Ursprung des guten Rates zuließ. Der wurde nämlich erst im letzten Satz offenbart, in dem es hieß »Darauf weist der Zentralverband der Augenoptiker hin«. Was auch bedeutet, dass die gegebene Empfehlung nicht wirklich uneigennützig war.

Sie beruhte vielmehr auf einer Pressemitteilung dieses Optikerverbandes, der damit natürlich auch Kundschaft in die Geschäfte der Mitgliedsunternehmen bringen wollte. Die Eigenarbeit der Redaktion des Themendienstes beschränkte sich dabei auf ein eher geringes Maß. Einzelne Passagen wurden fast wörtlich übernommen. Hieß es in der Pressemitteilung zum Beispiel »So kann eine Kurzsichtigkeit zu Problemen beim Ablesen der Tafel führen, eine Weitsichtigkeit kann dem Schulkind die Lese- und Schreibübungen am eigenen Tisch erschweren«, so lautete die Passage in der übernommenen Agenturmeldung: »Bei Kurzsichtigkeit kann es Probleme beim Lesen der Tafel geben, Weitsichtigkeit kann Lese- und Schreibübungen am eigenen Tisch erschweren.«

Journalisten als Erfüllungsgehilfen der PR-Maschinerie

Nun kann man natürlich sagen: Was soll’s, solche übernommenen PR-Meldungen sind Nebensächlichkeiten etwa im Vergleich zu den verbreiteten Unwahrheiten, wie sie im Zuge der Ukraine-Krise an die Öffentlichkeit kamen. Nur wäre es vollkommen falsch, gerade solche kleinen Meldungen zu unterschätzen. Denn sie finden in jeder Woche zu Hunderten auf unterschiedlichste Art den Weg in die Medien. Vor allem interessieren sie auch unzählige Menschen.

Und nicht immer kann der Leser erkennen, von welcher Seite da bestimmte Interessen verbreitet werden. Ein weiteres zunächst nebensächliches, am Ende aber gar nicht mehr nebensächliches Thema ist etwa Mineralwasser. Dessen Konsum nimmt seit Jahren zu, und gerade die als besonders edel vermarkteten Wasser sind ein Millionengeschäft. So berichteten Medien auch darüber, dass diese edlen Mineralwasser ein regelrechter Trend seien. Außerdem könne die Auswahl des richtigen Mineralwassers sogar die Wesensart eines Weines besonders gut herausstellen, hieß es dann unter Berufung auf eine Informationszentrale Deutsches Mineralwasser (IDM) in Bonn. Informationszentrale hört sich immer gut an, und hört sich vor allem auch unabhängig und glaubwürdig an. Sogar für manchen Journalisten, der solchen Angaben einfach Glauben schenkt, und gar nicht genauer nachfragt. Doch auch hier ist gekonnte PR das eigentliche Thema. Die großen Unternehmen wissen längst, dass sie nicht die gewünschte Wirkung erzielen, wenn sie in eigenem Namen solche Informationen in die Welt entlassen.

Es ist aber im Grunde gar nicht viel Aufwand notwendig, um derartige Zusammenhänge zu bemerken. Im Impressum der Web-Präsenz besagter Informationszentrale steht bereits sehr deutlich, dass man im Auftrag der Gesellschaft der Freunde und Förderer der deutschen Mineralbrunnenindustrie handele. Darunter wiederum findet sich auch gleich ein Link, der zum Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM) führt. Um dem wahren Ziel von Informationen wie dem Trend zum edlen Mineralwasser auf die Spur zu kommen, ist es eigentlich nur notwendig, die Liste der Vorstandsmitglieder aufzurufen. Die setzen sich nämlich aus einer Art Who-is-who der Mineralwasserbranche zusammen.

Fragt man sich nun, wer wirklich gute PR oder Öffentlichkeitsarbeit macht, dann stehen diese Wasserfreunde sicher sehr weit vorne. Dass der Pro-Kopf-Verbrauch an Mineralwasser von 12,5 Litern im Jahr 1970 auf inzwischen 130 Liter jährlich gestiegen ist, hat sicher nicht allein mit einer selbst gewählten Lust der Menschen am Wasser zu tun. Über die Jahre hat man uns immer wieder versichert, wie viel Wasser wir am Tag trinken sollen, und dass dieses Wasser eben vor allem Mineralwasser sein sollte, am besten natürlich besonders hochwertiges und teures. Zahllose Journalisten haben an dieser Entwicklung mitgewirkt, indem sie sich zu treuen Erfüllungsgehilfen der PR-Maschinerie machen ließen.

Die Idylle am Hühnerhof

Inzwischen kommt es aber auch zu Ereignissen, bei denen Verfechter des reinen und unabhängigen Qualitätsjournalismus mit Interessenvertretern und deren PR-Vorhaben quasi auf einer Linie arbeiten. Im Sommer 2012 etwa berichtete das Medienmagazin ZAPP im NDR-Fernsehen über eine recht merkwürdige Veranstaltung. Dabei ging es um das Thema Geflügelhaltung, und zwar die Haltung im industriellen Sinne. Angeboten wurde zu dem Thema ein Journalisten-Workshop – veranstaltet von der Geflügelwirtschaft. Was eigentlich schon klar gemacht hätte, in welche Richtung die gewünschte Meinungsmache gehen würde. Wäre da nicht noch ein anderer Punkt gewesen: Die Geflügelwirtschaft war nicht der alleinige Veranstalter, sondern arbeitete in diesem Fall mit dem Verlag der Medienzeitschrift Journalist zusammen. Die tritt immer wieder für die journalistische Unabhängigkeit ein, und sie ist auch das offizielle Organ des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), der als Herausgeber fungiert.

Bei dem Workshop allerdings, den ZAPP begleitete, war journalistische Unabhängigkeit nicht das Maß der Dinge. Vielmehr wollte die Geflügelwirtschaft sich positiv darstellen. Jeder Teilnehmer des Workshops hätte auch ahnen können, dass ihm bei der Veranstaltung keine erschreckende Massentierhaltung mit halbtoten Hühnern präsentiert wird. So galt es dann auch in erster Linie, einen ausgewählten Hühnerhof mit erst kürzlich errichtetem Stall zu besuchen, in dem natürlich vorbildliche Sauberkeit herrschte. Auch der für Interviews parat stehende Landwirt passte dazu und gab Antworten, die ganz dem entsprachen, was der Geflügelverband vermitteln wollte. Die Tiere bekämen fast keine Medikamente, etwa. Und auch dem Begriff Massentierhaltung stand der Landwirt ablehnend gegenüber. Während im Stall Unmengen an Geflügel nach Nahrung pickten, sagte er, dass der Begriff Massentierhaltung eigentlich gar nicht passte und immer fehl am Platze sei in der Landwirtschaft. Die knapp 40.000 Tiere, die er halte, seien keine Masse, sondern einfach nur eine Menge an Tieren. Das alles sollte natürlich auch ein Gegengewicht zu den vielen Medienberichten bilden, die ganz andere Wahrheiten zeigten, und in denen die Tiere mehr tot als lebendig in den Ställen hausten.

Vor dem Besuch im Vorzeigestall wurden die Journalisten laut ZAPP-Bericht noch mit Vorträgen ausgewählter Referenten auf das Thema und das Anliegen der Veranstalter eingestimmt. Dabei sei es um den boomenden Markt, perfekt funktionierende Qualitätskontrollen und um übertriebene Berichte der Medien gegangen. Das folgende Mittagessen gab es natürlich kostenlos, und wer wollte, konnte auch auf Kosten des Veranstalters übernachten.

Was natürlich auch zu der Frage führte, wer denn eigentlich wirklich der Veranstalter war, und wer die Kosten übernahm – das objektive Medienmagazin oder der Interessenverband der Geflügelwirtschaft. Darauf angesprochen sagte eine Vertreterin des Verlages der Zeitschrift, dass man ein kleiner Verlag sei, und dass man so eine Veranstaltung ganz allein nicht stemmen könnte. Man organisierte und finanzierte die Sache daher mit der Wirtschaft zusammen. Das leitende Fachblatt des objektiven Journalismus machte also mit der PR der Hühnerzüchter gemeinsame Sache und setzte die teilnehmenden Journalisten einfach dieser PR-Maschine aus. Die Partner von der Informationszentrale Deutsches Geflügel waren mit all dem natürlich äußerst zufrieden.

Veranstaltungen wie diese sind allerdings keine Ausnahme, es gibt sie zu nahezu jedem Themenbereich, über die Journalisten berichten. ZAPP erklärte, dass auch über die Zeitschrift Journalist schon weitere Workshops angeboten worden waren, bei denen große Unternehmen und damit natürlich auch deren PR-Abteilungen im Boot saßen. Erwähnt wurde ein Seminar für Motorjournalisten, bei dem Mercedes-Benz als Gastgeber fungierte. In anderen Fällen übernahm ein Finanzdienstleister die Rolle des Partners, mal war es auch eine Bank oder die Holzwirtschaft.

Info-Happen für die Medien

Dass hier ausgerechnet die Zeitschrift Journalist