Wenn Oma und Opa erzählen - Christa Bohlmann - E-Book

Wenn Oma und Opa erzählen E-Book

Christa Bohlmann

0,0

Beschreibung

Die beiden Senioren Hella und Udo haben durch Zufall eine neue Freizeitbeschäftigung gefunden. Nach dem Abendessen tauschen sie bis zum Beginn der Tagesschau ihre Erinnerungen an die 50er und 60er Jahre aus. Sie befassen sich mit ihrer Kindheit und der Zeit, in der sie sich vor gut fünfzig Jahren kennen und lieben gelernt hatten. Ein Memory-Kärtchen bestimmt jeweils das Thema für die abendliche Unterhaltung. Mal plaudern sie über Fußball, mal über Fisch, über Weihnachten und über Musik, als das Kärtchen eine Gitarre zeigte. Hella und Udo lassen Träume und Bilder aus der Vergangenheit wach werden und haben Freude an der Erinnerung an eine meist schöne Zeit. Achtung es besteht Ansteckungsgefahr! Die Wahrscheinlichkeit ist groß, selbst beim Rückblick in die Vergangenheit ins Schwelgen zu geraten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 101

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Vorwort

Udo und Hella

Spiele

Petticoat

Beim Doktor

Traum vom Fliegen und Hawaii

Schlager-Hits

Noch mehr Musik

Kirche

Fußball

Von Haus zu Haus

Goldene Hochzeit

Kniffel

Autos

Werbung

Kindergeburtstag

Lehrjahre

Rakete

Fotos

Weißt du noch?

Udo

Hella

Zwangspause

Fröhliche Weihnachten

Fisch und mehr

Geburt

Globus

Stadt, Land, Fluß

Unterwegs

Vorwort

Als ich mich im letzten Jahr in die 50er und 60er Jahre zurückversetzt fühlte und meine Gedanken im Buch „Als Oma noch Kind war“ festhielt, habe ich scheinbar viele Menschen angesteckt. So jedenfalls die Reaktion der Leser, denn auch sie tauchten gedanklich in ihre Vergangenheit ein und berichteten mir begeistert von ähnlichen Erlebnissen aus dieser Zeit.

Weil mir noch so viele Erinnerungen an diese Zeit im Kopf blieben, entschloss ich mich, ein weiteres Buch zu schreiben. Dafür erfand ich ein Ehepaar und ließ Hella und Udo erleben, was häufig typisch oder prägend für die 50er und 60er Jahre war.

Im Buch „Wenn Oma und Opa erzählen“ habe ich Erdachtes, Erlebtes und Erlauschtes miteinander vermischt.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig. Ähnlichkeiten mit Erlebnissen aus meiner Zeit als Teenager oder junge Mutter will ich nicht leugnen.

Mein Dank gilt wieder meinen Helfern:

Alfred, zuständig für die Fotos

Biene, Heinz und Rosi,

meinen Korrekturlesern

Eckhard, meinem technischen Berater

Ein besonderes Vergnügen war es wieder, mit meiner Schwester Rosi die Fehlerchen auszumerzen, denn wir treffen dabei im Text häufig auf gleiche Erinnerungen.

Wir sind eben aus einem Töpfchen!

Udo und Hella

Es war wieder ruhig im Haus. Der Besuch war nach Udos 75. Geburtstag abgereist: sein Sohn Michael mit Frau Sabine und seine Tochter Andrea mit ihrem Mann Stefan, die drei Enkel Benjamin, Nina und Amrei mit Mann beziehungsweise Frau oder Freund und sogar die erste kleine Urenkelin Tilda.

Udo hatte seine Frau Hella tatkräftig dabei unterstützt, die gewohnte Ordnung im Haus wieder herzustellen. Geschirr und Gläser standen spiegelblank im Schrank, die Speisereste waren im Gefrierschrank verstaut, die Betten der Besucher waren abgezogen und die Waschmaschine hatte vorübergehend Dauerbetrieb übernehmen müssen. Alle zusammen konnten nicht in den früheren Kinderzimmern untergebracht werden, aber immerhin sechs von ihnen hatten im Elternhaus übernachtet.

Der Trubel war vorüber und der Alltagstrott lag vor ihnen. Vor 52 Jahren hatten Udo und Hella geheiratet. Sie erinnerten sich oft und gern an die gelungene Feier ihrer Goldenen Hochzeit. Mehr als fünfzig Jahre, die wie im Flug vorüber gegangen waren. Auch für die beiden hatte es reichlich Hochs und Tiefs gegeben, aber was auch immer für Probleme zu bewältigen waren – sie hatten zueinander gestanden.

Jetzt genossen beide ihren Ruhestand und versuchten, das Beste aus ihrem gemeinsamen Leben zu machen. So ganz fit waren sie nicht mehr: Vor drei Jahren hatte Udo einen Herzinfarkt und jetzt sorgte ein Schrittmacher für geordnete Herzensangelegenheiten. Für die medizinischen! Das war damals ein großer Schock für Hella, die sehr glücklich war, dass alles noch glimpflich ausgegangen war. Sie selbst litt unter Arthrose in den Gelenken und ertrug meist geduldig die Schmerzen. Manchmal reichte die Geduld nicht und sie wollte schier verzweifeln.

Das Abendessen nahmen Hella und Udo meist gegen 18 Uhr ein. Danach wurde noch einmal „klar Schiff“ in der Küche gemacht und spätestens zur Tagesschauzeit saßen sie gemütlich vor dem Fernseher.

Spiele

Dann passierte etwas, das Abwechslung in ihr Leben bringen sollte. Im Wohnzimmer türmte sich noch ein Stapel Spiele auf, mit denen sich die Kinder und Enkel beschäftigt hatten. Spiele aus Michaels und Andreas Kinderzeit: Mensch ärgere Dich nicht, Halma, Mühle, das Hütchenspiel, Shogun, Kniffel, Monopoly, Memory und einige mehr.

„Lass uns mal ne Runde spielen“, schlug Hella vor. So ganz begeistert schien Udo nicht, doch er ließ sich breitschlagen und sie spielten nach dem Abendessen eine Runde Shogun.

Dann noch eine, denn der Verlierer sollte ja die Chance zur Revanche bekommen.

Scheinbar hatte es Udo doch Spaß gemacht, denn er schlug vor, das Shogun-Spiel als unterstes zu platzieren und morgen mit dem nächsten oben liegenden Spiel fortzufahren.

„Wir probieren jeden Tag ein anderes aus, bis wir alle durch haben“, meinte er. Schmunzelnd fügte Hella hinzu:

„Wenns uns danach immer noch Spaß macht, fangen wir wieder von vorne an.“

Und so ergab es sich, dass Hella und Udo möglichst jeden Abend die Zeit zwischen Essen und Tagesschau für ein paar Spielchen nutzten. Hella hatte noch ein dickes Sparschwein gefunden und sie schlug vor, um Geld zu spielen.

„20 Cent für ein verlorenes Match sind doch nicht zu viel, oder was meinst du?“ Obwohl er das ziemlich lächerlich fand, stimmte Udo grinsend zu. Ihm war aufgefallen, dass das Memory-Spiel täglich wieder nach unten gewandert war, obwohl es längst an der Reihe gewesen wäre. Und er hakte nach:

„Sag mal, schiebst du das Memory immer wieder nach unten?“

„Jetzt hast du mich aber ertappt. Ja, das habe ich schon früher nicht gerne gespielt. Da habe ich immer verloren, weil ich mir nie merken konnte, wo sich die Kärtchen mit den passenden Symbolen verbargen. Ich mag das nicht, wir sollten es verschwinden lassen oder im Tüdelladen abgeben. Es ist ja noch wie neu.“

„Kannst du machen, aber erst spielen wir noch einmal damit. Heute Abend – einverstanden?“

Petticoat

Wortlos nickte Hella dazu. Beide verdeckten die Memory-Karten und vermischten sie auf dem großen Tisch. Nacheinander begannen sie, die Kärtchen aufzudecken, um zwei mit denselben Symbolen herauszufinden. Hella zeigte ihre Unlust durch hörbares Gähnen. Dann hatte sie tatsächlich das erste Pärchen gefunden: ein buntes Röckchen, weißgrundig mit lauter Marienkäfern darauf. Plötzlich schien sie wie durch einen Zauber wieder munter geworden zu sein, denn dieses Röckchen erinnerte sie an eins, das sie als junges Mädchen getragen hatte. Eins, von ihrer Mutter genäht. Damals war sie wohl 13 oder 14 Jahre alt. Aufgeregt erzählte sie Udo davon und beschrieb den Petticoat, den sie dazu getragen hatte.

„Auch den hatte Mutti mir aus alten Betttüchern genäht. Er war dreistufig und hatte unten eine Spitze. Die untere Lage hatte eine unglaubliche Weite. Manchmal trug ich sogar zwei davon übereinander. Nach der Wäsche wurden die Petticoats ordentlich gestärkt und gebügelt und die Röcke oder Kleider standen wie eine 1!“

„Ja“, fügte Udo hinzu, „das war eine schöne Mode. Schmale Taille, breite Gürtel, weite Röcke, Pferdeschwanz und Rock’n Roll tanzen, das gehörte zusammen.“

Hella und Udo stellten fest, dass sie durch den Altersunterschied von vier Jahren nicht die gleichen Erinnerungen an die 50er und 60er Jahre hatten. Die Zeit der Rockmusik hatte Udo in bester Erinnerung, doch Hella war damals noch zu jung dafür. Als sie mit 15 einen Tanzkurs besuchte, da lernte sie vor allem die Standard-Tänze. Rock’n Roll, Twist und ähnliche Tänze wurden in diesem Kurs nur am Rand vermittelt.

Diese Memory-Kärtchen mit dem Marienkäfer-Röckchen lieferten eine ungeahnte Menge Gesprächsstoff für Hella und Udo.

„Ich erinnere mich noch an einen Sonntagvormittag. Ich musste als Vor-Konfirmandin zum Kindergottesdienst und wähnte mich in der letzten Reihe sitzend. Es war ein warmer Tag und ich trug eine weiße ärmellose Bluse, dazu einen weiten Sommerrock mit dem damals modernen Petticoat. Als der Pastor zum Ende kam und wir uns zum Gebet erheben mussten, blieb ich nach dem „Amen“ noch ein Momentchen stehen um meine Kleidung zu richten. Dazu gehörte, mit den Händen zwischen Rock und Petticoat die Blusenenden zu fassen, um die Bluse straff zu ziehen, denn das betonte die Wespentaille. Der nächste Griff ging dann unter die Leinen-Unterröcke, um sie aufzubauschen, falls sie sich nach dem Sitzen auf der Kirchenbank platt gesessen hätten. Plötzlich hörte ich ein leises Hüsteln hinter mir und drehte mich erschrocken um. Ein Mitkonfirmand war mit Verspätung zum Gottesdienst gekommen und hatte meine Aktionen unter dem Rock aus nächster Nähe gesehen. Meine Güte, wie habe ich mich geschämt.“

Bevor sie die Unterhaltung beendeten, denn es ging auf 20 Uhr, setzte Hella noch einmal nach. Damals habe ich die „Stadtmädchen“ beneidet, die einen Petticoat aus steifem Perlon-Material trugen. Nichtwissend, dass unsere Röcke viel mehr wippten als die anderen, wünschte ich mir bei nächster Gelegenheit auch so ein künstliches Monstrum. Wie sich beim Tragen herausstellte, konnte es ganz schön kratzig sein“

„Schade, dass die Zeit schon vorbei ist, zum Thema Tanzstunde gäbe es auch noch viel zu erzählen, aber das machen wir demnächst“, meinte Hella und schaltete den Fernseher an.

Und auf die nächste Spiel- und Plauderstunde freuten sich schon beide.

Beim Doktor

Hella hatte eine Idee – heimlich drehte sie alle Memorykärtchen um, so dass diese mit der Bildseite vor ihr lagen. Tatsächlich, da lag noch allerhand Gesprächsstoff drin. Sie wollte eine Portion weiblicher List einsetzen und ihren Udo davon überzeugen, auch nach dem nächsten Abendessen Memory zu spielen. Memory – das Spiel, das sie im Grunde gar nicht mochte.

Mit dem Kniffel-Spiel in der Hand kam Udo an den Tisch, während Hella noch die letzten Krümel entfernte.

„Och nee“, meinte sie, als sie Udo mit dem Spiel sah, das er gerade vorbereiten wollte.

„Lass uns lieber noch einmal Memory spielen, damit sind wir ja gestern nicht weit gekommen. Haben doch gleich nach dem ersten Pärchen aufgehört.“

„Ich denke, du magst es nicht. Aber wie du meinst. Wie immer – dein Wunsch ist mir Befehl“, meinte Udo kopfschüttelnd und holte das gewünschte Spiel. Es dauerte nicht lange, bis Udo zwei passende Kärtchen gefunden hatte: einen Arzt im weißen Kittel mit Stethoskop in der Hand.

Ja, diese Karten luden wieder zu Erinnerungen aus der Kinderzeit ein.

„Was hat sich doch alles geändert“, eröffnete Hella die heimlich geplante Gesprächsrunde.

„Beim Doktor ist es auch nicht mehr so wie früher. Ich erinnere mich an unseren Hausarzt in meiner jüngsten Kinderzeit. Der hatte eine so laute Stimme, dass meine größere Schwester Antje sich vor Angst immer hinter einem großen Rhabarberbusch versteckte, wenn er kam. Mein Vater hatte ja ein Motorrad und das wusste der Arzt. Mit seiner lauten Art polterte er eines Tages durch die Haustür und fragte, ob mein Vater zuhause sei. Er müsse dringend zu einem Patienten im Nachbarort. Doch diesen Satz sprach er nur halb aus, denn er hatte den Duft von frisch gebackenen Kartoffelpuffern in die Nase bekommen. Mit Selbstverständlichkeit wurde er an den Tisch gebeten und er verschlang mit großem Appetit diverse Puffer mit frischem

Apfelmus, bevor mein Vater ihn auf dem Sozius zu seinem Notfall brachte.“

Udo grinste und erinnerte sich: „Wenn wir früher erkältet waren oder gar eine Grippe hatten, wurden erstmal die alten Hausmittel eingesetzt. Das Fieber wurde mit Brust- und Wadenwickeln bekämpft oder auch mit heißem Holunderbeerensaft. Und zum Hustenlösen gab es heiße Milch mit Butter und Zucker. Die heiße Milch hatte eine so dicke Haut, dass der Zucker drauf liegen blieb. Für mich war das einfach nur eklig.“ Bei der Erinnerung daran schüttelte Udo sich.

„War da nicht noch etwas mit heißen, gestampften Kartoffeln, die zwischen Leinentüchern auf die Brust gelegt wurden? Und so eine Masse aus gekochten Zwiebeln mit Honig gegen Husten? Erst wenn all diese Mittel nicht halfen, wurde nach ein paar Tagen der Arzt um einen Hausbesuch gebeten.“

„Falls jemand einen wässrigen Schnupfen hatte, trocknete er die nassen Taschentücher auf der Herdstange und benutzte die Tücher weiter, nachdem sie getrocknet waren. Igitt! Sicher hing gleich nebenan das Tuch eines anderen Familienmitglieds. Überschrift: Ansteckung leicht gemacht! Aber das alles haben wir gut überstanden, oder? Tempotaschentücher waren noch ein Luxusartikel.“

Es war erstaunlich, wie viele Erinnerungen ihnen in den Sinn kamen. Offensichtlich war es ein Vergnügen, diese auszutauschen. Meistens ging es dabei um Erlebnisse aus ihrer Kinderzeit und welche, die sie als Jugendliche gehabt hatten.

Hella fiel noch etwas zum Thema „Doktor“ ein:

„1952 lag ich wegen einer schlimmen Nierengeschichte ein paar Wochen im Krankenhaus. Mein Bettchen stand mitten in einem Krankensaal, in dem zwölf Betten belegt waren. Kranke Frauen mit allerhand Gebrechen kümmerten sich teilweise auch um mich. In diesem Saal gab es zwei riesengroße helle Lampen unter der Decke, eine davon hing genau über meinem Bettchen. Mehrfach klingelten nachts die Patientinnen und ich wurde gnadenlos von dem lauten Geräusch des Knipsschalters und dem hellen Licht der Lampe über mir geweckt.