Werkerassistenzsysteme und Cobots in den Iserlohner Werkstätten - Raimund Schmolze-Krahn - E-Book

Werkerassistenzsysteme und Cobots in den Iserlohner Werkstätten E-Book

Raimund Schmolze-Krahn

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Beschreibung

Die Sozialwirtschaft steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Sehr dringlich wahrgenommen werden die Auswirkungen des demographischen Wandels. Er führt dazu, dass die Nachfrage nach den Angeboten der Sozialwirtschaft steigt. Immer mehr Menschen werden alt und gebrechlich. Gleichzeitig gehen die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen dramatisch zurück. Neben den Rufen nach grundlegenden Reformen und einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Sozialwirtschaft gilt es nach Lösungen zu suchen. Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, neue Wege zu gehen und Angebote zu schaffen, die Fachpersonal entlasten und zugleich ein attraktives Arbeitsumfeld für Fachpersonal und Mitarbeitende schaffen. Viele Unternehmen der Sozialwirtschaft fremdeln noch mit der Digitalisierung. Ihre Bedeutung mag erkannt werden, aber insbesondere angesichts mangelnder Refinanzierungsmöglichkeiten sind beherzte Vorgehensweisen rar gesät. Die Iserlohner Werkstätten haben die Chancen der Digitalisierung früh erkannt und in Arbeitsgruppen den Einsatz unterschiedlichster Assistenzsysteme im Detail untersucht. Eine Reihe erster Projekte wurde aufgenommen. Doch auch hier wirkten sich mangelnde Möglichkeiten der Finanzierung hemmend aus. Ein wirkmächtiges Förderangebot der Stiftung Wohlfahrtspflege ermöglichte es schlussendlich, dass ein großer Schritt gemacht werden konnte. Mit der Einführung von Werkerassistenzsystemen und kollaborativen Robotern an allen Standorten der Iserlohner Werkstätten haben sich das Arbeitsumfeld und die Arbeitsangebote in den Werkstätten nachhaltig verändert. Noch besteht ein Nebeneinander von klassischen und digital assistierten Arbeitsplätzen. Doch schon heute ist erkennbar, dass dem ersten Schritt weitere Schritte folgen werden und eine grundlegende Neudefinition von Arbeit im Wirkbereich der Iserlohner Werkstätten erfolgen wird. Die hier vorgestellte Untersuchung soll es anderen Trägern leichter machen, den Weg der Digitalisierung nachhaltig einzuschlagen. Sie ist bewusst reich bebildert, um eine niederschwellige Auseinandersetzung zu ermöglichen. Gleichzeitig setzt sie sich detailliert mit den in den Werkstätten wahrgenommenen Effekten der Werkerassistenzsysteme und kollaborativen Roboter auseinander. Es soll erreicht werden, dass Unsicherheiten bei der Einführung von digitalen Assistenzsystemen abgebaut werden.

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Seitenzahl: 70

Veröffentlichungsjahr: 2023

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VORWORT

Die Corona-Pandemie hat auch die Iserlohner Werkstätten hart getroffen. Unsere klassische und sehr arbeitsteilige Herangehensweise an die Produktion war über Nacht durch Seuchenschutzgesetze obsolet. Neue Wege mussten gegangen werden und zum Glück hatten wir bereits in den Jahren vorher das Thema der Digitalisierung auf unsere Agenda gesetzt. Wir hatten zumindest eine Idee, wie Digitalisierung uns helfen könnte in der Krise zu bestehen und uns als Arbeitgeber für Menschen mit Behinderungen und als Unternehmen langfristig zu entwickeln. Es fehlten allein die Mittel, um die Möglichkeiten der Digitalisierung wirkmächtig zum Einsatz zu bringen. Der Aufruf der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW „Zugänge erhalten – Digitalisierung stärken“ eröffnete uns eine Möglichkeit der Finanzierung, die wir beherzt genutzt haben. Wir haben das klassische Pilotprojekt ausgelassen, bei dem man erste Erfahrungen sammelt. Stattdessen sind wir, letztendlich aus der Notlage heraus, unmittelbar zu einem flächendeckenden Einsatz digitaler Assistenzsysteme in der Produktion gekommen. Mit einer Investition von knapp einer Million Euro für fünfzehn Werkerassistenzsysteme und neun Roboter haben wir an allen fünf Standorten der Iserlohner Werkstätten neue Wege der Produktion aber auch der individuellen Assistenz eröffnet. An dieser Stelle abermals Dank an die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW für das uns entgegengebrachte Vertrauen.

Der von uns eingeschlagene Weg führte uns zu Herausforderungen, aber die genutzten Chancen überwiegen deutlich. Unsere Möglichkeiten in der Fertigung haben sich durch den Einsatz der Systeme deutlich erweitert.

Menschen mit Behinderungen übernehmen spürbar mehr Verantwortung und erleben eine deutlich gestärkte Teilhabe am Arbeitsleben.

Einerseits durch die Bewältigung komplexerer Aufgaben und andererseits durch ein Mehr an Autonomie. Hatten wir anfangs noch gedacht, dass die Geräte unsere Produktion weiter standardisieren, erlebten wir im praktischen Einsatz das Gegenteil. Die digitalen Assistenzsysteme machen es uns möglich, Menschen mit Behinderungen sehr individuell nach ihren jeweiligen Bedürfnissen zu fördern und zu unterstützen.

Für uns ist dieses Projekt somit ein voller Erfolg, der mustergültig auch für andere Unternehmen aus dem Kreis der Werkstätten für behinderte Menschen, aber auch von Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes ist. Die folgende Dokumentation und Evaluation haben das Ziel, unsere Erfahrungen transparent zu machen. Wir möchten zur Nachahmung anregen und den Transfer unserer Erfahrungen ermöglichen.

Martin Ossenberg

Geschäftsführer der Iserlohner Werkstätten

DANKSAGUNG

Dieses Projekt wäre ohne die großzügige Förderung der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW nicht möglich gewesen. Sie hat die Voraussetzungen geschaffen, dass ein Projektteam, das im Kern aus Udo Becker, Rene Wenzel, Maike Franke und Elmar Schroeer bestand, in den Iserlohner Werkstätten diese innovative Technologieeinführung durchführen konnte. Ihnen standen bei der Firma Ulixes das Team um Anton Nagler und bei Rethink das Team von Donata Eder zur Seite. André Ludwig danken wir für die vielen Fotografien, die diesen Bericht wesentlich anschaulicher machen. Hanna Marie Stier war so freundlich die grafische Gestaltung dieses Buchs zu übernehmen, auch ihr gilt ein herzlicher Dank. Im Team der syndeum geht ein besonderer Dank an Nina Rehme für ihren fundierten Beitrag zur Auswertung der Befragungen und bei der Erstellung dieses Berichts. „Last but not least“, geht ein ganz herzlicher Dank an Jonas Einck, der das Manuskript mit wachem Auge von Fehlern und Inkonsistenzen befreit hat.

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Danksagung

Einleitung

1 AUSGANGSLAGE

1.1 Die Iserlohner Werkstätten

1.2 Digitalisierung als Mittel zur Überwindung der Coronakrise 2020/21

1.3 Der Aufruf der Stiftung Wohlfahrtspflege, im Rahmen des Sonderprogramms „Zugänge erhalten – Digitalisierung stärken“

2 VORSTELLUNG DER DIGITALEN ASSISTENZSYSTEME

2.1 Werkerassistenzsysteme

2.2 Cobots – Mensch-Roboter-Kollaboration

3 ZIELSETZUNGEN

4 PROJEKTVERLAUF

4.1 Projektstart

4.2 Aufbau des Labs

4.3 Einrichtung der Werkerassistenzsysteme und der kollaborativen Roboter

4.4 3D-Druck als wesentliche Ergänzung zu den Systemen

4.5 Projektabschluss

5 ERGEBNISSE DER VORHER-NACHHER-BEFRAGUNG

5.1 Zielgruppe und Durchführung der Vorbefragung

5.2 Zielgruppe und Durchführung der Nachbefragung

5.3 Ergebnisse der Vorher-Nachher-Befragung zum Werkerassistenzsystem

5.3.1 Allgemeines Stimmungsbild

5.3.2Vorteile und Herausforderungen

5.4 Ergebnisse der Vorher-Nachher-Befragung zur Mensch-Roboter-Kollaboration

5.4.1 Allgemeines Stimmungsbild

5.4.2 Vorteile und Herausforderungen

5.5 Auswertung der Pressestimmen

5.6 Auswertung der Transfertreffen

6 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND BILANZ

6.1 Transformation der Arbeitsorganisation

6.2 Kompetenz- und Persönlichkeitsförderung

6.3 Akzeptanz und Motivation

6.4 Partizipation

6.5 Inklusionspotenzial

6.6 Programmierung

6.7 Assistierter Mensch-Roboter Arbeitsplatz

7 EMPFEHLUNGEN AN EINRICHTUNGEN, DIE GLEICHE ODER ÄHNLICHE PROJEKTE PLANEN

7.1 Empfehlungen für Werkstätten mit Behinderung und Inklusionsunternehmen

7.2 Empfehlungen für Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Kurzprofile der Projektpartner

Über den Autor

EINLEITUNG

Die Sozialwirtschaft steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Sehr dringlich wahrgenommen werden die Auswirkungen des demographischen Wandels. Er führt dazu, dass die Nachfrage nach den Angeboten der Sozialwirtschaft steigt. Immer mehr Menschen werden alt und gebrechlich. Gleichzeitig gehen die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen dramatisch zurück. Neben den Rufen nach grundlegenden Reformen und einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Sozialwirtschaft gilt es nach Lösungen zu suchen.

Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, neue Wege zu gehen und Angebote zu schaffen, die Fachpersonal entlasten und zugleich ein attraktives Arbeitsumfeld für Fachpersonal und Mitarbeitende schaffen. Viele Unternehmen der Sozialwirtschaft fremdeln noch mit der Digitalisierung. Ihre Bedeutung mag erkannt werden, aber insbesondere angesichts mangelnder Refinanzierungsmöglichkeiten sind beherzte Vorgehensweisen rar gesät.

Die Iserlohner Werkstätten haben die Chancen der Digitalisierung früh erkannt und in Arbeitsgruppen den Einsatz unterschiedlichster Assistenzsysteme im Detail untersucht. Eine Reihe erster Projekte wurde aufgenommen. Doch auch hier wirkten sich mangelnde Möglichkeiten der Finanzierung hemmend aus. Ein wirkmächtiges Förderangebot der Stiftung Wohlfahrtspflege ermöglichte es schlussendlich, dass ein großer Schritt gemacht werden konnte.

Mit der Einführung von Werkerassistenzsystemen und kollaborativen Robotern an allen Standorten der Iserlohner Werkstätten haben sich das Arbeitsumfeld und die Arbeitsangebote in den Werkstätten nachhaltig verändert. Noch besteht ein Nebeneinander von klassischen und digital assistierten Arbeitsplätzen. Doch schon heute ist erkennbar, dass dem ersten Schritt weitere Schritte folgen werden und eine grundlegende Neudefinition von Arbeit im Wirkbereich der Iserlohner Werkstätten erfolgen wird.

Die hier vorgestellte Untersuchung soll es anderen Trägern leichter machen, den Weg der Digitalisierung nachhaltig einzuschlagen. Sie ist bewusst reich bebildert, um eine niederschwellige Auseinandersetzung zu ermöglichen. Gleichzeitig setzt sie sich detailliert mit den in den Werkstätten wahrgenommenen Effekten der Werkerassistenzsysteme und kollaborativen Roboter auseinander. Es soll erreicht werden, dass Unsicherheiten bei der Einführung von digitalen Assistenzsystemen abgebaut werden.

AUSGANGSLAGE

01

1.1 DIE ISERLOHNER WERKSTÄTTEN

Die Iserlohner Werkstätten gGmbH ist eine Unternehmung der Diakonie Mark-Ruhr. Sie bietet an fünf Standorten über 1.000 anerkannte Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen sowie psychischen Erkrankungen. Hinzu kommen zahlreiche Außenarbeitsplätze in heimischen Unternehmen. Neben den Menschen mit Behinderungen sind die Iserlohner Werkstätten ein attraktiver Arbeitgeber für 300 tariflich angestellte Mitarbeiter:innen. Das Leistungsspektrum für externe Kund:innen in der Region umfasst u.a. Elektro- sowie Industriemontage, Büroservice/Werbemittellogistik und Wäschereidienstleistungen. Sie sind sowohl regional als auch überregional als kompetenter Partner bekannt und verbinden Inklusion und Teilhabe am Arbeitsleben mit den Ansprüchen ihrer Wirtschaftspartner:innen. Die Iserlohner Werkstätten haben es sich zum Ziel gemacht, allen ihren Mitarbeitenden ein abwechslungsreiches, interessantes und breit gefächertes Qualifizierungs- und Arbeitsangebot anzubieten. Mit ihrem Slogan „Arbeit. Leben. Qualität.“ bringen die Iserlohner Werkstätten den Teilhabe- und Inklusionsanspruch von Menschen mit Behinderungen win allen Lebensbereichen zum Ausdruck und sind seit mehr als fünf Jahrzehnten an der Realisierung einer inklusiven Gesellschaft beteiligt.

Abbildung 1: K38, Sitz der Iserlohner Werkstätten

1.2 DIGITALISIERUNG ALS MITTEL ZUR ÜBERWINDUNG DER CORONAKRISE 2020/21

Die Digitalisierung ist für die Iserlohner Werkstätten kein Neuland. Im administrativen Bereich wird bereits verstärkt digital gearbeitet. Der Produktions- und Arbeitsbereich hingegen ist noch recht traditionell und bis auf wenige Ausnahmen nicht mit automatisierten und digitalisierten Montage- und Verpackungsarbeitsplätzen ausgestattet. Die Produktionsprozesse organisieren sich, wie sehr oft in Werkstätten für behinderte Menschen, vorwiegend arbeitsteilig, sodass in der Fertigung meist nur einige wenige Arbeitsschritte von der gleichen Person erledigt werden. Bauteile werden im Fertigungsprozess innerhalb einer Arbeitsreihe von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz weitergereicht und dort von einer:m anderen Mitarbeitenden bearbeitet, um den jeweils folgenden Fertigungsschritt zu erzielen. Begleitet wird dieser Prozess durch Fachkräfte für Arbeits- und Berufsförderung (FAB). Sie überblicken und organisieren den gesamten Produktionsprozess und geben Hinweise zur richtigen Umsetzung des jeweiligen Arbeitsschrittes. Die Fachkräfte für Arbeits- und Berufsförderung müssen gleichermaßen die Kund:innenanforderungen sowie die Bedürfnisse der Mitarbeitenden beachten. Sie achten auf die korrekte Produktion und übernehmen gleichzeitig soziale und zwischenmenschliche Aufgaben (vgl. Fraunhofer IPA 2017: https://www.ipa.fraunhofer.de).