Wertschöpfung statt Verschwendung - Peter Lacy - E-Book

Wertschöpfung statt Verschwendung E-Book

Peter Lacy

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Beschreibung

Die Circular Economy oder Kreislaufwirtschaft schickt sich an, die größte Veränderung der globalen Wirtschaft seit der industriellen Revolution vor 250 Jahren zu werden. Sie steht für die Abwendung von traditionellen Produktions- und Konsummodellen, entkoppelt Wachstum von der Nutzung natürlicher Ressourcen und verhindert negative Einflüsse auf die Umwelt. Wertschöpfung statt Verschwendung handelt von neuen Strategien, die insbesondere durch die digitale Revolution ermöglicht werden und die nicht nur zum Umweltschutz beitragen, sondern auch zu den Unternehmensgewinnen. Das Buch untersucht fünf neue Geschäftsmodelle, die Wachstum mit Hilfe der Kreislaufwirtschaft unterstützen – vom Einsatz erneuerbarer Ressourcen bis hin zur Sharing Economy. Fallbeispiele konkretisieren jedes Modell und zeigen die Herausforderungen auf, die bei der Umsetzung jeweils entstehen. Es geht dabei nicht allein um die Vermeidung von Mangel – es geht vielmehr um die Schaffung von Überfluss. Überfluss im Sinne einer bestmöglichen Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen und Vermögenswerte. Und Überfluss im Sinne von neuen, innovativen Produkten und Dienstleistungen, die Kunden überzeugen

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Seitenzahl: 440

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Wir widmen dieses Buch den Young Global Leaders des Weltwirtschaftsforums – der nächsten Generation von Führungskräften, die uns fortlaufend inspiriert und unterstützt haben. Es ist auch jenen gewidmet, die bereits vor uns das Denken und Handeln in Bezug auf die Circular Economy geprägt haben. Und schließlich und vor allem ist es Jack, Sam, Felix und Henny gewidmet, unseren vier Kindern. Dieses Buch gilt letztlich ihnen und ihrer Zukunft.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
[email protected]
1. Auflage 2015
© 2015 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
© Peter Lacy, Jakob Rutqvist und Philipp Buddemeier 2015
Die englische Originalausgabe erschien 2015 bei Palgrave Macmillan unter dem Titel Waste to Wealth.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Jordan T. A. Wegberg
Redaktion: Ulrike Kroneck, Melle Buer
Originalabbildung: Origami Design by Won Park
Satz und E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-86881-599-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-748-7
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-747-0

Inhalt

Vorbemerkung der Autoren
Vorworte
Zusammenfassung
Teil 1: Ein Plädoyer für die Circular Economy
Kapitel 1: Geliehene Zeit
Kapitel 2: Die Wurzeln der Circular Economy
Kapitel 3: Den Circular Advantage erzielen
Teil 2: Fünf neue Geschäftsoptionen für das Kreislaufwachstum
Kapitel 4: Circular-Supply-Chain: »Von Anfang an«
Kapitel 5: Wiederverwertung und Recycling: Der Abfall wird Geschichte
Kapitel 6: Die Geschäftsoption Lebenszyklusverlängerung: Produkte, die halten sollen
Kapitel 7: Die Geschäftsoption Kollaborationsplattform: Ungenutzte Güter optimal auslasten
Kapitel 8: Die Geschäftsoption Product as a Service: Leistung geht vor Eigentum
Teil 3: Den Circular Advantage schaffen
Kapitel 9: Geschäftsoptionen der Circular Economy: Entwicklung, Mitwirkende und Ökosysteme
Kapitel 10: Technologie und digitaler Vorsprung mit Circular Advantage: Zehn Verwandlungsakte
Kapitel 11: Fünf wichtige Fähigkeiten in der Circular Economy zur Wertsteigerung
Kapitel 12: Die Macht der Politik
Teil 4: Los geht’s!
Kapitel 13: Den Vorteil sichern: Los geht’s!
Methodik
Anhang
Die Autoren
Anmerkungen
Leserstimmen zu Waste to Wealth

Vorbemerkung der Autoren

Wir haben dieses Buch geschrieben, damit Sie, lieber Leser, mehr Informationen über die einleuchtenden Methoden der Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) erhalten – einer wachstumsorientierten, unternehmerisch ausgerichteten Idee, deren Zeit gekommen ist. Welche Hoffnung verbinden wir damit? Durch praxisbezogene Bücher wie das vorliegende möchten wir Entscheidungsträger in die Lage versetzen, die Circular Economy als einen Wandel zu erkennen, der vergleichbar ist mit der Globalisierung und der digitalen Revolution – und der tatsächlich diese beiden in eine revolutionäre Kraft zusammenführt. Dieser Schritt lenkt den Blick auf eine neue Ära des Wachstums und der Innovation, in der wirtschaftlicher Erfolg nicht mehr auf der Verwertung knapper natürlicher Ressourcen basiert, sondern an deren Ende eine Weltwirtschaft steht, die für alle Zeiten genug für alle bieten kann.

Dieses Buch ist das Ergebnis einer intensiven, zwei Jahre andauernden intellektuellen Reise. Sie wäre niemals möglich gewesen ohne die wunderbare Unterstützung des Weltwirtschaftsforums, seiner Young Global Leaders (YGL) und vor allem der Mitglieder der YGL Circular Economy Taskforce sowie David Rosenberg und Ida Auken, den Mitvorsitzenden von Peter Lacy in dieser Taskforce. Ihre Mitglieder sind zu zahlreich, um einzeln erwähnt zu werden, aber sie wissen, wer sie sind. Wir heben David und Ida an dieser Stelle besonders hervor, da sie nicht nur inspirative Führungskräfte im »Big Business« sind, sondern auch ein führender Unternehmer beziehungsweise eine Politikerin. Sie sind genau die Art von Menschen, die Veränderungen tatkräftig angehen und die für eine rasche Ausbreitung der Circular Economy vonnöten sind.

Vorworte

Deutschland ist Pionier des grünen Wirtschaftswachstums und weltweit anerkannter Produzent hochinnovativer Produkte. Allerdings kommen wegweisende Vorbilder für die Circular Economy, basierend auf dem Einsatz neuartiger Technologien und Geschäftsmodelle, noch immer überwiegend aus dem Ausland. Das zu verändern ist die Absicht dieses Buchs.

Mit der Einführung des Dualen Systems »Der Grüne Punkt« wurde hierzulande 1990 der Grundstein für das erste umfassende Abfallmanagement in einem Industrieland gelegt.1 Heute gibt es in Deutschland de facto fast kein Deponieren von Abfällen mehr. Die Recyclingraten vieler Materialien liegen bei über 60 Prozent, wie etwa bei Aluminium und Blei. Im Falle von Glas und Papier konnten sich sogar nahezu geschlossene Stoffkreisläufe etablieren.2

Mit der Energiewende hat Deutschland eine führende Rolle in der Abkehr von der Nutzung fossiler Energieträger eingenommen – der Anteil erneuerbar erzeugter Energie am Bruttostromverbrauch ist von wenigen Prozent im Jahr 1990 auf mittlerweile über 27 Prozent gesteigert worden.3 Im gleichen Zeitraum sank die Freisetzung klimawirksamer Gase im Vergleich zum Jahr 1991 um 24 Prozent.4

All dies wurde erreicht, obwohl die Wirtschaftsleistung im gleichen Zeitraum um 84 Prozent gewachsen ist.5 Dieser enorme Fortschritt findet internationale Beachtung. Deutschland gilt inzwischen als Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit.6 Doch die deutsche Umsetzung der Circular Economy ist noch immer stark auf das Recycling von Abfall limitiert.

Einen Schritt weiter geht inzwischen die deutsche Automobilindustrie mit neuen nachhaltigen wie kundenzentrierten Geschäftsmodellen. So haben BMW und Daimler mit DriveNow und Car2Go erfolgreich den Einstieg in das Carsharing geschafft. Car2Go etwa hatte im Dezember 2014 bereits mehr als eine Millionen Kunden weltweit.7 Abseits dessen geht BMW das Thema knapper Ressourcen auch mit dem BMW i3 an. Das viertmeistverkaufte Elektrofahrzeug Europas8 verwendet im Innenraum bis zu 25 Prozent erneuerbare Rohmaterialien und wiederverwertete Kunststoffe.9

Aber nicht nur die Automobilhersteller geben im deutschsprachigen Raum die Richtung vor, auch in anderen Branchen werden die Zeichen der Zeit erkannt. So kooperiert das Schweizer Unternehmen I:CO weltweit mit bekannten Bekleidungsunternehmen wie H&M oder PUMA, um gebrauchte Textilien einzusammeln und zu verwerten.10 Dadurch wird es den Kleidungsfirmen erleichtert, Recyclingmaterial in ihre Produkte einzuarbeiten. Bei H&M liegt die mögliche Beimischung mittlerweile bei bis zu 20 Prozent.11

Alle diese Ansätze sind durchaus vielversprechend. Dennoch stellt sich die Frage, ob diese singulären Entwicklungen ausreichen, um der zukünftigen Ressourcenverknappung zu begegnen. Und ob unsere Wirtschaft bereits die besten Lösungen verwendet, um die Nutzung primärer Rohstoffe von der ökonomischen Entwicklung zu entkoppeln.

Dieses Buch offenbart, dass hier weitaus mehr erreicht werden kann. Es erklärt, wie eine effektive Circular Economy funktioniert, und zeigt, dass eine wirklich nachhaltige Wertschöpfung alle Phasen eines Produktlebens umfasst. Dies beginnt bereits mit einem intelligenten Design, das von vornherein mehrere Lebenszyklen »mitdenken« kann. Es setzt sich fort mit der Nutzung des vollen Potenzials von Produkten, durch Teilen und bessere Auslastung. Geschlossen wird der Kreis schließlich durch zusätzliche Lebenszyklen, intelligente Rückholsysteme und Wiederaufbereitung.

Wir müssen also sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene unsere Definition und Wahrnehmung verschwendeter Ressourcen erweitern, um eine neue Welle wegweisender Innovationen und Chancen am Markt zu ermöglichen. Dies ist auch geboten, denn in einer Welt immer knapper werdender Rohstoffe bietet die Skalierung rohstoffarmer Geschäftsoptionen auch klare Wettbewerbs- und Kostenvorteile: den Circular Advantage.

Zur Veranschaulichung, wie Circular-Economy-Konzepte bereits heute in der Praxis funktionieren und hoch profitabel umgesetzt werden können, haben wir inspirierende globale Beispiele als Impulsgeber ausgewählt.

Dieses Buch liefert Entscheidern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Anregungen für die nächste Welle technologiegetriebener Innovation, um damit die Chancen der Circular Economy zu ergreifen. Gelingt dies, dann kann Deutschland, wie auch der deutschsprachige Raum insgesamt, beim Thema Circular Economy wieder einmal eine echte Vorreiterrolle einnehmen.

PROF. DR. ERNST ULRICH VON WEIZSÄCKER

»Kreislaufwirtschaft« sagt man auf Deutsch schon seit langer Zeit. Circular Economy gibt es auf Englisch erst seit etwa drei Jahren. Kreislaufwirtschaft wird in der heutigen Praxis häufig mit Recycling gleichgesetzt, trotz der ursprünglich breiteren Definition im Kreislaufwirtschaftsgesetz. Dieses Buch versteht Circular Economy in dieser breiteren Definition und untersucht Lösungen für alle Arten der Verschwendung. Seit aber der damalige EU-Umweltkommissar Dr. Janez Potočnik die Circular Economy zum EU-Programm erhoben hatte, hat auch die Wirtschaft begriffen, dass es nicht nur um eine rechtliche Hülse, sondern um ein attraktives neues Geschäftsmodell geht.

Wie so häufig, gibt es auch Bremser. Die haben die neue EU-Kommission bekniet, das Thema auf Eis zu legen, anfangs erfolgreich. Doch alsbald erhob sich ein Sturm der Entrüstung vonseiten der Umweltschützer sowie derer, die die Kreislaufwirtschaft nicht nur als langfristige Vorsorge für die Verfügbarkeit von Ressourcen ansahen, sondern auch als Rahmen für die neuen Geschäftsmodelle. Nun wartet man gespannt auf die Konkretisierung des als ehrgeizig angekündigten neuen Anlaufs aus Brüssel.

Das vorliegende Buch berichtet von diesem hoffnungsvollen Umschwung zur Verwandlung des Abfalls in Wohlstand, auf Englisch Waste to Wealth. Es gibt Beispiele und Anregungen, wie die Gegenläufigkeit zwischen Profit und Ressourceneffizienz überwunden werden kann. Auch Synergien zwischen Energie- und Ressourcenproduktivität kommen zum Vorschein. Lokale Produktion kann Transportkosten und -energien sparen. Aber daraus zu schließen, dass der 3D-Drucker ökologisch und kostenmäßig überlegen sei, ist fast immer ein Trugschluss.

Systemhaftes Denken ist gefordert. Und das können Firmen aller ­Branchen und aller Größenordnungen lernen und gut gebrauchen. Auch hierfür ­spendiert das Buch schöne Beispiele weit jenseits des klassischen Stoff­managements und Recyclings.

Wenn die Ausdünnung der geologischen Ressourcenbasis voranschreitet, muss sich die Wirtschaft aller Länder auf die Kreislaufführung einrichten, bei Strafe des Verlusts der Wettbewerbsfähigkeit. Und die will ja niemand verlieren!

Ich wünsche mir eine große Verbreitung des Buches. Und ich wünsche mir, dass der Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene den geeigneten Rahmen setzt, der die Pioniere der Kreislauftechniken zu frühen Gewinnern macht, damit sie nicht Jahrzehnte auf die Früchte ihrer Anstrengung warten müssen.

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker

Co-Präsident des Club of Rome

Mitglied des Internationalen Ressourcenpanels

10. Juni 2015

SIR IAN CHESHIRE

Das vielleicht Bemerkenswerteste an der heutigen Circular Economy: Trotz der radikalen Herausforderungen, vor die sie bestehende Systeme und Geschäftsmodelle stellt, hat sie sich in kürzester Zeit von einem Spezialistenkonzept aus den Elfenbeintürmen der Think-Tanks und akademischen Einrichtungen zu einer etablierten Bewegung entwickelt, die allmählich sowohl von Unternehmen als auch von Regierungen begriffen wird.

Ein zentraler Katalysator bei diesem Wandel vom Rhetorischen zum Praktischen ist die Entstehung des Internets der Dinge. Das digitale Zeitalter hat einen beispiellosen Grad der Konnektivität von Geräten, Systemen und Dienstleistungen hervorgebracht, die die in diesem Buch besprochenen Geschäftsmodelle der Circular Economy nicht nur möglich, sondern auch gegenüber den traditionellen linearen Modellen vorteilhafter machen. Die Beispiele hierfür sind zahlreich und reichen von hochgelobten Kollaborationsplattformen wie Airbnb und Uber bis zu den Fortschritten bei der Erweiterung von Produkten zu Dienstleistungen bei Kleidungs- (Mud Jeans) und Automobilherstellern (unter anderem Daimler, Renault und BMW). Bei all diesen Beispielen hält die Circular Economy ihr Versprechen messbarer wirtschaftlicher Vorteile.

Erfolge wie diese, die in Wertschöpfung statt Verschwendung vorgestellt werden, beweisen, dass das Modell der Circular Economy einen Ausweg aus den Beschränkungen unserer Wegwerfgesellschaft bietet. Zugleich zeigen sie: Die Zeit drängt. Unternehmen müssen schon heute damit beginnen, ihre Geschäftsoptionen im Licht der Circular Economy neu zu betrachten. Dabei können sie sich die Geschäftsprozesse, Technologien und Fähigkeiten zunutze machen, die ihre eigene Umweltverantwortung in Gang setzen, damit sie in diesem sich rasch verändernden, viel innovativeren Geschäftsumfeld existenzfähig bleiben.

Wir leben in aufregenden Zeiten, denn wir stecken mitten in einem Wandel, der nicht weniger dramatisch und nicht weniger grundlegend ist als der Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Es ist eine Zeit der Erfindungen. Unternehmen, die die in diesem Buch beschriebenen Vorgehensweisen aufgreifen und umsetzen, ehe ihre Wettbewerber es tun, werden vom Vorteil des First Mover profitieren. Dabei gibt es keine allgemeingültige Antwort, und kaum jemand kann ein komplettes Geschäftsmodell mit einem Schlag auf den Kopf stellen. Allerdings werden die Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen, neue Möglichkeiten finden. Indem sie die Werkzeuge der Circular Economy nutzen, können sie sich einen echten Wettbewerbsvorteil sichern.

Sir Ian Cheshire

Ehemaliger Group-CEO bei Kingfisher plc

15. Januar 2015

WILLIAM MCDONOUGH

Die Kernaufgabe jeder Geschäftstätigkeit liegt darin, dem Kunden zu dienen, indem Nutzen und Werte für die Gesellschaft geschaffen werden statt Verpflichtungen und Nachteile. Leider hat die Wirtschaft speziell im vergangenen Jahrhundert eine Reihe von Problemen erzeugt, deren Lösungen entweder auf nachfolgende Generationen verschoben wurden oder innerhalb einer absehbaren Zeit menschlichen Daseins vollkommen unmöglich sind. Anders ausgedrückt: Das lineare Produktionsmodell der ersten industriellen Revolution – die Wegwerfgesellschaft – hat den gewissenlosen Kommerz als Waffe verwendet und führt ungewollt Krieg gegen die Erde und ihre Bewohner, und betreibt nun, ähnlich wie eine angstvoll im Rückzug begriffene Armee, weiterhin gedankenlose Verschwendung. Jeder denkende Mensch weiß heutzutage um die drängenden Probleme des Klimawandels und der Umweltverschmutzung. Jetzt ist der Zeitpunkt, um mit aller Kraft nach Frieden für den Planeten zu streben, und Wirtschaft ist die einzige menschliche Institution, die groß genug, kreativ genug und schnell genug ist, um als Treiber eines prinzipiengeleiteten Wohlstands und eines nutzenstiftenden Wandels dienen zu können.

Gestaltung ist das erste Zeichen menschlicher Absicht, und Austausch ist das zweite. Bei der Konzeption und Vermarktung der meisten Produkte nehmen Unternehmen und Gesetzgeber heute noch immer Bezug auf den »Lebenszyklus« und das »Lebensende« eines Produkts. Dabei handelt es sich häufig um eine kurze Lebensgeschichte, die mit einer raffinierten Produktkreation beginnt (gefördert von globalen Lieferketten) und oftmals gefährlich endet – auf Mülldeponien, durch Vergraben, durch Versenken in Flüssen und im Meer, durch Verbrennen oder gar in Müllheizkraftwerken. Das sind die alten Geschichten des Wegwerfens von Dingen in einer Welt, die mehr als genug hat. Aber heute, da wir erkennen, dass knappe Ressourcen in einer schrumpfenden Welt auch das Wachstum limitieren, können wir vielleicht zugeben, wenn wir die Erde vom Weltraum aus betrachten: »Was weg ist, ist weg.«

Glücklicherweise gibt es Vordenker in Wirtschaft und Gesellschaft, die Cradle-to-Cradle-Certified™-Produkte entwickeln, sich bereits in der Logik Circular Economy bewegen und ihren Kunden die anhaltende, sichere und vorteilhafte Nutzung von Rohstoffen, Energie und Wasser bieten, verbunden mit der unerschöpflichen Neugier kreativer Menschen. Solche Modelle ersetzen die Gedankenlosigkeit mutwilliger Überalterung der Produkte in einer Welt voller Begrenzungen und Einschränkungen durch gute Planung, vorausschauende Besonnenheit und dauerhafte Nutzung und Wiederverwendung von Produkten. Damit schaffen sie eine Welt des Überflusses, der Chancen und neuer Geschäftsmodelle.

Peter Drucker hat darauf hingewiesen, dass es Aufgabe einer Führungskraft sei, etwas auf die richtige Art und Weise zu tun – also effizient zu sein. Vielmehr ist es jedoch die Aufgabe einer Führungskraft, das Richtige zu tun – also effektiv zu sein. Heutzutage veröffentlichen viele Unternehmen Berichte, denen zufolge sie weniger schlecht sind, weil sie den Verbrauch an Rohstoffen, Energie und Wasser reduzieren, und erklären es zu ihrem Ziel, all das Schlechte auf null zu verringern. Die eigentlich wichtige Botschaft lautet jedoch: Es ist an der Zeit, das gesamte Konzept der Verschwendung selbst zu eliminieren – denn warum sollte ein Unternehmen absichtlich etwas herstellen, das es nicht verkaufen kann oder das eine Belastung darstellt? Wie in Cradle-to-Cradle (2002) und vor Kurzem in The Upcycle (2012) in Zusammenarbeit mit Michael Braungart dargestellt, verdient die Idee, weniger schlecht zu sein, Unterstützung. Die wahre Energie und Hoffnung kommt aber vielmehr von denjenigen Firmen, die ihr Handeln darauf ausrichten, besser zu sein – die also die Welt schneller verbessern und nicht nur langsamer verschlechtern.

Das von Cradle-to-Cradle beeinflusste Design und die Praktiken der Circular Economy kennzeichnen einen fundamentalen Wandel in den obersten Prinzipien der Wirtschaft. Sie führen weg von der einfachen egoistischen Frage »Wie kann ich möglichst viel bekommen und möglichst wenig dafür geben?«– als Definition von Wertschöpfung in einer schrumpfenden Welt voller Beschränkungen und Ängste. Stattdessen stellen sie folgende äußerst sachkundige und großzügige Frage an die oberste Stelle: »Wie viel können wir geben für all das, was wir bekommen?« – als eine neue Verortung menschlicher Werte in einer Welt des Überflusses und der Hoffnung.

Aus meiner Sicht geht es bei Wertschöpfung statt Verschwendung im Kern um Überfluss: Es geht darum, sich jedes Glied der wirtschaftlichen Wertschöpfungskette anzusehen und das Konzept der Verschwendung zu eliminieren und gleichzeitig die Voraussetzungen für gemeinsamen Wohlstand zu schaffen. Wertschöpfung statt Verschwendung beinhaltet eine Reihe von Ratschlägen für die Führungskräfte sämtlicher Branchen, ob groß oder klein, mit denen sie den Supertanker »Weltwirtschaft« neu gestalten und diesen Tanker nicht auf einem langsameren Kurs zu denselben Zielen, sondern auf innovativen Kursen zu neuen Zielen lenken können. Das Buch ist darauf ausgerichtet, ein aufrichtiges Bewusstsein dafür zu schaffen, was wir hinterlassen wollen und was wir und unsere Nachfahren im Zuge unseres Fortschritts erschaffen müssen. Es gibt keinen Grund, sich von diesem Kurs abbringen zu lassen. Es heißt einfach: »Volle Kraft voraus«, angetrieben von der Freude des Strebens nach ständiger Verbesserung. Das ist nicht einfach, und zwar aus denselben Gründen, warum es so wichtig ist: Es wird uns alle betreffen, und es wird lange dauern. Aber darum geht es ja schließlich.

Wo immer Sie sich auf Ihrer Reise befinden, Wertschöpfung statt Verschwendung kann Ihnen den Weg weisen.

William McDonough, McDonough Innovation

Gründer von McDonough Innovation

Co-Autor von Cradle-to-Cradle: Remaking the Way We Make Things und The Upcycle: Beyond Sustainability – Designing for Abundance

Vorstand des Rates für die Circular Economy des Weltwirtschaftsforums

Charlottesville, Virginia

23. Dezember 2014

Zusammenfassung

Im Hinblick darauf, wie wir Produktion und Konsum in unserer ­globalen Wirtschaft organisieren, könnte der Übergang zur Circular Economy die größte Revolution und zugleich die größte Chance seit 250 Jahren sein. Dieser Übergang beinhaltet eine radikale Neubetrachtung der Beziehungen zwischen Märkten, Kunden und natürlichen Ressourcen. Zudem bietet die Circular Economy den Unternehmen die große Chance, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen oder, wie wir es nennen, einen Circular Advantage, der die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, durch innovative Geschäftsmodelle, Ingenieursleistung und digitale Technologie sowie die zur Unterstützung dieser Systeme notwendigen Fähigkeiten revolutioniert.

Unsere Forschungen zeigen einen Ertrag von 4,5 Billionen Dollar für die Verwandlung von gegenwärtiger Verschwendung in Wertschöpfung bis zum Jahr 2030. Dabei geht es nicht nur um Verschwendung im traditionellen Sinne von Müll, sondern um die enorme Unterauslastung von Rohstoffen, Produkten und Vermögensgegenständen. Es geht darum, das gesamte »Konzept der Verschwendung« zu eliminieren und anzuerkennen, dass alles einen Wert besitzt.

Wie wäre es mit einem Zehn-Milliarden-Dollar-Geschäft durch das Anmieten von Räumlichkeiten, ohne Energie, Metalle oder andere Rohstoffe für die Errichtung eines einzigen Hauses zu verbrauchen? Die Steigerung des Nettogewinns eines Unternehmens um 50 Prozent bei gleichzeitiger Verringerung des Materialverbrauchs um 90 Prozent – nur durch die Rückgewinnung und Wiederaufbereitung gebrauchter Komponenten? Das Freisetzen von einer Milliarde Dollar in zuvor verschwendeten Werten durch die Umwandlung von Materialbewirtschaftung in der Produktion? Oder die Verwendung der ungenutzten Biomasse eines Landes, um einen 80-Milliarden-­Dollar-Markt für fortschrittliche Chemikalien und Energieerzeugung zu erschließen?

Sowohl internationale Marktführer als auch innovative Start-ups fahren schon heute gewaltige Gewinne ein, weil sie diese Chancen nutzen. Und das ist erst der Anfang. Dieses Buch zeigt, wie die Unternehmen dies tun und was andere Führungskräfte davon lernen können, während sie sich ihren eigenen Circular Advantage schaffen. Wir hoffen, dass die Circular Economy nach der Lektüre dieses Buches für Sie von einem abstrakten Konzept zu einer leicht verständlichen, praktikablen und anwendbaren Geschäftsoption geworden ist.

Für die Gesellschaft als Ganzes ist es sogar noch wichtiger, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zu ermöglichen, ohne dabei wie die derzeitigen Geschäftsmodelle und -methoden von den zunehmend begrenzten Energie- und Rohstoffressourcen abhängig zu sein. Nach unserer Erfahrung in der Zusammenarbeit mit und der Beratung von Regierungen, internationalen Organisationen und Unternehmen ist die Circular Economy die einzige tragfähige »große Lösung« für ein rentables, umweltbewusstes und blühendes globales Wachstum einerseits und die menschliche Fortentwicklung andererseits.

»Business as usual«, ein Weitermachen wie bisher, hat zunehmend ausgedient. Dass die natürlichen Ressourcen begrenzt sind, ist unstrittig. Edelmetalle beispielsweise sind aufgrund des massiven Abbaus in den letzten 250 Jahren zunehmend eingeschränkt verfügbar – und ihr Vorkommen reduziert sich immer weiter. Andere Ressourcen wie Wasser, Luft und Wälder sind zwar technisch erneuerbar, aber zunehmend geschädigt oder belastet. Das starke Bevölkerungswachstum in Verbindung mit der explodierenden Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen wird sie bis zur Neige erschöpfen, wenn die gegenwärtigen Praktiken fortgesetzt werden. Zu allem Überfluss behandelt das aktuelle Wachstumsmodell die Folgen der Verschwendung immer noch wie eine Angelegenheit, mit der sich »jemand anderes« befassen muss. Unterdessen schwindet die Fähigkeit unserer Umwelt, Abfälle zu absorbieren und zu verarbeiten, Jahr für Jahr.

Nutzung globaler Ressourcen 1900–2014

Quellen: Accenture-Analyse auf Grundlage der Daten von Fridolin Krausmann, Simone Ging­rich, Nina Eisenmenger, Karl-Heinz Erb, Helmut Haberl und Marina Fischer-Kowalski, »Growth in global materials use, GDP and population during the 20th century«, Ecological Economies, Bd. 68, Nr. 10, 15. August 2009, http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/SO921800909002158

Um die Jahrtausendwende verkehrte sich das 40 Jahre alte Muster, nach dem die Preise für natürliche Ressourcen bei steigendem Wirtschaftswachstum stetig zurückgingen, ins Gegenteil. Zwischen 2000 und 2014 entwickelte sich diese reziproke Beziehung zu einer positiven Relation: Wachstum und Rohstoffpreise stiegen nun parallel über den gesamten Zeitraum hinweg.12 Selbst Ende 2014, als die Ölpreise aufgrund geopolitischer Faktoren und der verstärkten Förderung unkonventioneller fossiler Brennstoffe wie Ölschiefer und Ölsanden in Rekordgeschwindigkeit fielen, lag der reale Preis für Öl im Dezember 2014 um 50 Prozent höher als im Dezember 2000.13 Unternehmen und Volkswirtschaften können nicht länger wirtschaften, als sei alles in bester Ordnung und die drohende Rohstoffkrise lediglich eine Illusion. Tatsache ist: Unsere Art des Wirtschaftens von heute bedeutet, dass schon morgen nicht mehr genügend Ressourcen für Wachstum und globalen Wohlstand verfügbar sind. 50 Prozent der Weltbevölkerung – ungefähr drei Milliarden Menschen – leben von weniger als 2,50 Dollar pro Tag. Fast fünf Milliarden Menschen leben von weniger als zehn Dollar täglich.14 Jedes globale Wachstumsmodell, das diese fünf Milliarden Menschen nicht am Wohlstand der Welt teilhaben lässt, ist es nicht wert, überhaupt in Betracht gezogen zu werden; gleichzeitig erfordert jedes Modell, das sie einbezieht, zweifellos eine radikale Reform der Ressourcennutzung. Es muss etwas geschehen. Und das ist, so glauben wir, die Einführung der Circular Economy.

Die Circular Economy als Konzept gibt es schon seit einigen Jahrzehnten. In ihrer heute bekannten Form bezieht sie sich auf die Entkoppelung wirtschaftlichen Wachstums vom Verbrauch begrenzter natürlicher Rohstoffe – also seltener Ressourcen mit negativer CO2-Bilanz. Dazu zählen fossile Brennstoffe oder schwer recycelbare Metalle und Minerale, von denen abhängig zu sein im Laufe der Zeit einen Wettbewerbsnachteil darstellt. Im Gegensatz dazu werden Ressourcen im Rahmen ökologischer Vorgehensweisen für möglichst lange Zeit produktiv wirtschaftlich genutzt. Für Unternehmen geht es dabei darum, Wertschöpfung an die Stelle der Verschwendung zu setzen. »Verschwendung« bedeutet hierbei mehr als nur physikalische Rückstände wie zum Beispiel Müll. Es lassen sich vier Formen der Verschwendung unterscheiden:

1.Ressourcenverschwendung betrifft Materialien und Energie, die nicht kontinuierlich wiederverwendbar sind, sondern verbraucht werden und danach unwiederbringlich verschwunden sind.2.Produkte mit verschwendeter Lebensdauer besitzen künstlich verkürzte Lebenszyklen oder werden entsorgt, obwohl andere Nutzer sie noch gebrauchen könnten.3.Produkte mit verschwendeter Kapazität weisen unnötige Leerlaufzeiten auf; zum Beispiel werden Autos im Allgemeinen 90 Prozent ihrer Lebensdauer nicht genutzt.4.Unter verschwendeten Binnenwerten versteht man Komponenten, Materialien und Energie, die Bestandteil von Produkten sind und die bei deren Entsorgung nicht zurückgewonnen und einer neuerlichen Nutzung zugeführt werden.

Insgesamt bilden all diese Verschwendungen die größte wirtschaftliche Chance unserer Zeit. Die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die Verschwendung in Wertschöpfung verwandeln, ist nicht nur finanziell sinnvoll; sie ermöglicht Unternehmen und Volkswirtschaften darüber hinaus auch weiteres Wachstum ohne einen Anstieg der Nachfrage nach den zunehmend beschränkten natürlichen Ressourcen. Mithilfe dieser Geschäftsmodelle könnten wir uns erfolgreich vom ressourcenbasierten Wachstum lösen und in eine neue Ära des leistungsbasierten Wachstums eintreten. Dadurch verschwände nicht nur die Verschwendung selbst, sondern auch das Konzept der Verschwendung wäre redundant – denn leistungsbasiertes Wachstum beruht auf der Erkenntnis, dass jede Ressource einen potenziellen Wert über ihre gegenwärtige Nutzung hinaus besitzt.

Einige Elemente der Circular Economy (zum Beispiel Recycling) sind wohlbekannt, andere eher unklar. Tatsache ist jedoch: Ökologische ­Prinzipien, die Wert auf eine vernünftigere Nutzung von Ressourcen legen, sind die ­logische Antwort auf die Unzulänglichkeiten des aktuellen »linearen« ­Modells und der Wegwerfgesellschaft.

Die Zahlen machen es deutlich: Unsere Studien und Analysen belegen, dass die Unfähigkeit des linearen Modells, mit dem wachsenden Ressourcenbedarf umzugehen, bis zum Jahr 2030 zu einer Differenz zwischen Angebot und Nachfrage begrenzter natürlicher Rohstoffe von acht Milliarden Tonnen führen wird. Das entspricht etwa Nordamerikas gesamtem Verbrauch natürlicher Ressourcen im Jahr 2014. Im wahrscheinlichsten von uns abgebildeten Szenario entspricht dies einem entgangenen Wirtschaftswachstum von 4,5 Billionen Dollar bis zum Jahr 2030 und von 25 Billionen Dollar bis zum Jahr 2050. Dabei wurde bereits die Annahme berücksichtigt, dass steigende Rohstoffpreise zu Verbesserungen der Ressourceneffizienz führen und die Entwicklung neuer Ressourcen beschleunigen werden. Mit anderen Worten: Wenn die Circular Economy die lineare Wirtschaft ersetzen und das Wachstum vom Verbrauch begrenzter Ressourcen abkoppeln kann – und unsere Untersuchungen beweisen, dass sie das kann –, ist sie auch in der Lage, bis zum Jahr 2030 eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von 4,5 Billionen Dollar zu ermöglichen.

Gleichzeitig verbessert sich dabei der Kundennutzen: Der Kunde muss nicht mehr abwägen zwischen dem, was kurzfristig wünschenswert und was langfristig nützlich ist. Im Gegenteil, die Unternehmen in einer Circular Economy versetzen den Kunden in die Lage, das Beste aus den Produkten herauszuholen; sie erleichtern den Handel unter Nutzern; sie stellen Dienstleistungen zur Verfügung, um ungenutzte Güter zu monetarisieren; sie ermöglichen den bequemen Rückkauf und verkaufen Dienstleistungen anstelle von Produkten. Um dies leisten zu können, müssen die Unternehmen mehr darüber erfahren, wie ihre Produkte verwendet werden, wofür ihre Kunden bezahlen würden und wie sie interagieren. Digitale Technologien ermöglichen diese Interaktion in bislang unbekanntem Ausmaß und in beispielloser Effizienz. Ein Beispiel ist die neu entdeckte Annehmlichkeit des Carsharing, das die Verringerung von Kapazitätsverschwendung finanziell nutzbar macht. Wenn Verschwendung in Wertschöpfung verwandelt wird, profitieren Unternehmen und Kunden gleichermaßen.

Insgesamt gibt es drei fundamentale Treiber der Circular Economy:

1.Ressourcenbeschränkungen – denn das gegenwärtige Wirtschaftssystem verschwendet Ressourcen, sodass nicht genügend Ressourcen für jeden und für immer übrig bleiben.2.Technologische Entwicklung – denn die Einführung neuer Technologien, insbesondere digitaler Innovationen (siehe Kasten), macht die Circular Economy für Unternehmen zunehmend attraktiv und nutzbringend.3.Sozioökonomische Treiber – denn die Entkopplung beschränkter Ressourcen vom Wachstum fördert nicht nur das integrative Wachstum, sondern versetzt die Kunden auch in die Lage, den größtmöglichen Wert aus Produkten und Gütern zu ziehen.

Das vorliegende Buch ist, wie wir glauben, das erste, das sich direkt mit der Frage beschäftigt, wie sich Unternehmen, Regierungen und Volkswirtschaften dieser Themen annehmen und wie Firmen und Unternehmer Verschwendung in Wertschöpfung verwandeln können. Während andere Bücher sich in bewundernswerter Weise mit den Problemen des gegenwärtigen Wachstumsmodells befasst haben, untersuchen wir praktische Lösungen für diese Probleme und die Rolle von Geschäftswelt, Gesellschaft und Verbrauchern bei der Förderung von Unternehmertum und Innovation. Wir haben einen überaus praxisorientierten Ansatz entwickelt, mit dessen Hilfe Firmen beginnen können, vom Circular Advantage zu profitieren. Für diesen Ansatz nutzen wir umfangreiche Studien, die wir in den Jahren 2013 und 2014 anhand von mehr als 120 Unternehmen durchgeführt haben, eingehende Interviews mit 50 Unternehmenslenkern und Meinungsführern, unsere praktische Erfahrung mit zahllosen Accenture-Kunden sowie wirtschaftliche Analysen und Modelle. Wir untersuchen unsere Erkenntnisse und unsere Vorgehensweise in vier Abschnitten.

Digitale Technologien beschleunigen die Circular Economy

Ähnlich wie bei den meisten großen Veränderungsprozessen der Geschichte spielt die Technologie auch bei der Verbreitung der Circular Economy eine führende Rolle. Der grundlegende Unterschied zwischen dem linearen Modell und der Circular Economy besteht darin, dass im Rahmen der Circular Economy ein umfassendes Ressourcenmanagement in den Markt hinein, innerhalb des Marktes und aus dem Markt heraus stattfindet – zusätzlich zum konventionellen Schwerpunkt des Ressourcenmanagements auf Gewinnung und Produktion. Digitale Technologien (darunter Cloud-, mobile, soziale, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und Big-Data-Analysen) ermöglichen dieses Management und seine Monetisierung, generieren jedoch gleichzeitig auch analysefähiges Datenmaterial, das benötigt wird, um Innovationen in Gang zu setzen und den Kundennutzen im Laufe der Zeit zu erhöhen. Die bedeutendsten Beiträge und Beispiele digitaler Technologien in diesem Zusammenhang sind:

Intelligentere Nutzung von Anlagen: Wie können Unternehmen bestehende Anlagen nutzen, um Dienstleistungen zu erbringen, statt einfach nur mehr Ressourcen zu verbrauchen? Dies ist ein drängendes Anliegen für die Mobilität im urbanen Raum, wo Platzprobleme herrschen. Hier kommt MyWays ins Spiel, entstanden unter der Federführung des globalen Logistikriesen DHL. Es handelt sich um eine mobile App und einen Lieferservice, der Menschen, die Pakete bestellt haben, mit anderen Menschen verknüpft, die diese Pakete ausliefern können. Statt noch mehr Fahrzeuge auf die Straßen zu schicken, stimmt MyWays das Angebot mit der Nachfrage ab und nutzt Fahrten, die ohnehin schon gemacht werden. Unter Verwendung einer Trackingnummer kann man bei MyWays digital ein Paket aufgeben. Der Empfänger bestätigt die Lieferanschrift und erklärt seine Zahlungsbereitschaft. Andere können diesen Auftrag über die App finden, ihn reservieren, das Paket beim DHL Servicepoint abholen und es zustellen. Während dieses Vorgangs können Absender und Empfänger über eine integrierte Chatfunktion miteinander kommunizieren. Nach Abschluss der Zustellung erhält der Paketüberbringer digitale Punkte, die er in Bargeld umtauschen kann. Die zuvor verschwendeten Kapazitäten in einem Mobilitätsnetzwerk sind nun genutzt worden – ein Teil des Circular-Economy-Puzzles.15

Management physischer Ressourcenflüsse: Wie kann ein Unternehmen Tausen­de von Produkten im Auge behalten, eine kosteneffektive Logistikplattform betreiben und sicherstellen, dass seine Produkte so intensiv und so lange wie möglich genutzt werden? Das war die zentrale Herausforderung, der sich die Unternehmerin Jennifer Hyman gegenübersah, als sie mit dem Verleih hochwertiger Kleidung begann – mit dem Ziel, zum Amazon im Markt für Kleidungsverleih zu werden. Fünf Millionen Mitglieder später – das Unternehmen ist mittlerweile fast eine Milliarde Dollar wert – verwendet Rent the Runway digitale Technologien, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen und mehr als 65.000 Kleider und 25.000 Schmuckstücke unter seinen Mitgliedern in den Vereinigten Staaten hin und her zu bewegen. Das Unternehmen nutzt Datenanalyse, um die Nachfrage mithilfe von Kundenverhalten und -bewertungen einschätzen und prognostizieren zu können – und zugleich sicherzustellen, dass die Artikel sich in optimalen Kreisläufen bewegen. Was noch vor wenigen Jahren ein echter Albtraum gewesen wäre, ist heute dank der digitalen Innovation ein florierendes Geschäft, das einem riesigen Kundenstamm Zugang zu einer gemeinsamen Bestandsdatenbank gewährt.16 Der Gewinn für die Circular Economy? Ein Umverteilungsmodell wie dieses sorgt dafür, dass Produkte ihr volles Nutzungspotenzial ausschöpfen und Kunden sie gemeinsam verwenden, anstatt sie individuell zu besitzen.

Leistungsoptimierung laufender Systeme: Wie lässt sich die Auslastung von Betriebsmitteln so optimieren, dass Neuanschaffungen erst später notwendig und Ausfallzeiten minimiert werden – und die Zulieferer trotzdem noch ein gutes Geschäft machen? SKF beantwortet diese Frage mit der »intelligenten Lagerhaltung« und nutzt intelligente drahtlose Technologie, über die die Lager ihre aktuelle Auslastung kommunizieren können. »Mithilfe dieser Technologie«, so Tom Johnstone, Präsident und CEO von SKF, »haben unsere Kunden eine noch bessere Kontrolle über den Lebenszyklus ihrer Maschinen, was die Gesamtkosten reduziert, die Zuverlässigkeit erhöht und die Maschinenlaufzeit verlängert.« Normalerweise erfahren Anlagenführer Schäden erst nach deren Eintritt – doch die Technologie von SKF verfügt über Sensoren, um Parameter wie Temperatur, Geschwindigkeit, Vibration und Beladung fortlaufend zu messen und nur bei Bedarf eine präventive Wartung anzufordern. Derartige Lösungen revolutionieren die Effizienz sowie die Zuverlässigkeit der Anlagen, verlängern oder vervielfachen die Lebenszyklen und erleichtern die Planung von Generalüberholungen und Upgrades einzelner Komponenten.17 Der Beitrag zur Circular Economy liegt auf der Hand: verlängerte Produktlebenszyklen, höhere Effizienz und Reparaturen als wettbewerbsfähigere Alternative zum Ersatz.

Teil 1: Ein Plädoyer für die Circular Economy

Im ersten Teil dieses Buches beschäftigen wir uns mit der Frage, warum das lineare Wachstumsmodell, das den Unternehmen während der vergangenen 250 Jahre so gute Dienste geleistet hat, zunehmend impraktikabel geworden ist; und wir erläutern, warum diesem Wachstumsmodell in naher Zukunft der Sprit ausgehen wird – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir erläutern die Entwicklung der Circular Economy während der letzten 50 Jahre und erklären, warum sie eine passende – und weitaus überlegene – Alternative zum linearen Modell ist – angesichts ihrer Fähigkeit, Unternehmen auf neue Art Wert schöpfen zu lassen, unabhängig von der intensiven Nutzung begrenzter Rohstoffe und fossiler Energie. Anhand existierender und neuer Studien definieren wir die von einem neuen Wachstumsmodell benötigten Verbesserungen der Ressourcenproduktivität (ungefähr das Vierfache) und quantifizieren die Auswirkungen auf die globale Wirtschaft für den Fall, dass sich nichts verändert.

Teil 2: Fünf neue Geschäftsoptionen für das Kreislaufwachstum

Wie wir in Teil 1 herausarbeiten, liegt der Circular Economy eine intuitive Geschäftslogik zugrunde. Welche Firma würde nicht gerne ihre Abhängigkeit von den zunehmend knappen und kostspieligen natürlichen Rohstoffen reduzieren und gleichzeitig Umsätze aus entgangenen Chancen ­erzielen?

Auf der praktischen Ebene ist die Veränderung jedoch nicht so einfach. Die meisten Unternehmen sind einfach nicht darauf ausgelegt, die Möglichkeiten auszuschöpfen, welche die Circular Economy bietet. Ihre Strategien, Strukturen, Betriebsabläufe und Lieferketten sind tief verwurzelt im linearen Wachstumsansatz – dieser ist Bestandteil ihrer DNA. Ein Unternehmen, das nach dem Circular Advantage strebt, der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen aus der erfolgreichen Anwendung der Circular Economy, muss neue Geschäftsmodelle entwickeln, die frei sind von den Einschränkungen des linearen Denkens. In Teil 2 beschreiben wir die fünf wesentlichen Circular-Economy-Geschäftsoptionen, die Accenture bei seiner Analyse von über 120 Unternehmen identifiziert hat und die die Ressourcenproduktivität auf innovative Weise verbessern.18 Die Fähigkeit dieser Modelle, den Unternehmen eine Differenzierung zu ermöglichen, die Kosten zu reduzieren, neue Umsätze zu erzielen und das Risiko zu verringern – ebenso wie ihre Auswirkungen auf die Regeln von Nachfrage und Angebot von Ressourcen – sind die zentralen Beiträge dieses Buches.

Circular-Supply-Chain

Ein Unternehmen, das knappe oder umweltschädliche Ressourcen benötigt, kann dafür entweder mehr bezahlen oder nach alternativen Quellen suchen. Die Geschäftsoption Circular-Supply-Chain bietet vollständig erneuerbare, recyclingfähige oder biologisch abbaubare Materialien, die in aufeinanderfolgenden Lebenszyklen verwendet werden können, um Kosten zu verringern und die Berechenbarkeit und Steuerbarkeit zu erhöhen.

Diese Denkweise ist der Kern des Geschäfts von CRAiLAR Technologies. Das Unternehmen erzeugt erneuerbare und umweltfreundliche Biomasse-Ressourcen unter Verwendung von Flachs, Hanf und anderen Bastfasern. Mithilfe dieser Ressourcen können die Hersteller Kleidungsstücke produzieren, die so weich und haltbar sind wie Baumwolle – jedoch ohne die mit dem Baumwollanbau verbundenen Umweltrisiken. Ein ähnliches Beispiel: AkzoNobel, ein führender globaler Hersteller von Farben und Lacken und bedeutender Produzent von Spezialchemikalien, hat gemeinsam mit der Reinigungsfirma Photanol einen Prozess entwickelt, der sich Sonnenenergie für die Herstellung von Chemikalien zunutze macht. Die Technologie ahmt die Fotosynthese der Pflanzen nach, um »grüne« chemische Baustoffe zu erzeugen, die lineare fossile Rohstoffe letzten Endes ersetzen sollen. Das Ziel dieser Partnerschaft besteht in der kommerziellen Erzeugung biologischer Chemikalien der vierten Generation – ein Markt, der bis zum Jahr 2018 die 80-Milliarden-Dollar-Marke überschreiten dürfte.1920

Wiederherstellung und Recycling

Die Geschäftsoption Wiederherstellung und Recycling schafft Produktions- und Verbrauchssysteme, in denen alles, was früher als Abfall betrachtet wurde, für andere Zwecke wiederverwendet wird. Entweder bereiten die Unternehmen nicht mehr funktionstüchtige Geräte wieder auf, um wertvolle Materialien, Energie und Komponenten zurückzugewinnen und wiederzuverwenden, oder sie recyceln Abfall- und Nebenprodukte aus einem Produktionsprozess.

Zwei führende Vertreter bei der Anwendung dieses Modells sind Procter & Gamble und General Motors. P&G betreibt aktuell 45 Produktionsstätten auf Zero-Waste-Basis – alle Produktionsabfälle dieser Fabriken werden recycelt, anderen Zwecken zugeführt oder in Energie umgewandelt.21 General Motors recycelt derzeit 90 Prozent seiner weltweiten Produktionsabfälle und betreibt mehr als 102 mülldeponiefreie Fabriken (durch Wiederherstellung und Recycling von Nebenprodukten erzielt General Motors jährlich eine Milliarde Dollar Umsatz).22

Lebenszyklusverlängerung

Für Verbraucher verlieren Produkte häufig ihren Wert, wenn diese defekt, aus der Mode gekommen sind oder nicht mehr benötigt werden. Dem folgt meist die Entsorgung. Doch viele dieser Produkte haben dann noch immer einen beträchtlichen Wert. Das Modell der Lebenszyklusverlängerung versucht diesen Wert zu erfassen. Indem Produkte in Form von Reparatur, Nachrüstung, Wiederherstellung oder Wiedervermarktung gewartet und aufbereitet werden, können Firmen sie möglichst lange wirtschaftlich nutzen. Das bedeutet einen Wandel vom reinen Verkauf der Produkte zur aktiven Aufrechterhaltung ihrer Lebensdauer und Relevanz. Es bedeutet auch, die Kunden von Transaktionen zu Beziehungen zu bewegen, Verbesserungen maßzuschneidern und sich an spezielle Wünsche anzupassen.

Electrolux – ein weltweit führender Anbieter von Haushalts- und Elektrogeräten für den gewerblichen Bedarf – verwendet diese Geschäftsoption für ein stärker modulares Produktdesign, um die Komplexität der Produkte zu verringern, dadurch den Kundendienst zu vereinfachen und Materialien und Komponenten ohne Leistungseinbußen wiederverwenden zu können.23 Der Baumaschinenhersteller Caterpillar erspart sowohl sich selbst als auch seinen Kunden beträchtliche Geldsummen und bis zu 90 Prozent Energieverbrauch, indem er Jahr für Jahr Millionen von Komponenten wiederaufbereiten lässt, und dies in einem höchst profitablen Betriebsbereich, der über 4.000 Arbeitsplätze bietet – Tendenz steigend.24

Kollaborationsplattform

In den entwickelten Volkswirtschaften werden bis zu 80 Prozent der typischen Haushaltsgegenstände nur einmal im Monat genutzt.25 Die Geschäftsoption der Kollaborationsplattform – die zunehmend durch neue Formen der digitalen Technologie unterstützt wird – schafft neue Beziehungen und wirtschaftliche Möglichkeiten für Verbraucher, Unternehmen und Kleinunternehmer, die ihre wenig genutzten Gegenstände vermieten, teilen, tauschen oder ausleihen. Es werden weniger Ressourcen für die Herstellung selten genutzter Produkte benötigt, und die Verbraucher haben eine neue Möglichkeit, Geld zu verdienen und Geld zu sparen.

Viele Firmen, die auf diese Geschäftsoption bauen, haben Millionen von Mitgliedern, beachtliche Medienaufmerksamkeit und in einigen Fällen Bewertungen von über 40 Milliarden Dollar erzielt.26 Dazu gehören Airbnb (Homesharing), Uber und Lyft (Mitfahrgelegenheiten), Deliv (Versanddienstleistungen) und Peerby (Teilen von Gebrauchsartikeln). Indem es Personen und Unternehmen erleichtert wird, selten genutzte Produkte zu verwenden, ziehen diese Geschäfte einen deutlich höheren Nutzen aus den für ihre Herstellung erforderlichen Ressourcen.

Product as a Service

Was wäre, wenn Produzenten und Einzelhändler die Gesamtbetriebskosten trügen? Viele würden ihren Fokus unverzüglich auf Langlebigkeit, Verlässlichkeit und Wiederverwendbarkeit lenken. Wenn Kunden nach der Geschäftsoption »Product as a Service« Produkte mieten oder je nach Gebrauch dafür bezahlen, durchläuft das Geschäftsmodell eine fundamentale Veränderung – und zwar eine positive. Leistung geht vor Masse, Haltbarkeit wird mit Verfügbarkeit verknüpft und Unternehmen haben eine Chance, neue Beziehungen zu den Kunden aufzubauen.

Michelin solutions27, ein neuer Geschäftsbereich des Reifenherstellers Michelin, hat dieses Modell übernommen, indem er den Fuhrpark-Kunden ermöglicht, Reifen zu leasen, statt sie direkt zu kaufen – ein erfolgreicher Verkauf der »Reifen als Dienstleistung«, bei dem die Kunden pro gefahrenem Kilometer bezahlen. Auch der Unterhaltungselektronik-Gigant Philips verkauft »Beleuchtung als Dienstleistung«, indem er den Kunden nicht die LED-Dioden selbst in Rechnung stellt, sondern die genutzte Lichtleistung, womit das Wertangebot für den Kunden verbessert werden soll auf einem Markt, der bis 2020 die 40-Milliarden-Dollar-Marke überschreiten wird.28 Oder wie sieht es aus mit SolarCity, einem Unternehmen, das Solarenergiesysteme als Dienstleistung vermarktet, sodass die Kunden für Energie statt für Solarzellen bezahlen? Schon heute ist SolarCity fünf Milliarden Dollar wert. In allen drei Fällen bleiben die Firmen Eigentümer der Produkte, während die Kunden lediglich für die Nutzung bezahlen müssen.

Teil 3: Den Circular Advantage schaffen

Die fünf Circular-Economy-Geschäftsoptionen haben sich im letzten Jahrzehnt zunehmend etabliert, auch wenn wir bei den zu erwartenden Veränderungen noch ganz am Anfang stehen. Ursprünglich wurde die Innovation der Circular-Economy-Geschäftsoptionen von Start-ups in Gang gebracht. Heute unternehmen hierbei auch große internationale Konzerne ernsthafte Anstrengungen: Eine gemeinsame Studie von Accenture und United Nations Global Compact fand heraus, dass ein Drittel aller globalen CEOs aktiv bemüht sind, Modelle der Circular Economy zu verwenden.29 Dadurch erzielen sie sofortige Geschäftsvorteile und, vielleicht noch wichtiger, versetzen sich selbst in die Lage, auf lange Sicht Circular Advantages zu erzielen.

In Teil 3 untersuchen wir, was zum Erfolg dieser Unternehmen beitragen kann:

•Sie erkennen, dass es nicht die eine »richtige« Antwort für alle Unternehmen gibt, um in der Circular Economy erfolgreich zu sein – und wählen stattdessen sorgfältig diejenige Geschäftsoption aus, die auf ihr Geschäft passt. Bei der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle achten sie darauf, externe Unterstützer und geschäftliche Ökosysteme zu identifizieren und zu nutzen.•Sie sichern sich den Zugang zu kritischen Technologien, um neue Geschäftsmodelle zu fördern und zu erweitern, und nutzen sie für ein effektives Ressourcenmanagement innerhalb der Märkte, die Eliminierung und Monetarisierung von Abfall und Verschwendung, den Dienst am Kunden sowie die Förderung des Geschäfts und der Produktentwicklung im Zeitverlauf.•Sie entwickeln Fähigkeiten, die für die erfolgreiche Umsetzung der Prinzipien der Circular Economy wichtig sind. Wir beschreiben fünf verschiedene Fähigkeiten und Ressourcen, die es Unternehmen ermöglichen, einen Kreislauf vom Produktdesign über die Produktion, den Einzelhandel und die Produktverwendung bis hin zur Rücknahme und der profitablen Wiederherstellung und Wiederverwendung zu schaffen.

Über diese Erfolgsfaktoren hinaus können Unternehmen das politische Klima auch selbst positiv beeinflussen, was viel damit zu tun hat, wie und wann die Circular Economy schließlich auch im größeren Maßstab Fuß fassen wird. Wir beobachten eine Reihe politischer Aktivitäten, die überaus bedeutsame und unmittelbare Auswirkungen auf die Schaffung eines Umfelds haben könnten, das dem groß angelegten Einsatz von ökologischen Geschäftsmodellen in einer Stadt, einem Land oder einer Region förderlich ist.

Teil 4: Jetzt starten

Auch wenn die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Wandels zu ökologischen Geschäftsmodellen unübersehbar sind, tun sich viele Unternehmen immer noch schwer mit der Frage, wo sie beginnen sollen. Sie stecken in einer Art »Startlähmung« fest und versuchen zu ergründen, welche Geschäftsaktivitäten sie skalieren können und welche nicht. In Teil 4 stellen wir ein einfaches Modell vor, das den Unternehmen bei der Bewältigung dieser Herausforderung hilft.

Wir präsentieren eine Reihe strategischer Optionen, die Führungskräfte in jeder Organisation und Branche verwenden können, um die ersten Schritte in Richtung Circular Economy zu gehen. Unseres Erachtens nach hängt der Erfolg von fünf wichtigen Einstiegsaktivitäten ab:

1.Die tatsächliche Chance identifizieren und sich darauf konzentrieren.2.Neu überdenken, wie für die Kunden Wert geschaffen werden kann.3.Zunächst eine begrenzte Anzahl neuer Fähigkeiten einsetzen (und nicht versuchen, sofort den »perfekten« Kreislauf zu etablieren).4.In Technologie investieren, um die Wertschöpfungskette zum Kreislauf zu machen.5.Das Gleichgewicht zwischen schnellen Erfolgen und dem langfristigen, groß angelegten Wandel zeitlich planen.

Zweifellos sind die aktuellen Trends wenig attraktiv für Unternehmen, deren Überleben auf der Wachstumsstrategie der Wegwerfgesellschaft basiert. Zugleich ist offensichtlich, dass das lineare Wachstumsmodell bald keine Gültigkeit mehr haben wird; die Frage ist lediglich, wann, nicht ob es endgültig verschwindet. Je schneller Unternehmen daher die ökologischen Prinzipien übernehmen können, desto stärker minimieren sie ihre Abhängigkeit von natürlichen Rohstoffen, deren zunehmende Knappheit ihr Wachstums­potenzial schmälert.

Der Wandel zur Circular Economy wird Zeit und Mühe kosten. Eine proaktive Strategie, wie und wann dieser Schritt erfolgen soll, ist daher unerlässlich. Im ersten Schritt muss das Unternehmen seine Motive begreifen, aus denen heraus das derzeitige lineare Modell verlassen werden soll. Außerdem muss es den Nutzen quantifizieren, den ökologische Geschäftsmodelle bieten – einschließlich der erfolgsentscheidenden Technologien und Fähigkeiten.

Für Unternehmen, die ihrer Wachstumsagenda eine gesicherte Zukunft verschaffen wollen, sind Circular Economy und Circular Advantage die richtigen Entscheidungen. Und nie gab es einen besseren Zeitpunkt, um damit anzufangen.

Teil 1Ein Plädoyer für die Circular Economy

Kapitel 1:Geliehene Zeit

Das Wachstumsmodell, das während der vergangenen 250 Jahre von den Volkswirtschaften und den meisten Unternehmen favorisiert wurde, basiert auf geliehener Zeit. Und das tun auch die Firmen, die sich auf dieses Modell stützen. Diese Erkenntnis ist der Konsens verschiedenster Studien aus den vergangenen 20 Jahren, darunter Berichte wie das Internationale Ressourcen-Panel der Vereinten Nationen, in dem es heißt: »Das rasche urbane und industrielle Wachstum der vergangenen Jahrzehnte hat die Verfügbarkeit natürlicher Rohstoffe stark unter Druck gesetzt und zu einer drohenden Ressourcenknappheit, Inflation und einem sterbenden Ökosystem geführt.«30

Beziehung zwischen Materialverbrauch und wirtschaftlicher Entwicklung in 163 Ländern im Jahr 2010

Quelle: Accenture-Analyse auf der Grundlage der Daten von: SERI und WU Vienna, Materialfluss-Website, aufgerufen am 8. Januar 2015, http://www.materialflows.net/home/; Weltbank, »GDP per capita (current US$)«, aufgerufen am 8. Januar 2015, http://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.PCAP.CD

Solange Ressourcen im Überfluss vorhanden und preiswert sind und die Auswirkungen auf die Umwelt keinen Anlass zur Sorge bieten, kann der gegenwärtige »lineare« Ansatz zur Sättigung der Nachfrage sehr erfolgreich sein. Unternehmen können mit zunehmender Effizienz Rohstoffe gewinnen, diese Materialien für die Herstellung erwünschter Produkte verwenden und sie dann möglichst vielen Kunden verkaufen und liefern. Die Kunden wiederum können die Produkte verwenden und entsorgen, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben. Dieses Wirtschaftssystem basiert auf dem Prinzip der Wegwerfgesellschaft.

Wir nähern uns jedoch rasch einem Punkt, an dem das lineare Modell nicht mehr funktioniert: Dies ist dann der Fall, wenn die Verfügbarkeit vieler nicht erneuerbarer Rohstoffe – Metalle, Mineralien und fossile Brennstoffe – angesichts des weltweiten Bevölkerungs- und Wohlstandswachstums nicht mehr mit der Nachfrage Schritt halten kann. Die Regenerationsfähigkeit von Land, Wäldern und Gewässern wird über ihre Grenzen hinaus belastet. Und die ökologischen Grenzen sind stärker bedroht denn je, wie der Living Planet Report 2014 des World Wildlife Fund for Nature in erschreckender Weise illustriert: Die 10.000 Schlüsselspezies-Populationen, die repräsentativ für die globale Tierwelt sein sollen, haben sich seit 1970 um 52 Prozent verringert.31

Kurz: Das gegenwärtige Wirtschaftssystem ist untragbar. Wirtschaftswachstum, das lange als universelles Heilmittel für alle möglichen Übel galt – zum Beispiel für Rezessionen –, ist heute die Quelle der gravierendsten globalen Probleme. Die wirtschaftliche Entwicklung anzuhalten oder umzukehren ist weder sozial akzeptabel noch wünschenswert. Aber der Wachstumsmotor der Vergangenheit ist mit den komplexen Bedürfnissen der heutigen globalen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft nicht zu vereinbaren.

Lineare Wirtschaft, Circular Economy und Circular Advantage

Lineare Wirtschaft ist eine Bezeichnung für das aktuelle wirtschaftliche Wachstumsmodell, wobei »linear« sich auf den »Wiege-bis-Bahre-Verlauf« der meisten natürlichen Rohstoffe im Rahmen der Wegwerfgesellschaft bezieht. Dieser lineare Verlauf ist die Folge ehemals billiger, im Überfluss vorhandener Versorgung mit Ressourcen. Angesichts dieser Überflussversorgung haben sich die Unternehmen und Nationen darauf konzentriert, die Verbraucher mit einem ständig wachsenden Warenstrom zu versorgen. Beim linearen Modell werden Auswirkungen auf die Umwelt weitgehend außer Acht gelassen, und es gibt nur geringe Anreize, die Verschwendung während der Nutzung und am Ende des Produktlebenszyklus zu minimieren. Nur wenig Aufmerksamkeit wird darauf gerichtet, entsorgte Produkte einer neuen Nutzung zuzuführen oder sie als Rohmaterial wieder in einen Produktionsprozess einzubeziehen.

Circular Economy ist die allgemeine Bezeichnung für ein Wirtschaftssystem, in dem das Wachstum von der Nutzung knapper Ressourcen entkoppelt ist. Dieses Modell ist von seinem Verständnis her regenerativ. Es gibt zwei Arten von Materialverbrauch: Einerseits den Verbrauch biologischer (erneuerbarer) Materialien, die für die Wiederverwendung und letztlich die Rückkehr in die Biosphäre vorgesehen sind, und andererseits den Verbrauch technischer (nicht erneuerbarer) Materialien, die sich bei minimalem Qualitäts- oder Wertverlust zwischen Produktion und Verbrauch hin und her bewegen. Unternehmen in einer Circular Economy konzentrieren sich primär auf die Wertschöpfung auf Grundlage des Ressourcenmanagements in den Märkten – im Gegensatz zum Ressourcenmanagement lediglich innerhalb der Produktion. Letztlich führt die Circular Economy zu rückstandsfreien Wertschöpfungsketten, die von regenerativen (erneuerbaren) Energien angetrieben werden. Natürliche Rohstoffe werden in miteinander verknüpften Kreisläufen genutzt, anstatt sie zu verbrauchen und in linearen Abläufen zu entsorgen.

Der Circular Advantage ist der Wettbewerbsvorsprung, den Organisationen durch die Übernahme von Prinzipien der Circular Economy als Kernelement ihrer Wachstumsstrategien erlangen. Durch die Entkoppelung des Verbrauchs knapper Ressourcen und des Wachstums schützen sich Organisationen vor steigenden und volatilen Rohstoffpreisen, werden widerstandsfähiger gegen Versorgungseinbrüche und verringern ihren ökologischen Fußabdruck. Zudem erhalten sie Zugriff auf eine Reihe von Tools, um den Kundennutzen zu stärken, weil ihre Wertschöpfungskette sich jetzt über Design, Produktion und Verkauf hinaus auf die Verwendung und Rücknahme von Produkten erstreckt – und dort wird für Kunden der größte Nutzen gestiftet und der größte Komfort geschaffen.

Das Ende des »Business as usual«

Unsere Arbeit und die Studien vieler anderer haben übereinstimmend ­eine starke Beziehung zwischen Ressourcenverbrauch und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) festgestellt. Historisch gesehen stieg der Rohstoffverbrauch im Durchschnitt um 0,4 Prozent für jeden zusätzlichen Prozentpunkt BIP-Wachstum.32 In den 35 Jahren zwischen 1975 und 2010 wurden eine 225-prozentige Zunahme des realen BIP und ein 64-prozentiges Bevölkerungswachstum begleitet von einem 120-prozentigen Anstieg des Materialverbrauchs.33 Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sind offensichtlich Antriebskräfte des Ressourcenverbrauchs. Und, noch wichtiger: Diese Zahlen beweisen, dass der Nettoressourcenverbrauch selbst bei wachsender Effizienz der Weltwirtschaft ebenfalls weiter ansteigt – und zwar ­rapide.

Die Rohstoffpreise sind zwischen 1975 und 2000 für jeden Prozentpunkt BIP-Wachstum um durchschnittlich 0,5 Prozent gesunken.34 Doch um das Jahr 2000 herum kehrten eingeschränkte Ressourcenvorräte dieses Verhältnis um. Zwischen 2000 und 2013 folgte jedem Prozentpunkt BIP-Wachstum ein durchschnittlicher Anstieg der Rohstoffpreise um 1,9 Prozent.35 Da eine wachsende Bevölkerung und eine wachsende globale Mittelklasse die Nachfrage nach Ressourcen schneller in die Höhe treiben, als Innovationen und Ressourcenersatzstoffe sie bedienen können, wird sich dieser Trend fortsetzen und »Business as usual« zunehmend unhaltbar machen.

Statistisch wächst die Erdbevölkerung mit einer Geschwindigkeit von 750 Millionen Menschen pro Jahrzehnt. Wenn wir das erwartete Wirtschaftswachstum zugrunde legen, werden sich zwischen 2014 und 2030 schätzungsweise 2,5 Milliarden neue Mittelklassekonsumenten in den Wettstreit um natürliche Ressourcen aufmachen.3637 Ohne eine bahnbrechende Innovation bei der Ausführung ihrer Geschäfte werden Unternehmen, die sich auf primäre und knappe Rohstoffe verlassen, Gewinnverluste hinnehmen müssen oder zu Preisanhebungen gezwungen sein, während ein steigender Anteil des Haushaltseinkommens auf die Inflation der Rohstoffpreise entfällt.

Wie sind wir an diesen Punkt gelangt? Um zu verstehen, was geschehen wird, und den Wandel zu planen, müssen wir drei Krisenszenarien betrachten, die das lineare Wachstumsmodell mit unseren Zielen für die wirtschaftliche Entwicklung unvereinbar machen.

Erstens: Begrenztheit und wachsende Knappheit der nicht erneuerbaren Ressourcen

Zwischen 1980 und 2000 ist die Nachfrage nach nicht erneuerbaren Rohstoffen wie fossilen Brennstoffen, Metallen und Mineralien um 50 Prozent gestiegen. Das stärkste Wachstum, 75 Prozent, war im Bereich der mineralischen Baustoffe zu beobachten, weil die aufstrebenden Volkswirtschaften stark in Infrastruktur und Bauvorhaben investierten. Während der darauffolgenden 14 Jahre von 2000 bis 2014 stieg die Nachfrage nach nicht erneuerbaren Rohstoffen um weitere 80 Prozent. Parallel zur weltweiten Zunahme der globalen Mittelklasse und ihres Bedarfs an Transportmitteln und Industriegütern wuchs der Markt für fossile Brennstoffe und Erze rapide. Diese Phasen sind Teil eines Wachstumspfads von 1960 bis 2014, während dem ein 450-prozentiger Anstieg des Verbrauchs nicht erneuerbarer Rohstoffe zu verzeichnen war – und der keinerlei Anzeichen dafür erkennen lässt, dass dieser Trend in absehbarer Zukunft nachlassen wird.38

Dieser Anstieg der Nachfrage, in Verbindung mit schwindenden ­Reserven nicht erneuerbarer Rohstoffe, macht es schwierig, künftige Nachfragesteigerungen zu bedienen. Wann genau die Ressourcen erschöpft sein werden, lässt sich nicht verlässlich vorhersagen. Viele Experten glauben aktuell, dass die Schlüsselrohstoffe für das moderne wirtschaftliche Wachstum – Öl, Kupfer, Kobalt, Lithium, Silber, Blei und Zinn – innerhalb der kommenden 50 bis 100 Jahre aufgebraucht sein werden.39 Selbst wenn sich durch die Entdeckung neuer Vorkommen weitere Reserven ergeben, werden sinkende Erzgehalte und wachsende Abbaukosten den Rohstoffabbau ernstlich erschweren, das Wirtschaftswachstum verlangsamen oder aufhalten und die Umwelt schädigen.40

Zweitens: Zunehmender Druck auf erneuerbare Rohstoffe

Bedenken Sie Folgendes: Der weltweite Wasserbedarf soll zwischen 2000 und 2050 um 55 Prozent steigen, und bis dahin werden 40 Prozent der Weltbevölkerung – fast vier Milliarden Menschen – in Gegenden mit massiver Wasserknappheit leben (definiert als Wasserbedarf, der 40 Prozent über den verfügbaren Wasservorräten liegt).41 In vielen Gegenden der Welt ist das Grundwasser zunehmend verseucht und nimmt rasch ab. Die Grundwasserknappheit hat sich zwischen 1960 und 2000 auf über 250 Kubikkilometer jährlich mehr als verdoppelt. Europas größter Fluss, die Wolga, führt diese Wassermenge pro Jahr. Der jährliche Verlust von Grundwasser ist so groß, dass man ihn vom Weltraum aus sehen kann.42

Die exzessive und unvernünftige Ausbeutung natürlicher Rohstoffe im gegenwärtigen Wachstumsmodell, die von den Krisen eins und zwei so deutlich widergespiegelt wird, verursacht massive Umweltprobleme, die zunehmend außer Kontrolle geraten.

Drittens: Überschreitung der entscheidenden ökologischen Grenzen

2009 identifizierte und quantifizierte eine Gruppe 28 international anerkannter Wissenschaftler neun ökologische Grenzen, deren Überschreitung abrupte oder irreversible Umweltveränderungen hervorrufen kann. Drei davon hat die Welt bereits überschritten – die Aussterberate (Verlust von Artenvielfalt), die Kohlendioxidkonzentration und die Stickstofffixierung der Atmosphäre.43

Wie bereits erwähnt, verzeichnete der Living Planet Report zwischen 1970 und 2014 einen Rückgang der Artenvielfalt um ungefähr 50 Prozent.44 Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre hat die natürliche Menge der letzten 650.000 Jahre mittlerweile bei Weitem überschritten. Die CO2-Konzentration hat sich von einem vorindustriellen Wert in Höhe von 280 ppm (parts per million) auf 401 ppm im Juni 2014 erhöht – und ihr Anstieg beschleunigt sich.45 Menschliche Prozesse wirken sich verheerend auf die empfindlichen Ökosysteme aus. Getreidedüngung zum Beispiel führt zu einer Überkonzentration von Stickstoffen im Wasser. Das wiederum fördert Algenwachstum, das Fische und andere Lebewesen abtötet.46

Diese und eine Vielzahl weiterer Umweltschädigungen bedrohen die »ökologischen Senkgruben« – eine Bezeichnung für Wälder, Erdatmosphäre und Meere, die Abfälle, Verschmutzungen und Gifte absorbieren. Wenn aufgrund der exzessiven Verwendung fossiler Energiequellen zu viel Kohlenstoff in die Atmosphäre entweicht, steigt der Säuregehalt der Ozeane – was die Lebewesen im Meer gefährdet, insbesondere Korallen und Fische. »Ich dachte immer, es wäre ziemlich schwierig, Lebewesen im Ozean zum Aussterben zu bringen«, sagt James Barry vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Kalifornien in einem Interview mit der Seattle Times. »Aber der Wandel, den wir derzeit erleben, vollzieht sich so schnell, dass es fast augenblicklich der Fall ist. Ich glaube, es könnte überaus wichtig sein, dass wir ein hohes Maß an Ausrottung beobachten.«47

Die Konsequenzen der Knappheit ökologischer Senkgruben sind bereits offenkundig. Das »Millennium Ecosystem Assessment« aus dem Jahr 2005, ein internationaler Vorstoß von über 1.000 weltweit führenden Experten für Ökosysteme, stellte fest, dass 60 Prozent der Leistungen unseres Ökosystems geschädigt oder nicht nachhaltig genutzt wurden. Der Mensch hat die Aussterberate auf ungefähr das Tausendfache der normalen Rate erhöht, die in der Geschichte des Planeten typisch war. Die Veränderungen, denen die Ökosysteme unterworfen waren, haben erheblich zum menschlichen Wohlstand und der wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen, doch diese Vorteile wurden mit steigenden Kosten erkauft. Wenn wir uns dieser Probleme nicht annehmen, wird der Nutzen, den künftige Generationen aus Ökosystemen ziehen, immer weiter sinken. Das ist umso beängstigender, wenn man bedenkt, dass die Landwirtschaft weltweit rund die Hälfte aller Arbeitsplätze stellt.4849

Ersticken im Müll

Die drei erläuterten Krisen werden durch die immense Müllmenge, die das lineare Modell erzeugt, noch verschärft – insgesamt über elf Milliarden US-Tonnen weltweit. Davon werden nur 25 Prozent wiederverwertet und in das Produktionssystem zurückgeführt.50 Der Rest ist eine vergebene Chance, die Mülleimer füllt und Deponien verstopft.