9,99 €
August 1571: Elizabeth I. herrscht in England, und Mary Grey, ihre Cousine, ist wütend. Sie ist 26, kleinwüchsig, hat einen Thronanspruch und hat leider ohne Erlaubnis geheiratet. Zu lange steht sie unter königlichem Hausarrest - sie will frei sein, einen eigenen Haushalt führen. Nichts von alldem wird ihr gewährt. Doch anstatt es weiter still hinzunehmen, begehrt sie auf. »Mahlkes Werk ist eine subtile, knochentrockene und äußerst witzig zu lesende Form der Rebellion, ein zeitgemäßes Buch über die Selbstermächtigung einer unterdrückten Frau.« Die Zeit
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2015
Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.berlinverlag.de
Für Candelaria
ISBN 978-3-8270-7721-9
September 2016
© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin 2015
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
3.September 1571, Bishopsgate
Hab den Schuhkrieg gewonnen. Elf zu null für mich. Ellen war kampfeslustig, die letzten Tage hat sie nicht einmal versucht, mir welche anzuziehen. Die Cremefarbenen – hätte ich auch genommen, leicht zu knöpfen, der Schaft oben schön weit. Anschleichen wollte sie sich, ist in die Hocke gegangen, auf alle viere, und unter den Tisch gekrochen, in jeder Hand ein Schuh. Ich hab gelesen, in den Papieren aus Chequers, die Ellen gestern beim Aufräumen gefunden hat. Hab still gehalten, gewartet, bis ihre Finger dicht an meinem Knöchel waren, ehe ich ihn hochzog, auf den Stuhl. Sie hat meine Wade gepackt, versucht, den Fuß wieder unter den Tisch zu zerren, ich hab nach ihr getreten. Ellen wollte ausweichen, ist mit dem Kopf gegen die Tischplatte gestoßen. So fest, dass der Krug umgekippt ist, selbst schuld, sie hat ihn nach dem Frühstück nicht abgeräumt. Hellgelb, mit gräulichen Schauminseln besetzt, ist das Ale über die Tischplatte geschossen, in einer länger werdenden Zunge auf meine Unterlagen zu. Und über sie hinweg, dunkle Tinteschlieren mit sich fortreißend, die Kante hinab, auf mein Brusttuch. In den Stoff, bis zum Korsett und weiter runter. Ich bin sitzen geblieben, hab die Unterlagen hochgehalten, damit sie abtropften.
Ellen ist gerannt, einen Lappen holen. Hat mich auf den Tisch gestellt, musste mich bis aufs Hemd ausziehen und neu ankleiden. Ihr Kopf tut weh, sagt sie, bringt das Kleid zum Einweichen runter. Schätze, morgen wird sie nicht angreifen. Die Schuhe liegen noch immer unterm Tisch. Ich brauche keine.
Die Unterlagen hat Ellen zum Trocknen auf den Binsen vor dem Kamin ausgebreitet, ordentlich Bogen neben Bogen, hat sich erst geweigert, ich musste darauf bestehen. Nur Unsinn, sagt sie, steht doch nur Unsinn drauf. Als wenn sie lesen könnte. Wollte erst kein Feuer machen, hat nur eine Handvoll Holz genommen, MrsGresham wird das missfallen, gesagt.
Bin auf der Fensterbank, Ellen ist unten in der Küche, werde die Unterlagen im Auge behalten, habe Angst, dass sie sie ins Feuer tut. Vereinzelt laufen Tropfen die Scheibe herab. Sechs Wochen sind es mittlerweile, seit Mitte Juli fast ununterbrochen Regen. War erleichtert, als es anfing, alles unterschiedslos hellgrau wurde. Dachte, es geht schnell vorüber. Dachte, es gibt nichts Schlimmeres als sonnige Morgen im Sommer. An denen es kühl ist, aber man fühlt, dass sich der Tag ausdehnt, in Bewegung gerät, losstürmen will, ehe die Mittagshitze sich schlaff und träge ausbreitet. Die Vögel schlagen, kräftig und alle durcheinander, im Pfarrgarten von St Helen steht eine Reihe Buchsbäume, sagt Ellen, dort säßen sie so dicht in den Ästen, als wären es gefiederte Blätter. Die Sonne scheint noch nicht in den Innenhof, nur die Südseite der Schornsteine leuchtet. Ein erster heller Streifen schiebt sich auf den Dachfirst gegenüber, kriecht allmählich die grauen Schindeln hinab, wird breiter, lässt die weißlichen Flechten strahlen. Die Schornsteine des Seitenflügels beginnen Schatten zu werfen, eckige Silhouetten mit runden Abzügen gekrönt, die aussehen wie die Umrisse einer weit entfernten, friedlichen Siedlung. Und man kann nichts tun außer warten, dass es vorbeigeht.
Wenigstens fallen heute nur einzelne Tropfen. Die Torflügel stehen nicht weit genug offen, um erkennen zu können, was auf der Straße geschieht.
Kann verstehen, dass Keyes sich beklagt hat, als sie ihm im Gefängnis die Zwille weggenommen haben. Er die Spatzen und Tauben nicht mehr durchs Zellenfenster von den Mauervorsprüngen schießen konnte, um die Zeit zu vertreiben. Hätte auch gerne eine Zwille. Könnte den Mädchen, die mit dampfenden Eimern aus der Küche über den Hof in den Seitenflügel laufen – hört her, liebe Leut, drei Monate sind rum, die gnädige Frau nimmt ein Bad–, die Hauben von den Haaren schießen. Werde immer kindischer. Schrumpfe, nicht äußerlich, nein, da ist es nicht schlimmer als sonst, mein Inneres, was immer das ist, schrumpft. Wird immer kleiner, bis es in ihre Erwartung passt.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!