Wie man einen Drachen tötet - Michail Chodorkowski - E-Book

Wie man einen Drachen tötet E-Book

Michail Chodorkowski

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Beschreibung

Spätestens seit dem Beginn von Wladimir Putins zunehmend aggressivem Vernichtungskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 ist klar: Eine friedliche Weltordnung MIT Putin ist kaum denkbar. Doch wie kann ein totalitäres Regime beendet werden? Durch wen? Eher von innen oder von außen? Gäbe es überhaupt eine Chance auf einen einigermaßen friedlichen Machtwechsel? Und wer käme dann in Russland an die Macht – und wie würde diese aussehen? Diese drängenden Fragen werden nicht nur von Politikern und Entscheidungsträgern gestellt, sondern im Grunde von allen freiheitsliebenden Menschen in Russland und auf der ganzen Welt. Weit entfernt von jeglicher Besserwisserei, stellt der Autor in Wie man einen Drachen tötet unbequeme Fragen, wie z.B. die nach der Gewaltlosigkeit, und leitet die daraus resultierenden Handlungsoptionen ab. Damit will er keine Patentrezepte liefern, sondern eine längst überfällige Diskussion anstoßen sowie Lösungen für eine Umgestaltung des russischen Staates vorzuschlagen, die künftigen Machtmissbrauch verhindern würde. Das zentrale Argument des Buches ist, dass eine parlamentarische Republik mit einem sorgfältig austarierten System von Kontrollen und Gegengewichten das derzeitige Modell der russischen Staatlichkeit ersetzen muss, welches den Präsidenten mit einer außerordentlichen Fülle an Befugnissen ausstattet – und mit viel zu vielen Möglichkeiten, einseitige Entscheidungen zu treffen. "Wie man einen Drachen tötet" ist ein Textausschnitt aus dem Buch "Was tun? – Damit kein neuer Drache erwacht" (ISBN 978-3-95890-574-0).

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MICHAIL CHODORKOWSKI

WIE MAN EINEN DRACHEN TÖTET

HANDBUCH FÜR ANGEHENDE REVOLUTIONÄRE

Aus dem Russischen von Olaf Kühl

Inhalt

Vorwort

Einführung in die Drachenkunde: Mein Weg in die Politik und meine Ziele darin

Teil I | Wie wird man einen alten Drachen los?

Kapitel 1 | Strategie des Sieges: Friedlicher Protest oder friedlicher Aufstand?

Kapitel 2 | Vereinigung des Protests: Mehrparteien- oder Einparteiensystem?

Kapitel 3 | Wie zieht man den Protest heran: Untergrund oder Exil?

Kapitel 4 | The Point of no Return: Straße oder Kommandohöhen?

Kapitel 5 | Wie organisiert man die neue Macht: Konstitutionelle oder Verordnungs-Demokratie?

Kapitel 6 | Wie beendet man den Krieg: Kampf bis zum siegreichen Ende, Kapitulation oder Suche nach einem Kompromiss?

Kapitel 7 | Wie unterdrückt man die innere Konterrevolution: Lustration oder Besserung?

Kapitel 8 | Wie kontrolliert man den »Mann mit dem Gewehr«: Partei oder Organe?

Kapitel 9 | Wie schafft man einen öffentlichen Dienst: Schlechte eigene Leute oder gute Fremde?

Kapitel 10 | Was ist unter der »linken Wende« zu verstehen: Sozialstaat oder sozialistischer Staat?

Kapitel 11 | Wie erreicht man wirtschaftliche Gerechtigkeit: Nationalisierung oder ehrliche Privatisierung?

Teil II | Wie vermeidet man es, einen neuen Drachen heranzuzüchten?

Kapitel 12 | Zivilisatorische Wahl: Imperium oder Nationenstaat?

Kapitel 13 | Die geopolitische Wahl: Supermacht oder nationale Interessen?

Kapitel 14 | Historische Wahl: Moskowien oder Gardariki?

Kapitel 15 | Die politische Wahl: Demokratie oder Opritschnina?

Kapitel 16 | Die ökonomische Wahl: Monopol oder Konkurrenz?

Kapitel 17 | Die soziale Wahl: Linke oder rechte Wende?

Kapitel 18 | Die intellektuelle Wahl: Freies Wort oder Glasnost im Reservat?

Kapitel 19 | Die Verfassungswahl: Parlamentarische oder präsidiale Republik?

Kapitel 20 | Die rechtliche Wahl: Diktatur des Gesetzes oder Rechtsstaat?

Kapitel 21 | Die sittliche Wahl: Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit?

Schluss | Den Drachen hinter Gitter bringen

Der Autor

Vorwort

Der Archivar in Mark Sacharows Kultfilm Den Drachen töten, der die Anregung zum Titel dieses Buches gab, rechtfertigt seinen Konformismus gegenüber dem Ritter mit den Worten: »Die einzige Art, einen fremden Drachen loszuwerden, ist, sich einen eigenen anzuschaffen.« Das ist genau die Art, wie wir leben – erst ertragen wir lange das quälende Joch des fremden Drachen (eigentlich ist es unser eigener, aber ein alter), dann schütteln wir ihn ab und legen uns einen neuen, eigenen Drachen zu, der dann nach einiger Zeit selbst wieder zu einem alten und fremden wird. Ich bin zutiefst überzeugt, dass man diesen Teufelskreis der russischen Geschichte aufbrechen und dass Russland ohne Drachen leben kann, nach eigenem Verstand und Gewissen. Doch damit das geschieht, müssen die jungen Ritter der Revolution bedenken, dass es nicht reicht, den alten Drachen zu töten (wobei schon das nicht einfach ist) – man darf keinen neuen Drachen mit an die Macht bringen, der dann noch schlimmer wird als der vorherige. Dieses Buch handelt davon, wie das in Russland zu erreichen ist.

Wir als Land befinden uns in einer schwierigen Situation: Die Gesellschaft versteht, dass es »nicht so weitergehen kann«, aber sie fürchtet zugleich, es könnte »schlimmer werden«. Die Machthaber, abgesehen vom Präsidenten, ahnen, dass es keinen guten Ausweg gibt, aber sie hoffen, es könnte »irgendwie glimpflich abgehen«. Die Opposition eint das gemeinsame Bestreben, die Macht aus den Angeln zu heben, sie weiß aber nicht, »was danach« kommen soll.

Deshalb ist es meines Erachtens längst an der Zeit, den Menschen klar zu sagen, was wir ihnen vorschlagen, welche Antworten wir auf die philosophischen Schlüsselfragen des Daseins haben. Die Menschen haben ein Recht darauf, zu wissen, was sie erwartet, wenn sie auf unsere Seite treten, und für welche Ideale es lohnt, sein ruhiges Leben aufzugeben und Freiheit und Wohlergehen der Angehörigen aufs Spiel zu setzen.

Die Zeit dafür, den Kopf in den Sand zu stecken und sich vor einer Diskussion der ernsten gesellschaftlichen Probleme zu drücken, ist endgültig vorbei.

»Uns geht es nicht um Politik, wir sind nur gegen die Müllhalden vor unseren Fenstern«; »uns geht es nicht um Politik, wir sind gegen Willkür«; »es geht uns nicht um Politik, wir wollen schöpferische Freiheit, keine Korruption, Freiheit im Internet« … Für solche netten Ausflüchte ist die Zeit vorbei. Wenn ihr »nichts von Politik« haltet, dann stellt euch auf die Kirchentreppe und wartet – vielleicht gibt euch jemand aus Barmherzigkeit oder aus guter Stimmung heraus ein Almosen, aber so wie die Zeiten und Sitten heute sind, kriegt ihr eher einen Tritt und verliert auch noch euer letztes Hab und Gut.

Wenn ihr aber eure und die Rechte anderer ernsthaft verteidigen wollt, dann ist das Politik par excellence, was bedeutet – Wahlen, was bedeutet – Widerstand mit all seinen Risiken.

Unter den Oppositionellen befinde ich mich in einer einzigartigen Position (was mich nicht unbedingt freut). Bei meiner großen Verwaltungserfahrung – dazu zählt die Arbeit in der Regierung, aber auch die Leitung einiger der größten Unternehmen von strategischer Bedeutung für das Land, einschließlich der daran hängenden Dutzenden von einem Kombinat geprägten Monostädte und Siedlungen – ist es mir zugleich verwehrt, vor Ort praktische Organisationsarbeit zu leisten.

Die Machthaber haben mich aus dem Land gejagt, die Tür hinter mir zugeschlagen und zugeschlossen. Für den Fall meiner Rückkehr wurde mir direkt und formal eine lebenslange Haft in Aussicht gestellt.

Zugleich bin ich einer der wenigen (man könnte sagen, »zum Glück wenigen«, denn diese Erfahrung wird teuer bezahlt), die Wladimir Putin alles ins Gesicht gesagt haben, was ich von der Korruption in den oberen Rängen der Macht halte; der einen Monat später ein Strafverfahren angehängt bekam und mehr als zehn Jahre in Haft verbracht hat (sechs Jahre in der Zelle und vier im Lager). Dazu vier Hungerstreiks, davon zwei »trockene«, und alle – bis zur Erfüllung der Forderungen, drei davon – zum Zeichen der Solidarität.

Zehn Jahre. Das ist fast so viel wie bei meinem Freund Platon Lebedjew. Unvergleichlich viel weniger als bei meinem Kollegen Alexej Pitschugin, der immer noch im Gefängnis sitzt. Und leichter zu ertragen als das Schicksal meines Kollegen, des Juristen Wassili Alexjanin, der ein Jahr nach seiner Entlassung an der Krankheit starb, deren Behandlung man ihm im Gefängnis verweigert hatte …

Ich habe den Machthabern genug vorzuhalten, habe Erinnerungen, die ich nicht vergessen werde. Aber gerade deshalb will ich nicht über die Vergangenheit sprechen. Ich schlage vor, über die Zukunft nachzudenken.

Ich halte mich nicht für berechtigt, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit abzuwägen, den einen zu vergeben und anderen, die meiner Meinung nach eine Strafe verdienen, die Vergebung zu verweigern. Keinesfalls nehme ich für mich in Anspruch, die »Wahrheit in letzter Instanz« zu vertreten.

Jeder von uns hat seine eigene Erfahrung, seine offenen Rechnungen und seine Gedanken über die Zukunft. Aufgrund der mir eigenen geistigen Struktur habe ich nur einfach beschlossen, nicht darüber zu räsonieren, wie gut es wäre, die Machthaber abzulösen, sondern einen praktischen Plan für die Zeit »nach Putin« zu entwerfen.

Nach meinem Zeitgefühl – und nach dem Gefängnis nehme ich die Zeit anders wahr – bleibt dem Regime nicht viel, vielleicht zwischen fünf und zehn Jahre. Ich weiß nicht, wie es enden wird. Vermutlich mit Putin zusammen. Nach all dem, was in der Ukraine geschehen ist, kann ich mir kaum vorstellen, dass er freiwillig abtreten und das Ende seiner von Gott gegebenen Tage an den Ufern des Athos erleben wird. Das wird ihm nicht gegönnt sein.

So oder so, das Regime wird enden. Wie viel wird dann zu tun sein! Und rasch muss es getan werden. Bis dahin sollte sich die Gesellschaft entschieden haben, wer wir sind und wohin wir gehen, welches unser gemeinsamer Weg in dieser rasch sich verändernden Welt ist …

Einführung in die Drachenkunde: Mein Weg in die Politik und meine Ziele darin

Die Politik als solche war mir nie wichtig. Bevor ich inhaftiert wurde, war ich in sie involviert, soweit es für das Geschäft notwendig war, das heißt, um die wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, die damals für mich Priorität hatten. Dann kam das Gefängnis. Das ist nicht gerade der beste Ort für politische Diskussionen, aber ein guter Ort für politische Bildung, der ich mich fleißig widmete, soweit es die sonstigen Beschäftigungen im Gefängnis erlaubten. Ende 2013 beschloss Putin, mich freizulassen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dennoch hielt ich einen solchen Ausgang meiner zehnjährigen Isolation für sehr unwahrscheinlich. Was genau Putins Motiv war, weiß ich bis heute nicht mit Sicherheit. Wahrscheinlich ein wenig von allem. Da war die Olympiade, die vorbildlich abgewickelt werden musste, und eine persönliche Bitte von Angela Merkel, der er in der Hoffnung auf eine künftige Gegenleistung nachkommen wollte – aber auch menschliches Mitgefühl für meine sterbende Mutter, die eine letzte Chance hatte, mich zu sehen. All dies habe ich verstanden und berücksichtigt, während die Vorbereitungen für meine Ausweisung aus Russland in vollem Gange waren. Ich habe auch verstanden, dass diese Freilassung ohne Putins guten Willen und seinen Wunsch niemals erfolgt wäre und dass seine Entscheidung eine Menge Leute in seinem Umfeld verärgert hat. Obwohl ich den FSB-Offizier, der mich aufsuchte, ehrlich warnte, dass ich nicht vorhätte, künftig still zu sitzen und mich von der Welt abzusondern, hatte ich daher kein Motiv, mich aus persönlicher Rachsucht politisch zu betätigen. Ich habe mit Putin keine Rechnung mehr offen. Er hat mich ins Gefängnis gebracht und mir und meiner Familie zehn Jahre geraubt, aber er hat mir auch das Leben gerettet. Wäre das damals nicht geschehen, wäre ich dazu verdammt gewesen, den Rest meines Lebens hinter Gittern zu verbringen. Das ist mir im Rückblick ganz klar.

Wenn ich nach meiner Entlassung sagte, dass ich mich nicht in die Politik einmischen würde, war ich also völlig aufrichtig. Den Wunsch, in die Politik zu gehen, um Putin etwas zu beweisen, hatte ich damals nicht und habe ihn auch heute nicht. Paradoxerweise hat sich unsere persönliche Beziehung so entwickelt, dass ich ihm sogar irgendwie etwas schuldig bin. Er hätte mich töten können, aber er hat es nicht getan. Er hätte mich im Gefängnis verrotten lassen können, aber er hat das nicht getan. Und das vergesse ich nicht. Ich hatte vor, mich gezielt in den Bereichen Menschenrechte und Bildung zu engagieren, wo ich ausreichend große Betätigungsmöglichkeiten sah und glaubte, meine Erfahrung und mein Geld sinnvoll einsetzen zu können. Doch mit der Zeit wurde alles, was ich anfasste, irgendwie politisch. Was war passiert? Was hat mich veranlasst, meinen ursprünglichen Entschluss, nicht in die Politik zurückzukehren, wieder aufzugeben?

Um diese Frage zu beantworten, muss ich erläutern, was ich unter politischer Aktivität verstehe und was die Motivation für mein Engagement ist. Politik im eigentlichen und einzig möglichen Sinn ist der Kampf um Macht. Nicht unbedingt für sich selbst, manchmal kann es auch ein Kampf für einen anderen sein. Wenn Sinn und Ziel der Politik nicht die Macht sind, dann ist es keine Politik, sondern eine Täuschung. Oder die Person, die solches behauptet, ist einfach unehrlich gegenüber sich selbst und ihrem Umfeld.

Doch um Macht kämpfen die Menschen aus zwei Gründen: Den einen ist sie Selbstzweck, während andere sie als Mittel benötigen, um andere Ziele zu erreichen. Vereinfachend kann man die Politiker einteilen in Pragmatiker, die nichts anderes als die Macht als solche brauchen, und Ideologen, für die die Machtergreifung nur der Anfang ist. Natürlich ist diese Einteilung relativ, sie kann nicht verabsolutiert werden, aber es ist nützlich, sie im Hinterkopf zu behalten.

Macht an sich, als Attribut des Alphamännchens, als Möglichkeit, zu dominieren und eine höhere Position in der Hierarchie zu genießen, hat mich nie interessiert. Ich bin in meinem Leben schon ganz oben und ganz unten gewesen. Für mich ist längst kein Geheimnis mehr, dass formale, für alle sichtbare Macht bisweilen wenig wert ist, und reale, manchmal unsichtbare Macht sich nicht in öffentlichen Positionen in der Politik niederschlagen muss. Aus naheliegenden Gründen war ich auch nie an der Macht interessiert, um mich zu bereichern. Ich war und bin immer noch reich genug, um mir keine Sorgen um mein tägliches Brot machen zu müssen, und alles Geld der Welt kannst du auch nicht verdienen. Doch das ist nicht das Entscheidende. Ich war und bin immer sehr misstrauisch gegenüber Menschen, für die Politik Selbstzweck ist. Das Problem ist, dass diese Menschen keine Überzeugungen haben und haben können. Überzeugungen würden sie angreifbar machen und sie daran hindern, ihre Ziele zu erreichen. Im Allgemeinen kommt unter sonst gleichen Bedingungen ein prinzipienloser Mensch, der an keine Konventionen gebunden ist, leichter an die Macht. Ein solcher Mensch wäre einmal »für die Sowjetregierung« und dann wieder gegen sie, und er würde in der Regel in beiden Fällen gewinnen. Wenn es zu viele solcher Politiker gibt, gerät die Gesellschaft in eine lang anhaltende Krise.

Anders ist das bei Politikern mit Überzeugungen. Auch hier ist natürlich nicht alles einfach. Wenn Fanatiker, besessen von menschenfeindlichen Ideen, an die Macht kommen, werden sie nicht nur zu einer Bedrohung für eine bestimmte Gesellschaft, sondern für die gesamte Menschheit. Dennoch wäre die Welt jungfräulich patriarchalisch geblieben, wären nicht Menschen mit Überzeugungen an der Macht gewesen, die sie verändern wollten. Die Frage, ob ich mich politisch engagieren soll oder nicht, lief für mich also immer auf die Frage hinaus, ob ich würdige Überzeugungen habe, für die es sinnvoll ist, sich politisch zu engagieren und damit um Macht zu kämpfen. Wenn auch nicht für mich persönlich, so doch für eine Kraft, die meine Überzeugungen teilt.

Zum Zeitpunkt meiner Entlassung aus dem Gefängnis sah ich keine gewichtigen Gründe, mich in Russland politisch zu engagieren. Ich vertrat allgemeine demokratische Ansichten, so wie Hunderttausende anderer liberal gesinnter Russen auch. Natürlich war ich in praktisch allen Punkten ein Gegner des putinschen politischen Kurses, aber damit stand ich nicht allein. Um meinen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen, genügte es, diejenigen zu unterstützen, die meinen Ansichten nahestanden, was ich sogar im Gefängnis tat. Es gab für mich keinen Grund, mich in die Politik einzumischen. Ich glaubte nicht, dem, was andere sagten und taten, etwas Neues hinzufügen zu können. Bald nach meiner Entlassung jedoch änderte sich die Situation.