Wie Staaten bankrott gehen - Ray Dalio - E-Book

Wie Staaten bankrott gehen E-Book

Ray Dalio

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Beschreibung

Kann eine mächtige Nation wie die USA pleite gehen? Bedrohen hohe Schulden weltweit unser kollektives Wohlergehen? Ray Dalio, New-York-Times-Bestsellerautor und einer der größten Investoren unserer Zeit, erläutert die Gründe für seine Befürchtungen und liefert eine Blaupause, um die aktuelle Situation besser verstehen und entsprechend handeln zu können. Dalio wurde zum führenden Global-Macro-Investor, indem er die Muster der Geschichte studierte und unkonventionelle Perspektiven auf das entwickelte, was heute an den Märkten passiert. Aus 35 Fallbeispielen der letzten 100 Jahre destilliert Dalio in diesem Buch den zentralen Mechanismus hinter Staatsbankrotten: den großen Schuldenzyklus. Dabei verbindet er Geschichte, Wirtschaft und Politik zu einer spannenden Reise durch die Mechanik der Märkte und zeigt überraschend einfache Lösungen für die Schuldenprobleme, mit denen sich die USA, China, Japan und Europa heute konfrontiert sehen. Diese bahnbrechende Analyse bietet Anlegern das nötige Rüstzeug, um die Bedrohung frühzeitig zu erkennen, richtig einzuschätzen und das Schlimmste zu verhindern.

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Seitenzahl: 449

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

2. Auflage 2026

© 2025 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2025 bei Avid Reader Press unter dem Titel How Countries Go Broke. © 2025 by Ray Dalio. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Sascha Mattke

Redaktion: Dr. Daniel Bussenius

Umschlaggestaltung: Sabrina Pronold in Anlehnung an das Original

Layout und Grafiken: Creative Kong

Satz: Daniel Förster

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-839-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-617-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Titelseite

 

RAY DALIO

 

WIE STAATEN BANKROTT GEHEN

 

Der große Schuldenzyklus – warum die Weltwirtschaft in die Krise steuert und was wir jetzt tun müssen

 

 

 

 

 

MEHR VON RAY DALIO:

Bücher:

Principles: Life and Work (Die Prinzipien des Erfolgs)

Principles for Navigating Big Debt Crises (Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch große Schuldenkrisen)

Principles for Success

Principles for Dealing with the Changing World Order (Weltordnung im Wandel: Vom Aufstieg und Fall von Nationen)

Principles: Your Guided Journal (Die Prinzipien des Erfolgs – Ihr Journal)

Weitere Forschungspublikationen sind verfügbar unter economicprinciples.org

Animationen (verfügbar bei YouTube):

How the Economic Machine Works

Principles for Success

Principles for Dealing with the Changing World Order

Apps und soziale Medien:

Alle Inhalte von Ray Dalio sowie interaktive Fallstudien aus dem von ihm gegründeten Unternehmen Bridgewater Associates sind in der App »Principles in Action« zu finden, verfügbar in den App-Stores für iOS und Android. Sie können ihm auch auf LinkedIn, Facebook, Instagram, X, YouTube und TikTok folgen.

Digitale Kurse:

Mit dem Wealth Management Institute in Singapur und der ADGM Academy in Abu Dhabi als Partner bietet Ray Dalio einen digitalen Kurs auf der Grundlage seiner Prinzipien für Geldanlage und Wirtschaft an. Informationen über die Dalio Market Principles finden Sie unter principles.com.

WARUM ICH DIESES BUCH GESCHRIEBEN HABE

Mit diesem Buch möchte ich weitergeben, was ich in meinen mehr als 50 Jahren als globaler Makro-Investor gelernt habe; nach meinen Erfahrungen handelt es sich dabei um zeitlose und universelle Erkenntnisse und Prinzipien von unschätzbarem Wert. Ich glaube nicht, dass irgendjemand intensiver, länger und mit mehr Ressourcen daran gearbeitet hat, zu diesen Erkenntnissen und Prinzipien zu kommen. Sie haben sich für mich und andere reichlich ausgezahlt, und ich möchte sie nicht mit ins Grab nehmen. Ich glaube, dass die von mir dargelegten Konzepte dazu führen können, dass die Welt besser funktioniert, wenn Politiker und Anleger von ihnen Gebrauch machen. Vor allem anderen hoffe ich, dass Sie Folgendes mitnehmen, wenn Sie dieses Buch lesen:

1.Ein umfassendes und praxisnahes Verständnis des Großen Schuldenzyklus. Wenn Sie eine sehr kurze Zusammenfassung wollen, lesen Sie Teil I. Eine eingehendere Analyse finden Sie in Teil II.

2.Ein sehr viel praxisnäheres Verständnis davon, wie Angebot und Nachfrage wirklich funktionieren, als nach der konventionellen Wirtschaftslehre. Darum geht es detailliert in Kapitel 2, aber das Thema zieht sich durch das gesamte Buch.

3.Ein umfassendes und praxisnahes Verständnis des Großen Gesamtzyklus, der vom Großen Schuldenzyklus und den anderen wichtigen Zyklen angetrieben wird, darunter der große politische Zyklus innerhalb von Ländern, der politische Ordnungen verändert, und der große geopolitische Zyklus, der weltweite Ordnungen verändert. Eines meiner wichtigsten Ziele für dieses Buch ist, dass Sie verstehen, wie dieser Große Gesamtzyklus zu solchen bedeutenden Verschiebungen führt, denn ich bin der Meinung, dass wir momentan kurz vor einer Zeit mit derartigen Veränderungen stehen. Wenn Sie nur ein Kapitel in diesem Buch lesen wollen, finden Sie Informationen dazu in Kapitel 8.

Das Material in diesem Buch ergänzt und vervollständigt die Erklärungen zu den Erkenntnissen und Prinzipien in meinen anderen Büchern, insbesondere Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch große Schuldenkrisen und Weltordnung im Wandel. Weil vieles davon miteinander zusammenhängt, speise ich all diese Informationen und weitere in einen AI-Avatar von mir selbst ein, mit dem Sie leicht direkt kommunizieren können. Wenn Sie ihn ausprobieren wollen, können Sie sich bei princi­ples.com dafür anmelden.

DANKSAGUNG

Ich habe das unglaubliche Glück, meine Überlegungen mit einigen der kenntnisreichsten Menschen der Welt abgleichen zu können. Das ist besonders wichtig, weil viel von meinem Denken unkonventionell ist. Besonders dankbar bin ich den früheren US-Finanzministern Larry Summers und Timothy Geithner sowie Paul Ryan, dem früheren Sprecher des US-Repräsentantenhauses, dem früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi, Haruhiko Kuroda, dem früheren Gouverneur der Bank of Japan, Kristalina Georgieva, Geschäftsführende Direktorin beim Internationalen Währungsfonds, und Maya MacGuineas, Präsidentin des Committee for a Responsible Federal Budget.

Die tiefe historische Analyse als Grundlage für meine Überlegungen erfordert eine große Menge an analytischer Arbeit. Sie wäre nicht möglich gewesen ohne die Hilfe meines exzellenten Rechercheteams, zu dem Steven Kryger, Bill Longfield, Udai Baisiwala, Hemanth Sanjeev, Kaus Bansal, Jonah Garnick, Nick Brown und Eric Styrcula gehören.

Ebenfalls keine leichte Aufgabe war es, mein umfangsreiches Forschungsmaterial und meine Notizen in Buchform zu bringen. Ohne die schnelle und kundige Unterstützung von Mark Kirby, Chris Edmonds, Julie Farnie, Brian De Los Santos, Martha Merrell, Millissa Henaire und Zoe Petkanas wäre es nicht gelungen.

Zutiefst dankbar bin ich auch meinem Literaturagenten Jim Levine und Jofie Ferrari-Adler, meiner Lektorin bei Simon & Schusters Avid Reader Press. Die Hilfe dieser beiden war bei der Veröffentlichung aller meiner Bücher unverzichtbar.

INHALT

Teil I
Der Große Schuldenzyklus im Überblick
1Der Große Schuldenzyklus in aller Kürze
2Die Mechanik in Worten und Konzepten
3Die Mechanik in Zahlen und Gleichungen
Teil II
Die archetypische Abfolge, die dazu führt, dass Regierungen und Zentralbanken pleitegehen
4Die archetypische Abfolge
5Die Schuldenkrise von Privatsektor und Zentralregierung (Phasen 1–4)
6Die Krise greift auf die Zentralbank über (Phasen 5–6)
7Die große Schuldenkrise endet, ein neues Gleichgewicht wird erreicht und ein neuer Zyklus beginnt (Phasen 7–9)
8Der Große Gesamtzyklus
Teil III
Rückblick
9Von 1865 bis 1945 in aller Kürze 219
10Kurzer Überblick über den Großen Schuldenzyklus von 1945 bis heute
111945 bis 1971: Ein gebundenes (also hartes) Währungssystem
121971 bis 2008: Ein Fiat-Währungssystem mit zinsbasierter Geldpolitik .
132008 bis 2020: Fiat-Geld und Schuldenmonetarisierung .
14Seit 2020: Pandemie und Monetarisierung hoher Haushaltsdefizite
15Chinas Großer Zyklus von 1945–1949 bis heute in aller Kürze
16Der Fall Japan und welche Lehren er bietet
Teil IV
Blick in die Zukunft
17Was meine Indikatoren zeigen
18Meine dreiteilige 3-Prozent-Lösung
19Was ich für die Zukunft erwarte

WIE MAN DIESES BUCH LIEST

■Mir ist klar, dass unterschiedliche Leser unterschiedlich viel Vorwissen haben und unterschiedlich viel Zeit in dieses Buch investieren wollen, und weil ich Ihnen dabei helfen möchte, das zu bekommen, was Sie sich davon erhoffen, habe ich die entscheidenden Punkte fett gedruckt; auf diese Weise können Sie nur das Wichtigste lesen und optional in die Details eintauchen, die Sie interessieren. Wenn Sie ein Profi sind oder werden wollen, der sich ernsthaft mit Ökonomie und Märkten beschäftigt, empfehle ich, das gesamte Buch zu lesen, denn ich glaube, dass es Ihnen eine einzigartige Perspektive vermitteln kann, die Ihnen gefallen wird – und dass es Ihnen dabei hilft, in Ihrem Job erfolgreich zu sein. Ansonsten empfehle ich, einfach die fett gedruckten Passagen zu lesen.

■Außerdem möchte ich einige Prinzipien erklären, bei denen es sich um zeitlose und universelle Wahrheiten für den richtigen Umgang mit der Realität handelt. Diese •sind mit einem roten Punkt gekennzeichnet und in Kursivschrift gesetzt.

■Weil ich mich viel lieber mit anderen Menschen austausche, als nur meine eigenen Überlegungen zu erklären, und weil ich auf diese Weise Rückmeldungen von unschätzbarem Wert bekomme, die mein eigenes Denken verbessern, arbeite ich an neuen Technologien dafür, unter anderem einer KI-Version von mir selbst. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, können Sie sich unter principles.com anmelden, um aktuelle Informationen zu erhalten.

■Zuletzt: Damit dieses Buch nicht zu lang wird, finden Sie viel ergänzendes Material unter economicprinciples.org, darunter Literaturhinweise, Quellen, weitere Daten zu den Indizes und mehr.

EINLEITUNG

Gibt es irgendwelche Grenzen für die Höhe der Schulden eines Landes und deren Wachstum?

Was passiert mit den Zinsen und mit allem, worauf sie Einfluss haben, wenn das staatliche Schuldenwachstum nicht verlangsamt wird?

Kann ein großes, wichtiges Land mit einer Hauptreservewährung wie die USA pleitegehen – und falls ja, wie würde das aussehen?

Gibt es so etwas wie einen »Großen Schuldenzyklus«, den wir verfolgen können, um zu erkennen, wann wir uns Sorgen über Schulden machen sollten und was zu tun ist?

Dies sind keine rein akademischen Fragen für Ökonomen in der Wissenschaft – Anleger, Politiker und fast alle anderen Menschen brauchen Antworten darauf, weil diese enorme Bedeutung für unser aller Wohlergehen und die richtige Vorgehensweise haben. Definitive Antworten gibt es bislang jedoch noch nicht.

Derzeit sind einige Menschen der Meinung, es gäbe keinerlei Grenze dafür, wie hoch staatliche Schulden sein und wie schnell sie wachsen können, insbesondere bei Ländern mit einer Reservewährung. Denn um ihre Schulden zu bedienen, so diese Überlegung, kann die Zentralbank eines Landes mit rund um die Welt breit akzeptierter Reservewährung stets neues Geld drucken. Andere sehen hohe und schnell wachsende Schulden als Vorboten einer schweren Schuldenkrise am Horizont, wissen aber nicht, wie und wann genau sie ausbrechen wird – oder wie ihre Folgen aussehen werden.

Und wie sieht es mit dem großen, langfristigen Schuldenzyklus aus? Der »Konjunkturzyklus« ist weithin bekannt, und manchmal wird auch berücksichtigt, dass er von einem kurzfristigen Schuldenzyklus angetrieben wird. Für den großen, langfristigen Schuldenzyklus aber gilt das nicht – niemand erkennt ihn an oder spricht darüber. In Lehrbüchern konnte ich keine guten Untersuchungen oder Beschreibungen dazu finden. Selbst die weltweit führenden Ökonomen – sogar solche, die Zentralbanken oder Finanzministerien leiten oder geleitet haben – hatten zu diesem Thema von entscheidender Bedeutung nicht viel zu sagen, wenn ich sie darauf ansprach. Das ist der Grund dafür, dass ich diese Untersuchung vorgenommen habe und ihre Ergebnisse weitergebe.

Bevor ich damit beginne, sollte ich zunächst erklären, was mein Ausgangspunkt ist. Ich habe mich dem Thema nicht als Ökonom genähert. Mein Hintergrund ist der eines globalen Makro-Investors, der in mehr als 50 Jahren viele Schuldenzyklen in vielen Ländern durchlebt hat und sie gut genug verstehen musste, um auf ihren weiteren Verlauf wetten zu können. Ich habe alle Großen Schuldenzyklen der vergangenen 100 Jahre sorgfältig und viele weitere aus den vergangenen 500 Jahren oberflächlich untersucht, also glaube ich, dass ich verstehe, wie man sich in ihnen zurechtfindet. Weil ich über das, was ich sehe, tief besorgt bin, fühle ich mich verpflichtet, meine Erkenntnisse weiterzugeben, damit andere sie für sich bewerten können.

Um zu meinen Erkenntnissen zu kommen, schaue ich mir wie ein Arzt viele Fälle an. Um die Beziehungen zwischen Ursachen und Wirkungen zu verstehen, die über die Entwicklung entscheiden, untersuche ich die Mechanik dahinter. Außerdem lerne ich aus eigenen Erfahrungen, denke über das Gelernte nach, schreibe es auf und lasse es von intelligenten Menschen lesen und hinterfragen. Dann entwickle ich Systeme, um meine Wetten auf das abzuschließen, was ich gelernt habe, und mache wieder neue Er fahrungen. Das tue ich immer wieder und werde es tun, bis ich sterbe, denn ich liebe es. Weil es seit jeher mein Spiel ist, an den Märkten zu wetten, und weil die Schuldenmärkte über praktisch alles andere bestimmen, habe ich seit Jahrzehnten eine Obsession dafür, Schuldendynamiken zu untersuchen. Meiner Meinung nach können Sie als Anleger, Geschäftsmann oder Politiker sehr gute Erfolge erzielen, wenn Sie diese Dynamiken verstehen. Wenn Sie sie nicht verstehen, werden sie Ihnen letztlich schaden.

In meiner Forschung habe ich festgestellt, dass es große, langfristige Schuldenzyklen gibt, die unweigerlich zu großen Schuldenblasen und deren Platzen führten. Nur ungefähr 20 Prozent der rund 750 Schulden-/Währungsmärkte, die ab 1700 entstanden, gibt es noch heute, und jeder der verbleibenden hat durch den mechanistischen Prozess, den ich in diesem Buch beschreiben werde, bereits gravierende Abwertungen erfahren. Mir wurde klar, dass dieser große, langfristige Schuldenzyklus schon im Alten Testament beschrieben wurde, dass er sich über Tausende Jahre wiederholt in chinesischen Dynastien abgespielt hat und dass er immer wieder frühzeitig den Niedergang von Reichen, Ländern und Provinzen signalisierte.

Diese Großen Schuldenzyklen liefen schon immer auf eine zeitlose und universell konsistente Art und Weise ab, die nicht gut verstanden ist, es aber sein sollte. In diesem Buch möchte ich erklären, wie sie funktionieren, und mich dabei so klar ausdrücken, dass meine Beschreibung als Schablone dienen kann, um zu verstehen, was im Bereich von Geld und Schulden passiert und wahrscheinlich noch passieren dürfte. Mir ist bewusst, dass meine Schablone des Großen Schuldenzyklus unkonventionell ist. Trotzdem bin ich mir sicher, dass es ihn gibt, denn ich habe viel Geld damit verdient, auf die mithilfe des Musters erwartete Entwicklung zu setzen. Dieses und andere Schlüsselkonzepte, die mir geholfen haben, möchte ich jetzt teilen. Denn ich befinde mich in einer Lebensphase, in der ich weitergeben will, was ich gelernt habe; für mich hat es sich als wertvoll erwiesen, und ich hoffe, dass es auch anderen helfen wird. Sie können damit machen, was Sie wollen.

Warum glaube ich, dass ich etwas verstehe, das andere nicht verstehen? Nach meiner Theorie dazu gibt es mehrere Gründe. Erstens wird diese Dynamik nicht breit verstanden, weil große, langfristige Schuldenzyklen üblicherweise ungefähr ein ganzes Leben lang dauern – etwa 80 Jahre, plus oder minus 25 Jahre. Also haben wir keine Möglichkeit, aus Erfahrung über sie zu lernen. Zweitens konzentrieren wir uns so sehr auf das, was aktuell passiert, dass wir das große Gesamtbild übersehen. Außerdem glaube ich, dass es einen gewissen Widerwillen dagegen gibt, sich zu viele Sorgen wegen Schulden zu machen, weil die meisten Menschen den finanziellen Spielraum schätzen, den Kredite verschaffen; richtig ist zudem auch, dass viele Male vor drohenden Schuldenkrisen gewarnt wurde, die nie ausbrachen. Die Erinnerungen an große Schuldenkrisen wie die globale Finanzkrise 2008 und die Schuldenkrise der europäischen PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) sind verblasst, und weil wir sie hinter uns gebracht haben, gehen viele Menschen davon aus, dass die Politik gelernt hat, mit solchen Krisen umzugehen, statt diese Fälle als frühe Warnungen vor größeren Krisen am Horizont zu verstehen. Letztlich aber kommt es nicht darauf an, warum genau diese Dynamiken übersehen werden. Ich möchte hier ein Bild von dem zeichnen, was passiert und warum, und wenn es genügend Interesse daran gibt, können andere mein Muster überprüfen, sodass es nach seiner eigenen Leistungsfähigkeit besteht oder vergeht.

Das bringt mich zu einem Prinzip:

•Wenn wir uns nicht darüber einig sind, wie etwas funktioniert, können wir uns nicht darüber einig werden, was passiert oder wahrscheinlich passieren dürfte. Aus diesem Grund musste ich zunächst mein Bild von der Funktionsweise der Maschine skizzieren und es mit anderen kundigen Menschen diskutieren, bevor ich mich damit beschäftigen konnte, was passiert und noch passieren könnte.

In einem Umfeld, in dem die Staatschulden hoch sind und rapide steigen, erscheint es mir gefährlich nachlässig, davon auszugehen, dass es dieses Mal anders sein wird als zu früheren Zeiten, ohne untersucht zu haben, wie die anderen Fälle verlaufen sind. Das wäre so, als würde man annehmen, dass es nie mehr einen Bürgerkrieg oder Weltkrieg geben wird, nur weil es zu unseren Lebzeiten keinen gab, ohne die Mechanik zu untersuchen, die zu früheren Kriegen geführt hat (übrigens glaube ich, dass derzeit sowohl Bürgerkriegs- als auch Weltkriegsdynamiken in Gang sind). Wie in meinen anderen Büchern1 beginne ich hier mit einer Beschreibung der archetypischen Dynamik und gehe dann darauf ein, wie und warum unterschiedliche Fälle unterschiedlich verliefen; auf diese Weise lassen sich aktuelle Fälle relativ zu meinem Muster betrachten, und was passiert und passieren dürfte, wird in einen Kontext gestellt. Dadurch können Sie zum einen erkennen, dass sich viele Fälle dieser Art ereignen, und zum anderen einen Blick in die Zukunft bekommen. Der Abgleich des tatsächlichen Geschehens mit dem Muster bringt mich zu der Ansicht, dass wir auf einen der Fälle zusteuern, in denen nationale Regierungen und Zentralbanken auf eine Weise »pleitegehen«, die es schon Hunderte Male gegeben hat, was jeweils zu erheblichen politischen und geopolitischen Konsequenzen führte.

Das bringt mich zu einem wichtigen Punkt. Der Große Schuldenzyklus ist nur einer von mehreren miteinander zusammenhängenden Faktoren, die zusammen das ausmachen, was ich als den »Großen Gesamtzyklus« (oder einfach »Großen Zyklus«) bezeichne. So 1) haben Große Schuldenzyklen Einfluss auf und werden beeinflusst von ungefähr gleichzeitigen 2) großen Zyklen von politischer und sozialer Harmonie sowie Konflikten innerhalb von Ländern, die ihrerseits in Wechselwirkung stehen mit 3) großen Zyklen von geopolitischer Harmonie und Konflikten zwischen Ländern. Zudem werden diese Zyk len selbst beeinflusst sowohl von 4) großen Naturereignissen (Dürren, Überflutungen, Pandemien etc.) als auch von 5) der Entwicklung wichtiger neuer Technologien. Zusammen lassen diese Faktoren den Großen Gesamtzyklus von Frieden und Wohlstand sowie von Konflikt und Depression entstehen, in dessen Verlauf sich die Dinge von der einen »Ordnung« zur nächsten bewegen.

Was meine ich mit Ordnung? Ordnungen sind Funktionsweisen, die sich verändern, wenn Systeme zusammenbrechen. Es gibt geldpolitische Ordnungen, die bestimmen, wie das Währungssystem funktioniert, politische Ordnungen, die bestimmen, wie innerhalb von Ländern regiert wird, und geopolitische Ordnungen, die über die länderübergreifende Governance bestimmen. Große Zyklen bedeuten den Übergang von der einen Ordnung (also Funktionsweise) zur nächsten. Sie enden, wenn die alten Ordnungen zusammenbrechen, meist in einer großen Krise.

Wie in meinem Buch Weltordnung im Wandel beschrieben, kommt es zu den Zusammenbrüchen und bedeutenden Veränderungen im Rahmen eines Großen Zyklus typischerweise nur etwa einmal im Verlauf einer Lebenszeit, und sie sind traumatisch. Der Übergang von einem Währungssystem zum nächsten, von einem nationalen Regierungssystem zum nächsten und von einem System internationaler Governance zum nächsten nimmt typischerweise ungefähr gleich viel Zeit in Anspruch, weil diese Veränderungen jeweils große Auswirkungen aufeinander haben.

Solche Übergänge von einem Satz von Ordnungen zu einem anderen spielen sich seit jeher auf die im Grunde gleiche Weise und aus denselben Gründen ab, die aber nicht gut verstanden sind, weil es so selten dazu kommt. Trotzdem verlaufen sie hochgradig mechanistisch, was sich messen und beobachten lässt. Einen Überblick über die Faktoren, die den Großen Zyklus antreiben, gebe ich in Kapitel 8, und was sie für die Zukunft bedeuten könnten, erkläre ich zum Abschluss in Kapitel 19. Da­rüber zu lesen, so glaube ich, wird Ihnen die Faktoren offensichtlich erscheinen lassen und Ihnen helfen, zu verstehen, an welchem Punkt des Großen Zyklus wir derzeit stehen und was noch kommen dürfte. Wenn Sie aus diesem Buch sonst nichts mitnehmen, dann ist meine Hoffnung, dass es Ihnen zumindest eine deutlich bessere Vorstellung vom Muster des Großen Zyklus verschafft, die Sie nutzen können, um die scheinbar unwahrscheinlichen Ereignisse von heute zu verstehen. Noch vor einigen Jahren wären sie unvorstellbar gewesen, doch sobald Sie den Großen Zyklus und die Mechanik der fünf Faktoren verstanden haben, die ihn antreiben, können Sie diese Ereignisse leicht nachvollziehen.

Dieses Buch besteht aus vier Teilen mit 19 Kapiteln. Teil I beschreibt den Großen Schuldenzyklus, zunächst sehr einfach, dann auf eine vollständigere und stärker mechanistische Weise und dann mit einigen Gleichungen zu der Mechanik, die dabei helfen sollen, Prognosen zur wahrscheinlichen Entwicklung zu machen. Teil II beschreibt ein detailliertes Muster, basierend auf 35 Fällen von Großen Schuldenzyklen mit der typischen Abfolge von Ereignissen, die erkennen lässt, dass ein Zyklus in Gang ist, und auf Symptome hinweist, die dabei helfen können, zu erkennen, wie weit er vorangeschritten ist. Außerdem enthält dieser Teil ein Kapitel mit einem Überblick über die Funktionsweise des Großen Gesamtzyklus. Teil III beschäftigt sich mit dem jüngsten Großen Schuldenzyklus, der begann, als nach dem Zweiten Weltkrieg die neuen Währungs- und Weltordnungen entstanden, und bis heute anhält. Zusätzlich zum Großen Schuldenzyklus und zum Großen Gesamtzyklus mit Fokus auf den USA (bislang das Land mit der weltweit wichtigsten Reservewährung und die führende Weltmacht mit der Folge, dass sie am stärksten das geprägt haben, was man als die amerikanische Weltordnung seit 1945 bezeichnen könnte) betrachte ich darin sehr kurz die Großen Zyklen von China und Japan von den 1800er-Jahren bis heute. Dadurch bekommen Sie ein vollständigeres Bild von dem, was in der Welt seit 1945 passiert ist, und können zwei weitere Fälle von Großen Schuldenzyklen nachvollziehen. In Teil IV schließlich blicke ich in die Zukunft, also darauf, was meine Berechnungen zu der Frage sagen, was die USA tun müssen, um ihre Schuldenlast in den Griff zu bekommen, und wie sich die fünf großen Faktoren in den kommenden Jahren entwickeln könnten.

1 Schulden- und Währungszyklen habe ich umfassend beschrieben in meinem Buch Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch große Schuldenkrisen (das alle 48 der größten Schuldenkrisen in den 100 Jahren von 1918 bis zum Veröffentlichungsjahr 2018 enthält) sowie in Kapitel 3 und Kapitel 4 meines Buches Weltordnung im Wandel (in dem es um Aufstieg und Fall weltweiter Reservewährungen in den vergangenen 500 Jahren und 750 Währungen seit 1700 geht). In der vorliegenden Untersuchung möchte ich viel feinkörniger erklären, wie sich der Zusammenbruch abspielt, also der letzte und dramatischste Teil eines Zyklus, der zu veränderten Währungsordnungen führt.

Teil I

DER GROSSE SCHULDENZYKLUS IM ÜBERBLICK

In Teil I finden Sie einen ausführlichen Überblick über den Großen Schuldenzyklus, wie es ihn im Verlauf der Geschichte immer wieder gegeben hat, der aber nicht breit bekannt ist, weil die damit einhergehenden großen Veränderungen so selten auftreten – nur etwa einmal in einer Lebenszeit. Sinn dieses Teils ist, zu beschreiben, wie die natürlichen Mechanismen von Geld, Kredit, Schulden und wirtschaftlicher Aktivität in Kombination mit der menschlichen Natur im Zeitverlauf zusammenwirken und auf diese Weise einen Großen Schuldenzyklus entstehen lassen. Ich erkläre die Phasen, in denen sich dieser Zyklus abspielt, und was in seinem Verlauf geschieht. Das erste Kapitel enthält einen kurzen Überblick über den Ablauf eines Zyklus. In den zwei folgenden Kapiteln gehe ich tiefer ins Detail und erkläre die Mechanismen, die den Schuldenzyklus antreiben, mit Worten und Konzepten ebenso wie mit Zahlen und Gleichungen. Diese Kapitel sind sowohl für allgemein interessierte Leser als auch für Anleger relevant. Ich möchte Sie ermuntern, nach Belieben entweder nur die fett gedruckten Passagen zu lesen oder auch die Details zu erkunden.

Kapitel 1

Der Große Schuldenzyklus in aller Kürze

Mein Ziel für dieses Kapitel ist, die Mechanik eines typischen Großen Schuldenzyklus sehr kurz, aber vollständig zu beschreiben. Wenn Sie nur ein Kapitel lesen wollen, um zu verstehen, wie Schulden funktionieren, nehmen Sie dieses.

WIE DIE MASCHINE FUNKTIONIERT

Kredit ist das wichtigste Werkzeug für die Finanzierung von Ausgaben und lässt sich leicht schaffen. Weil die Ausgaben der einen Person die Einnahmen einer anderen sind, nehmen bei hoher Kreditvergabe Ausgaben wie Einnahmen zu, die Preise der meisten Vermögenswerte steigen, und fast jeder ist glücklich. Als Folge davon neigen Regierungen und Zentralbanken dazu, ein hohes Kreditvolumen zuzulassen. Durch Kredite entstehen zudem Schulden, die zurückgezahlt werden müssen, was den gegenteiligen Effekt hat – Tilgung führt zu sinkenden Ausgaben, niedrigeren Einnahmen und niedrigeren Vermögenswertpreisen, was den Leuten nicht gefällt. Mit anderen Worten: Wenn sich eine Person (ein Kredit nehmer-Schuldner) zu bestimmten Kosten (einem Zinssatz) eine bestimmte Menge Geld (als Kreditsumme bezeichnet) leiht, kann sie kurzfristig mehr ausgeben, als sie an eigenen Einnahmen und Ersparnissen hat. Langfristig aber muss sie den Kredit plus Zinsen zurückzahlen, und wenn diese Zeit kommt, kann sie weniger Geld ausgeben, als sie hat. Diese Dynamik ist der Grund dafür, dass •die Dynamik von Kredit/Ausgaben/Schuldentilgung inhärent zyklisch ist.

DER KURZFRISTIGE SCHULDENZYKLUS

Den kurzfristigen Schuldenzyklus dürfte jeder gut kennen, der schon lange genug dabei ist, um mehrere Male von ihm betroffen gewesen zu sein. Er beginnt, indem reichlich Geld und Kredit zur Verfügung gestellt werden, wenn Wirtschaftsaktivität und Inflation niedriger sind als erwünscht und wenn die Zinsen relativ zu Inflationsraten und zu den Renditen von anderen Geldanlagen niedrig sind. Diese Umstände ermuntern zu Kreditaufnahme für Ausgaben und Investitionen, was dazu führt, dass Kurse, Wirtschaftsaktivität und Inflation anziehen, bis sie höher sind als erwünscht; dann werden Geld und Kredit begrenzt, und die Zinsen steigen auf ein Niveau, das bezogen auf die Inflation und die Renditen anderer Geldanlagen relativ hoch ist. Dies führt zu weniger Kreditaufnahme für Ausgaben und Investitionen, was niedrigere Kurse, nachlassende Wirtschaftsaktivität und geringere Inflation zur Folge hat, was wiederum sinkende Zinsen sowie lockereres Geld und Kredit bedeutet – der Zyklus beginnt also von vorn. Üblicherweise dauern solche Zyklen rund sechs Jahre, plus oder minus drei Jahre.

MEHRERE KURZFRISTIGE SCHULDENZYKLEN ERGEBEN GROSSE, LANGFRISTIGE SCHULDENZYKLEN

Zu wenig beachtet wird die Art und Weise, wie sich diese kurzfristigen Schuldenzyklen zu großen, langfristigen Schuldenzyklen summieren. Weil Kredite ein Aufputschmittel sind, das einen Rausch auslöst, wollen die Leute mehr davon, also gibt es eine Neigung zur Zunahme. Das führt mit der Zeit zu steigenden Schulden, was typischerweise bedeutet, dass die meisten kurzfristigen zyklischen Hochs und Tiefs beim Schuldenstand höher sind als die vorherigen. Zusammen ergeben sie den langfristigen Schuldenzyklus, der endet, wenn er nicht mehr durchhaltbar ist. Früh im Großen Schuldenzyklus, wenn die Schuldenlast niedriger ist und mehr Potenzial dafür besteht, mit Schulden/Kredit hochprofitable Vorhaben zu finanzieren, gibt es eine andere Fähigkeit zur Aufnahme weiterer Schulden als in einem späteren Stadium, wenn die Schuldenlast höher ist und weniger produktive Optionen zur Verwendung von Krediten zur Verfügung stehen.

In der frühen Phase des Großen Schuldenzyklus ist es leicht, Kredite – sogar in hohem Volumen – zu bekommen und zurückzuzahlen. Die frühen kurzfristigen Schuldenzyklen sind hauptsächlich getrieben von der oben beschriebenen Verfügbarkeit und wirtschaftlichen Erwägungen mit Blick auf Kreditaufnahme und Ausgaben; hinzu kommt eine leise Vorsicht, die auf der Erinnerung an die Belastungen in der jüngsten Zeit, als Geld knapp war, basiert.2 Früh im Großen Schuldenzyklus, wenn Schuldenstand und gesamter Schuldendienst relativ zu Einnahmen und anderen Vermögenswerten noch niedrig sind, hängen Zunahme und Abnahme bei Kredit, Ausgaben, Schulden und Schuldenbedienung hauptsächlich von den oben beschriebenen Anreizen ab, und das Risiko ist niedrig. Spät im Großen Schuldenzyklus aber werden Schulden und Schuldendienst gemessen an Einnahmen und anderen Vermögenswerten, die zur Bedienung von Verbindlichkeiten genutzt werden können, relativ hoch, und das Ausfallrisiko steigt. Außerdem wird später im Großen Schuldenzyklus, wenn das Volumen an Schuldenaktiva und Verbindlichkeiten relativ zu den Einnahmen hoch ist, der Balanceakt schwieriger, einerseits die Zinsen hoch genug zu halten, damit Kreditgeber-Gläubiger zufrieden sind, aber andererseits nicht zu hoch für die Kreditnehmer-Schuldner. Das liegt daran, dass die Schulden des einen die Vermögenswerte des anderen sind und beide zufriedengestellt werden müssen. Kurzfristige Schuldenzyklen enden also aufgrund der oben beschriebenen wirtschaftlichen Erwägungen, und langfristige Schuldenzyklen enden, weil die Schuldenlast zu groß wird, um noch tragbar zu sein. Anders ausgedrückt: Weil es mehr Spaß macht, Kredit aufzunehmen und Geld auszugeben, können Schulden und Schuldendienst, wenn man nicht aufpasst, wachsen wie Krebs, bis sie die eigene Kaufkraft auffressen und anderen Konsum verdrängen. Dies ist, was den langfristigen Großen Schuldenzyklus ausmacht.

Über Jahrtausende und viele Länder hinweg war es stets die Schaffung von untragbar hohen Summen an Schuldenaktiva und Verbindlichkeiten relativ zum verfügbaren Volumen an Geld, Gütern, Dienstleistungen und Finanzanlagen, die den Großen Schuldenzyklus entstehen ließ und die bedeutenden Probleme für Märkte und Wirtschaft auslöste, die mit ihm einhergehen.

Einfacher ausgedrückt: •Schulden sind das Versprechen, Geld zu bezahlen. Eine Schuldenkrise entsteht, wenn mehr solche Versprechen abgegeben wurden, als Geld für die Einlösung zur Verfügung steht. Wenn das passiert, muss sich die Zentralbank entscheiden: Sie kann a) viel Geld drucken, was zu seiner Abwertung führt, oder b) nicht viel Geld drucken und damit eine große Schuldenausfallkrise in Kauf nehm en. Letztlich wird sie sich immer für Drucken und Abwerten entscheiden. In jedem Fall aber – ob durch Zahlungsausfälle oder durch Abwertung – führt die Schaffung von zu vielen Schulden letztlich zu einem Wertverlust von Schuldenaktiva (wie zum Beispiel Anleihen).

Zwar gibt es Unterschiede darin, wie die einzelnen Fälle verlaufen, doch der wichtigste Faktor ist, ob die Schulden auf eine Währung lauten, die von der Zentralbank »gedruckt« werden kann, und ob es sich dabei um eine Reservewährung handelt. Unabhängig von den Unterschieden ist zudem fast immer zu beobachten, dass es relativ unattraktiv wird, Schuldenaktiva (wie Anleihen) zu besitzen, und attraktiver, in das Produktionspotenzial der Wirtschaft (zum Beispiel Aktien) oder stabilere Formen von Geld (zum Beispiel Gold) zu investieren.

Interessant und unangemessen finde ich, dass die Ratingagenturen bei der Bewertung der Schulden eines Staates nicht das Risiko berücksichtigen, dass diese an Wert verlieren könnten. Sie bewerten nur das Risiko von Zahlungsausfällen, was den falschen Eindruck erweckt, alle Anleihen mit gutem Rating wären sichere Mittel der Wertaufbewahrung. Anders ausgedrückt: Dadurch, dass die Zentralbank den Staat finanziell retten kann, wird das Risiko von Staatsanleihen versteckt. Kreditgeber wären besser beraten, wenn die Ratingagenturen das Risiko von Verlusten durch Abwertung ebenso bewerten würden wie das von Verlusten durch Zahlungsausfälle. Schließlich sind diese Anleihen zur Wertaufbewahrung gedacht und sollten entsprechend bewertet werden. Ich selbst gehe so vor, wie Sie im Verlauf dieses Buches sehen werden. Bei Schulden in der eigenen Währung eines Landes (die also selbst gedruckt werden kann) bewerte ich die Schulden seiner Regierung getrennt von den Schulden seiner Zentralbank. Das Risiko der Zentralbankschulden bewerte ich, indem ich die Wahrscheinlichkeit einer Abwertung gleich hoch oder sogar höher einstufe als die einer Zahlungsunfähigkeit der Regierung.

Ob es zu Zahlungsausfällen oder zu einer Abwertung kommt, macht für mich keinen Unterschied. Entscheidend ist, ob ich meinen aufbewahrten Wohlstand verliere, was so oder so der Fall sein wird.

DEN VERLAUF DES SCHULDENZYKLUS VERFOLGEN

Der wichtigste Unterschied zwischen einem kurzfristigen Schuldenzyklus und einem langfristigen Schuldenzyklus hängt mit der Fähigkeit der Zentralbank zusammen, eine Wende herbeizuführen. Beim kurzfristigen Zyklus lässt sich die Phase der Kontraktion mit einer großen Dosis Geld und Kredit umkehren, um die Wirtschaft aus ihrem niedergedrückten disinflationären Zustand zu holen, denn noch hat sie die Kapazität für eine weitere Phase mit nicht inflationärem Wachstum. Gegen die Kontraktionsphase im langfristigen Schuldenzyklus dagegen lässt sich mit mehr Geld und Kredit nichts ausrichten, denn das erreichte Niveau an Schuldenwachstum und Schuldenaktiva ist nicht mehr durchhaltbar, und Besitzer von Anleihen wollen sich von ihnen trennen, weil sie glauben, dass diese auf die eine oder andere Weise schlechte Wertspeicher sein werden.

Den Verlauf des Großen Schuldenzyklus können Sie sich vorstellen wie den Verlauf einer Krankheit oder eines Lebenszyklus durch Phasen mit unterschiedlichen Symptomen. Wer die Symptome identifiziert, kann ungefähr bestimmen, in welcher Phase sich der Zyklus befindet, und Erwartungen dazu entwickeln, mit welcher Wahrscheinlichkeit er sich fortsetzt. Denkbar einfach ausgedrückt: Der Große Schuldenzyklus bewegt sich von gesundem/hartem Geld und Kredit zu immer lockererem Geld und Kredit sowie zu einer Schuldenkrise, die aus der Notwendigkeit heraus zu einer Rückkehr zu gesundem/hartem Geld und Kredit führt. Genauer gesagt gibt es zuerst eine gesunde Kreditaufnahme durch den Privatsektor, die sich zurückzahlen lässt; dann nimmt der Privatsektor im Übermaß Kredite auf, macht Verluste und bekommt Schwierigkeiten mit der Rückzahlung; dann will der Staat helfen, nimmt im Übermaß Kredite auf, verzeichnet Verluste und hat Rückzahlungsprobleme; dann will die Zentralbank helfen, indem sie »Geld druckt« und die Staatsschulden aufkauft; die Rückzahlung bereitet aber auch ihr Probleme, was dazu führt, dass sie noch viel mehr Schulden monetarisiert, wenn sie kann (wenn diese al so auf eine Währung lauten, die sie drucken kann). Zwar verlaufen nicht alle Fälle auf exakt dieselbe Weise, bei den meisten aber lassen sich die folgenden fünf Phasen unterscheiden.

Die Phase gesunden Geldes

Bei einem niedrigen Stand der Nettoverschuldung ist das Geld gesund, das Land ist wettbewerbsfähig und Schuldenwachstum treibt Produktivitätswachstum an; dies lässt Einnahmen entstehen, die mehr als ausreichen, um die Schulden zurückzuzahlen. Dadurch nehmen finanzieller Wohlstand und Optimismus zu.

■Kredit ist das Versprechen, Geld zu bezahlen. Anders als Kredit, der eine spätere Zahlung vorsieht, schließt Geld Transaktionen ab – wenn es bezahlt wurde, ist die Transaktion abgeschlossen, während bei einem Kredit noch Schulden bestehen. Kredit zu schaffen, ist einfach. Das kann jeder, während es bei Geld anders ist. Zum Beispiel kann ich einen Kredit schaffen, indem ich Ihr Versprechen akzeptiere, mir später Geld zu geben, selbst wenn Sie keines haben. Als Folge davon kann das Volumen an Krediten zunehmen, bis es viel höher ist als das von Geld. Das effektivste Geld ist gleichzeitig Tauschmittel und Mittel der Wertaufbewahrung, das weltweit breit akzeptiert wird. In der frühen Phase des Großen Schuldenzyklus ist das Geld »hart«, dient also als Tauschmittel wie zur Wertaufbewahrung, und die verfügbare Menge lässt sich wie bei Gold, Silber oder neuerdings Bitcoin nicht ohne Weiteres erhöhen. Kryptowährungen wie Bitcoin entwickeln sich mittlerweile zu anerkannten Hartwährungen, weil sie weltweit breit akzeptiert werden und nur begrenzt verfügbar sind. Das größte und verbreitetste Risiko für Geld, als Wertaufbewahrungsmittel ineffektiv zu werden, besteht darin, dass sehr viel davon geschaffen wird. Stellen Sie sich vor, Sie könnten Geld schaffen – wären Sie nicht verführt, davon Gebrauch zu machen? Bei denjenigen, die tatsächlich diese Möglichkeit haben, ist es stets so gewesen. Auf diese Weise entsteht der Große Schuldenzyklus. In seiner frühen Phase ist a) Geld typischerweise hart und das umlaufende Papiergeld zu einem festen Kurs in das »harte Geld« umtauschbar, und b) das ausstehende Volumen an Papiergeld und Schulden (das Versprechen, Geld zu bezahlen) ist nicht sehr hoch. Der Große Schuldenzyklus besteht a) im Anwachsen von »Papiergeld« und Schuldenaktiva/Verbindlichkeiten relativ zu b) »hartem Geld« und realen Vermögenswerten (zum Beispiel Gütern und Dienstleistungen) sowie relativ zu den Einnahmen, die zur Schuldenbedienung benötigt werden. Im Grunde funktioniert der Große Schuldenzyklus wie ein Pyramidensystem oder die »Reise nach Jerusalem«: In dem Glauben, dass sie sich in Geld konvertieren lassen, mit dessen Kaufkraft sie reale Güter erwerben können, halten Anleger immer höhere Summen an Schuldenaktiva; doch wenn das Volumen an Schuldenaktiva, die von diesem Glauben gestützt werden, relativ zur Menge der realen Güter zunimmt, wird immer offensichtlich, dass die Konvertierung in Geld unmöglich ist. Dies wird irgendwann erkannt, und dann beginnt ein Prozess, in dem Schuldenaktiva zugunsten von hartem Geld und realen Vermögenswerten verkauft werden.

■In der frühen Phase des Schuldenzyklus sind Schulden und Schuldendienst von Privatsektor und Staat 1) niedrig relativ zu den Einnahmen und/oder 2) niedrig relativ zu den liquiden Vermögenswerten. Im Fall von Staaten zum Beispiel sind ihre Schulden und deren Bedienung niedrig im Vergleich zu den Steuereinnahmen und/oder ihren liquiden Vermögenswerten (zum Beispiel Reserven oder andere Ersparnisse wie Staatsfonds), die leicht in Geld konvertierbar sind. Als im Jahr 1945 der Große Schuldenzyklus begann, in dem wir uns heute befinden, waren die US-Staatsschulden und -Geldmenge relativ zum Goldbesitz d er Regierung 7- bzw. 1,3-mal so hoch. Heute sind sie 37- bzw. 6-mal so hoch.

■In der frühen Phase des Zyklus sind Schuldenstand, Schuldenwachstum, Wirtschaftswachstum und Inflation weder übertrieben hoch noch übertrieben niedrig, und die Finanzen sind solide.

■In dieser Phase des Zyklus sind »riskante Vermögenswerte« verglichen mit »sicheren« relativ günstig. Der Grund dafür ist, dass Erinnerungen an die Zeit zuvor, in der großer Schaden entstand, Einfluss auf Psychologie und Preisbildung haben. Zum Beispiel war die Dividendenrendite von Aktien in den späten 1940er- und frühen 1950er-Jahren ungefähr viermal so hoch wie die Anleiherendite.

■In dieser frühen Phase ist die Wirtschaft gesund, und gute Renditen für Investitionen führen in die nächste Phase.

Die Phase der Schuldenblase

Schulden- und Investitionswachstum werden höher, als sich mit den dadurch produzierten Einnahmen bedienen lässt.

■In dieser Phase ist Geld reichlich verfügbar und billig, und es herrscht schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum mit Boom-Bedingungen. Die Nachfrage nach Gütern, Dienstleistungen und Finanzanlagen steigt zusammen mit den Preisen dafür, weil viel mit Schulden gekauft wird, die Stimmung ist sehr optimistisch und der Markt nach den meisten konventionellen Maßstäben überteuert.

■Typisch für diese Phase sind beeindruckende neue Erfindungen, die wahrhaft transformativ sind; Anleger investieren in sie, ohne einschätzen zu können oder sich dafür zu interessieren, ob der Gegenwartswert der zukünftigen Cashflows höher sein wird als die Kosten.

•Immer gibt es ein zur jeweiligen Zeit überaus beliebtes Meme, an das fast jeder glaubt. Es spiegelt sich in den Preisen wider und ist auf die eine oder andere Weise stets falsch. Diese Memes entstehen üblicherweise durch eine Mischung aus Extrapolation von dem, was zuvor passiert ist, und emotionalen Faktoren. Außerdem berücksichtigen die meisten Anleger typischerweise nicht das Preisniveau am Markt. Sie neigen also dazu, das für hervorragend zu halten, was in der Vergangenheit eine hervorragende Geldanlage (zum Beispiel ein Unternehmen mit guter Entwicklung) war, und achten dabei nicht genug auf den Preis dafür; dabei ist der Preis (ob eine Anlagemöglichkeit billig oder teuer ist) der wichtigste Faktor. Zu dieser Zeit ist typisch, dass fast jeder Geld verdienen will, indem er Vermögenswerte kauft, die nach seiner eigenen Einschätzung steigen werden (statt auf fallende Kurse zu setzen). Häufig wird dabei mit Hebelung gearbeitet.

■Diese Dynamik lässt letztlich eine Blase entstehen, zu erkennen daran, dass Schulden und Schuldendienst zur Finanzierung von Spekulation schneller zunehmen als die Einnahmen, die zur Bedienung der Schulden gebraucht werden. In dieser Phase scheinen Börsen und Wirtschaft in bester Verfassung zu sein, fast jeder erwartet weitere Fortschritte, vieles wird mit neuen Krediten finanziert, und »Wohlstand« entsteht aus dem Nichts. Mit Wohlstand aus dem Nichts meine ich, dass es mehr imaginäres als wirklich existierendes Vermögen gibt. Zum Beispiel lassen sich Blasenzeiten identifizieren anhand von langen Zeiträumen mit Schuldenwachstum (zum Beispiel über drei Jahre), das wesentlich schneller verläuft als das Wachstum der Einnahmen, anhand von hohen Vermögenswertpreisen relativ zu traditionellen Maßstäben für den Gegenwartswert wahrscheinlicher zukünftiger Zahlungsströme und anhand vieler weiterer Faktoren, die ich für meinen Blasenindikator erfasse (einen Artikel über diesen Indikator finden Sie unter economicprinciples.org und in der App Principles in Action). Ein Beispiel dafür aus der heutigen Zeit wäre ein Einhorn-Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als 1 Milliarde Dollar, das seinen Besitzer auf dem Papier zum »Milliardär« macht, aber nur 50 Millionen Dollar an Kapital von spekulativen Wagniskapitalgebern aufgenommen hat, die dieses Engagement als lukrative Option für den Fall ansehen, dass sich das Unternehmen überragend entwickelt. Solche Blasen können sich eine Weile halten, bevor der Höhepunkt erreicht wird, aber unweigerlich führen sie zu der nächsten Phase.

■Irgendwann erreicht und überschreitet die Schuldenspirale den Punkt, ab dem keine Umkehr mehr möglich ist. Schulden und Schuldendienst übersteigen also das Niveau, bis zu dem eine Beschleunigung der Entwicklung noch ohne große Verluste für Anleiheinhaber zu verhindern wäre. Diese sich selbst verstärkende »Todesspirale« der Schulden kommt in Gang, wenn Kredite aufgenommen werden müssen, um Schulden zu bedienen – während die Zinsen steigen, weil das Risiko, die Schulden oder die Währung zu besitzen, für Anleger offensichtlich geworden ist. Dies führt zu einer Schuldenkrise.

Der Höhepunkt

Die Blase platzt, und es kommt zu einer Kontraktion von Schulden/Kredit/Börse/Wirtschaft.

■Das Platzen der Blase wird meist durch eine Kombination aus strafferer Geldpolitik und einer zuvor nicht mehr nachhaltigen Rate des Schuldenwachstums ausgelöst. Es ist wirklich so einfach.

■Wenn die Blase platzt, setzt eine sich selbst verstärkende Kontraktion ein. Dadurch breitet sich die Schuldenkrise sehr rasch aus, wie ein aggressiver Tumor, weshalb sehr wichtig ist, dass die Politik schnell reagiert – entweder um die Kontraktion zu stoppen oder um den Entschuldungsprozess zu seinem Abschluss zu leiten. In den meisten Fällen lässt sich die Schuldenkontraktion vorübergehend umkehren, indem man dem System eine hohe Dosis von dem gibt, was das Schuldenproblem ausgelöst hat – also mehr Kredit und Schulden. Das setzt sich fort, bis es so nicht mehr weitergehen kann, und dann beginnt eine große Entschuldung.

Die Entschuldungsphase

Schulden und Schuldendienst werden unter Schmerzen auf ein Niveau gesenkt, das sich mit den Einnahmen vereinbaren lässt, sodass das Niveau der Schulden nachhaltig ist.

■Zu Beginn der letzten Phase des Großen Schuldenzyklus verbreiten sich die Schuldenprobleme typischerweise schnell vom Privatsektor zur Regierung und dann weiter zur Zentralbank. •Nettoverkäufe von Schuldenaktiva, insbesondere von Staatsanleihen, sind eine große rote Flagge.Wenn es dazu kommt, verschlechtern sich die Bedingungen rapide, wenn Regierung und Zentralbank nicht sehr geschickt und sehr rasch gegensteuern. In solchen Zeiten verkaufen private Besitzer ihre Anleihen, weil sie schlechte Renditen fürchten. Diese Verkäufe nehmen die Form von »Bank-Runs« an. Damit meine ich, dass Schuldenaktiva gegen reales Geld eingetauscht werden sollen, von dem Kreditgeber/Banken nicht genügend haben. Wenn die Schuldenprobleme offensichtlich werden und die Besitzer ihre Schuldenaktiva komplett verkaufen, werden die Zinsen für diese Schulden in die Höhe getrieben. Dadurch werden sie noch schwieriger zu bedienen, also noch riskanter, was die Zinsen weiter steigen lässt. An diesem Punkt stellt die Zentralbank meist Geld und Kredit zur Verfügung, um die unzureichende Nachfrage auszugleichen, was den Wert von Geld und Kredit und das Ausfallrisiko verringert.

■Der Verkauf von Staatsanleihen führt zu a) einer vom Markt getriebenen Verknappung von Geld und Kredit, die b) zu einer Schwächung der Wirtschaft, c) zu Abwärtsdruck auf die Währung und d) zu abnehmenden Reserven führt, weil die Zentralbank versucht, die Währung zu verteidigen. Klassischerweise beschleunigen und nähren solche Runs sich selbst, weil die Besitzer von Schuldenaktiva erkennen, dass sie auf die eine oder andere Weise (ob durch Zahlungsausfall oder Abwertung ihres Geldes) die Kaufkraft verlieren werden, die sie in den Schuldenaktiva aufbewahrt glaubten; so kommt es zu erheblichen Verschiebungen bei Marktpreisen und Vermögen, bis Schulden ausfallen oder restrukturiert und/oder monetarisiert werden. Weil sich diese Straffung als zu schädlich für die Wirtschaft erweist, wird die Zentralbank letztlich gleichzeitig die Kreditbedingungen lockern und eine Abwertung der Währung zulassen. Diese Abwertung kann jedoch selbst ein Grund für den Verkauf von Schuldenaktiva sein, weil sie dadurch zu einem schlechten Wertaufbewahrungsmittel werden. Ob es also eine Straffung der Geldpolitik gibt, die zu Zahlungsausfällen und Wirtschaftsschwäche führt, oder eine lockerere Geldpolitik, die eine Abwertung von Geld und Schuldenaktiva bedeutet: Für Schuldenaktiva sieht es nicht gut aus. Diese Dynamik lässt etwas entstehen, das als »Todesspirale« bezeichnet wird – eine sich selbst verstärkende Dynamik der Schuldenkontraktion, in der die steigenden Zinsen Probleme verursachen, die von Kreditgebern erkannt werden, weshalb sie Schuldenaktiva verkaufen, was zu noch höheren Zinsen und der Notwendigkeit führt, mehr Geld zu drucken, was das Geld abwertet und zu noch mehr Verkäufen von Schuldenaktiva und Währung führt und so weiter, bis die Spirale endet. Wenn dies bei staatlichen Schulden passiert, führt die Erkenntnis, dass das Problem in zu hohen Schulden liegt, na türlicherweise zu der Neigung, Ausgaben und Kreditaufnahme zu verringern. Weil jedoch die Ausgaben des einen die Einnahmen eines anderen sind, trägt Sparen in solchen Zeiten meist nur zu einem Anstieg des Verhältnisses von Schulden zu Einnahmen bei. An diesem Punkt geht die Politik typischerweise zu einer Mischung aus Schuldenrestrukturierung und -monetarisierung über, wobei es beim Verhältnis zwischen beidem hauptsächlich darauf ankommt, welcher Teil der Schulden auf die eigene Währung des Landes lautet. Diese Zahlungsausfälle, Restrukturierungen und/oder Monetarisierungen von Schulden verringern die Belastung relativ zu den Einnahmen, bis ein neues Gleichgewicht erreicht ist. Die Bewegung zu einem stabilen Gleichgewicht vollzieht sich typischerweise durch einige schmerzhafte Anpassungsspasmen. Denn bevor finanzielle Solidität gesichert erreicht ist, steht sie noch auf der Kippe.

■Klassischerweise spielt sich der Prozess der Entschuldung folgendermaßen ab. Früh in der Phase der Rezession/Depression senken Zentralbanken die Zinsen und machen mehr Kredit verfügbar. Wenn jedoch a) der Schuldenstand hoch ist und eine Kontraktion begonnen hat, b) die Zinsen nicht mehr weiter gesenkt werden können (weil sie schon bei rund 0 Prozent liegen), c) nicht genügend Nachfrage nach Staatsanleihen besteht und d) die geldpolitische Lockerung nicht ausreicht, um den sich selbst verstärkenden Depressionsdruck auszugleichen, ist die Zentralbank gezwungen, zur Stimulierung der Wirtschaft zu neuen »Werkzeugen« zu greifen. Im klassischen Fall würde sie die Zinsen unter das Niveau von nominalem Wirtschaftswachstum, Inflation und Anleiherenditen senken, aber das ist schwierig, wenn all das nah an 0 Prozent steht. Gleichzeitig macht die Regierung typischerweise deutlich mehr Schulden, weil die Steuereinahmen sinken und die Ausgaben steigen, um den Privatsektor zu unterstützen, doch es gibt nicht genügend private Nachfrage, um die neuen Staatsschulden zu kaufen. D ie Regierung gerät in eine Schuldenklemme, in der die Nachfrage des freien Marktes nach ihren Anleihen unter dem Angebot liegt. Wenn Staatsanleihen per Saldo verkauft werden, entsteht ein deutlich gravierenderes Problem.

■Oft kommt es in dieser Entschuldungsphase des Zyklus dazu, dass »mit einem Seil geschoben« wird, wie Geldpolitiker seit den 1930er-Jahren sagen. Dies passiert spät im langfristigen Schuldenzyklus, wenn Zentralbanken sich schwertun, mit ihrer stimulativen Politik höhere Ausgaben zu bewirken, weil Sparer, Anleger und Unternehmen Kreditaufnahme und Ausgaben scheuen und/oder Deflation herrscht, was den risikofreien Zinssatz, den sie bekommen können, relativ attraktiv für sie macht. In solchen Zeiten lassen sich die Leute kaum davon abbringen, in »Liquidität«3 zu sparen, selbst wenn die Zinsen auf 0 Prozent (oder sogar darunter) fallen. Charakteristisch für diese Phase ist, dass in der Wirtschaft eine deflationäre Periode oder eine Periode mit schwachem oder negativem Wachstum beginnt und dass Anleger Liquidität mit geringem Risiko horten, typischerweise staatlich garantiert.

■In dieser Phase müssen die Zentralbanken entscheiden, ob sie das Geld »hart« halten, was zu deflationären Depressionen führt, oder ob sie es »weich« werden lassen, indem sie viel davon drucken, was eine Abwertung von Geld wie Schulden zur Folge hat. Weil das Abzahlen von Schulden mit hartem Geld gravierende Abwärtsbewegungen für Märkte und Wirtschaft auslöst, entscheiden sich vor diese Wahl gestellte Zentralbanken am Ende stets dafür, Geld zu drucken und abzuwerten. Natürlich kann dabei jede Zentralbank nur das Geld des eigenen Landes drucken, was mich zu meinem nächsten Punkt bringt.

■In dieser Phase schafft die Zentralbank, wenn sie über die Fähigkeit zum »Drucken von Geld« verfügt, große Mengen an Geld und Kredit und drückt sie aggressiv in den Markt. Typischerweise kauft sie (um die nicht ausreichende Nachfrage des Privatsektors auszugleichen und die Zinsen künstlich niedrig zu halten) Staatsanleihen und private Schulden von systemisch wichtigen Unternehmen, bei denen Zahlungsausfälle drohen, und manchmal auch Aktien; zusätzlich kann sie Anreize für den Kauf von Gütern, Dienstleistungen und Finanzanlagen schaffen. In dieser Phase ist typischerweise zudem eine Abwertung der Währung erwünscht, weil sie stimulativ auf die Wirtschaft wirkt und die Inflation zunehmen lässt, was dem Deflationsdruck entgegenwirkt. Wenn die Währung an Gold, Silber oder etwas anderes gebunden ist, wird diese Bindung typischerweise aufgehoben und es findet ein Wechsel zu einem Fiat-Währungssystem statt. Wenn keine solche Bindung besteht, die Währung also bereits eine Fiat-Währung ist, kann es helfen, sie relativ zu anderen Wertaufbewahrungsmitteln und Währungen abzuwerten. In manchen Fällen lassen Maßnahmen der Zentralbank die Nominalzinsen steigen, entweder weil sie zur Inflationsbekämpfung die Geldpolitik strafft oder weil sie zwar auf diese Straffung verzichtet, aber Besitzer von Staatsanleihen keine neu angebotenen kaufen und/oder bestehende verkaufen wollen, weil sie keine adäquaten Renditen erwarten. Um dieses Geschehen zu verstehen, ist es wichtig, reale und nominale Zinsen sowie Angebot und Nachfrage bei Anleihen im Auge zu behalten.

■Zu solchen Zeiten werden außergewöhnliche Maßnahmen der Geldbeschaffung wie Sondersteuern oder Kapitalverkehrskontrollen häufiger. Ebenfalls schon viele Male haben Regierungen zu Maßnahmen gegriffen, die vorher undenkbar gewesen wären, etwa das selektive Einfrieren oder Beschlagnahmen von Vermögenswerten »feindlicher« Länder oder die Einführung neuer Formen von Geld. Bitte beachten Sie, dass ich nicht sage, dass es stets zu diesen außergewöhnlichen Maßnahmen kommt. Ich sage lediglich, dass es klug ist, diese Möglichkeit sorgfältig zu berücksichtigen.

■Diese Phase der Entschuldung, in der Schuldenlasten durch Zahlungsausfälle, Restrukturierungen und/oder Abwertungen verringert werden, ist typischerweise eine schmerzhafte Zeit. Unweigerlich kommt es zu einer aggressiven Mischung aus Schuldenrestrukturierungen und -monetarisierung, die Schulden und Schuldendienst relativ zu den Einnahmen reduzieren soll. In einer typischen Entschuldung muss das Verhältnis von Schulden zu Einnahmen um etwa 50 Prozent fallen, plus oder minus etwa 20 Prozent. Sie kann gut oder schlecht umgesetzt werden. Bei einer geschickten Umsetzung spreche ich von einer »schönen Entschuldung«, bei der Regierungen und Zentralbanken gleichzeitig und ausgewogen sowohl mit Schuldenrestrukturierungen als auch mit geldpolitischer Stimulation arbeiten. Die Restrukturierungen verringern die Schuldenlast und sind deflationär, während die Stimulierungsmaßnahmen ebenfalls die Schuldenlast verringern (weil Geld und Kredit bereitgestellt werden, um den Kauf von Schulden zu erleichtern), aber zugleich inflationär und stimulierend auf die Wirtschaft wirken. Wenn die Mischung passend ist, entsteht also positives Wachstum bei sinkender Schuldenlast und akzeptabler Inflation. Unabhängig davon, ob diese Phase des Großen Schuldenzyklus gut oder schlecht gehandhabt wird, verringert sich in ihr die Schuldenlast deutlich, und es bildet sich ein Boden, von dem ausgehend sich der nächste Große Schuldenzyklus entwickeln kann.

Die Große Schuldenkrise endet

Ein neues Gleichgewicht wird erreicht, und ein neuer Zyklus beginnt.

■Für ein funktionsfähiges Schulden-/Kredit-/Währungssystem kommt es entscheidend darauf an, dass a) Schulden und Währung robust genug sind, um zur Wertaufbewahrung geeignet zu sein, dass b) Schulden und Schuldendienst so im Verhältnis zu den Einnahmen für die Bedienung stehen, dass das Schuldenwachstum nachhaltig ist, dass c) Kreditgeber wie -nehmer glauben, dass das System erhalten bleibt, und dass d) die Verfügbarkeit von Geld und Kredit sowie die Realzinsen beginnen, sich so zu entwickeln, wie es sowohl für Kreditgeber-Gläubiger als auch für Kreditnehmer-Schuldner erforderlich ist. Die Bewegung in die Richtung einer solchen Situation spielt sich in der späten Phase des Großen Schuldenzyklus an. Sie macht sowohl psychologische als auch fundamentale Anpassungen erforderlich. Nach einer großen Entschuldung ist es typischerweise schwierig, Kreditgeber-Gläubiger zur Kreditvergabe zu bewegen, weil sie durch die vorher erlebten Abwertungen/Restrukturierungen risikoavers geworden sind. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, dass Regierung und Zentralbank Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens ergreifen. Dies bedeutet meist, dass sie ihre Finanzen wieder in Ordnung bringen, indem a) die Regierung mehr Geld einnimmt, als sie ausgibt, und/oder b) die Zentralbank Geld wieder hart macht, indem sie hohe Realzinsen bietet, ihre Reserven erhöht und/oder die Währung an etwas Hartes wie Gold oder eine starke Fremdwährung bindet. Typischerweise müssen die Zinsen in dieser Phase relativ zur Inflation hoch sein und mehr als hoch genug, um die Schwäche der Währung auszugleichen, damit es sich lohnt, Kredite zu vergeben, und teuer ist, sich Geld zu leihen. Diese Phase des Zyklus kann für Kreditgeber-Gläubiger sehr attraktiv sein.

In welcher Phase sich der Große Schuldenzyklus befindet, lässt sich auch an der Art der praktizierten Geldpolitik erkennen. Während er voranschreitet, müssen Zentralbanken ihre Geldpolitik verändern, um die Expansion bei Schulden/Kredit/Wirtschaft in Gang zu halten. Wer beobachtet, mit welchen Maßnahmen sie arbeiten, kann daraus also ableiten, in welcher Phase sich der Zyklus befindet. Die Phasen der Geldpolitik und die Bedingungen, die zu ihnen führen, sehen wie folgt aus:4

Phase 1: Gebundenes (also hartes) Währungssystem (GP0). Diese Art von Geldpolitik gab es von 1945 bis 1971. Sie endet, wenn die Schuldenblase platzt und es zu der oben beschriebenen »Bank-Run«-Dynamik kommt, also dem Run weg von Schuldenaktiva hin zum harten Geld, bei dem die begrenzte Menge an hartem Geld zu massiven Zahlungsausfällen führt. Dies lässt den überwältigenden Wunsch entstehen, Geld zu drucken, anstatt sein Volumen weiterhin von der Menge an Gold oder harter Währung begrenzen zu lassen, die zum versprochenen Kurs abgegeben werden kann.

Phase 2: Fiat-Währungssystem mit zinsbasierter Geldpolitik (GP1). In dieser Phase bestimmen Zinsen, Reserven der Banken und Eigenkapitalvorschriften auch über das Ausmaß an Schulden-/Kreditwachstum. Die Phase des Fiat-Geldes erlaubt mehr Flexibilität und bietet zugleich weniger Sicherheit dafür, dass nicht so viel Geld gedruckt wird, dass Geld und Schuldenaktiva an Wert verlieren. Die USA waren von 1971 bis 2008 in dieser Phase. Sie endet, wenn Zinsänderungen keine Wirkung mehr haben (wenn die Zinsen also 0 Prozent erreichen, während Bedarf für geldpolitische Lockerung besteht) und/oder die private Marktnachfrage nach den neuen Schulden das Angebot unterschreitet, sodass Geld und Kredit knapper und die Zinsen höher würden als erwünscht, wenn die Zentralbank nicht Geld drucken und die Schulden kaufen würde.

Phase 3: Fiat-Währungssystem mit Schuldenmonetarisierung (GP2). Diese Art von Geldpolitik kommt zum Einsatz, wenn die Zentralbank Gebrauch von ihrer Fähigkeit macht, Geld und Kredit zu schaffen, um Finanzanlagen zu kaufen. Sie ist das Mittel der Wahl, wenn die Zinsen nicht weiter gesenkt werden können und die private Nachfrage nach Schuldenaktiva (überwiegend Anleihen und Hypotheken, manchmal auch andere Finanzwerte wie zum Beispiel Aktien) nicht ausreicht, um das Angebot zu akzeptablen Zinsen aufzunehmen. Das ist gut für die Kurse von Finanzanlagen, also profitieren tendenziell vor allem deren Besitzer. Jedoch bekommen diejenigen, die finanziell am stärksten unter Druck stehen, dadurch nicht effektiv Geld in die Hand, und die Vorgehensweise ist nicht sehr zielgenau. Die USA befanden sich von 2008 bis 2020 in dieser Phase.

Phase 4: Fiat-Währungssystem mit koordiniert hohem Haushaltsdefizit und umfangreicher Schuldenmonetarisierung (GP3). Diese Art von Geldpolitik wird eingesetzt, wenn Fiskalpolitik der Regierung und Geldpolitik der Zentralbank koordiniert werden müssen, damit das System gut funktioniert und Geld und Kredit in die Hände derjenigen Menschen und Organisationen kommt, die den dringendsten Bedarf haben. Das Schaffen von Geld und Kredit mildert zwar typischerweise temporär das Schuldenproblem, aber es löst es nicht.

Phase 5: Große Entschuldung. Dazu kommt es, wenn eine erhebliche Verringerung von Schulden und Schuldendienst durch Restrukturierung und/oder Monetarisierung zwingend erforderlich wird. Wenn sie auf die bestmögliche Weise gesteuert wird, spre che ich von einer schönen Entschuldung: Deflationäre Tendenzen aufgrund der verringerten Schuldenlast (zum Beispiel durch Restrukturierungen) halten sich mit inflationären Tendenzen (zum Beispiel durch Monetarisierung) die Waage, sodass die Entschuldung ohne inakzeptabel hohe Deflation oder Inflation verlaufen kann. Die Abfolge im Großen Schuldenzyklus, die man dazu im Kopf behalten sollte, sieht so aus: Erst nimmt der Privatsektor im Übermaß Kredite auf, macht Verluste und gerät in Probleme mit der Rückzahlung (also eine Schuldenkrise); dann will die Regierung helfen, macht dazu im Übermaß Schulden und Verluste und bekommt Probleme mit der Rückzahlung; dann will die Zentralbank helfen, indem sie die Staatsanleihen kauft und Verluste auf sich nimmt. Um diese Käufe und andere strauchelnde Kreditnehmer zu finanzieren, druckt die Zentralbank (als »Kreditgeber der letzten Instanz«) viel Geld und kauft viele Schulden. Wenn es am schlimmsten kommt, verliert sie dann selbst viel Geld mit diesen Käufen.

−Zwar heißt es, eine moderne Zentralbank würde für den Kauf von Anleihen »Geld drucken«, aber das ist nicht wörtlich zu verstehen. Stattdessen leiht sie sich Geld (Reserven) von kommerziellen Banken, für das sie einen sehr kurzfristigen Zinssatz bezahlt. Im extremsten Fall dieser Dynamik kann die Zentralbank damit Geld verlieren, weil sie für die gekauften Schuldenaktiva weniger Zinsen erhält, als sie für das geliehene Geld bezahlt. Bei hohen Summen kann die Zentralbank auf diese Weise in eine sich selbst verstärkende Spirale geraten: Der Kauf von Schuldenaktiva führt zu Verlusten und negativem Cashflow, weshalb sie mehr Geld drucken muss, um eigene Schulden zu bedienen, und mehr Schuldenaktiva kaufen muss, die wieder neue Verluste bringen und dazu führen, dass es so weitergehen muss. Dies ist die Todesspirale, die ich weiter oben erwähnt habe. Wenn das Drucken von Geld in hohem Volumen geschieht, löst es eine Abwertung aus und lässt inflationäre Rezessionen oder Depressionen entstehen.l