...wie Wunsch und Wirklichkeit. - Ingrid Metz-Neun - E-Book

...wie Wunsch und Wirklichkeit. E-Book

Ingrid Metz-Neun

0,0
5,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Roman, zwei Themen. Vom Älterwerden, mit seinen noch schönen aber auch schwierigen Seiten, handelt er und von allem was dieser Prozess mit den Menschen macht. Aber er handelt auch von einer unkonventionellen Frau, für die das Reisen zum Lebensinhalt wurde. Trotzdem passen beide Themen zusammen, denn schließlich ist das Leben auch eine Reise.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 95

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ein Roman, zwei Themen. Vom Älterwerden, mit seinen noch schönen aber auch schwierigen Seiten, handelt er und von einer unkonventionellen Frau, für die das Reisen zum Lebensinhalt wurde. Aber – ist das Leben nicht grundsätzlich eine Reise? Deshalb passt es wieder zusammen.

Ingrid Metz-Neun, Jahrgang 1950, Schauspielerin, Sprecherin, Regisseurin, Autorin. Lebt nach vielen Großstadtjahren in einem kleinen Dorf an der Nordsee. Neben meist witzigen Kurzgeschichten und Gedichten schreibt sie Romane über das Leben.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Vor Weihnachten ...

Im Frühsommer ...

Zwei Wochen Später ...

Im Sommer ...

Wenig Später ...

Nach dem Regen ...

Jahre Später ...

Und dann war wieder Sommer ...

Einige Monate Später ...

Wenig Später ...

Im Herbst ...

Manchmal musste es immer noch sein ...

Die Allererste Kreuzfahrt

Hostess der Escort-Agentur

Die Penthouse-Wohnung

Abnabelung

Schöne Tage in Paris

Unterwegs sein als Berufswunsch

Unterwegs Richtung Norden

Zu Hause in Frankfurt

In der Karibik

Ginsterblüte in Schottland

Hans

Die Liebe zum Fahrrad

Rückfahrt von Paris

Einige Zeit Später ...

Epilog

PROLOG

Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.

Mark Twain

VOR WEIHNACHTEN ...

Die letzten Novembertage machten ihrem Namen alle Ehre. Es war grau und neblig und durch den beißenden Wind empfand man die Kälte noch stärker. Die Sonne ließ sich schon seit Tagen nicht mehr blicken. Die Geschäfte waren bereits bunt geschmückt für das bevorstehende Weihnachtsfest, doch damit hatte sie nicht „viel am Hut“.

Es gab keine kleinen Enkelkinder, die erwartungsvoll dem Nikolaus oder Christkind entgegen fieberten. Zur Dekoration des Hauses reichten ihr ein paar mehr Kerzen als sonst und ein paar Tannenzweige mit schlichten Kugeln und Sternen. Sie genoss das Kaminfeuer, das wohltuende Wärme verströmte.

Liebevoll betrachtete sie ihr Gegenüber. Sie saßen beim Abendessen: Bechamelkartoffeln mit Rosenkohl und Scampi. Er liebte Scampi. Würde sie am liebsten jeden Tag essen. Aber sie musste mit Krustentieren aufpassen. Zu leicht bekam sie wegen ihrer hohen Harnsäurewerte davon Gicht.

Der erste Frost hatte dem Rosenkohl gut getan. Er schmeckte köstlich. Stolz und glücklich war sie über ihre Hochbeete. Fast das ganze Jahr über deckten sie ihren Gemüse- und Kräuterbedarf.

Sie hatte eine Flasche Grauburgunder geöffnet. Er saß da wie auf dem Foto als Vierjähriger. Genau dasselbe verschmitzte Grinsen. Im Grunde war er immer ein Kind geblieben. Wie sehr hatte sie sich erschrocken, als ihr eines Tages ein Foto seiner früh verstorbenen Mutter in die Hände gefallen war: Darauf sah diese genau so aus wie sie selbst in jungen Jahren!!!

Schon in der ersten gemeinsamen Nacht, hatte er ihr zugeflüstert: „Mit Dir möchte ich alt werden.“

Das konnte man doch wirklich nicht nach dem ersten Beischlaf wissen. Aber irgendetwas musste bei ihr anders als bei seinen anderen Frauen gewesen sein. Auch nach vielen Jahren sagte er es häufig, und sie lachte ihn dann jedes Mal aus und entgegnete: „Hahaha, wir sind alt!!!“

Aber was drang davon noch in seine Welt?? Nach dem schweren Unfall war sein Gehirn geschädigt. Sie hatte lange gebraucht, um mit dieser „neuen Persönlichkeit“ zu recht zu kommen. Sie haderte und haderte. Bis ihr eines Tages ihr Arzt sagte: „Es hätte schlimmer kommen können.“

Von da an hatte sich bei ihr ein Schalter umgelegt. Sie lotete aus, was noch möglich war. Zwangsläufig hatte er jetzt alle Ämter, die er nach der Pensionierung noch inne gehabt hatte, abgegeben. Keine Tage mehr mit endlosen Vorbereitungen für einen wichtigen Termin, bei denen sie als seine quasi Sekretärin fungieren musste. Kein Kofferpacken mehr für lange Auslandsaufenthalte und die Angst, es könnte unterwegs etwas passieren, sei es auf dem Weg dorthin oder im Hotel mit einer neuen Frau, die ihn anhimmelte. Er hatte dieses Gen, diesen Blick, diese Ausstrahlung, der auch sie erlegen war. Wie viele Nächte, in denen er nicht nach Hause gekommen war, hatte sie durchweint.

Nein, weite Flugreisen oder ähnliches waren ihm jetzt nicht mehr zuzumuten, aber es gelang ihr, so viel Abwechslung in ihren Alltag zu bringen, dass auch sie wieder zufrieden war.

Eines Tages war ihr bewusst geworden, dass man glücklich sein im Grunde darunter zusammen fassen konnte, wie viele schöne, interessante, verrückte, gute und schlechte Erlebnisse man im Laufe seines Lebens gesammelt hatte. Daran erinnerte man sich immer wieder. Das konnte einem keiner nehmen. Das blieb im Gedächtnis. Davon konnte man zehren und machte einen glücklich an Tagen, an denen es hier und da weh tat und nichts mehr ging wie man wollte.

„Noch einmal vier Stufen auf einmal nehmen

und über den Bach springen können.

Noch einmal in das alte Kleid passen

trotz Sahnetorte am Sonntagnachmittag.

Noch einmal Kirschkerne spucken

ohne vom Bauern erwischt zu werden“.

Blöd nur, dass man als junger Mensch seine vielen Möglichkeiten nicht zu schätzen weiß. Sie werden als selbstverständlich hingenommen. Erst wenn etwas nicht mehr geht, wird man gezwungen darüber nachzudenken.

„Ich weiß, was ich will“, der Song von Udo Jürgens kommt zu spät, dachte sie, die Zeit ist abgelaufen,

man kann die Jugend nicht zurück holen.

Muss sich bescheiden mit dem, was möglich ist.

„Es hätte ja noch schlimmer kommen können“.

„Schau mal, der Himmel ist ganz blass rosa. So war er noch nie“. Sie hatte die Gabel beiseite gelegt und fasziniert hinaus geschaut. Erst in der letzten Zeit war es ihr möglich, dankbar zu sein. Dankbar für das wunderschöne Fleckchen Erde, auf dem sie lebten. Dankbar für das großzügige Haus mit all seinen seniorengerechten Annehmlichkeiten. Dankbar für die Natur um sie herum, die gute Luft und die liebenswerten Nachbarn. Sie nahm sich jetzt immer öfter mal Zeit einfach da zu sitzen und den Graureiher am nahen Teich zu beobachten oder den kleinen Frosch, der über die Wiese hüpfte. Ab und zu bekam sie noch Besuch von dem Feldhasen. Er wagte sich immer bis auf die Terrasse. Sie war überzeugt, es sei noch derselbe wie im letzten Jahr. Und jeden Morgen das Spiel mit der Hausamsel. Sie war sicher, der Gelbschnabel würde nur darauf warten, bis sie die Zeitung aus dem Briefkasten holte. Dann ging sie ein paar Schritte auf die Amsel zu. Keine Reaktion. Aber wehe, wenn sie zu nahe heran kam. Dann schimpfte sie, flog auf die Dachrinne und beäugte sie von dort oben. Im Sommer nahm sie gern ein Bad in der blauen Vogeltränke. Sie spritzte dann gehörig um sich. Das schien ihr großen Spaß zu machen.

Ja, sie hatte endlich ihre Ruhelosigkeit aufgegeben, nachdem sie sich zunächst wie eine Gefangene gefühlt hatte. Ihren überaus ausgeprägten Freiheitsdrang konnte sie nicht mehr ausleben, das ängstigte sie, machte sie aggressiv. Doch dann ließ sie sich auf die Situation ein und wurde ruhiger. Nur so konnte sie den Alltag mit ihm bewältigen. Jetzt war sie für ihn da, und er genoss es. Hatte er von Anfang an in ihr eine Mutter gesehen? Dieser Aspekt verfolgte sie lange. Aber keiner konnte ihr eine eindeutige Antwort darauf geben. Es blieb bei ihrer Vermutung.

Der heutige Kalenderspruch gefiel ihr: Man verbringt viel zu viel Zeit damit, über Sachen nachzudenken, die man nicht mehr ändern kann! Deshalb versuchte sie so gut es ging im Hier und Jetzt zu leben. Irgendwo hatte sie gelesen: „Jede Minute Lachen verlängert Dein Leben um eine Stunde“. Na bitte! Sie lachte, denn es hätte doch schlimmer kommen können.

IM FRÜHSOMMER ...

Sie hielt das Messer in ihrer rechten Hand, aber sie wusste nicht mehr, was sie damit vorhatte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Beim Blick aus dem Küchenfenster auf den davor liegenden Teich sah sie jetzt zwei Entenfamilien einträchtig nebeneinander her schwimmen. Die eine hatte sechs Kinder, die andere vier. Die mit den sechs kleinen Entlein waren zwei Wochen lang jeden Morgen stolz – man sah förmlich wie Mutter und Vater ihre Köpfe reckten – an dem bis dahin noch kinderlosen Paar vorbei geschwommen. Jetzt hatten auch diese ihre kleinen Küken im Schlepptau.

„Ein so friedlicher Anblick“, dachte sie und schaute wieder auf das Messer in ihrer Hand. Jetzt fiel es ihr wieder ein. Sie wollte aus dem Kühlschrank den spanischen Käse holen und ihn fürs Frühstück aufschneiden. Er war so hart, dass man Mühe hatte, sich mit dem normalen Besteck eine Scheibe abzuschneiden, deshalb war das große Filetiermesser dazu wesentlich besser geeignet.

Sie schaute auf den Tisch. Alles schien zu ihrer Zufriedenheit. Sie ging zum dritten Mal zur Badezimmertür. „Schatz, dein Kaffee wird kalt, komm frühstücken“.

„Bin gleich da“. Das hörte sie jetzt schon zum dritten Mal an diesem Morgen und sie fragte sich, ob er gleich wieder vergaß zu kommen oder ob er tatsächlich jeden Morgen länger brauchte zum Waschen und Zähneputzen. Ein Seufzer entwich ihren ungeschminkten Lippen. So hatte sie sich das nicht vorgestellt …

„Welches waren Ihre wichtigsten Bezugspersonen in Ihrer Kindheit“?

Die Frage der Therapeutin klang freundlich und unaufdringlich. Sie dachte lange nach, aber es fiel ihr niemand ein. „Niemand, ich habe keine Erinnerung an meine Kindheit“.

„Aber es muss doch jemanden gegeben haben, der für Sie wichtig war“. Jetzt wurde die Frage schon etwas dringlicher.

„Nein, so sehr ich auch nachdenke, ich wüsste nicht, wen ich nennen sollte. Ich glaube, ich habe meine schreckliche Kindheit völlig verdrängt“.

Lautlos liefen ihr Tränen übers Gesicht. Sie konnte sich wirklich nicht erinnern. Da war nichts, kein einziges Detail, dass ihr als etwas Besonderes oder Erwähnenswertes in den Sinn kam.

Die Therapeutin reichte ihr wortlos ein Taschentuch. „Überlegen Sie in Ruhe. Machen Sie eine kleine Liste von 1 – 10 bis zum nächsten Mal. Es fällt Ihnen bestimmt noch etwas ein“.

Sie stand auf und ging an den Schrank mit den vielen Globuli-Fläschchen. Sie mischte knapp einen halben Teelöffel zusammen und bat sie, diese zu lutschen.

„Bis nächste Woche. Seien Sie freundlich und nachsichtig mit sich“, sagte sie lächelnd bei der Verabschiedung.

Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und die ersten Rosen waren im Vorgarten der Therapeutin aufgeblüht. Immer, wenn sie aus diesem Haus trat, fühlte sie sich leicht und unbeschwert, aber dieses Gefühl hielt leider nie lange an.

Irgendetwas nagte an ihr, fraß sich in ihr Unterbewusstsein und schwächte sie. Das spürte sie ganz deutlich. Aber was war der Auslöser?

Die Tage vergingen, und sie wurde immer kraftloser. Sie schlief kaum noch in der Nacht. Tagsüber dümpelte sie von einem kurzen Schlummer in den nächsten.

Sie fand ein Gedicht wieder, das sie wohl vor Jahren geschrieben hatte:

Die Stadt hat mich ausgelaugt.

Ihr Stress hat mich ausgesaugt.

Ich suche nur noch Stille.

Das ist mein letzter Wille.

Fernab vom lauten Gewimmel

Erfreut mich das Gebimmel der Kühe.

Wie alt muss man werden

Um zu wissen, was man nicht braucht?

Wann ist die Neugierde erloschen auf alles Neue?

Ist das Todesahnung oder schlicht Überlebenswille?

Danke, lieber Gott, für die Stille.

Was war geschehen? Warum nagte immer stärker das Bedürfnis an ihr, unbedingt noch weitere Erfolge haben zu müssen? Wozu? Sie hatte keine finanziellen Sorgen. Doch zum Schreiben, ihrer Lieblingsbeschäftigung, fehlte ihr die Kraft. War das der Schlüssel ihrer Unzufriedenheit?

„Ich glaube, Männer machen sich diese Gedanken nicht. Sie sind einfacher gestrickt“. Ihre Freundin Melanie schob eine weitere Gabel Penne mit Lachs in ihren hübschen Mund.

„Mmmh, die Sahnesoße schmeckt köstlich. Solltest Du auch mal probieren, anstatt immer nur in Deinem Salat herum zu stochern“, meinte Melanie jetzt und schob noch hinterher: „Du bist einfach nicht freundlich genug zu Dir selbst. Sei doch mal fröhlicher und unbeschwerter“.