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In Wikipedia werden Artikel anders als in Printenzyklopädien kollaborativ erstellt. Die vorliegende Studie untersucht die Auswirkungen der veränderten Produktionsbedingungen auf der Basis eines Korpus aus 120 Artikeln. Aus je zwei französischen und italienischen Printenzyklopädien sowie den jeweiligen Wikipedia-Ausgaben wurden je fünf Stichwörter aus den Bereichen Geografie, Chemie, Medizin und Wirtschaft aufgenommen. Die Artikel wurden systematisch nach Medium, Sprache und Fach gegenübergestellt und hinsichtlich ihres Inhalts, des Grads der Fachsprachlichkeit, der Neutralität und der informellen Schriftlichkeit untersucht. Die Vergleiche ergeben bei beiden Artikeltypen unerwartet deutliche fachliche, sprachliche und kulturelle Spezifika. Hinzu kommen nähesprachliche Erscheinungen, die sich auf die Produktionsbedingungen im Wiki zurückführen lassen.
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Seitenzahl: 880
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Bettina Eiber
Wikipedia und der Wandel der Enzyklopädiesprache
Ein französisch-italienischer Vergleich
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN 978-3-8233-8407-6 (Print)
ISBN 978-3-8233-0274-2 (ePub)
Das vorliegende Werk wurde im Herbst 2019 von der Philosophischen Fakultät der Universität Passau als Dissertationsschrift angenommen.
Mein besonderer Dank gilt der Betreuerin meiner Dissertationsschrift, Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Reutner. Sie begleitete konstant deren Entstehung und unterstützte mich maßgeblich durch ihre kritischen Nachfragen und ihren erfahrenen Blick fürs Detail. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Rüdiger Harnisch für die Erstellung des Zweitgutachtens und auch dafür, dass er mich an seinem linguistischen Oberseminar teilhaben ließ. Ein herzlicher Dank gilt zudem Herrn Prof. Dr. Walter für die Erstellung des Drittgutachtens.
Bedanken möchte ich mich ebenfalls bei allen Freunden und Kollegen, die mich während der Promotion unterstützt haben. Ganz besonders gilt dieser Dank meiner Kollegin Hannelore Gillich, die fachlich und persönlich eine große Stütze während der Promotion war.
Während des gesamten Schreibprozesses und insbesondere in den letzten Wochen vor der Abgabe konnte ich zudem immer auf die Unterstützung meiner Familie vertrauen. Ganz herzlich möchte ich mich bei meinen Eltern und meiner Schwester für die aufwändige Korrekturlektüre und den moralischen Beistand in der Abschlussphase bedanken.
Dem Gunter Narr-Verlag danke ich für die Aufnahme der Dissertationsschrift in die Reihe Tübinger Beiträge zur Linguistik. Ein herzlicher Dank gilt zudem der Axel Springer Stiftung und dem Graduiertenzentrum Passau für den großzügig gewährten Druckkostenzuschuss.
Passau, im September 2020 Bettina Eiber
Schon im Jahre 1962 postulierte der Medientheoretiker Marshall McLuhanMcLuhan, Marshall (1962: 278) das Ende der Gutenberg-GalaxisGutenberg-Galaxis durch die Einführung neuer Medien in die Gesellschaft. In der Folge scheint sich diese Annahme zu bewahrheiten und es ist die zunehmende Einstellung von gedruckten Büchern und Zeitungen zu beobachten, die durch digitale Ausgaben ersetzt werden. Besonders früh und ausgeprägt zeichnete sich diese Entwicklung bei EnzyklopädienEnzyklopädie ab. So erscheinen die Ausgaben der Encyclopædia Britannica (2020), des Brockhaus (2020), der Encyclopaedia Universalis (2020) und der Encyclopédie Larousse (2020) heutzutage ausschließlich online, die Enciclopedia Treccani (2020) existiert parallel als Online- und als Printausgabe. Diese Angebote reproduzieren in der Regel traditionelle EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel auf statischen Webseiten und bewirken deswegen nur geringe Veränderungen im Vergleich zu den gedruckten Vorläufern. Allerdings wird schon mit der Gründung der WikipediaWikipedia im Jahre 2001 dieses Modell weitgehend obsolet und die statischen, expertenbasierten EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel werden durch dynamische, kollaborativ im WikiWiki erstellte Artikel abgelöst (2.). Durch die weltweite Verbreitung und den schwindenden Qualitätsunterschied zwischen Print- und WikipediaartikelnWikipediaartikel (cf. Giles 2005) kann davon ausgegangen werden, dass kollaborativ in einem WikiWiki erstellte Artikel zunehmend Modellcharakter gewinnen, wodurch die DiskurstraditionDiskurstraditionEnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel transformiert wird.
Angesichts der skizzierten Entwicklungen stellt sich nun die Frage, inwiefern sich EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel verändern, wenn sie nicht mehr gedruckt, sondern als Wikipediaartikel vorliegen. Des Weiteren ist zu untersuchen, ob die verschiedenen Sprachversionen der WikipediaSprachversion (der Wikipedia) jeweils dieselben trägermedialen Anpassungen aufweisen und deswegen eine Homogenisierung zu beobachten ist oder ob sich sprach- und kulturspezifische Varianten von Wikipediaartikeln herausbilden. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, in welcher fachlichen Tradition ein EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel steht und ob diese im neuen Medium erhalten bleibt.
Dass der Wechsel des TrägermediumsTrägermedium das Potential besitzt, EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel tiefgreifend zu transformieren, legen theoretische Überlegungen nahe, die diese als Diskurstraditionen konzeptualisieren (3.1.1), die sich aufgrund von historischen Ereignissen, wie beispielsweise eines MedienwandelsMedienwandel, sukzessive verändern (3.1.2). Ein Teil dieser Veränderungen kann auf der Basis bisheriger Erkenntnisse zu gedruckten Enzyklopädieartikeln und zu Wikipediaartikeln nachvollzogen werden. Zu deutschen PrintartikelnPrintartikel sind insbesondere die Studien von Hoffmann (1988), Fandrych/Thurmair (2011), Augustin (2016), zu französischen PrintartikelnPrintartikel Mochet/O’Neil (2000) und zu gedruckten italienischen Artikeln d’Achille/Proietti (2011) zu nennen, welche sich mit dem Artikelaufbau und den sprachlich-stilistischen Merkmalen beschäftigen (3.2). Wikipediaartikel der englischen Sprachausgabe werden von Emigh/Herring (2005), Baron (2008), Elia (2008) und Tereszkiewicz (2010) untersucht. Emigh/Herring (2005) vergleichen ein Korpus englischer Wikipediaartikel mit Artikeln der PrintenzyklopädieEnzyklopädie– Print-~Columbia Encyclopedia und mit denen der OnlineenzyklopädieEnzyklopädie– Online-~Everything 2. Dabei ergibt der Vergleich zwischen Wikipedia und der Printenzyklopädie kaum Unterschiede, während Everything 2 einen geringeren Grad an sprachlicher FormalitätFormalität aufweist. Angesichts der unterschiedlichen KommunikationsbedingungenKommunikationsbedingungen in Printenzyklopädien und Wikipedia erscheint diese Tatsache erstaunlich, wird jedoch von Emigh/Herring (2005) so erklärt, dass die WikipediarichtlinienWikipediarichtlinien restringierend wirken und somit die Anpassung an die neue mediale Umgebung verhindern. Auf dieses Ergebnis bezieht sich auch die Darstellung der Wikipedia in Baron (2008). Ebenso konstatiert Elia (2008) in ihrem Vergleich englischer WikipediaartikelWikipediaartikel mit Artikeln der Encyclopædia Britannica nur einen etwas höheren Grad an sprachlicher FormalitätFormalität in der Printenzyklopädie. Gravierendere Unterschiede ergeben sich zwischen dem distanzsprachlichenDistanzsprache Charakter der WikilanguageWikilanguage in einem Artikel und der nähesprachlichennähesprachlichWikispeakWikispeak auf der dazugehörigen DiskussionsseiteDiskussionsseite. Zu einem etwas anderen Resultat kommt Tereskiewicz (2010) in ihrem Korpus aus Wikipediaartikeln zum Buchstaben U, das ein ganzes Kontinuum an Artikeln, von traditionellen über etwas abweichende bis hin zu antienzyklopädischen Artikeln, die die InformationsfunktionInformationsfunktion nicht mehr erfüllen, beinhaltet. Im Gegensatz zum Englischen existieren für andere Sprachausgaben der Wikipedia keine größeren Studien. Artikel der deutschen Wikipedia werden in den Aufsätzen von Fandrych/Thurmair (2011) und Augustin (2016) besprochen, die zu dem Urteil kommen, dass in Wikipedia eine etwas abweichende Variante der Diskurstradition entsteht. Studien zu romanischsprachigen Wikipediaversionen liegen von Reutner (2013a, 2013b, 2014a) und d’Achille/Proietti (2011) vor. Im Gegensatz zu Untersuchungen der englischen WikipediakorporaWikipediakorpus konstatieren sie durchaus auffällige Abweichungen der Wikipediaartikel von gleichsprachigen gedruckten Artikeln, was die KommunikationssituationKommunikationssituation sowie inhaltliche und sprachliche Merkmale betrifft (3.3).
Angesichts der Tatsache, dass die Charakteristika von englischsprachigen Wikipediaartikeln bereits an größeren Korpora untersucht wurden und für die romanischsprachigen Versionen lediglich einzelne kleinere Untersuchungen zur Verfügung stehen, setzt sich die vorliegende Studie zum Ziel, die bereits beobachteten Eigenschaften romanischsprachiger Wikipediaartikel an einem größeren Korpus zu überprüfen und mögliche Unterschiede zudem durch die systematische Gegenüberstellung der Artikel nach Fach, Medium und Sprachversion zu erklären (4.1). Zu diesem Zweck wird ein Korpus aus 120 vollständigen Enzyklopädieartikeln in CQPwebCQPweb aufgebaut. Dabei wird ein Korpus mit französischen und eines mit italienischen Artikeln erstellt. Artikel aus französischen Printenzyklopädien werden deswegen analysiert, weil die Kultur Frankreichs über eine bedeutende Tradition verfügt, mit der die gedruckten italienischen Werke verglichen werden. Ein intermedialer Vergleich stellt den gedruckten Enzyklopädieartikeln die gleichnamigen Einträge aus der französischen und der italienischen Wikipedia gegenüber. Die französische Wikipedia ist zudem die größte romanischsprachige Ausgabe, was die Bedeutung von Enzyklopädien für Frankreich auch im Zeitalter des Internets unterstreicht. Pro Sprache werden Artikel aus zwei Printenzyklopädien und der jeweiligen Sprachversion der WikipediaSprachversion (der Wikipedia) ausgewählt. Zudem stammen die Artikel aus den vier Bereichen Chemie, Geografie, Medizin und Wirtschaft, wobei die Artikel pro Fach ein übergeordnetes Konzept präsentieren. Im Chemiekorpus sind deswegen nur StoffnamenEigenname– Stoffname, im Geografiekorpus Ländernamen und im Medizinkorpus Bezeichnungen für Krankheiten ausgewählt worden. Etwas heterogener ist das Wirtschaftskorpus, das Artikel enthält, die mehrere unterschiedliche Konzepte aus dem Bereich der Wirtschaft beschreiben (4.2). Die Artikel werden mit korpuslinguistischen Verfahren wie der Auszählung von TokensToken, TypesType, LemmataLemma, POS-TagsPOS-Tag, der Analyse statistisch auffälliger KeywordsKeyword und KookkurrenzenKookkurrenz und der Interpretation von KonkordanzenKonkordanz analysiert, durch die eine quantitativ informierte Interpretation linguistischer Auffälligkeiten möglich wird. Diese wird durch manuelle Auswertungen und qualitative Interpretationen ergänzt (4.4).
Die InformationsfunktionInformationsfunktion der EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel legt es nahe, zunächst inhaltliche Unterschiede herauszuarbeiten (5.). Dazu werden jeweils dreißig Artikel zu den Konzepten „chemische Substanz“, „Land“, „Krankheit“ und „wirtschaftliches Konzept“ ausgewählt. Zu einem Konzept werden die in den Artikeln behandelten Aspekte identifiziert und die Verteilung nach Medium und Sprachausgabe ausgezählt (5.1.1–5.1.4). Zudem werden Anzahl und logische Anordnung der behandelten Aspekte in den Artikeln analysiert (5.1.5). Zusätzlich zu dieser relativ globalen Inhaltsanalyse werden SchlüsselwörterSchlüsselwort statistisch erhoben (5.2) und Kulturbezügekulturspezifischer Bezug im Korpus untersucht (5.3). Als Indikatoren für Kulturbezüge fungieren länderspezifische Kapitelüberschriften, Verweise auf Frankreich oder Italien, Anspielungen auf kulturelles Wissenkulturelles Wissen und standortabhängige Formulierungen (5.3.1–5.3.4).
Die folgenden drei Kapitel legen den Schwerpunkt auf die sprachliche Formulierung der ermittelten Inhalte. In Bezug auf die Tatsache, dass EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel dazu dienen, Fachwissen an Laien zu vermitteln, wird der Grad der FachsprachlichkeitFachsprachlichkeit und der Umgang mit FachausdrückenFachausdruck in den Artikeln untersucht (6.). Der Grad der Fachsprachlichkeit wird anhand der durchschnittlichen WortlängeWortlänge analysiert, da davon ausgegangen wird, dass Ausdrücke mit zunehmender Länge einen spezifischeren Inhalt versprachlichen (6.1). Zudem wird der prozentuale Anteil fachsprachlicher TokensToken– fachsprachliches und Lemmata an der Gesamtzahl der Tokens und Lemmata im Korpus bestimmt, wobei die Einschätzung eines Items als fachsprachlich auf der Basis von MarkierungsangabenMarkierungsangabe, lexikografische in Wörterbüchern und der konkreten Verwendung des betreffenden Ausdrucks im Korpus vorgenommen wird (6.2.1). Zu den identifizierten Ausdrücken werden die semantischen Bereiche angegeben, aus denen sie stammen, und es wird eine quantitative Auswertung dieser Bereichsangaben pro Korpus vorgenommen (6.2.2). Die ermittelten fachsprachlichen Ausdrücke werden zudem hinsichtlich gelehrter Wortbildungselementegelehrtes Wortbildungselement untersucht, da diese insbesondere zum Eindruck der Fachsprachlichkeit beitragen und bei Laien möglicherweise die Lektüre erschweren. Da nicht alle Fächer gelehrte Elementegelehrtes Wortbildungselement zur Bildung ihrer TerminologieTerminologie verwenden, werden fachsprachliche AnglizismenAnglizismus untersucht (6.3.2). Zuletzt wird analysiert, in welchem Maß Strategien zum Einsatz kommen, die FachausdrückeFachausdruck erläutern, wobei zwischen Erklärungen und der Angabe alternativer Ausdrücke unterschieden wird (6.4).
Aufgrund des sprachlichen Ideals moderner Enzyklopädien, Informationen sachlich-nüchtern und neutral zu präsentieren, ist zudem herauszuarbeiten, ob die sprachlichen Formulierungen in den Artikeln neutral gehalten sind oder ob sie einem Werturteil gleichkommen (7.). Obwohl die Einschätzung, ob eine Formulierung eine Tatsache beschreibt oder ob sie ein Werturteil vornimmt, auf einer letztendlich subjektiven Interpretation basiert, wird aufgrund der Bedeutung dieses Aspekts für die Diskurstradition eine Einschätzung anhand möglichst eindeutiger Fälle vorgenommen. Dabei werden positive und negative BewertungenBewertung durch ganze Kapitelüberschriften, aber auch auf der Mikroebene durch Adjektive, Substantive und MetaphernMetapher analysiert (7.1). Zudem wird eine übertreibende Darstellung durch den Einsatz der morphologischen SuperlativformSuperlativ, aber auch auf lexikalischer Ebene durch die Verwendung von HochwertwörternHochwertwort berücksichtigt (7.2). Ein weiterer Aspekt des Konzepts von NeutralitätNeutralität, insbesondere in Wikipedia, besteht darin, keine politische Position einzunehmen. Deswegen werden Ausdrücke untersucht, die eine politische Bewertung beinhalten (7.3.1). Nicht zuletzt ist es das Ziel von Wikipedia, eine sprachliche Präsentation zu gewährleisten, die keine gesellschaftlichen Gruppen verletzt, weswegen die Orientierung der Artikel an einer politisch korrekten Darstellung untersucht wird (7.3.2). Das Verständnis einer multiplen Neutralität in Wikipedia umfasst zudem die Möglichkeit, mehrere Positionen mit Angabe von Autoritäten nebeneinanderzustellen. Diese Strategie wird in 7.4 untersucht.
Ein weiterer Aspekt der sprachlichen Analyse sind nähesprachlichenähesprachlich Merkmale und deren Häufigkeit, weil diese darüber Aufschluss geben, ob WikipediaartikelWikipediaartikel stärker als gedruckte Artikel vom Pol der DistanzsprachlichkeitDistanzsprache abrücken (8.). Auffälligkeiten werden in OrthografieOrthografie und InterpunktionInterpunktion untersucht (8.1), weil Studien zur computervermittelten Kommunikationcomputervermittelte Kommunikation darauf hinweisen, dass dieser Bereich die auffälligsten Erscheinungen beinhaltet, und Abweichungen in der Grammatik weitaus geringer sind (Stark 2015; Strätz 2011; Reinkemeyer 2013). Ergänzend werden aus dem Bereich der Syntax korpusvergleichend die SatzlängeSatzlänge, Verstöße gegen die KongruenzKongruenzschwäche, unvollständige Sätze, AnakolutheAnakoluth und DislokationenLinksdislokation untersucht (8.2). Im Bereich der Morphosyntax wird im italienischen Korpus die Häufigkeit von gehobenen Pronomina und Konjunktionen ausgewertet (8.3.1 und 8.3.2). Sprachübergreifend wird der TempusgebrauchTempusgebrauch analysiert, wobei die Häufigkeit einzelner Tempora, aber auch das Zusammenspiel der einzelnen Formen zur Erzeugung einer kohärenten Darstellung untersucht wird (8.3.3). Im Bereich der Lexik wird die lexikalische Vielfaltlexikalische Vielfalt der Korpora mithilfe von Maßen wie dem MSTTRmean-segmental type-token-ratio (MSTTR) oder dem MTLDmeasure of textual lexical diversity (MTLD) berechnet. Es wird der semantisch adäquate Einsatz von Ausdrücken überprüft und umgangssprachlicheumgangssprachlich Ausdrücke werden analysiert (8.4).
Die genannten Merkmale werden pro Korpus ausgezählt. Dabei werden zum einen die Korpora der vier gewählten Fächer gegenübergestellt, um die Verteilung der Häufigkeiten nach Fach zu analysieren. Zudem werden die Häufigkeiten pro Sprache jeweils im Print- und im Wikipediakorpus ermittelt, um intermediale Vergleiche zu ermöglichen. Die Gegenüberstellung von Frequenzen im französischen und im italienischen Korpus erlaubt den interkulturellen Vergleich der beiden Sprachkorpora.
Die Ergebnisse dieses interfachlichen, intermedialen und interkulturellen Vergleichs werden in einer Zusammenfassung präsentiert und vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen und theoretischer Annahmen reflektiert. Abschließend wird herausgestellt, inwiefern Wikipediaartikel Merkmale einer Adaptation an das neue Medium aufweisen, aber auch welche fachlichen und kulturellen Merkmale aus den Printenzyklopädien übernommen und im neuen Medium unverändert fortgesetzt werden.
Mit dem ersten Grundprinzip (fr. Wikipédia est une encyclopédie/it. Wikipedia è un’enciclopedia) stellt sich Wikipedia in die Tradition der Enzyklopädien und damit in eine historische Reihe von Werken wie der Encyclopédie ou Dictionnaire des sciences, des arts et des métiers von Denis DiderotDiderot, Denis und Jean le Rond d’Alembertd’Alembert, Jean le Rond, aber auch mit der Enciclopedia delle scienze, lettere ed arti von Giovanni TreccaniTreccani, Giovanni oder der Britannica. Was auf den ersten Blick als eine kontinuierliche Geschichte der Enzyklopädie erscheint, ist eine Vorstellung, die erst seit dem 19. Jahrhundert Bestand hat und eher auf einer Rekonstruktion als auf einer historischen Tatsache beruht (cf. Henningsen 1966: 327).
Sowohl die Bezeichnung Enzyklopädie (fr. encyclopédie/it. enciclopedia) als auch die Sache selbst unterliegen dem Wandel:
„Enzyklopädie“ ist eine dem historischen Wandel unterworfene Bezeichnung für eine Sache, die selbst in der Zeit sich wandelt, wobei einerseits die Bezeichnung das Bezeichnete vorprägt und damit eine gewisse Kontinuität der „Enzyklopädie“ […] gewährleistet, andererseits durch Umstrukturierung, Erweiterung und Einschränkung des Inhalts auch die Bedeutung des Wortes beeinflußt wird (Henningsen 1966: 274).
Deswegen ist zwischen der Geschichte der Bezeichnung Enzyklopädie und der Entwicklung einer außersprachlichen Vorstellung von EnzyklopädieEnzyklopädie zu unterscheiden und das Zusammenspiel dieser beiden Komponenten zu berücksichtigen.
Den Ausgangspunkt stellt die Wortgeschichte von fr. encyclopédie/it. enciclopedia dar. Anders als in einigen WörterbüchernWörterbuch angegeben, lässt sich die Bezeichnung nicht auf ein griechisches oder lateinisches Etymon zurückführen: „Ein Substantiv enkyklopaideia ist antik nicht zu belegen“ (Vogelgsang 2004: 19). Es handelt sich vielmehr um eine Neuschöpfung der Humanisten, die auf einer fehlerhaften Überlieferung beruht:
Il termine […] nasce come corruzione dell’espressione greca enkuklios paideia, che troviamo usata in alcuni autori latini (Vitruvio, Plinio il Vecchio e Quintiliano), e che viene erroneamente riprodotta come parola unica, enkukliopaideia, in qualche manoscritto rinascimentale (Picone 1994: 15f.).
Die Belegstellen in der Naturalis Historia des PliniusPlinius der Ältere und der Institutio Orationis des QuinitilianQuinitilian, Marcus Fabius zeigen, dass die Wendung enkuklios paideia ein pädagogisches Programm bezeichnet, wobei die „innere Zusammengehörigkeit des Wissenskanons“ hervorgehoben wird (Henningsen 1966: 284). Diese Bedeutung lässt sich in den griechischen Quellen jedoch noch nicht feststellen. Die frühesten Belege finden sich ab dem 4. Jahrhundert bei ZenonZenon von Kition, außerdem etwas später bei Dionysius von HalikarnassosDionysius von Halikarnassos und PlutarchPlutarch. In den griechischen Quellen ist mit enkuklios paideia jedoch keine allumfassende Bildung gemeint, sondern eine Art Grundbildung, „die ein Erwachsener benötigt, um mitreden zu können“ (Henningsen 1966: 308):
Unsere modernen Vorstellungen von „Enzyklopädie“ im Sinne von „umfassendem Wissen bzw. „umfassender“ Bildung leiten sich nicht aus der antiken enkuklios paideia her. Die enkuklios paideia umfasste ursprünglich nur einen Teilbereich der zu lehrenden und zu lernenden Gegenstände (Henningsen 1966: 308).
Erst in den römischen Quellen wird vermehrt der innere Zusammenhang des Wissens betont und in eben dieser Bedeutung wird der Ausdruck von den Humanisten rezipiert:
Da man im 16. und 17. Jahrhundert, als das neue Wort sich in Europa verbreitete, vom Altertum vornehmlich durch die Römer und die Kirchenväter Kenntnis hatte, bei diesen aber schon die charakteristische Bedeutungswandlung von „landläufiger, gewöhnlicher (Vor-)Bildung“ zum „Kreis des Wissensinsgesamts“ sich vollzogen hatte, bot sich die Möglichkeit an, „encyclopaedia“ auf dem Umweg über „orbis doctrinarum“ auch direkt auf ὲγχύχλιος παιδεία zu beziehen (Henningsen 1966: 309).
Der älteste Beleg für den Ausdruck encyclopaedia ist in einem Brief aus dem Jahre 1490 zu finden, in dem Franciscus PucciusPuccius, Franciscus dem Grammatiker PolitianPolitian zu dessen neuem Werk gratuliert und dieses als encyclopaedia bezeichnet (cf. Henningsen 1966: 283). Ab diesem Zeitpunkt verbreitet sich der Ausdruck in Europa und findet auch Eingang in die VolkssprachenVolkssprache. Der Erstbeleg im Französischen findet sich bei RabelaisRabelais, François (1537), der damit in Pantagruel 2,20 ironisierend auf ein Bildungsprogramm verweist. Etwas später tritt der Ausdruck bei Christoffe de Savignyde Savigny, Christoffe in Tableaux accomplis de tous les arts libéraux (1587) auf und referiert auf die Verbindung einzelner Künste und Wissenschaften (cf. Henningsen 1966: 286). Die frühesten Belege zeigen, dass mit encyclopédie zunächst „ein Wissensinsgesamt, dessen hervorstechendes Merkmal eine innige Verknüpfung des unter ihm Begriffenen ist“, gemeint ist und der Ausdruck erst später „ein Buch, das dieses Insgesamt zum Inhalt hat und „enzyklopädisch“ darbietet“ bezeichnet (Henningsen 1966: 303). Als einer der ersten, der encyclopaedia in einem Werktitel verwendet, gilt AlstedAlsted, Johann Heinrich, der eine umfassende Theorie der EnzyklopädieEnzyklopädie entwirft. Bekannt ist auch seine knappe Definition: „Encyclopaedia est methodica comprehensio rerum omnium in hac vita homini discendarum“ (Alsted nach Herren 2016), die in humanistischer Tradition den Zusammenhang, aber auch den Totalitätsanspruch der enzyklopädischen Bildung herausstellt.
In der Folge werden auch Werke in die Tradition der Enzyklopädie gestellt, deren Titel zwar anders lauten, deren Konzeption aber dem etablierten Enzyklopädiebegriff entspricht:
Viele als enzyklopädisch aufzufassende Texte (aus der Vormoderne) tragen nicht den Titel “Enzyklopädie”, sondern zum Beispiel “Schatzhaus”, “Goldgrube” oder “Marktplatz”. Umgekehrt können sich unter dem Titel “Enzyklopädie” ganz andere Werke verstecken (Herren 2016).
Die zeitgenössische Vorstellung von einer Enzyklopädie ist in etwa durch die folgenden Merkmale geprägt: Das Werk enthält „eine geordnete Darstellung eines jeweils für wichtig erachteten und für einen grösseren Kreis von Wissbegierigen brauchbaren Gesamtwissens“ (Schenda 2002: 21). Zudem erhebt es den Anspruch, eine umfassende Darstellung des Wissens zu bieten (Totalitätsanspruch). Dabei kann dieses Wissen aus mehreren Gebieten stammen oder es wird ein Wissensgebiet vertieft dargestellt. Die Wissensinhalte werden in spezifischer Weise angeordnet. Dabei gibt es je nach Weltanschauung verschiedene Typen der DispositionDisposition, beispielsweise die Anordnung des Wissens nach der Schöpfungsgeschichte, in einem Wissensbaum oder nach dem Dewey-Dezimalsystem (cf. Michel 2002: 40–46). Enzyklopädien werden nicht als Ganzschrift gelesen, sondern konsultiert. Dieser Lesemodus wird über eine ZugriffsstrukturZugriffsstruktur auf die Inhalte, aber auch durch Register erleichtert. Enzyklopädien beziehen zudem Informationen aus zweiter Hand und stellen dieses zusammen (KompilationKompilation). Auf diese Weise wird das gespeicherte Wissen von der Wissensproduktion abgeschnitten. Jedoch versuchen andere Typen von Enzyklopädien an die Quelle der Wissensproduktion heranzuführen und stellen Plattformen des Diskurses dar (z.B. BayleBayle, Pierre, DiderotDiderot, Denis). In der OnlineenzyklopädieEnzyklopädie– Online-~ Wikipedia sind mit dem Artikel, der eine neutrale Darstellung der Information anstrebt, dessen DiskussionsseiteDiskussionsseite und VersionsgeschichteVersionsgeschichte verknüpft, die diskursive AushandlungsprozesseAushandlungsprozess zeigen. Im Gegensatz zu Wörterbüchern geben Enzyklopädien Informationen zu Sachverhalten, nicht zu Wörtern. Die Sachinformationen in Enzyklopädien werden häufig von ParatextenParatext begleitet, die das Werk präsentieren und inszenieren (Vorrede, Frontispiz) oder dessen Erschließung erlauben (taxonomische Ordnungsangaben, Marginalien, Inhaltsverzeichnis, Register) (cf. Herren 2016). Neben der vordergründigen InformationsfunktionInformationsfunktion spielen in Enzyklopädien auch weniger offensichtliche Ziele eine Rolle. Dazu gehören die systematische Anordnung kontingenter Inhalte und die Legitimierung dieser Ordnung, das Lob auf die göttliche Ordnung, oder das Lob auf den Fortschritt durch Erkenntnis und die Ermöglichung gesellschaftlicher Konversation durch die Bereitstellung salonfähiger Themen. Zudem können Enzyklopädien unterhalten, einen Ersatz für eine fehlende Bibliothek darstellen, Gegenständen Wertschätzung verleihen, Lebensweisheiten bestätigen, die allgemeine Bildung fördern, und nicht zuletzt dienen sie Kulturen dazu, sich ihrer selbst zu vergewissern (cf. Herren 2016).
Schon in der römischen Antike wurden Texte verfasst, die den Inhalten und Zielen moderner Enzyklopädien nahestehen. Das Wissen wurde häufig in thematischen Kapiteln oder in ganzen Büchern präsentiert, die zumeist den Wissensgebieten aus den artes liberales gewidmet waren. Als römische Enzyklopädien gelten CatosCato, Marcus PorciusLibri ad Marcum filium, die Werke VarrosVarro, Marcus Terentius (Disciplinarum libri IX, Rerum divinarum et humanarum antiquitates, Imagines) und die Naturalis historia von PliniusPlinius der Ältere dem Älteren, welche in 37 Bänden Wissen zu ganz unterschiedlichen Gebieten wie beispielsweise Geografie, Zoologie, Botanik oder Medizin vermittelt (cf. Rey 2007: 94–99; Collison 1966: 23f.).
Im Mittelalter trat neben die artes liberales ein christliches Wissen, das verbreitet wurde. So enthalten die Institutiones des CassiodorCassiodor neben Inhalten zu den Freien Künsten Anweisungen zum Klosterleben, da das Werk der Unterrichtung von Mönchen diente und auch für die mündliche Instruktion geeignet war. Ebenso wird in den Etymologiae (lat. Origines) des Isidor von SevillaIsidor von Sevilla antikes und christliches Wissen vermittelt, indem der ‚wahre‘ Sinn ausgewählter Wörter erläutert wird, der einen tieferen Einblick in die Natur der Dinge gewährt. Ebenfalls zu erwähnen ist De naturis rerum von Hrabanus MaurusHrabanus Maurus (9. Jh.), ein Werk, das enzyklopädisches Wissen in 22 Büchern enthält, darunter viele kompilierte Abhandlungen früherer Autoren. Für Klosterschüler ist auch das Didascalion (1127) von Hugo von Sankt-ViktorHugo von Sankt-Viktor gedacht, das Informationen zu den Sieben Freien Künsten, aber auch zu sieben mechanischen Künsten enthält und damit letztere in den Kanon des Wissenswerten aufnimmt. Die wohl bekannteste Enzyklopädie des Mittelalters ist der Speculum Maius von Vinzenz von BeauvaisVinzenz von Beauvais (1240–1260), der in den vier Teilen Speculum naturale, Speculum doctrinale, Speculum morale und Speculum historiale Wissen zu den genannten Gebieten bereitstellt (cf. Collison 1966: 60–62).
Die Enzyklopädien des Mittelalters sind zumeist für Geistliche und Gelehrte auf Latein verfasst. Mit dieser Tradition brach Brunetto LatiniLatini, Brunetto, der die erste volkssprachlichevolkssprachlich Enzyklopädie, Li livres dou Trésor (1260–1266) im Exil auf AltfranzösischAltfranzösisch erstellte (cf. Reutner/Schwarze 2011: 65; Rey 2007: 125; Collison 1966: 64f.). Das Werk war für das aufstrebende Bürgertum in Italien gedacht:
Latini wanted to reach the Italian cultured classes: he therefore used French, their common language, as his vehicle (Collison 1966: 64).
Das Werk enthält ein säkulares Wissen, das sich aus antiken Quellen wie Cicero und Seneca speist, und die Bereiche Philosophie, Politik und Wirtschaft abdeckt. Der dritte Teil, der Anweisungen für das gute Regieren enthält, nimmt bereits die politischen Konzepte der italienischen Renaissance vorweg (cf. Collison 1966: 64; Rey 2007: 126). Eine kürzere Darstellung enzyklopädischen Wissens findet sich im Lehrgedicht Il Tesoretto, das auf ToskanischToskanisch verfasst ist (cf. Reutner/Schwarze 2011: 65). Neben diesen ersten Versuchen enzyklopädischer Werke in der VolksspracheVolkssprache bestanden jedoch noch lange Werke auf LateinLatein wie etwa die Enzyklopädie Fons memorabilium universi (1444–1448) des italienischen Humanisten Domenico BandiniBandini, Domenico.1 Ebenfalls auf Latein erschien das Dictionarium historicum, geographicum et poeticum (1553) von Charles EstienneEstienne, Charles, das Erläuterungen zu Eigennamen enthält und von Collison als „the first indigenous French encyclopedia“ (Collison 1966: 79) eingestuft wird. Das Adjektiv French bezieht sich hier jedoch lediglich auf die inhaltliche Ausrichtung der Enzyklopädie, während andere Werke übersetzt wurden:
But for encyclopaedias in their own language, the French were still relying – in Estiennes time – on translations of the encyclopaedias of other nations, such as Les diverses leçons de Pierre Messie, contenans de variables histoires et autres choses mémorables, mises en françoys par Cl. Gouget (Collison 1966: 79).
Diese ÜbersetzungÜbersetzung basiert auf dem Werk des spanischen Historikers Pedro MexíaMexía, Pedro, das allerdings von mittelmäßiger Qualität ist. Ebenso handelt es sich bei Domenico DelfinosDelfino, DomenicoSommario di tutte le scientie (Venedig 1556) um ein Plagiat von Alfonso de la Torresde la Torre, AlfonsoVisión deleitable (1435) (cf. Collison 1966: 79). Selbst wenn zur Zeit EstiennesEstienne, Charles noch keine eigenständigen volkssprachlichenvolkssprachlich Enzyklopädien verfügbar waren, so zeigt sich an wissenschaftlichen Abhandlungen, dass die VolksspracheVolkssprache immer weiter in die Domäne wissensvermittelnder Texte vordringt. Zu nennen sind hier der Thrésor de l’histoire des langues (1613) von Claude DuretDuret, Claude, das Praedium rusticum von Charles EstienneEstienne, Charles (1554), oder das Théâtre d’agriculture (1600) von Olivier de Serresde Serres, Olivier. Zudem wurden Sammlungen von FachterminiTerminus erstellt wie die Historia stirpium von Leonhart FuchsFuchs, Leonhart (1542), in deren französischer Fassung sich lateinischelateinisch Fachtermini in theoretischen Wissensgebieten und französische Bezeichnungen in angewandten Gebieten abwechseln. Diese Auflistungen von Fachtermini, aber auch von Eigennamen prägten das 16. Jahrhundert:
Si l’encyclopédisme global sous forme de grands ouvrages didactiques est absent au XVIe siècle, il n’en va pas de même pour la description des savoirs et usages spéciaux et des nomenclatures scientifiques, qui vont donner naissance à la notion plus récente de « terminologie » – d’abord sous forme de « nomenclature » –, ainsi que pour le répertoriage des noms propres et la bibliographie (Rey 2007: 162).
Im 17. Jahrhundert setzte sich das alphabetische Eigennamenlexikonalphabetisches Eigennamenlexikon vollständig durch und genoss große Popularität:
Mais les succès de ce temps furent surtout des dictionnaires de noms propres, réunissant alphabétiquement, sans angoisses classificatoires (Rey 2007: 171).
Neben Werken, welche die traditionelle DispositionDisposition enthalten, traten über den Weg des EigennamenlexikonsEigennamenlexikon im französischen Sprachgebiet Werke mit enzyklopädischen InformationenInformation– enzyklopädische in stichwortförmiger Anordnung auf. Zu nennen ist hier das Dictionnaire theologique, historique, poetique, cosmographique et chronologique (1627) von Daniel de Juigné Broissièrede Juigné Broissière, Daniel, das in alphabetischer Reihenfolge EigennamenEigenname von Orten oder auch Personen enthält und zu diesen ausschließlich enzyklopädische InformationenInformation– enzyklopädische liefert. Das Werk ist eine Übertragung des Dictionarium historicum, geographicum ac poeticum (1553) von Charles EstienneEstienne, Charles ins Französische, die später von Louis MorériMoréri, Louis im Vorwort von dessen Lexikon aufgrund der Unselbstständigkeit kritisiert wurde. Ebenfalls in Verbindung mit Eigennamen wird die enzyklopädische Information in La bibliothèque universelle (1649) von Paul Boyer präsentiert. Dabei handelt es sich um ein rückläufiges WörterbuchWörterbuch– rückläufiges, das zunächst Wörter und in einer eigenen Sektion Eigennamen mit den genannten Endungen präsentiert und dazu enzyklopädische Informationen gibt. Im 17. Jahrhundert traten auch italienischsprachige Enzyklopädien mit einer alphabetischen Anordnung der StichwörterStichwort auf, wie das Teatro de gl’inventori di tutte le cose (1603) von Bruno Vincenzo,Vincenzo, Bruno oder das Convito morale per gli etici, economici, e politici (1639), selbst wenn sich im Italienischen die Bezeichnung dizionariodizionario erst ab dem 18. Jahrhundert für solche Werke durchsetzte.
In der französischsprachigen Enzyklopädielandschaft zeichnete sich im 17. Jahrhundert eine Entwicklungslinie anhand dreier Enzyklopädien ab, die Merkmale der Grande Encyclopédie aus dem 18. Jahrhundert vorwegnehmen: Es handelt sich um Le Grand dictionnaire historique, ou le mélange curieux de l’histoire sacrée et profane von Louis MorériMoréri, Louis (1674), das Dictionnaire universel von Antoine FuretièreFuretière, Antoine (1694) und das Dictionnaire historique et critique von Pierre BayleBayle, Pierre (1697) (cf. Rey 2007: 172). Den Anfang bildet MorérisMoréri, LouisEigennamenlexikonEigennamenlexikon, dessen historische und biografische Einträge die Tradition enzyklopädischer Informationen in Lexikonform mitbegründen:
premier dictionnaire de noms propres de conception moderne, joignant biographies et descriptions géographiques ou textuelles […] arrangés alphabétiquement (Rey 2007: 172).
Jedoch übernahm MorériMoréri, Louis Material aus früheren Quellen, was später die Kritik BaylesBayle, Pierre hervorrief. Ein weiterer Wegbereiter der Grande Encyclopédie war Antoine FuretièresFuretière, AntoineDictionnaire universel, ein enzyklopädisches Wörterbuchenzyklopädisches Wörterbuch, das anders als das Dictionnaire de l’Académie (1694) den FachwortschatzFachwortschatz der damaligen Zeit berücksichtigte und zu diesem enzyklopädische Informationen bereitstellte:
[il] inaugure dans un dictionnaire strictement alphabétique les développements factuels, les références textuelles récentes, les discussions sur la valeur des informations scientifiques qui vont renouveler le discours de l’encyclopédie (Rey 2007: 173).
Allerdings ist FuretièresFuretière, Antoine Werk zum Großteil darauf bedacht, eine verlässliche Synopse relativ unstrittiger Fakten zu geben:
On the whole, Furetières approach to scientific matters is to avoid controversial interpretations and instead to provide a synopsis of the subject matter in usually no more than five or six lines in length (Ross 1981: 61).
Die Wende von der neutralen Faktensammlung hin zu einer kritischen Darstellung wurde durch Pierre BaylesBayle, PierreDictionnaire historique et critique eingeleitet, das ursprünglich als Verbesserung von MorérisMoréri, LouisLexikonLexikon gedacht war, sich aber nach und nach zu einem eigenständigen Werk entwickelte:
Bayle fait entrer la critique textuelle, inaugurée au XVIe siècle par l’humanisme, dans le projet encyclopédique, en attendant que Diderot et d’Alembert y fassent entrer la polémique, mais aussi l’observation et l’esprit scientifique (Rey 2007: 173).
BaylesBayle, PierreEnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel enthalten zwei Typen von VerweisenVerweis: Kleinbuchstaben zeigen bibliografische Referenzen zum Artikeltext an, Großbuchstaben verweisen auf den kritischen Kommentar, der sich in kleinerer Schriftart etwas abgesetzt unterhalb des Artikels befindet. Dieser Kommentar enthält wiederum Verweise in arabischen Ziffern auf die im Kommentar verwendeten Quellen. Die kritische Methode BaylesBayle, Pierre erstreckt sich somit auf drei Ebenen, nämlich auf das Belegen des Artikelinhalts mithilfe von Quellen, die Reflexion der Fakten in einem kritischen Kommentar und die Absicherung der Positionen in diesem Kommentar durch weitere Quellen. In etwas vereinfachter Form findet die kritische Methode auch in der Grande Encyclopédie Anwendung. MorérisMoréri, Louis Aufnahme von enzyklopädischen Inhalten, FuretièresFuretière, Antoine Erweiterung dieses Wissens um Informationen aus den aufkommenden Naturwissenschaften und BaylesBayle, Pierre kritische Methode bereiteten den Weg für die Grande Encyclopédie und stellten in ihrer Innovativität zeitgenössische Werke wie das Dictionnaire général et curieux (1685) von César de Rochefortde Rochefort, César oder das Dictionnaire des arts et des sciences von Thomas CorneilleCorneille, Thomas in den Schatten.
In der Tradition von MorériMoréri, Louis, FuretièreFuretière, Antoine und BayleBayle, Pierre steht auch die erste, jedoch unvollständige, italienische Enzyklopädie, die Biblioteca universale sacro-profana, antico romana (1701–1717) von Vincenzo CoronelliCoronelli, Vincenzo, die für die kulturelle Erneuerung des Franziskaner-Minoriten-Ordens konzipiert wurde, dessen Vorstand CoronelliCoronelli, Vincenzo war (cf. Barzazi 1996: 61). Die französischen LexikaLexikon dienten als Quellen für die KompilationKompilation, wie auf dem zweiten Frontispiz erklärt wird:
presentare inoltre notizie ed « erudizioni » contenute nel dizionario storico di Moréri e in quello geografico del Baudrand, « confrontati » rispettivamente con le « critiche » del Bayle (Barzazi 1996: 71).
Jedem Band ist ein Index vorangestellt, der die LemmataLemma des Bandes enthält. Die Artikel behandeln nicht nur Themen aus der Religion, sondern berücksichtigen auch die Wissenschaften:
Non poche pagine erano infatti riservate alla medicina. In una voce generale, « Anatomia », Coronelli ripresentava in otto colonne l’immagine del corpo umano della vecchia medicina galenica e umorale, inserendo però alla fine una bibliografia in cui figuravano i maggiori rappresentanti della tradizione sperimentale italiana e straniera (Barzazi 1996: 74).
Trotz seiner innovativen Züge gerät das Werk schnell in Vergessenheit und wird von den Nachfolgern lediglich sporadisch erwähnt (cf. Barzazi 1996: 83).
Mit der Aufklärung brach ein Zeitalter an, in dem sowohl der antike als auch der christliche Kanon des Wissens hinterfragt und über die Voraussetzungen von Erkenntnis reflektiert wurde:
Les théories du signe de la philosophie anglo-saxonne en général, de BaconBacon, Francis à Locke en passant par Hobbes et, tout autrement, par Berkeley, élaborent une critique de la connaissance qui sera utile aux encyclopédistes de l’avenir (Rey 2007: 175).
Der Anspruch, Wissen nach erkenntnistheoretischen Prinzipien zu inventarisieren, spiegelt sich auch in den Enzyklopädien der Aufklärung wider. Als Pionier eines solchen Versuchs gilt Francis BaconBacon, Francis, der, als Teil seines Werkes The great instauration, eine Enzyklopädie mit dem Titel The Phenomena of the Universe, or a Natural and Experimental History for the Foundation of Philosophy plante (cf. Collison 1966: 82). Das enthaltene Wissen sollte in die drei Bereiche External Nature, Man und Man’s Action on Nature gegliedert werden. Obwohl Bacons Werk unvollendet blieb, übte es einen maßgeblichen Einfluss auf die nachfolgenden Enzyklopädien aus:
from that time on, all encyclopaedists took good care that their own efforts should be equally comprehensive and well-planned (Collison 1966: 84).
Unter Berufung auf BaconBacon, Francis stellte auch Ephraim ChambersChambers, Ephraim seiner Cyclopaedia, or an Universal Dictionary of Arts and Sciences (1728) einen Baum des Wissens voran: „Knowledge, is either Natural and scientifical […] or artificial and technical” (Chambers 1728: ii). Erklärt wird die Grundunterscheidung zwischen Kunst und Wissenschaft wiederum mit den Operationen des Geistes:
The Distribution we have made of Knowledge is founded on this, that the several Branches thereof commence with either Art or Science according to the Agency or Non-agency of the human mind in respect thereof (Chambers 1728: iv).
Diese Vorgehensweise wirkte modellbildend für die nachfolgenden Enzyklopädien und verbreitete sich auch dadurch, dass ÜbersetzungenÜbersetzung der Cyclopaedia ins Französische und ins Italienische geplant wurden (cf. Farinella 1996: 100). So ist die italienische Übersetzung Ciclopedia ovvero dizionario universale delle arti e delle scienze (1747) von Giuseppe de Borisde Boris, Giuseppe neben weiteren Versionen als durchaus bedeutend für die Geschichte der Enzyklopädie in Italien einzuschätzen (cf. Farinella 1996: 101; Schafroth 2012: 408f.).
In etwa zeitgleich entstand das Nuovo Dizionario scientifico e curioso von Gianfrancesco PivatiPivati, Gianfrancesco (1746–1751), das in seinen Notizie preliminari ebenfalls erkenntnistheoretische Reflexionen beinhaltet, die allerdings als zunehmender Erkenntnisprozess nach der Vertreibung aus dem Paradies im Rahmen der Schöpfungsgeschichte dargestellt werden. Ebenso wie BaconBacon, Francis und ChambersChambers, Ephraim unterscheidet PivatiPivati, Gianfrancesco Wissenschaften und Künste und setzt sie zu den drei Erkenntnismöglichkeiten in Beziehung:
dalla cognizione fattane, conosciuta che abbia rem per causam, forma la Scienza; della quale poi, per porre in pratica ciò che ha appreso colla specolazione, ne nasce l’Arte esecutrice delle idee concepite dall’anima illuminata. Ecco in tal guisa messe in opera tutte tre le potenze dell’anima stessa: L’Intelletto nel pensare, la Memoria nel richiamare le altre specie simili o analoghe, e la Volontà nel determinarsi a far sì che il corpo col suo materiale eseguisca (Pivati 1746–1751: ii).
Die Tatsache, dass bei PivatiPivati, Gianfrancesco das aufklärerische Gedankengut in die biblische Schöpfungsgeschichte eingebettet wird, die Theologie an erster Stelle steht, und auch die Illustrationen die Bedeutung religiöser Zeremonien betonen, stellt eine Adaptation an die italienischen Verhältnisse dar. Diese waren durch die Dominanz der katholischen Kirche geprägt und PivatisPivati, Gianfrancesco Werk wirkt vor diesem Hintergrund geradezu liberal (cf. Infelise 1996: 170; Garofalo 1981: 198f.).
In etwa zeitgleich zu den italienischen ÜbersetzungenÜbersetzung der Cyclopaedia und zu PivatisPivati, Gianfrancesco Werk entstand in Frankreich DiderotsDiderot, Denis und d’Alembertsd’Alembert, Jean le RondEncyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (1751–1772), die zunächst als Übersetzung von ChambersChambers, EphraimCyclopaedia gedacht war, sich dann jedoch schnell zu einem eigenen Werk entwickelte (cf. Rey 2007: 186). Schon der Titel verweist auf die zweifache Funktion des Werks, die im Discours préliminaire erläutert wird:
L’ouvrage dont nous donnons aujourd’hui le premier volume, a deux objets: comme Encyclopédie, il doit exposer, autant qu’il est possible, l’ordre & l’enchaînement des connaissances humaines: comme Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts & des Métiers, il doit contenir sur chaque science & sur chaque art, soit libéral, soit mécanique, les principes généraux qui en sont la base, & les détails les plus essentiels qui en font le corps et la substance (Diderot/d’Alembert 1751–1780: i).
In Anlehnung an ChambersChambers, Ephraim wurde dem Werk ein Baum des Wissens vorangestellt, wobei die Möglichkeiten der Erkenntnis über das Gedächtnis, die Vernunft und die Vorstellungskraft die Basisklassifikation der Wissenschaften in Geschichte, Philosophie und Poesie bedingen:
Les Êtres physiques agissent sur les sens. Les impressions de ces êtres en excitent les perceptions dans l’Entendement. L’Entendement ne s’occupe de ses perceptions que de trois façons, selon les trois facultés principales, la Mémoire, la Raison, l’Imagination. Ou L’Entendement fait un dénombrement pur & simple de ses perceptions par la Mémoire; ou il les examine, les compare, & les digère par la Raison; ou il se plaît à les imiter & à les contrefaire par l’Imagination. D’où résulte une distribution générale de la Connaissance humaine, qui paroît assez bien fondée, en Histoire, qui se rapporte à la Mémoire; en Philosophie, qui émane de la Raison; & en Poésie qui naît de l’Imagination (Diderot/d’Alembert 1751–1780: xc).
Jeder Artikel soll nun in diesem System verortet werden und die Bezüge zwischen den einzelnen Einträgen sollen durch QuerverweiseVerweis hergestellt werden:
Ainsi trois choses forment l’ordre encyclopédique; le nom de la Science à laquelle l’article appartient; le rang de cette Science dans l’Arbre, la liaison de l’article avec d’autres dans la même Science ou dans une Science différente; liaison indiquée par les renvois; ou facile à sentir au moyen des termes techniques expliqués suivant leur ordre alphabétique (Diderot/d’Alembert 1751–1780: xxxvj).
Jedoch ist die Encyclopédie weit davon entfernt, eine einfache Darstellung von Sachwissen zu liefern. Hatte BayleBayle, Pierre in seinem Werk schon die kritische Methode verwendet, so wurde diese in der Encyclopédie ebenso genutzt:
On s’est attaché autant qu’il a été possible, à éviter cet inconvénient, en citant dans le corps même des articles les Auteurs sur le témoignage desquels on s’est appuyé; rapportant leur propre texte quand il est nécessaire; comparant par-tout les opinions; balançant les raisons; proposant des moyens de douter ou de sortir de doute; décidant même quelquefois (Diderot/d’Alembert 1751–1780: lxiv).
Die Einträge in der Encyclopédie sind insgesamt äußerst heterogen, was auf das ExpertenprinzipExpertenprinzip zurückzuführen und auch beabsichtigt ist:
Les différentes mains que nous avons employées ont apposé à chaque article comme le sceau de leur style particulier, ainsi que celui du style propre à la matière & à l’objet d’une Partie. Un procédé de Chymie ne sera point du même ton que la description des bains & des théâtres anciens; ni la manœuvre d’un Serrurier exposée comme les recherches d’un Théologien sur un point de dogme ou de discipline. Chaque chose a son coloris, & ce serait confondre les genres que de les réduire à une certaine uniformité (Diderot/d’Alembert 1751–1780: xxxvj).
Jedoch ist auch die Qualität sehr schwankend. Während einige Einträge Meisterstücke philosophischer Abhandlungen sind, sind andere weniger eloquent bis fehlerhaft. Teilweise existieren zwei Einträge zum gleichen StichwortStichwort. Bemerkenswert in der Encyclopédie ist jedoch die Darstellung zeitgenössischer Technologien, die teilweise auf empirischer Beobachtung beruht und zu sehr realitätsgetreuen Abbildungen von Maschinen führt:
Pour Diderot, la partie la plus importante et la plus forte de l’ouvrage était sans aucun doute la « description des arts », la technologie. Ce domaine est en fait l’acte de naissance de la terminologie moderne, et, si le technologue historien peut y déceler des insuffisances, les questions de méthode et de « langage » y sont admirablement posées (Rey 2007: 192).
In der Nachfolge der Encyclopédie entstanden unter dem Verleger Charles PanckouckePanckoucke, Charles sieben Ergänzungsbände (Suppléments). Außerdem wurden Folgewerke publiziert, die insbesondere im französischsprachigen Raum bis 1780 stark von der Encyclopédie beeinflusst waren (cf. Kafker 1994: 398). Von 1770–1780 veröffentlichte Fortunato Bartolomeo de Felice die Encyclopédie d’Yverdon. PanckouckePanckoucke, Charles nahm die Gesamtheit der Artikel aus der Encyclopédie wieder auf und publizierte sie in den thematischen Bänden der Encyclopédie méthodique (ab 1788). Mit dem Erscheinen der Encyclopédie und der Encyclopédie méthodique war einerseits der Höhepunkt, andererseits jedoch auch ein Endpunkt der Enzyklopädien der Aufklärung erreicht:
L’Encyclopédie et l’Encyclopédie méthodique marquent la fin d’une époque, alors que les débuts de la Britannica ou le Conversations-Lexikon allemand inaugurent les conceptions plus pragmatiques, moins inspirées, plus « reproductrices », que l’édition moderne continue d’appliquer, à de rares exceptions près (Rey 2007: 193).
Nach 1780 schwächte sich der modellbildende Einfluss der Encyclopédie ab (cf. Kafker 1994: 398). Lediglich die Bezeichnung encyclopédie für ein Referenzwerk, die Größe, in manchen Fällen die Rekrutierung von Experten oder der Zugriff über einen Index wurden tradiert. Die kritisch-polemische Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse mit dem Ziel, diese zu transformieren wurde von den Nachfolgern nicht weiterverfolgt (cf. Kafker 1994: 395).
An die Stelle des Modells der Encyclopédie trat das KonversationslexikonKonversationslexikon, das maßgeblich durch die Werke aus dem Hause Brockhaus geprägt wurde. Ab 1809 erschien die erste Auflage unter dem Titel Konversations-Lexikon oder kurzgefasstes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit. Im Gegensatz zur Encyclopédie, in der gesellschaftskritisch das präsentierte Wissen hinterfragt wurde, liegt das Ziel des Konversationslexikons darin, knapp, präzise und neutral Wissen zu vermitteln, das für eine breite Bevölkerungsschicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs ermöglicht:
Indem ich es versucht habe, durch gegenwärtige Erklärung der in das gemeine Leben übergegangenen wissenschaftlichen Kenntnisse und Begriffe die Theilnahme an einer lehrreichen Unterhaltung und zu gleicher Zeit die Benutzung schätzbarer Schriften zu erleichtern, haben mir im Allgemeinen folgende Grundsätze vorgeschwebt (Brockhaus 1809: vii).
Der Erfolg des Konversationslexikons basierte auf der einfachen Lektüre, dem homogenen Charakter, der Kürze und der Anonymität der Artikel (cf. Rey 2007: 198). In der Folge verbreitete sich das Konversationslexikon sehr schnell in weiteren germanischsprachigen Ländern wie Norwegen, Dänemark und Holland und erreichte wenig später romanischsprachige Länder wie Frankreich, Italien und Spanien. Der Einfluss dieses Lexikontyps reichte bis Ungarn, Russland und in die USA (cf. Rey 2007: 198). In Frankreich dominierte zu Beginn des Jahrhunderts noch die Encyclopédie méthodique von PanckouckePanckoucke, Charles, wurde jedoch durch Werke kleineren Formats abgelöst, wie beispielsweise durch die Encyclopédie portative (cf. Rey 2007: 203). Sukzessive entstanden auch im Hexagon Werke wie die Encyclopédie moderne, ou Dictionnaire abrégé des sciences, des lettres et des arts (1823–1832) von CourtinCourtin, Eustache Marie Pierre Marc Antoine, die sich am englischen und deutschen Vorbild orientieren und einer breiten bildungshungrigen Bevölkerungsschicht den Zugang zu aktuellem und anwendungsbezogenem Wissen ermöglichen möchten:
Il fallait donc, comme en Allemagne, comme en Angleterre, mettre l’Encyclopédie à la portée de toutes les fortunes; il fallait que les citoyens industrieux pussent connaître les conquêtes de l’industrie, que la classe studieuse pût apprécier les progrès des connaissances humaines (Courtin 1827–1832: v).
Am Konversationslexikon orientierten sich ebenfalls das Dictionnaire de la conversation et de la lecture (1833–1851) oder die Encyclopédie des gens du monde (1833–1845). In Anlehnung an den Brockhaus beanspruchen beide Werke für sich, dem Bürgertum des 19. Jahrhunderts ein zuverlässiges Orientierungswissen zu liefern und lehnen die kritische Methode der Enzyklopädisten ab:
Nous osons croire que le Dictionnaire de la Conversation et de la Lecture sera au milieu de ce chaos de passions, d’erreurs et de préjugés, un guide plus sûr que tous ceux qu’on a pu jusqu’à ce jour offrir au public (Duckett 1832–1851: 3).
Im Gegensatz zu den Enzyklopädisten, die gesellschaftliche Regeln hinterfragen, wurde das Nachschlagewerk im 19. Jahrhundert als „œuvre de sociabilité et de civilisation“ (Artaud 1833–1844: iii) gesehen, das den Lesern ermöglicht, in der bestehenden Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Auch in Italien entstanden Nachschlagewerke, die dem Modell des KonversationslexikonsKonversationslexikon folgen wie die Enciclopedia italiana e dizionario della conversazione (1838–1852). Auf einer ÜbersetzungÜbersetzung der englischen Brockhausausgabe in das Italienische basierte die Nuova enciclopedia popolare (1841–1851) und die neue Auflage Nuova enciclopedia popolare italiana (1863–1870) von Giuseppe PombaPomba, Giuseppe, dem Begründer des Verlags UTET (Unione Tipografico Editrice Torinese). Die Werke PombasPomba, Giuseppe, aber auch die Manuali Hoepli und die Biblioteca Nazionale Le Monnier, waren in der Gestaltung ihrer Einträge, aber auch des Preises, für ein breites Publikum gedacht (cf. Carnazzi/Fedriga 2002: 78):
Lo scopo della Enciclopedia nostra […] è di usufruttare il meglio di tutte le Enciclopedie finora apparse, compendiarlo in forme perspicue, accessibili a tutte le intelligenze, e con uno sviluppo di dottrine informate d’ogni più alto spirito d’imparziale verità renderlo necessaria all’indotto, e non inutile al dotto (Pomba 1863–1870: viii).
Die Vermittlung von Wissen an breite Bevölkerungsschichten war auch das Anliegen des Grand Dictionnaire universel du XIXe siècle (1817–1875) von Pierre LarousseLarousse, Pierre. Der eigentliche Beitrag dieses Werks zur Geschichte der EnzyklopädikEnzyklopädik liegt jedoch darin, dass das Werk den Erfolg der enzyklopädischen Wörterbücherenzyklopädisches Wörterbuch mitbegründete, in denen Sprach- und Sachinformationen enthalten sind. Im Grand Dictionnaire universel dient die SprachinformationInformation– sprachliche als Ausgangspunkt:
Le Grand Dictionnaire universel du XIXe siècle étant, avant tout, le dictionnaire de la langue, la partie lexicographique a reçu des développements qu’on cherchait vainement ailleurs […]: sens propres, sens par extension, par analogie ou par comparaison, sens figurés purs, sont nettement déterminés par des exemples qui font rigoureusement ressortir les nuances et les délicatesses des diverses acceptions (Larousse 1866–1890: lxv).
Jedoch wurden auch EigennamenEigenname und FachterminiTerminus in das Nachschlagewerk aufgenommen und die Einträge wurden mit enzyklopädischen InformationenInformation– enzyklopädische angereichert. Dabei wurde auf eine systematische Abdeckung verschiedener Wissenschaften geachtet, die im Vorwort thematisiert wird:
Ainsi, nous avons entièrement parcouru le vaste cercle des connaissances humaines; pour chaque branche, nous avons établi une statistique précise, qui embrasse tout les progrès des lettres, des arts et des sciences, jusqu’au moment où nous écrivons; en sorte que le Grand Dictionnaire universel est l’image vivante, la photographie exacte, une sorte de grand-livre où se trouve consigné, énuméré et expliqué tout ce qui est sorti des inspirations du génie, de l’intelligence, des études, de l’expérience et de la patience de l’homme (Larousse 1866–1890: lxxiii).
Das enzyklopädische Wörterbuchenzyklopädisches Wörterbuch ist ein Produkt der „rencontre de la tradition du dictionnaire et la vogue des encyclopédies portatives inaugurée en Allemagne“ (Rey 2007: 208). LarousseLarousse, Pierre lieferte jedoch keine objektive Darstellung der enzyklopädischen InformationenInformation– enzyklopädische, sondern präsentierte diese von einem persönlichen Standpunkt aus und stellte sich in die kritische Tradition von BayleBayle, Pierre:
le Grand Dictionnaire universel du XIXe siècle regarde le Dictionnaire historique et critique comme un de ses plus glorieux ancêtres (Larousse 1866–1890: xxii).
In der Folge wurde das enzyklopädische Wörterbuchenzyklopädisches Wörterbuch auch für die Werke in anderen Ländern zum Modell. In Italien orientierte sich Giovanni Battista MelziMelzi, Giovanni Battista am Grand Dictionnaire universel, an dem er während seiner Zeit in Paris selbst als freier Mitarbeiter beteiligt war. Zurück in Italien publizierte er nach dem französischen Vorbild 1896 den Nuovissimo Melzi, ein enzyklopädisches Wörterbuchenzyklopädisches Wörterbuch, das einen sprachlichen und einen enzyklopädischen Band beinhaltet.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte die Encyclopædia Britannica modellbildend, was auf den Erfolg der 11. Auflage zurückzuführen ist. Auf dieser Basis bildeten sich die Merkmale moderner Enzyklopädien heraus, welche die Abfassung in der Landessprache, die alphabetische Anordnung der Stichwörter, Experten als Autoren, die Biografien lebender Persönlichkeiten, grafische Elemente wie Illustrationen, Karten, Pläne, an die Artikel angehängte Bibliografien, einen Index mit Personen- und Ortsnamen, Supplemente zur Aktualisierung und zahlreiche sowie adäquate Verweise im Text umfassen (cf. Collison 1966: 199). Mit der Erwartung, dass moderne Enzyklopädien in der Landessprache abgefasst sind, leitet die Encyclopædia Britannica gleichzeitig das Zeitalter nationalsprachlicher Enzyklopädien ein (cf. Collison 1966: 199). Im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahrhunderten wurden im 20. Jahrhundert Enzyklopädien lediglich dann übersetzt, wenn es ausschließlich um technisch-wissenschaftliche Inhalte ging, die als allgemein gültig angesehen wurden. Alle weiteren Inhalte wurden kulturell adaptiert (cf. Rey 2007: 215). Die elfte Auflage der Britannica besaß jedoch noch keinen national oder ideologisch eingeengten Fokus, sondern sie wollte ein Referenzwerk für alle anglophonen Sprecher sein:
The articles in the Encyclopaedia Britannica, however, are of course not limited to personages of the British Islands. Not only biographies here included the great men and women of French, German, Italian, Belgian, Dutch, Russian, Scandinavian, Japanese, and other foreign nationalities, as well as of those of the ancient world, but the same standard of selection has been applied to American and British Colonial biography as to English, Welsh, Scottish and Irish […] It thus completes its representation of the English-speaking peoples, to all of whom English history, even in its narrower sense, is a common heritage, and in its evolution a common example (Encyclopaedia Britannica 1910: xvi).
Dem Vorbild der Encyclopædia Britannica folgten auch die Grande Encyclopédie von Marcellin BerthelotBerthelot, Marcellin (ca. 1900) und die Enciclopedia universal ilustrada europeo-americana (1905) (cf. Collison 1966: 201).
Es entstanden jedoch in der Folge Werke, die, wie die Große Sowjetische Enzyklopädie, einer Staatsideologie verpflichtet sind. Eine der bekanntesten unter diesen ist die Enciclopedia italiana di scienze, lettere ed arti (1929–1939) von Giovanni TreccaniTreccani, Giovanni und Giovanni GentileGentile, Giovanni, die den italienischen Faschismus offen unterstützt:
Il clima che ha reso possibile un’opera come questa, alla quale non parve in passato possibile in Italia pensare, è il nuovo spirito esploso con l’avvento del Fascismo, che scosse idee e sentimenti e accese una passione inestinguibile di rinnovamento e di affermazione della potenza dell’Italia nel mondo (Treccani/Gentile 1929–1939: xii).
Sie ist als Nationalwerk Italiens konzipiert („illustrare il nostro paese e il nostro tempo“; Treccani/Gentile 1929–1939: xiii), mit dem Ziel, kulturell zu anderen Ländern aufzuschließen:
un’enciclopedia italiana, tutta italiana, nata dalla stessa letteratura nostra, originale insomma e da potersi paragonare a quelle che dal secolo XVIII in poi hanno avute le altre grandi nazioni di Europa e di America, fino ad oggi mancava (Treccani/Gentile 1929–1939: xi).
Insbesondere sollte den italienischen Verhältnissen Rechnung getragen werden, indem die kunsthistorische Bedeutung des Landes in Bildern illustriert wird. In Abkehr vom reinen Rationalismus der französischen Enzyklopädisten sollte das Werk die Fantasie der italienischen Leserschaft anregen:
E secondo il genio italiano abbiamo voluto che l’Enciclopedia fosse riccamente illustrata, e parlasse agli occhi e alla fantasia oltre che al pensiero, e presentasse il maggior numero possibile delle immagini che descrive o ricorda, paesaggi e persone, esseri naturali od oggetti d’arte, quadri, sculture, edifizî, e congegni e strumenti ed armi e scritti e frontispizî di libri rari e famosi (Treccani/Gentile 1929–1939: xvi).
Trotz einer teilweise erstaunlichen Internationalität der Artikel (cf. Collison 1966: 207) nimmt die Enzyklopädie überwiegend eine italozentrische Perspektive ein (cf. Carnazzi/Fedriga 2002: 74), was an der Überdimensionierung des Artikels Italia mit 359 Seiten offensichtlich wird. Die offene Unterstützung für das faschistische Regime findet im Artikel fascismo, der größtenteils von GentileGentile, Giovanni verfasst und von Mussolini unterzeichnet wurde (cf. Carnazzi/Fedriga 2002: 74), ihren Niederschlag. Trotz der ideologisch belasteten Inhalte wird das Werk bis heute fortgeführt. Der Kernbestand der 35 Bände wurde durch 17 Appendix-Bände erweitert, die der Aktualisierung der Inhalte dienen. Dies führte jedoch dazu, dass in der heutigen Republik Italien Enzyklopädieartikel aus der Zeit des Faschismus im Umlauf sind (cf. Carnazzi/Fedriga 2002: 75). Die meisten Inhalte zu Ländern und Kulturen sind entweder veraltet, oder Einträge zu historisch-politischen Schlüsselwörtern wie Italia, italianitàitalianità, nazione, guerra, razza sind ideologisch belastet (cf. Schafroth 2012: 427).
In Frankreich entstand in diesem Zeitalter die Encyclopédie française von Lucien FebvreFebvre, Lucien, die zwar der französischen Kultur verpflichtet, jedoch nicht ideologisch gefärbt ist. Die Enzyklopädie ist thematisch organisiert und präsentiert in eigenständigen Bänden Themen wie La physique (1955) oder Le ciel et la terre (1956). Jeder dieser Bände enthält einen bibliografischen Anhang und einen eigenen Index (cf. Collison 1966: 209f.). Außerdem entstanden im 20. Jahrhundert weitere nationale Enzyklopädien wie die Grande enciclopédia portuguesa e brasileira (1935–37), die Enciclopedia Românici (1939), das Mexican Diccionario enciclopédico U.T.E.H.A. (1953), die Encyclopédie belge (1934), The encyclopedia of Canada (1935–49) oder die Encyclopedia Canadiana (1957–58) (cf. Collison 1966: 225).
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts diente die Encyclopædia Britannica zwar immer noch als Modell, der nationale Fokus weitete sich jedoch um eine europäische und internationale Perspektive. Die Gegenwart enzyklopädischer Werke ist durch ein Nebeneinander vielfacher Traditionen geprägt. So entstand von 1970 bis 1978 La Grande Encyclopédie Larousse, eine alphabetische Enzyklopädie, deren Inhalte nicht mehr aktualisiert werden. Bekannt ist das Haus Larousse vor allem für seine enzyklopädischen Wörterbücherenzyklopädisches Wörterbuch. Zu nennen wären hier ältere Werke wie das Grand dictionnaire encyclopédique Larousse (1982–1985) oder der Nouveau Larousse encyclopédique (1998). Ungebrochen ist der Erfolg des Petit Larousse illustré (seit 1905), der einen sprachlichen und einen enzyklopädischen Teil beinhaltet und durch seine reichhaltige Illustrierung einen hohen Unterhaltungswert bietet. Ebenso beliebt sind die enzyklopädischen Wörterbücherenzyklopädisches Wörterbuch des Hauses Hachette wie das Dictionnaire Hachette: langue, encyclopédie, noms propres. Eine reine Enzyklopädie im Stil der Encyclopædia Britannica ist die Encyclopaedia Universalis (ab 1990), die eine gezielte Auswahl von LemmataLemma in handbuchartigen Abhandlungen enthält. Die Artikel stammen von ausgewiesenen Experten, die stellenweise ihre Meinung äußern (cf. Rey 2007: 221). Neben den alphabetischenEnzyklopädie– alphabetische Enzyklopädien erscheinen in Frankreich thematischeEnzyklopädie– thematische Bände, die in einem weiteren Sinne als Enzyklopädien bezeichnet werden können, wie beispielsweise der Quid (1963–2007) oder die Encyclopédie Alpha (1969–1974).
Auch in Italien wurde die Tradition der Enzyklopädien nach der Schaffung nationaler Werke fortgesetzt. Unter anderem wurden Referenzwerke in denjenigen Verlagshäusern produziert, die im 19. Jahrhundert gegründet worden waren, wie beispielsweise die Enciclopedia Hoepli (1955–1968). In den 1970er Jahren entstand die Enciclopedia europea des Hauses Garzanti ebenso wie die experimentelle Enciclopedia Einaudi (1977–1984). Letztere enthält eine sehr selektive Auswahl von Stichwörtern, zu denen philosophische Abhandlungen von Experten gegeben werden (cf. Carnazzi/Fedriga 2002: 71). Ein relativ junges Werk ist Nova. L’enciclopedia UTET aus dem Jahre 2001, die kürzere Einträge und hochwertige Abbildungen beinhaltet. Neben den Enzyklopädien wird in Italien ebenso wie in Frankreich die Tradition der enzyklopädischen Wörterbücherenzyklopädisches Wörterbuch fortgeführt. Die bekanntesten hierunter sind die Werke des Istituto dell’Enciclopedia Italiana und die Enciclopedia Zanichelli: dizionario enciclopedico di arti, scienze, tecniche, lettere (2003).
Die weitere Entwicklung der Enzyklopädien ist eng mit der Entwicklung der Computertechnologie und des World Wide WebWorld Wide Web verbunden. Diese unterzogen den Markt für Enzyklopädien einem tiefgreifenden Wandel, der bis heute andauert. Im Jahre 1985 fand mit Windows 1.0 die erste grafische Benutzeroberfläche für das Betriebssystem MS-DOS Verbreitung und machte somit auch für Laien die Arbeit mit dem Computer attraktiv. Für dieses System sind auch die meisten Enzyklopädien auf CD-ROMEnzyklopädie– auf CD-ROM konzipiert. Als erste Enzyklopädie dieses Typs gilt die Academic American Encyclopedia von Grolier aus dem Jahre 1985, am erfolgreichsten war jedoch Encarta von Microsoft (1993–2009). In der Folge wurden CD-ROM-Ausgaben der etablierten Enzyklopädien erstellt, wie beispielsweise die Encyclopædia Britannica auf CD (1994), die Encyclopaedia Universalis auf CD (1995–2012), die Encyclopédie Multimédia Hachette (1999–2007), die Treccani mit CD, Omnia (bis 2010) und Gedea von de Agostini. Zumeist wurden die CD-Versionen den Printausgaben beigegeben und erweiterten das Angebot um multimediale Inhalte wie Audiodateien, Bilder, Videos und Wörterbücher (cf. Fuertes-Olivera 2013: 1072). Da diese Versionen nach dem Modell der PrintenzyklopädienEnzyklopädie– Print-~ konstruiert wurden, lösen sie keinen Transformationsprozess aus:
encyclopedias on CD-ROM and/or DVD, which have also been called electronic encyclopedias, have not had any real impact on a theory of e-lexicography, as most if not all of them are ‘faster horses’, as Tarp (2011) calls lexicographical works made available on electronic platforms that are constructed by following the theoretical principles developed for elaborating printed reference tools (Fuertes-Olivera 2013: 1070).
Durch die Abschaltung des ARPANets im Jahr 1990 wurde der Weg für das kommerzielle Internet freigegeben. Einer der beliebtesten Dienste ist das World Wide WebWorld Wide Web, das im Frühjahr 1993 entstand und auf Tim Berners-LeeBerners-Lee, Tim zurückgeht. Im Zuge dieser Entwicklung gingen die Verlagshäuser dazu über, Webauftritte für ihre Enzyklopädien zu konzipieren. So sind die Webausgaben der Academic American Encyclopedia ab 1995, der Britannica ab 1995, der Treccani ab 1996 und der Universalis ab 1999 verfügbar, wobei der Zugang häufig über ein Abonnement gekauft werden muss. Die Webausgaben der PrintenzyklopädienEnzyklopädie– Print-~ sind der Web 1.0Web 1.0-Technologie verpflichtet, die noch keinerlei Partizipationsmöglichkeiten beinhaltet. Im Jahre 1995 wurde die Wikitechnologie, eine Web 2.0Web 2.0-Anwendung, erfunden, welche das kollaborativeKollaboration Erstellen und Teilen von Wissensinhalten ermöglicht. Auf dieser Technologie basiert WikipediaWikipedia, die im Jahre 2001 von Jimmy WalesWales, Jimmy und Larry SangerSanger, Larry gegründet wurde und als kollaborative Plattform zur Erstellung einer frei zugänglichen Enzyklopädie konzipiert ist:
Wikipedia is first and foremost an effort to create and distribute a free encyclopedia of the highest possible quality to every single person on the planet in their own language. Asking whether the community comes before or after this goal is really asking the wrong question: the entire purpose of the community is precisely this goal (Wales 2005).
Das nichtkommerzielle Projekt Wikipedia wirkte in der Folge als disruptive Technologie (cf. Flavin 2017: 38), welche die traditionellen PrintenzyklopädienEnzyklopädie– Print-~ aufgrund der Kostenlosigkeit und des einfachen Zugangs fast vollständig aus dem Markt drängte und Standards für digitale EnzyklopädienEnzyklopädie– digitale setzte:
Zehn Jahre nachdem der US-Amerikaner Jimmy Wales den Startschuss zur Online-Enzyklopädie Wikipedia gab, sind die Print-Enzyklopädien weitestgehend aus den Buchhandlungen verschwunden. Was ist geschehen? Die Verlage hinter den etablierten Enzyklopädien haben mit steigender Bedeutung des Internets ihre Werke ins Web gestellt. Sie haben es aber versäumt, die Enzyklopädien dem Internet anzupassen (Stöcklin 2012: 110).
Die Reaktionen der etablierten Verlage auf WikipediaWikipedia fielen unterschiedlich aus. Die gedruckte Ausgabe der Universalis wurde ab 2012 eingestellt ebenso wie die des Brockhaus und der Britannica. Diese Enzyklopädien bieten auf ihrer Internetplattform kostenpflichtige Abonnements an. Einen anderen Weg ging das Haus Larousse, das ab 2008 eine Plattform lancierte, auf der kostenlose Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Das ursprüngliche Konzept, einen Teil der Artikel durch CrowdsourcingCrowdsourcing erstellen zu lassen, wurde jedoch zugunsten des Autorenprinzips wieder zurückgenommen. Wiederum einen anderen Weg gingen die italienischen Verlage. De Agostini bietet mit der Seite sapere.it ein kostenloses Wissensportal an, das neben einer Enzyklopädie und Wörterbüchern auch Spiele beinhaltet. Im Gegensatz zu vielen anderen etablierten Verlagen setzt das Istituto dell’Enciclopedia Italiana weiterhin auf die gedruckte Ausgabe der Enciclopedia Treccani