Wilde Liebelei zwischen Wohnmobil und Campingplatz - Hilca Stiehn - E-Book

Wilde Liebelei zwischen Wohnmobil und Campingplatz E-Book

Hilca Stiehn

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Beschreibung

Als Kathi mit ihrem Wohnmobil von ihrer achtwöchigen Überwinterungstour aus Spanien zurückkehrt, überschlagen sich zu Hause die Ereignisse. Sie muss schon früher als erwartet zu ihrem Stammcampingplatz in der Nähe von Eutin zurückkehren, um dort bei Rolf, dem Inhaber des Campingplatzes und ihrem Chef, in der Anmeldung zu arbeiten. Gleichzeitig kommt sie sich mit ihrem Nachbarn Gunther näher. Aber der ist doch eigentlich gar nicht ihr Typ Mann? Denn Gunther ist ein richtiger Macho, fährt Harley und ein aufgemotztes Auto und hat jede Menge Tattoos und Muskeln. Dann trifft sie auf einer Feier auch noch einen alten Bekannten wieder, der ebenfalls ein gesteigertes Interesse an ihr zu haben scheint. Kathi ist total verwirrt aufgrund dieser vertrackten Situation. Was soll sie bloß tun? Und jeder, mit dem sie sich bespricht, rät ihr: Denk doch nicht so viel darüber nach sondern einfach mal nur an dich! Wenn das man so leicht wäre.

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Wilde Liebelei zwischen Wohnmobil und Campingplatz

Coming home…Tom…Viel zu tun…Gunther…Fast wieder Alltag…Hilferuf von Rolf…Endlich wieder auf dem Campingplatz…Ein erstes Frühlingswochenende…Ein neuer kleiner Freund….Angrillen…Sunday, sunny Sunday…Vorbereitungen…Ein Notfall am Abend…Im Krankenhaus…Familienfrühstück…Power Shopping…Ein Cocktail in Ehren…Angekommen…Campingplatzalltag…Ferienbeginn…Die M&M’s…Stippvisite zu Hause…Lebensberatung beim Friseur…Partytime…Marten…Bunny-Party…OsterfeuerHausverschönerung…Eine gelungene Überraschung…Ein Caipi-Abend mit Folgen…Konfirmation…Provokation…Zeit zum Runterkommen…Kurzurlaub mit Kähte…Heimreise…Ablenkung…Showdown…Ein ganz normaler Samstag?...Der Morgen danach…Zurück auf dem Campingplatz…Vier Wochen später…NachwortImpressum

Coming home…

Sonntag, 08. März, 22.07 Uhr

Kathi fuhr auf den Parkplatz vor ihrem Wohnblock und machte den Motor aus. Puh, geschafft! Sie war die letzten fast neunhundert Kilometer in einem Stück durchgefahren. Na ja, einen Tankstopp hatte sie zwischendurch einlegen müssen und gegen achtzehn Uhr hatte sie sich einen Burger, eine Apfeltasche und einen Schokomilchshake beim „goldenen M“ gegönnt.

Eigentlich hätte man die Strecke auch gut mit einer weiteren Übernachtung unterbrechen können. Sie hätte jederzeit an einer Autobahnraststätte oder auf einem der vielen Wohnmobilstellplätze, die es ja überall gab, anhalten und übernachten können. Aber nach der langen Zeit in der Ferne zog es sie einfach nach Hause.

Dabei war ihr Wohnmobil für sie im letzten Jahr mindestens genauso viel ihr zu Hause geworden, wie ihre Wohnung es war, vor der sie jetzt stand.

Sie schnallte sich ab, zog die Handbremse an, nahm ihre Handtasche und kletterte aus dem Wohnmobil. Ob sie noch bei ihrer Nachbarin Kähte klingeln sollte? Es war noch Licht im Wohnzimmer an. Aber es reichte bestimmt auch morgen früh. Eigentlich war sie total erledigt und wollte einfach nur ins Bett.

Kähte, ihre liebe Nachbarin, hatte während ihrer Tour ihre Wohnung gehütet und die Post rausgenommen. Ein paarmal hatten sie zwischendurch telefoniert, wenn es irgendwelche Neuigkeiten gab. Kähte war echt eine Seele. Was würde Kathi nur ohne sie machen?

Sie ging in das Treppenhaus und nahm die Treppe in den ersten Stock. Kähte wohnte gleich links in einer zweieinhalb Zimmer Wohnung, Kathi hatte die größere dreieinhalb Zimmer Wohnung auf der rechten Seite. Die Haupteingangstür fiel unten gerade ins Schloss und sie hatte die Hälfte der Treppe geschafft, da ging Kähtes Haustür auf und die herzensgute Rentnerin steckte ihren Kopf aus der Tür. Kathi musste unwillkürlich schmunzeln. Sie hatte mehrere bunte Lockenwickler auf dem Kopf, dazu ihren schon etwas verschlissenen, apricotfarbenen Satin-Morgenmantel an und ihre Füße steckten in lila Puschel Pantoffeln.

„Kindchen, habe ich mich doch nicht verhört! Ich habe ein Motorengeräusch draußen gehört und ich dachte, wer kommt denn so spät noch? Hätte ja sonst höchstens der Herr Beyler von gegenüber sein können, wenn er von der Spätschicht kommt. Aber der kommt ja eigentlich immer erst um zwanzig vor elf“, redete sie wie immer ohne Punkt und Komma.

Kathi schmunzelte. Sie hatte mittlerweile die Treppe hinter sich gebracht und schloss die gerade mal 1,55 m große Rentnerin in ihre Arme. „Hallo Kähte, schön wieder da zu sein. Ich hätte natürlich noch bei dir geklingelt. Ich habe ja gesehen, dass bei dir noch Licht an ist“, behalf sie sich mit einer kleinen Notlüge.

„Komm rein, komm rein! Da müssen wir drauf anstoßen, dass du endlich wieder da bist! Ich habe schon seit letzter Woche eine Flasche Sekt im Kühlschrank.“

„Ach Kähte, lass doch. Das können wir doch morgen noch machen. Es ist schon so spät.“

„Papperlapapp! Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.“ 

Kähte war schon in die Küche gewuselt und hatte die Sektflasche aus dem Kühlschrank geholt. Jetzt öffnete sie die Vitrine im Wohnzimmer und nahm zwei langstielige Kristallgläser raus. Es waren Gläser in einer altmodischen Form und mit einem Muster, wie man sie nur noch bei alten Leuten zu sehen bekam. Kathi liebte solche Sachen. Sich ihrem Schicksal ergebend ging sie hinter Kähte her ins Wohnzimmer und ließ sich auf die alte, gemütliche Couch zwischen die exakt ausgerichteten Brokatsofakissen fallen. Eigentlich wäre sie lieber in ihre Wohnung und direkt ins Bett gegangen. Aber das ging jetzt natürlich nicht mehr. Na gut, ein Gläschen und eine halbe Stunde für die wichtigsten Infos würde sie erübrigen können…

Halb zwei war es, als Kathi in ihre Wohnung rüberging. Auf einem Bein kann man nicht stehen und Ach, was soll der Rest jetzt noch übrigbleiben? Morgen ist dann die Kohlensäure raus und das schmeckt nicht mehr waren Kähtes Worte gewesen und so hatte sie die Gläser solange nachgefüllt, bis die Sektflasche leer war.

Kathi zog sich nur aus und war gefühlt schon im Hinlegen ins Bett eingeschlafen.

Tom…

Der Wecker zeigte fast elf Uhr, als Kathi am nächsten Morgen die Augen öffnete. Da sie gestern Nacht nicht mehr die Gardine zugezogen hatte, konnte sie direkt rausschauen: Ein grauer Himmel und leichter Regen begrüßte sie an ihrem ersten Tag zurück in Deutschland.

Na ja, während der letzten vier Tage, seit sie am Donnerstagmorgen in Malaga aufgebrochen war, war das Wetter mit jedem Tag etwas schlechter und vor allem kühler geworden. In Malaga hatten frühlingshafte Temperaturen von knapp über zwanzig Grad geherrscht. Sie war mit Tom in T-Shirt und Minirock durch die Stadt gebummelt, sie hatten in kleinen, urigen Cafés etwas getrunken oder in einer der vielen Tapas Bars die leckeren Kleinigkeiten genossen und dazu eine Flasche einfachen, herrlich leichten Weißwein getrunken.

Tom...  Sie blieb noch ein paar Minuten einfach liegen und träumte ein bisschen von dem gutaussehenden Doktor der Archäologie, den sie gleich an ihrem ersten Tag in Malaga kennengelernt hatte, als sie die Alcazaba, eine alte maurische Festungs- und Palastanlage, besichtigen wollte. Sie wollte eigentlich gerne an einer Führung teilnehmen, um die wichtigsten Infos zu erfahren, aber es gab nur eine Führung in spanischer Sprache, die Kathi nur unzureichend verstand. Eine Führung in englischer Sprache wäre nachmittags um vierzehn Uhr möglich, deutsche Führungen wurden momentan gar nicht angeboten; nur während der Saison.

Tom war ebenfalls gerade mit seiner Gruppe von Studenten und seinen zwei Kollegen dort gewesen und hatte ihr spontan angeboten, ob sie nicht einfach mit seinen Studenten mitkommen und zuhören wollte. Ihre Gruppe war auf einer zweiwöchigen Studienreise in Malaga und heute sollte es von ihm einen ersten Überblick über die alte Burganlage geben. Ok, sein Vortrag wäre vielleicht etwas stark archäologisch ausgerichtet, aber wenn sie keine Lust mehr hätte, könnte sie sich ja einfach von der Gruppe absetzen und ihrer eigenen Wege gehen. Warum nicht? Kathi war gerne auf das Angebot eingegangen und hatte von da an, wie auch die Studenten und vor allem Studentinnen, an den Lippen des dunkelhaarigen, gutaussehenden Doktors der Archäologie gehangen.

Die weiblichen Teilnehmerinnern suchten mehrfach die Nähe von Doktor Tom Petersen, aber dieser bewahrte professionell Abstand. Nach der zweieinhalbstündigen Führung, in der Kathi sehr viele interessante Details über den Bau und vor allem die verwendeten Steine und die Bodenbeschaffenheit erhalten hatte, wurde die Studentengruppe mit einer schriftlichen Aufgabe betraut und Tom kam zu ihr rüber. Sie bedankte sich herzlich für die großartige Führung, sie plauderten noch ein wenig und als sie sich zum Abschied mit Handschlag verabschiedeten, hielt Tom ihre Hand einfach fest, blickte ihr direkt in die Augen und fragte sie, ob sie abends gemeinsam mit ihm essen gehen wolle. Natürlich wollte sie!!! Hallo??? Wer hätte bei so einem Mann nein gesagt?

Da sie am Tag vorher gerade erst angekommen war und sich noch nicht auskannte in der Stadt, tauschten sie die Handynummern und wollten sich über Handy für den Abend abstimmen. Mit superguter Laune hatte Kathi die Alcazaba verlassen und war noch ein bisschen durch die Stadt gelaufen, bevor sie am Nachmittag zu ihrem Wohnmobil zurückkehrte. Abends hatten sie sich in einem Restaurant am Hafen getroffen und zusammen Paella gegessen. Sie plauderten bis spät in die Nacht und eine gegenseitige Anziehungskraft war nicht zu leugnen.

Eigentlich hatte Kathi nur für drei oder vier Tage in Malaga bleiben wollen und wollte dann die Rückreise ihrer „Überwinterungs-Rundtour“ über Portugal und entlang der Biskaya Küste zurück nach Deutschland antreten.

Sie war die ganzen zwei Wochen in Malaga geblieben, in der Tom mit seiner Studienreise ebenfalls dort gewesen war.

Viel zu tun…

Das Telefon klingelte. Nicht ihr Handy, was ja immerhin hier im Schlafzimmer lag, weil sie es gestern Abend in der Hosentasche gehabt hatte, sondern das Festnetztelefon im Wohnzimmer und der Anrufer war wirklich hartnäckig. Es hörte nicht auf zu klingeln. Nach gefühlten zwanzigmal stand Kathi jetzt doch auf und lief ins Wohnzimmer. Sie nahm das Telefon ab, aber der Anrufer hatte gerade aufgegeben. Ob sie zurückrufen sollte? Wenn es wichtig wäre, würde derjenige sich schon wieder melden.

Als sie ein paar Minuten später dann auf der Toilette saß, klingelte das Telefon wieder. Unglaublich, wie der Anrufer ein Gespür dafür zu haben schien, wann ein schlechter Zeitpunkt zum Anrufen war! Ohne zu Spülen lief sie schnell ins Wohnzimmer und zum Telefon.

„Ah, guten Tag Frau Faber. Gut, dass ich sie endlich erreiche. Hier Camper- und Freizeitzentrum Wiesenberg. Ihr Wohnmobil ist für Freitag bei uns zur Inspektion angemeldet und ich wollte fragen, ob sie uns ihr Fahrzeug auch schon morgen, also am Dienstag, vorbeibringen können? Es hat jemand abgesagt und von daher hätten wir schon Morgen Zeit für sie.“

„Äh, ja klar, meinetwegen. Wann soll ich denn da sein?“

„Am besten gleich morgens um 8.30 Uhr, wenn es ihnen passt.“

Als Kathi aufgelegt hatte, wurde ihr erst bewusst, was sie sich gerade aufgehalst hatte! Heute war Montag, es war bereits mittags und sie musste noch das gesamte Wohnmobil ausräumen, jede Menge Wäsche waschen, ihre ganze Post durchschauen, einkaufen usw. Also dann mal ran ans Werk!

Ihr Kühlschrank war natürlich komplett leer. Zwei Flaschen Wein, ein angebrochenes Glas Senf, eine Flasche Sojasauce und Mineralwasser waren noch vorhanden. Aber unten im Wohnmobil hatte sie ja noch einiges. Und außerdem hatte sie vor ihrer großen Tour vorgesorgt und Aufbackbrötchen im Gefrierfach. Die holte sie jetzt raus und warf sie in den Ofen. Dann lief sie schnell nach unten ins Wohnmobil und holte die Lebensmittel aus dem Kühlschrank hoch. Dort gab es immerhin Butter, Marmelade, Käse, Serranoschinken und Reste von der leckeren, luftgetrockneten Salami aus Malaga.

Bei einem ausgiebigen Frühstück plante sie ihr weiteres Vorgehen für den heutigen Tag. 

Nach dem Frühstück riss sie trotz der gerade mal acht Grad draußen erstmal alle Fenster in der Wohnung auf, um die abgestandene Luft aus der so lange ungenutzten Wohnung zu bekommen, bewaffnete sich mit zwei Wäschekörben, zog ihre Winterjacke an und machte sich auf den Weg nach unten zum Parkplatz. Im Wohnmobil packte sie die ganze schmutzige Wäsche, die sich angesammelt hatte, in die Wäschekörbe und ging jedes Fach durch und entschied, was mit nach oben musste oder was im Wohnmobil verbleiben könnte. Dann zog sie die Betten ab und sammelte die Handtücher aus dem kleinen Bad. Die Wäschekörbe waren schon übervoll, also kam alles auf einen großen Haufen vorne beim Esstisch. Jetzt hieß es erstmal ein paarmal hochlaufen, um die Sachen alle in die Wohnung zu bringen.

Als sie mit dem ersten Wäschekorb und einem Rucksack bepackt ihre Wohnungstür aufschloss, gab es Durchzug und die Wohnzimmertür fiel mit einem lauten Knall zu. Ach Gott, sie hatte ja die Fenster aufgemacht, bevor sie runtergegangen war! Das war aber vor knapp einer Stunde gewesen und dementsprechend war die Temperatur in ihrer Wohnung gefühlt auf einstellige Werte gefallen!

Aber nicht so schlimm, sie musste ja sowieso noch ein paarmal laufen. Aber erstmal machte sie schnell alle Fenster zu und stellte schon mal eine Maschine Wäsche an. Bis sie dann wieder mit allen anderen Sachen oben war, würde es bestimmt auch wieder warm in ihrer Wohnung sein.

Eineinhalb Stunden später hatte sie das Gröbste geschafft, die zweite Waschmaschine lief bereits und die erste war schon im Trockner. Sie gönnte sich schnell eine Tasse Tee und schrieb nebenbei einen langen Einkaufszettel.

Bevor sie mit mehreren Einkaufstaschen bepackt losfahren wollte, klingelte sie noch kurz bei Kähte und lud sie für heute Abend zum Abendessen ein. Das war sie der alten Dame auf jeden Fall schuldig! Sie würde einen leckeren Auflauf mit Paprika und Hähnchen machen, dazu Reis und einen frischen Salat. Kähte mochte sehr gerne diese modernen Sachen essen, wie sie es nannte. Sie selbst kochte für sich eher nur deutsche Hausmannskost. Deshalb sagte sie natürlich erfreut zu.

Auf die Frage, ob Kathi ihr noch was vom Einkaufen mitbringen sollte, brachte sie ihr erfreut zwei leere Mineralwasserkästen und brauchte auch noch einen Sack Kartoffeln. Und wenn es für Kathi ok wäre, könnten sie ja vielleicht Ende der Woche nochmal gemeinsam zum Einkaufen fahren.

Es hatte sich so ergeben, dass Kathi schon vor eineinhalb Jahren, nachdem sie hier eingezogen war, der alten Dame angeboten hatte, ihr die schweren Sachen vom Einkaufen mitzubringen oder sie sogar selbst mitzunehmen. Kähte hatte sich sehr über dieses Angebot gefreut, da sie kein Auto hatte und ansonsten alles zu Fuß besorgte. So machten sie seitdem mindestens ein- bis zweimal pro Monat gemeinsam einen Kähte-Großeinkauf.

Im Gegenzug passte Kähte immer auf Kathis Wohnung auf, wann immer sie auf dem Campingplatz war oder wenn sie mit ihrem Wohnmobil unterwegs war.

Als Kathi gerade unten das Haus verließ, kam ihr Herr Bauer, der Nachbar aus dem Erdgeschoss, mit seinem kleinen Rauhaardackel Frido entgegen. „Ach, Frau Faber. Auch mal wieder im Lande? Ich habe heute Morgen schon Ihr Wohnmobil auf dem Parkplatz gesehen.“

„Hallo Herr Bauer, ja gestern in der Nacht bin ich wiedergekommen. War eine wirklich schöne Tour. Wie geht es Ihnen? Alles klar?“ Kathi streichelte den kleinen Frido, der begeistert versuchte mit seinen kurzen Beinchen an ihr hochzuspringen.

„Frido, aus! Benimm dich mal, das gehört sich nicht! Entschuldigen Sie bitte, Frau Faber. Wenn er Sie sieht, ist er immer völlig aus dem Häuschen“, entschuldigte sich der Rentner. „Ja, soweit alles in Ordnung bei mir. Keine schlimmeren Krankheiten, nur mein Knie macht noch nicht so mit, wie ich das gerne hätte. Und jetzt bei diesen kalten und nassen Temperaturen merkt man sowieso seine Zipperlein ganz besonders doll.“ Herr Bauer hatte letztes Jahr im Herbst ein neues Kniegelenk bekommen. Und so ruckizucki, wie die Ärzte einem das vor einer OP sagten, war man dann doch nicht wieder voll fit.

Sie plauderten noch ein wenig, bis das Fenster neben ihnen aufging und Frau Bauer ihren Kopf heraussteckte: „Heinz, wo bleibst du denn so lange? Wir müssen doch gleich los und Bjarne und Lena abholen. Es ist schon halb vier! Ach, hallo Frau Faber, schön, dass Sie wieder da sind. Kähte hat mir heute Vormittag schon erzählt, dass Sie gestern Abend zurückgekommen sind. Aber entschuldigen Sie, wir müssen leider ein anderes Mal weitersprechen. Wir müssen nämlich heute um vier Uhr unsere Enkel aus dem Kindergarten abholen“, berichtete sie mit Stolz in der Stimme.

„Kein Problem, Frau Bauer. Ich habe eigentlich auch gar keine Zeit. Ich habe noch jede Menge zu erledigen heute Nachmittag.“

Hoffentlich traf Kathi jetzt nicht noch mehr Menschen, die ein Schwätzchen mit ihr halten wollten. Sonst würde das mit dem Abendessen kochen heute wohl nix mehr werden! Sie ging zu ihrem Auto, welches direkt neben ihrem Wohnmobil auf dem Parkplatz stand, lud die Taschen und die Mineralwasserkästen in den Kofferraum und setzte sich auf den Fahrersitz. Sie drehte den Zündschlüssel und es tat sich... Nichts! Auch beim zweiten und dritten Versuch blieb es beim Nichts. So ein verdammter Mist!!!! Vermutlich war nach den über zwei Monaten Standzeit die Batterie ihres Autos leer. Was nun?

Gunther…

Gunther, kam es ihr in den Sinn. Das ist der einzige, der mir jetzt helfen kann. Ob der wohl schon Feierabend hat? Gunther wohnte im Block neben ihr im zweiten Stock, war Junggeselle und schraubte in seiner Freizeit gerne an seiner Harley herum. Er hatte schon vor längerem ein Auge auf Kathi geworfen und sie hatte sich sogar letztes Jahr im September zu einer Tour auf seiner Harley hinreißen lassen, aber er war einfach nicht ihr Typ. Gunther war ungefähr Mitte vierzig, schlank und extrem muskulös gebaut und sah ziemlich gut aus. Er war ziemlich machohaft, aber auch ein echter Kumpeltyp, mit dem man Pferde stehlen konnte. Außerdem war er handwerklich sehr begabt und hatte Kathi schon das eine oder andere Mal eine Lampe in ihrer Wohnung angebaut und die vielen Kellerregale mit ihr zusammen in ihrem Keller aufgebaut.

Also los, es bleib ja nix anderes übrig!

Falls er nicht da war, konnte sie ja zur Not noch mit dem Wohnmobil zum Einkaufen fahren. Allerdings war der Parkplatz beim Supermarkt nicht besonders groß und es war Glückssache, mit dem Womo dort einen passablen Parkplatz zu bekommen.

Sie klingelte bei Gunther. Als sie schon das zweite Mal auf die Klingel drücken wollte, knackste es in der Gegensprechanlage und Gunthers Stimme sagte „Ja, bitte?“

„Hey Gunther, hier ist Kathi. Ich bin aus Spanien zurück und wollte gerade mit meinem Auto zum Einkaufen fahren. Aber es springt nicht an! Ich denke, die Batterie ist leer. Hast du ein Überbrückungskabel und könntest mir kurz helfen?“

„Kathi, my Sweetheart! Klar, kein Problem. Komm bitte kurz hoch, ich bin gerade eben aus der Dusche raus.“

Die Eingangstür summte und Kathi ging nach oben. Seine Wohnungstür stand offen und sie hörte einen Fön aus dem Badezimmer. Sie ging ins Wohnzimmer und rief: „Bin da!“

Kurz darauf verstummte der Fön und Gunther kam, nur mit einem knappen Handtuch um die Hüften und einem breiten Strahlen im Gesicht, aus dem Bad. „Hey Sweetheart, schön dich wiederzusehen! Komm her und lass dich umarmen.“

Sie guckte ihn mit großen Augen an. Es war ihr zwar ein bisschen unangenehm, aber sie musste schon zugeben, er hatte einen wirklich tollen Körper, den er mehrmals pro Woche im Fitnessstudio in Form hielt. Seine Arme und sein gesamter Rücken waren von unzähligen Tattoos bedeckt. Auch auf seiner muskulösen Brust und auf seinem Waschbrettbauch waren mehrere Tätowierungen zu sehen. Auf beiden Seiten am unteren Bauch waren zwei Flügel tätowiert. Der Ansatz der Flügel war vom Handtuch verborgen. Wie weit die wohl runtergehen fragte sich Kathi gerade und wurde im gleichen Moment rot, als Gunther, der ihre Blicke sehr wohl wahrgenommen hatte, sie grinsend anschaute.

„Na? Gefällt dir, was du siehst?“ lachte er süffisant, drehte sich um und ging Richtung Schlafzimmer.

Kathi konnte dadurch nochmal einen langen Blick auf seinen Rücken genießen, grinste weiterhin ertappt und verteidigte sich mit einem schwachen: „So viel Einblicke wollte ich eigentlich gar nicht haben!“.

Nach kurzer Zeit kam er in Jeans und Socken wieder aus dem Schlafzimmer und zog sich wie zufällig erst im Wohnzimmer sein Langarmshirt über den Kopf, so dass Kathi nochmals einen Blick auf seinen nackten Oberkörper abbekam. Das macht der doch extra, der Schuft! dachte sie, grinste aber trotzdem und klagte ihm nebenher ihr Problem mit der Autobatterie. Auf dem Weg zu seiner Garage erzählte sie ihm im Schnelldurchlauf ihre letzten acht Wochen, ließ allerdings Tom aus. Das musste er ja nicht zwangsläufig wissen.

Gunther hatte die Überbrückungskabel gefunden und wies sie an, zurück zu ihrem Auto zu gehen und die Motorhaube zu öffnen. Er fuhr seinen blauen, aufgemotzten BMW M3 vor ihre Motorhaube, steckte die Kabel an und gab ihr ein Zeichen, wann sie ihren Wagen starten sollte. Und prompt sprang ihr Auto an.

Er nahm die Kabel ab, schloss ihre Motorhaube und kam zu ihrer offenen Fahrertür. „Sweetheart, du solltest jetzt erstmal mindestens zwanzig Minuten auf die Landstraße oder die Autobahn. Wenn du jetzt direkt zum Supermarkt fährst und das Auto ausmachst, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass du mich gleich wieder anrufen musst. Nicht, dass mich das stören würde“, grinste er.

„Gunther, ich danke dir, mein Lieber. Ich revanchiere mich demnächst bei dir, ok?“ Sie würde ihn in den nächsten Tagen mal abends einladen und mit ihm was Trinken gehen.

„Sehr gerne. Immer und jederzeit! Du musst mir auch noch von deiner Reise erzählen und Fotos will ich natürlich auch sehen.“ Er gab ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange und Kathi fuhr mit einem „Wird gemacht“ und einem Winken vom Parkplatz.

Na super, jetzt erstmal noch unnötig durch die Gegend fahren, bevor sie endlich zum Einkaufen konnte! Das passte ihr ja gar nicht!

Sie würde vor einem Treffen mit Gunther einen extra Fotoordner anlegen müssen, damit er nur die Fotos zu Gesicht bekam, die sie ihm auch zeigen wollte. Sie war zwar nicht an einer Beziehung mit ihm interessiert und das würde sich auch bestimmt nicht in naher Zukunft ändern, aber sie wollte ihm auch nicht direkt vor den Kopf stoßen, indem er die Fotos mit Tom alle zu sehen bekam.

Vielleicht würde sie ihm davon erzählen, wenn es sich so ergab. Er sollte sich keine falschen Hoffnungen machen und lieber nach einer Freundin für eine gemeinsame Zukunft Ausschau halten, denn er war wirklich ein lieber Kerl. Warum nur hatte er keine Freundin? Sie würde das mal mit ihm diskutieren.

Mittlerweile war sie bereits zwanzig Minuten mit dem Auto rumgefahren und die Batterie musste wieder genügend aufgeladen sein. Sie wollte Morgen nochmal eine längere Autotour einplanen, damit die Batterie wieder vollgeladen war.

Für den Auflauf, den sie eigentlich für heute Abend eingeplant hatte, war es mittlerweile viel zu spät geworden. Also kaufte sie zwei schöne Filetsteaks, dazu eine Tüte fertige Salatmischung und ein Kräuterbutterbaguette zum Aufbacken. So brauchte sie nur noch eine Salatsauce zusammenrühren und der Rest vom Essen ging dann superschnell. Das sparte ihr bestimmt eine Dreiviertelstunde von der vorhin verlorenen Zeit wieder ein.

Sie musste ganze vier Mal laufen, um die Wasserkisten und ihre Einkäufe hochzutragen. Es war bereits kurz nach sechs und um sieben Uhr hatte sie Kähte bestellt.

Als es klingelte hatte sie ihre Einkäufe schon alle weggepackt und Waschmaschine und Wäschetrockner liefen ein weiteres Mal. Sie hatte ihren Esstisch gedeckt, den Salat in eine Schüssel gefüllt, noch ein paar Tomaten und frische Champignons dazu geschnitten und die Salatsauce vorbereitet. Sie hatte sogar noch so viel Zeit gehabt ein paar Rosmarinkartoffeln vorzubereiten, die schon einen verführerischen Duft in der Wohnung verbreiteten.

Die beiden begrüßten sich herzlich und Kähte folgte Kathi in die Küche. „Oh, das riecht ja schon lecker bei dir.“

Kathi briet die Steaks, nebenbei marinierte sie den Salat und brachte Brot, Kartoffeln und Salat schon mal ins Wohnzimmer. Beim Essen plauderten die beiden munter über den Tag und immer wieder natürlich über Kathis Spanien Trip. Nach dem Essen wechselten sie mit ihren Weingläsern aufs Sofa und Kathi zeigte die Fotos der Reise auf ihrem iPad. Kähte durfte natürlich die unsortierte Version der Fotos sehen. Auch die Fotos von und mit Tom.

„Oh, das ist aber wirklich ein sehr hübscher Mann. Ist das was Ernstes mit euch?“ fragte sie interessiert.

„Nein, war nur ein Urlaubsflirt“, lachte Kathi. „Tom wohnt und arbeitet in München, auch wenn er gebürtig hier oben aus dem Norden ist. Aber wir haben uns gleich zu Beginn unseres Kennenlernens darauf verständigt, dass wir beide nix Festes wollten und haben dann einfach die Zeit miteinander genossen. Aber wir schreiben uns noch über Handy und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Oder ich besuche ihn mal, wenn ich mit meinem Wohnmobil unterwegs bin und mal in München vorbeikomme… wer weiß!“

„Ihr jungen Leute! Sowas hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben, aber mach du nur. Genieße dein Leben!“

„Danke Kähte, ach da fällt mir ein, ich habe noch ein kleines Geschenk für dich mitgebracht. Nix Großes. Ich hoffe, es gefällt dir.“ Kathi holte eine kleine Papiertüte von der Anrichte und überreichte sie an ihre Nachbarin. Darin war ein Armband aus vielen kleinen Muscheln.

„Kindchen, wie hübsch!“ Kähte streifte es gleich über ihre Hand und betrachtete es verzückt. „Du weißt auch genau, was ich mag!“

Das Armband hatte gerade mal zwölf Euro gekostet, aber Kathi wusste genau, dass Kähte auf solche kleinen Dinge stand. Sie besaß zu jeder Bluse, jedem Pullover und Kleid entweder passende Ohrringe, Armbänder oder Ketten. Sie konnte an keinem Laden mit Modeschmuck vorbeigehen ohne nicht mindestens eine halbe Stunde darin zu stöbern.

Dieses Armband hatte sie in einem kleinen Laden in der Nähe vom Hafen in Malaga entdeckt, als sie mit Tom abends Arm in Arm durch die Straßen gelaufen war.

Oh Mist, Tom hatte sie die letzten Tage, seit sie zurückgefahren war, völlig vernachlässigt. Er hatte ihr mehrfach Nachrichten geschrieben und sie hatte immer nur kurz geantwortet, wenn sie zwischendurch bei einer Pause mal aufs Handy geschaut hatte. Wo war ihr Handy eigentlich??? Es musste wohl immer noch im Schlafzimmer liegen, in der Hose, die sie gestern Abend angehabt hatte. Sie hatte heute noch gar nicht raufgeschaut. Sie würde ihm auf jeden Fall nachher vorm Schlafengehen ausführlich schreiben. Der musste auch von ihr denken: aus den Augen, aus dem Sinn!

Als Kähte rüber in ihre Wohnung ging, war es bereits dreiundzwanzig Uhr und Kathi hundemüde. Die Flasche Wein war auch leer geworden und brachte jetzt genau die richtige Bettschwere mit sich. Sie stellte sich noch den Wecker, da sie ja morgen früh zur Inspektion musste, machte sich schnell im Bad fertig und schlief, wie auch am vergangenen Abend, umgehend ein, nachdem sie in ihr Bett gekrabbelt war.

Fast wieder Alltag…

Piep, piep, piep

Ein supernerviges Piepen mischte sich in ihre schönsten Träume.

Piep, piep

Warum hörte das nicht auf? Es piepte immer weiter.

Piep, piep, piep

Es passte auch so gar nicht in ihren Traum.

So langsam kehrte Kathi aus dem Reich der Träume ins Hier und Jetzt zurück. Und jetzt war auch klar, was dieses nervige Piepen zu bedeuten hatte: es war der Wecker, der ihr sagte, dass es Zeit zum Aufstehen war. Ob sie ihn noch einmal weiter stellen sollte? Aber dann müsste sie das Frühstück dafür ausfallen lassen und das wollte sie nicht. Also zwang sie sich aus dem Bett, zog die Gardinen beiseite und blickte in einen weiteren Tag mit grauem Himmel. Na ja, aber immerhin regnete es heute nicht.

Sie schlurfte ins Bad und ging unter die Dusche. Danach war sie auch wieder fit und frisch und nach einem schnellen Frühstück machte sie sich mit ihrem Wohnmobil auf den Weg zu Wiesenberg. Nachdem sie das Fahrzeug abgegeben hatte und alles mit dem Werkstattleiter besprochen hatte, was gemacht werden sollte, machte sie sich zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt. Sie wollte versuchen beim Friseur vorbeizuschauen und noch ein paar kleine Besorgungen machen. Danach würde sie mit dem Bus zurück nach Hause fahren.

Die nächsten zwei Tage verbrachte sie mit dem Erledigen liegengebliebener Arbeiten, weiterer Wäsche und dem Aufarbeiten ihrer Post.

Sie schrieb gerade eine Mail an ihren Versicherungsmenschen, da sie auf ihrer Wohnmobil Tour bei einem Stopp in Barcelona beim Einparken einen kleinen Poller am hinteren Ende des Parkplatzes übersehen hatte und mit der Stoßstange dagegen gefahren war. Es war nicht viel passiert, aber die hintere Ecke der Stoßstange auf der Beifahrerseite war etwas kaputt. Aber als gut ausgestattete Wohnmobilistin hatte sie natürlich Panzertape dabeigehabt und hatte die Stoßstange notdürftig geklebt. Man sah von Weitem fast nix, aber bei der Inspektion wollte sie den Schaden gleich beheben lassen.

Kann ja nicht so teuer sein, so ein Plastikteil, hatte sie gedacht. Der Werkstattleiter hatte ihr allerdings geraten, das doch lieber über die Versicherung laufen zu lassen, da der Schaden doch weit mehr kosten würde und sie so nur die Selbstbeteiligung zu zahlen hätte. Na gut, wofür hatte man auch seine Versicherung?

Kurz bevor sie die Mail abschicken wollte, erhielt sie einen Videoanruf von ihrem Sohn Timo. Sie lächelte und drückte auf Annehmen. „Timo, mein Schatz, das muss ja Gedankenübertragung sein. Ich wollte dich auch heute Abend anrufen. Ich dachte nur jetzt wäre es bestimmt noch etwas zu früh, weil du bestimmt noch in der Uni bist.“

„Hi Mum, wir hatten heute Nachmittag einen Außentermin, wo wir uns ein neu gebautes Geschäftshaus angeschaut haben und danach durften wir direkt nach Hause. Wie geht es dir? Ich sehe, du bist schon wieder zu Hause. Du bist ja voll braun geworden! Hattest du so gutes Wetter?“

„Ja, das hatte ich wirklich. Sonntagnacht bin ich wieder zurückgekommen. Nur schade, dass ich es nicht mehr geschafft habe, bei dir in Frankfurt vorbeizuschauen. Aber kommst du vielleicht demnächst mal wieder hier oben in den hohen Norden?“

„Deshalb rufe ich an. Ich bin in eineinhalb Wochen für das ganze Wochenende bei Paps in Hamburg. Vielleicht hast du ja auch Zeit und wir können uns treffen? Ich würde gerne deine Expertise als Modeberaterin in Anspruch nehmen“, sagte Timo mit einem Zwinkern.

Ach, daher wehte der Wind! Kathi musste schmunzeln. Ihr Sohn wollte nicht nur ihre Beratung, sondern vor allem, dass sie ihre Kreditkarte zur Verfügung stellte.

„Du meinst dein Kleiderschrank braucht mal wieder ein Update?“ fragte Kathi mit einem Schmunzeln.

„Mum, ich brauche unbedingt mal wieder zwei neue Jeans und ein paar Sportklamotten und T-Shirts wären auch nicht schlecht“, klagte Timo.

„Alles klar, mein Großer. Das können wir gerne machen. Wenn ich dich im Gegenzug dafür ein paar Stunden für mich habe, können wir gerne eine ausgedehnte Shoppingtour machen.“

Timo studierte seit dem letzten Oktober in Frankfurt Architektur. Er fragte nur, wenn er wirklich dringend neue Klamotten nötig hatte. Michael, ihr Exmann, zahlte ihm die Wohnung und die Studiengebühren. Sein Geld, was er zum Leben brauchte, verdiente er sich selbst. Auch Kathi war mehr als finanziell unabhängig und zahlte ihm daher gerne mal ein paar neue Anziehsachen.

„Ich spreche mich mit Michael ab, wann es ihm am Samstag am besten passt. Ob eher vormittags oder nachmittags. Und du überlegst dir bitte, wo du hinmöchtest: ins Elbe Einkaufszentrum, in die Innenstadt oder vielleicht ins Outlet nach Neumünster.“

„Alles klar, Mum, mach ich. Ich freu mich auf dich!“

„Ich mich auch. Hab dich lieb!“

„Ich dich auch!“ Und mit einem Kuss und einem Winken beendete Timo den Videochat.

Weihnachten hatten sie sich das letzte Mal gesehen. Da war Timo ebenfalls über die Feiertage bei Michael in Hamburg gewesen.

Seit Kathi vor eineinhalb Jahren ihren Bungalow in Hamburg verkauft hatte und in die Wohnung im Hamburger Speckgürtel gezogen war, hatte sie zwar noch ein Gästezimmer, aber natürlich war das nicht mehr so ausgedehnt wie Timos Reich in ihrem Bungalow gewesen war. Deshalb übernachtete er jetzt meistens bei Michael, wenn er aus Frankfurt zu Besuch kam.

Das war für Kathi kein Problem, denn sie und Michael verstanden sich immer noch blendend. Als er im letzten Jahr seine neue Frau Britta geheiratet hatte, war sie selbstverständlich zur Hochzeitsfeier eingeladen und auch Heiligabend hatten sie alle zusammen verbracht.

Ihre Trennung von Michael lag schon mehr als zehn Jahre zurück. Sie hatten sich damals nicht im Streit getrennt; man hatte sich einfach auseinandergelebt.

Mit Michael war sie zusammengekommen, als sie in Hamburg ihr BWL-Studium mit Richtung Hotelmanagement angefangen hatte. Michael hatte zur gleichen Zeit Jura studiert, war aber schon vier Semester weiter. Sie verliebten sich und waren von da an fest zusammen. Michael kam aus einer reichen Anwaltfamilie und hatte schon zu Studentenzeiten eine große Penthouse Wohnung in der Nähe der Uni. Nicht lange und sie zog zu ihm.

Kurz vor ihrer Abschlussprüfung wurde Kathi dann ungeplant schwanger. Eigentlich hatten sie beide noch mindestens zwei Jahre warten wollen mit dem Kinder kriegen und erstmal nach dem Studium anfangen zu arbeiten, aber eine Abtreibung kam überhaupt nicht in Frage!

Gleich nach ihrem Abschluss flogen sie nach Las Vegas und heiraten dort. Nur Michaels Bruder und dessen Freundin waren dabei. Zurück in Deutschland gab es dann nur eine kleine Feier zusammen mit beiden Elternpaaren.

Kathi fing nach dem Studium in einem kleinen Hotel mit nur zehn Zimmern an, obwohl sie schon im vierten Monat schwanger war. Aber der Besitzer brauchte dringend jemanden für die Rezeption und den Gästeservice. Sie arbeitete bis zum Mutterschutz und blieb nur ein halbes Jahr mit dem kleinen Timo zu Hause. Danach durfte sie bei ihrem alten Chef wieder anfangen. Sie arbeitete nun nicht mehr volle Tage, aber das war bei dem kleinen Hotel auch nicht notwendig. Bereits nach kurzer Zeit machte sie alle Planungen, hatte den Zimmerservice und den Frühstücksbereich deutlich verbessert, was sich an einer steigenden Gästezufriedenheit zeigte. Viele Gäste kamen gerne wieder, weil der Service in dem kleinen und gemütlichen Hotel einfach stimmte.

Es bereitete Kathi viel Freude jedem Gast seinen perfekten Aufenthalt zu bereiten. Sie organisierte Restaurant- und Musicalbesuche mit der Ehefrau, ließ Blumen und Champagner für Silberhochzeitsgäste aufs Zimmer bringen und hatte für jeden Gast individuelle Tipps für den perfekten Hamburg Sightseeing Tag.

Michael war bei seinem Vater in der Anwaltskanzlei mit eingestiegen und arbeitete fast rund um die Uhr. Für den kleinen Timo gab es natürlich eine Nanny, aber nachmittags, wenn Kathi frei hatte, kümmerte sie sich gerne selber um ihren gemeinsamen Sohn.

Die Jahre vergingen, ein zweites Kind wollten sie irgendwie beide nicht. Es war auch schlichtweg keine Zeit.

Timo kam in den Kindergarten, danach in die Grundschule. Als er in der dritten Klasse war, hatten sie zu dritt einen fast vierwöchigen Urlaub in Amerika geplant. Michael hatte eines dieser großen amerikanischen Wohnmobile gemietet und sie fuhren durch die Nationalparks im Westen der USA. Für Kathi war der Urlaub herrlich! Sie liebte es, ihre kleine Familie mal so dicht um sich rum zu haben, sie liebte die Einfachheit der täglich zu erledigenden Arbeiten wie abwaschen, Essen kochen usw. Michael dagegen wurde von Tag zu Tag nervöser. Ihm fehlte seine Arbeit. Er hatte das Gefühl etwas zu verpassen.

Nach sechzehn Tagen verabschiedete er sich und flog zurück nach Deutschland. Kathi und Timo waren die letzten neun Tage allein unterwegs.

Als sie wieder zu Hause war, war das Ende ihrer Beziehung besiegelt. Sie besprachen alles, beteuerten, dass es beiden sehr leidtue und reichten die Scheidung ein. Michael sorgte sehr großzügig für ihren Unterhalt, obwohl er das nicht hätte tun müssen. Aber er wollte es so. Sie einigten sich darauf, dass Timo bei Michael bleiben sollte. Er hatte dort nach wie vor seine Nanny, die er abgöttisch liebte, und Kathi konnte ihn jederzeit abholen und mit ihm was unternehmen, wann immer sie wollte. Timo sollte in seiner gewohnten Umgebung bleiben.

Kathi zog aus.

Zur gleichen Zeit hatte sich eine gute Freundin von ihr ebenfalls von ihrem Mann getrennt. Die beiden Frauen mieteten kurzerhand gemeinsam eine Wohnung und gründeten eine WG. Sie hatten viel Spaß zusammen und halfen sich so gegenseitig über die Trennungszeit.

Aber auch beruflich fühlte Kathi sich am Ende in ihrer Arbeitsstelle angekommen. Sie brauchte was Neues, was sie neu herausforderte.

Sie setzte sich mit ihrem Chef zusammen und teilte ihm ihre Entscheidung mit. Er war nicht begeistert davon, aber Kathi versprach ihm, solange zu bleiben, bis ein Ersatz eingearbeitet wäre. Und das ging dann schneller als erwartet. Bereits eine Woche später meldete sich ein junger Mann, der vier Jahre auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet hatte und jetzt der Liebe wegen sesshaft werden wollte. Er war top ausgebildet und es brauchte nur kurz, bis er die Abläufe im Hotel verinnerlicht hatte.

Kathi ging und gönnte sich erstmal zwei Monate Auszeit.

Aber bereits nach sieben Wochen juckte es sie wieder in den Fingern. Sie brauchte endlich eine neue Beschäftigung. Sie besuchte eine große Hotelfachmesse und kam dort mit mehreren möglichen neuen Arbeitgebern ins Gespräch. Sie führte ein paar Bewerbungsgespräche und bekam gleich drei Zusagen. Letztendlich entschied sie sich für einen sehr schicken, mittelgroßen Landgasthof der gehobenen Klasse in Hamburgs Norden.

Hier war einiges mehr an Arbeiten zu erledigen, als in ihrem alten, kleinen Hotel und Kathi war nicht mehr für alle Bereiche zuständig. Aber sie machte, was ihr am meisten Spaß brachte: sie war für die Gästebetreuung zuständig.

Hier arbeitete sie fast sieben Jahre und war davon viereinhalb Jahre mit dem Chef des Hotels zusammen. Bernd war vierzehn Jahre älter als sie, und seine Frau war schon bevor Kathi im Hotel angefangen hatte sehr früh an Krebs gestorben. Sie arbeiteten gut und kameradschaftlich zusammen und erst zwei Jahre nachdem Kathi dort angefangen hatte, auf einer mehrtägigen Tagung in Salzburg, kamen sie sich näher.

Dann gab es irgendwann einen weiteren großen Umbruch. Bernd wollte das Hotel erweitern. Es sollte eine Aufstockung auf über einhundert Zimmer werden und ein riesiger Spa- und Wellnessbereich sollte angebaut werden.

Ihre Beziehung mit Bernd war mittlerweile auf einem ziemlichen Tiefpunkt angekommen. Zusätzlich war er ständig auf irgendwelchen Bauplanungsterminen unterwegs und so überlegte sie schon, ob sie sich von ihm trennen sollte.

Dann teilte ihr Michael mit, dass er für mindestens eineinhalb Jahre ins Ausland nach Dubai gehen müsste, weil ihre Kanzlei dort einen Kunden bei einer riesigen Expansionssache rechtlich beraten und anwaltlich unterstützen sollte. Und der Termin für die Abreise wäre schon in knapp sechs Wochen.

Timo war mittlerweile sechzehn Jahre alt und stand vor dem Eintritt in die Oberstufe. Er wollte auf jeden Fall an seiner jetzigen Schule das Abitur machen und nicht mit Michael nach Dubai gehen.

Kathi und Michael besprachen sich, danach war die Sache klar.

Kathi trennte sich von Bernd, denn ihre Beziehung war sowieso zu Ende, und sie reichte auch gleichzeitig die Kündigung ein. Sie zog bei Bernd aus und übergangsweise bei Michael ein, bis sie eine neue Bleibe gefunden hätte und würde sich bis zum Abitur um Timo kümmern. Nicht dass ein sechzehn Jähriger noch viel Kümmern nötig hätte, aber ein Familienmitglied als Anlaufpunkt sollte auf jeden Fall vorhanden sein, darüber waren sich Michael, Kathi und Timo einig.

Timo freute sich vor allem, seine Mutter mal wieder etwas mehr um sich zu haben und fand die Lösung nahezu perfekt.

Kathi wollte aber nicht dauerhaft bei Michael wohnen bleiben und suchte in der näheren Umgebung nach einer eigenen Bleibe. Ein paar Straßen weiter war dann ein Bungalow zu verkaufen und sie schlug zu. Vor dem Einzug mussten erst noch einige Renovierungsarbeiten erledigt werden. Timo entdeckte hierbei seine Liebe für Architektur und die Gestaltung von Häusern und Gärten. Er durfte seine beiden Zimmer und sein Bad ganz allein gestalten und auch bei der Terrasse und dem Garten legte er sich mächtig ins Zeug. Inklusive mehrerer Wochenenden, an denen sie beide zusammen umpflanzten, neu pflanzten und Rollrasen verlegten.

Timos Zimmer bei Michael blieb trotzdem bestehen. Wenn Michael ab und zu für ein paar Tage nach Hamburg kam, traf er sich häufig mit Kathi und sie plauderten bis spät in die Nacht.

Das Auslandsprojekt war dann etwas schneller vorbei als zuerst angesetzt. Nach einem Jahr und zwei Monaten war er zurück in Hamburg. Allerdings mit einem Burnout und einem körperlichen Zusammenbruch. Er war darauf fast ein Jahr in einer Reha-Klinik in Süddeutschland, um wieder auf die Beine zu kommen.

Timo machte zwischenzeitlich sein Abitur und startete danach ein freiwilliges, ökologisches Jahr an der Nordsee. Trotzdem er sein Leben lang sehr luxuriös aufgewachsen war, war er keinesfalls arrogant oder eingebildet geworden. Und so zählte er im Nationalpark Wattenmeer die verschiedenen Vögel, sammelte Müll am Strand, machte ökologische Salzwiesenführungen für Gäste und wohnte zusammen mit den anderen Freiwilligen in einem bescheidenen, einfachen Haus der Nationalparkverwaltung.

Kathi und Michael waren sehr stolz auf ihren Sohn. Trotz vieler Turbulenzen in seinem Leben war er zu einem großartigen, jungen Mann geworden. Also hatten sie wohl irgendwie alles richtig gemacht!

Sie würde Michael nächste Woche anrufen und absprechen, wann sie mit Timo einkaufen fahren wollte. Sie schrieb die Mail an den Versicherungsmenschen zu Ende und schickte sie ab.

Heute Abend wollte sie sich ihr Bügelbrett vorholen und vorm Fernseher die ganze mittlerweile gewaschene Wäsche bügeln.Und morgen Nachmittag konnte sie ihr Wohnmobil wieder abholen und hatte dann die gesamte nächste Woche noch zum Vorbereiten. Da sie nächsten Samstag mit Timo verabredet war, würde sie also erst am Sonntag mit ihrem Wohnmobil zu ihrem zweiten Zuhause, der Campingoase Feldmann, fahren und ihren Ganzjahresstellplatz wieder in Beschlag nehmen. Ob Ute und Bodo, ihre direkten Camping-Nachbarn, wohl schon da wären? Oder Inge und Jürgen? Die drei M&M’s würden frühestens ab April wieder auftauchen...

Sie war schon voller Vorfreude auf alle ihre lieben Freunde vom Campingplatz. Es war wie eine große, chaotische Familie dort. Und mit chaotischen Familienverhältnissen kannte sich Kathi ja aus!!!

Hilferuf von Rolf…

Am nächsten Morgen, als sie gerade gefrühstückt hatte, klingelte ihr Handy. Es war Rolf, der Besitzer des Campingplatzes und seit letztem Jahr auch ihr Chef; na ja zumindest während der Sommersaison.

„Moin Rolfi“, meldete sich Kathi fröhlich, „wie geht es dir? Ach, erstmal noch ein frohes neues Jahr. Wir haben uns seit Dezember noch gar nicht wieder gesprochen.“

„Kathi, frohes Neues ist gut. Aber hier ist gar nix froh, alles Mist hier! Ich brauche dich ganz dringend“, klagte Rolf sein Leid. „Meine Frau ist ja seit vorgestern mit Jonas zusammen auf Mutter-und-Kind-Kur. Vier Wochen lang sind die mindestens weg! Und gerade eben hat mich Inges Mann angerufen und sie längerfristig krankgemeldet. Stell dir vor, Inge hatte gestern Abend einen ganz schweren Autounfall und liegt im Krankenhaus!“

„Ach du Schande! Was ist passiert? Wie geht es ihr?“

„Sie musste wohl in der Nacht noch notoperiert werden, weil sie innere Verletzungen hatte. Dazu den linken Arm und das rechte Fußgelenk gebrochen. Das soll wohl auch noch ein komplizierter Bruch sein, sagte ihr Mann. Muss auch nochmal operiert werden. Aber sie hat die Nacht gut überstanden und ist übern Berg.“

Kathi war ganz blass geworden, so geschockt war sie von Rolfs Worten. Inge war die gute Seele von der Anmeldung des Campingplatzes. „Da hat sie ja richtig was abbekommen. In welchem Krankenhaus ist sie?“

„Sie ist mit dem Hubschrauber nach Heide geflogen worden. War wohl echt heftig gestern! Mit Feuerwehr und aus dem Auto schneiden usw. Das volle Programm!“ berichtete Rolf betroffen. „Und jetzt habe ich gerade gar keinen für die Anmeldung. Tadeusz und Liliana kommen dieses Jahr erst zum ersten April, weil seine Mutter siebzig wird und noch ein Cousin Ende März heiratet. Und da wollen sie natürlich dabei sein. Kathi, du bist meine letzte Rettung. Ich weiß, dass du erst übernächstes Wochenende kommen wolltest, aber kannst du nicht jetzt schon kommen? Es kommen schon jede Menge Anfragen für den Saisonauftakt rein, dazu rücken langsam die Dauercamper an.“

Kathi überlegte. Das passte ihr ja gar nicht in den Plan! „Oh man Rolf, das ist echt schlecht. Mein Wohnmobil ist gerade in der Inspektion, aber das kann ich grundsätzlich heute Nachmittag abholen. Aber eigentlich brauche ich meine freien Tage in der nächsten Woche noch, um hier alles zu regeln und vorzubereiten. Ich bin erst vor drei Tagen von meinem Spanien-Trip nach Hause gekommen!“

„Kathi, lass mich bitte nicht hängen. Dieses Wochenende ist auch noch gutes Wetter angesagt. Da kommen doch alle wieder aus ihren Löchern und machen eine erste Wochenendtour“, bettelte Rolf.

„Ok, pass auf. Ich komme heute Mittag bei dir vorbei und wir besprechen alles. Vielleicht können wir das Telefon auf mein Handy umleiten. Und dann richte ich einen VPN-Zugang ein, damit ich mich von zu Hause aus einwählen kann und die Mails checken und Reservierungen machen kann. Dann haben wir das Büro-Problem schon mal gelöst. Und dann versuche ich, ob ich dieses Wochenende vielleicht doch schon mal hochkomme. Mit dem Wohnmobil werde ich allerdings noch nicht kommen. Aber ich kann doch bestimmt in einer von den Hütten übernachten, oder?“

„Oh Kathi, du bist echt die Beste! Klar kannst du eine von den Hütten nehmen. Das ist echt das kleinste Problem.“ Rolf klang sichtlich erleichtert.

Sie verabschiedeten sich und Kathis Kopf lief sofort auf Hochtouren. Als erstes rief sie bei Wiesenberg an und sagte Bescheid, dass sie ihr Wohnmobil wohl erst nächste Woche abholen könnte.

„Kein Problem, Frau Faber, ihr Fahrzeug steht bei uns sicher, bis sie es abholen. Kommen sie, wann es ihnen passt“, sagte die freundliche Dame am Telefon.

Perfekt, so hatte sie schon mal ein Problem weniger. Dann schickte sie ihrer Freundin Petra eine Nachricht, dass sie leider das für heute Mittag geplante Treffen absagen musste, da ihr etwas sehr Wichtiges dazwischengekommen war.

Petra antwortete prompt: „Kein Problem, melde dich einfach, wenn es wieder besser passt.“

Kathi schickte ein Daumen-hoch und ein Kuss-Smiley zurück. Was noch? Eigentlich wollte sie morgen mit Kähte zum Einkaufen fahren. Das würde sie auch auf Montag oder Dienstag verlegen müssen. Sie würde gleich bei ihr klingeln, bevor sie losfuhr zum Campingplatz.

Und dann war sie noch am Samstagabend mit Gunther verabredet. Aber das musste sie jetzt noch nicht zwingend absagen. Nach dem Treffen mit Rolf heute würde sie mehr wissen. Aber zur Not würde sie auch das Treffen einfach auf nächste Woche verschieben. Sie packte ihr iPad, Mineralwasser, ein paar Kekse und was zu Naschen ein. Als Nervennahrung für die Besprechung. Da ihr Auto fast auf Reserve war, musste sie auch nochmal zum Tanken fahren. Dann machte sie sich noch einen Tee in einem großen ToGo-Becher und verließ ihre Wohnung.

Als sie kurz vor Eutin war, rief sie bei Rolf an: „Wie sieht es bei dir mit Mittagessen aus? Soll ich uns was vom Dönerladen mitbringen? Ich bin gleich in Eutin und könnte dort kurz anhalten.“

„Das wäre echt perfekt! Ich hatte heute Morgen nur zwei labbrige Scheiben Toast mit Marmelade. So als Strohwitwer muss ich mich jetzt um alles selbst kümmern.“

„Alles klar, dann bin ich in fünfzehn Minuten da. Bis gleich!“

Kurze Zeit später parkte sie vor dem Dönerladen, ließ sich zwei große Portionen Dürüm einpacken und machte sich auf die letzten vier Kilometer bis zum Campingplatz.

Endlich wieder auf dem Campingplatz…

Als sie auf den Platz fuhr, sah sie, dass die große Birke auf dem freien Stück Rasen, wo das große „Herzlich Willkommen auf der Campingoase Feldmann“ Schild stand, bei einem der letzten Stürme umgekippt sein musste. Der Baum lag einmal quer über das Rasenstück und hatte auch ein Stück des Schildes beschädigt, so dass da jetzt nur noch „Herzlich Willkommen auf der Campi“ stand. Der verbliebene Rest des Schildes stand schief und nach vorne geneigt, so wie der Baum es getroffen und beschädigt hatte. Das musste schleunigst behoben werden, machte sich Kathi in Gedanken eine Notiz. Wie sah das denn aus, wenn ab morgen die ersten Camper anrücken würden!

Das Büro war beleuchtet und die Tür offen.

„Kathi, meine Rettung.“ Sie und Rolf begrüßten sich herzlich mit Küsschen links und Küsschen rechts und Kathi packte die Dürüm aus. Beim Essen tauschten sie alle Neuigkeiten aus, die sich in der Zwischenzeit ereignet hatten. Danach ging es dann an die Arbeit.

„Rolf, die umgestürzte Birke und das kaputte Schild vorne müssen weg. Und zwar bis morgen Mittag, bevor die ersten Wochenendgäste anreisen“, fing Kathi an.

„Aber ich habe momentan keinen, der das machen kann. Tadeusz kommt erst in drei Wochen und seine beiden Neffen auch erst. Hatte ich ja vorhin schon erzählt. Ich muss mich momentan schon um die ganzen Wasser- und Stromanschlüsse selbst kümmern, damit die wieder einsatzbereit sind“, jammerte Rolf.

„Dann ruf deinen Bruder an und frag ihn, ob er nicht zwei seiner Gehilfen mit einem Trecker für ein paar Stunden entbehren kann.“

Rolfs Bruder Peter hatte den großen Bauernhof der Familie übernommen und baute Raps und Getreide an. Auch zweihundert Milchkühe gehörten zum Hof.

„Der hat bestimmt keine Zeit.“

„Ok, dann ruf ich ihn an und frage. Ansonsten besorge ich kurzfristig eine Garten- und Landschaftsbaufirma hier aus der Gegend. Aber das kostet dann ein bisschen.“

„Vielleicht funktioniert das ja mit Peter. Du kannst ja gut mit ihm. Dir kann er bestimmt keinen Wunsch abschlagen“, schmunzelte Rolf.