Winterreise - Elfriede Jelinek - E-Book

Winterreise E-Book

Elfriede Jelinek

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Beschreibung

Fremd in der Welt und fremd dem eigenen Leben gegenüber, folgt Elfriede Jelinek in ihrem Text den Spuren des Wanderers aus Franz Schuberts «Winterreise». Der Weg beginnt im Gewirr des Hier und Jetzt (Bankenskandale, Entführungsopfer, die eingekerkert aus der Zeit fallen) und führt immer deutlicher zu Stationen in Jelineks Biographie: die komplizierte Beziehung zur Mutter, die Einweisung des Vaters in die Psychiatrie, bis hin zu einer ebenso schonungslosen wie ironischen Selbstabrechnung Jelineks mit ihrer Rolle als Autorin, die «das immer gleiche Lied leiert». Einer musikalischen Engführung gleich, ruft «Winterreise» in beeindruckender Klarheit und fast unheimlicher Dichte noch einmal all die Themen auf, die Elfriede Jelinek in den letzten Jahren und Jahrzehnten beschäftigt haben. Zugleich hat man die Stimme der Autorin selten so ungeschützt und unmittelbar vernommen.

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Seitenzahl: 170

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Elfriede Jelinek

Winterreise

Ein Theaterstück

EINS

Was zieht da mit, was zieht da mit mir mit, was zieht da an mir? Mein Schatten kann es nicht sein, den habe ich ans Vorbei abgegeben, der war die ganze Zeit hinter mir, bin schon mehrmals an ihm vorbei, er wollte nicht mit, er wollte nicht mitziehen mit mir. Kann man ihn eigentlich vorauswerfen und dann entschlossen in ihn hineinspringen? Kann der Schatten das, was war, durchbrechen, indem er vor mir herläuft? Keine Ahnung. Ich spreche mit mir selbst, sonst spricht ja niemand mit mir. Ich stecke bis zum Hals in meinem Scheitern. Ich stecke in meiner Wanderpflicht, man nimmt mich in die Wanderpflicht, man nimmt mich dort auch noch hinein, aber man läßt mich dort nicht, ich kann dieser Pflicht ohnedies nicht genügen, das weiß man. Wer weiß, wer das weiß? Egal. Ich genüge nicht. Wem genüge ich denn nicht? Wer sagt, daß ich nicht genüge, meinem eigenen Leben nicht genüge, in der Schule des Lebens ein Nichtgenügend bekommen muß? Ich wollte recht zeitlich kommen, damit man nicht merkt, daß ich da bin, und mich nicht hinauswirft, wollte mich klein machen, aber die Zeit ist nicht meine, diese Zeitlichkeit war auch nicht meine, ich komme aus einer andren Zeitlichkeit, nicht aus dieser, habe ich mir eingebildet, aber das ging nicht. Kann man auch sagen: Zu zeitig, zu unzeitig bin ich, eine Übriggebliebene? Da ist die eine Wirklichkeit, die der Zeit, da ist die andre: ich.

Wollte bleiben, aber man kann sich nicht NICHT wiederholen, wie die Geschichte oder die Zeit, beide wiederholen sich nie, das ist bewundernswert, die Geschichte ist bewundernswert, die probiert es wenigstens immer wieder, die versucht, sich wie von selbst zu wiederholen, und sie scheitert immer wieder an sich selbst, das ist ja klar. Aber die Zeit bewundere ich schon auch. Sich niemals zu wiederholen, das ist schon was! Immer gehen, immer nur gehen, sogar die Uhr macht da oft schlapp, auch die kann nicht immer nur gehen, die geht manchmal ein wie ein Mensch. Ich schalte mich ebenfalls auf schnellen Vorlauf, aber immerhin, beim Vorlauf geht es auch zurück, beim Verlauf nie. Sagen Sie das mal der Zeit! Die geht nie zurück. Man glaubt zwar, man wäre zurückgegangen, aber man ist es nie. Sogar das Vorbei läuft vor, es läuft voraus, man läuft unwillkürlich mit, das Vorbei ist ansteckend, es hat ein ansteckendes Lachen, wenn man an ihm vorübergeht, an diesem Lachen glaubt man es zu erkennen, dreht sich freudig um, als würde man erwartet, so ein liebes Lachen, direkt einladend!, aber das ist dann schon nicht mehr das Vorbei, das man kennt, das man doch kennt, denn man kennt ja nur das eigene Vorbei, das Verlieren von Möglichkeiten, ein andrer hat sein eigenes Vorbei, verliert seine eigenen Möglichkeiten, verliert seine eigene Zukunft, aber meine muß ich schon selber verlieren. So ein liebes Vorbei, es hat mir gefallen, doch als ich es hatte, hab ich es nicht zu schätzen gewußt, es wird ein viel schlimmeres Vorbei kommen, es wird wie ein Mondenschatten über etwas Helles ziehen, das ich hätte sein können, wenigstens ein Mond, aber dreh dich nicht um, es ist nur das Vorbei, an dem ich vorbeikommen werde, nein, an meiner Zukunft werde ich vorbeigehen, das Vorbei, an dem bin ich immer schon vorbeigekommen, das Vorüber, ach vorüber, habe ich immer schon eingeholt, über das bin ich gleichzeitig immer schon hinaus, das Gegenteil von Achill und der Schildkröte, darüber bin ich immer schon hinaus, weil ich es immer schon eingeholt haben werde. Aber auch dieses freundliche Vorbei werde ich nicht festhalten können, ich versuche, nach vorn zu laufen, um das nächste Vorüber, den wilden Knochenmann, der unweigerlich kommen wird, noch aufzuhalten, aber ich erwische ihn nicht, knapp daneben ist auch vorbei, sehen Sie, genau! Das ist auch ein Vorbei, doch als ich es erkenne, bin ich schon weiter, und auch das Vorbei ist schon viel weiter, allerdings hinten, es ist hinter mir verschwunden, egal, ob ich es bedauere oder betrauere oder mich darüber freue, es ist verschwunden, es ist weg, das ist weg, das Heulen höre ich, aber es ist nie dort, wo ich bin, nie dort heult es, es heult immer dicht hinter oder dicht vor mir, das Vorbei heult, weil es sich angeschlagen hat, mein Vorbei ist sogar besonders angeschlagen, wird aber immer freundlicher, je weiter ich von ihm weg bin, ich kann es nur bedauern, daß es mich nicht behalten wollte, ich kann es von vorne nach hinten bedauern, doch nicht von hinten nach vorn, ich bekomme es nicht mehr zu fassen, mein Vorbei, das kommt nicht wieder, am Vorbei kommt man nicht mehr vorbei, an diesem Verlauf hat man teil, aber man wird nie Teilhaber, niemand macht einen zum Teilhaber des Verlaufs, denn man verläuft sich immer selbst im entscheidenden Moment.

Natürlich kann man sich bei alldem verlaufen, da haben Sie recht, man muß sich sogar verlaufen!, sonst würde einen das Vorbei ja finden, falls es sich die Mühe machte, auf die Suche nach der Zukunft zu gehen, in der man dann schon verschwunden wäre. Aber das Vorbei macht sich nie die Mühe, es weiß, das wäre sinnlos. Der schnelle Vorlauf kann auch wieder rückwärtslaufen, aber das Vorbei ist immer vorbei. Es kann anders kommen, es kann wieder kommen, man kann mit ihm mitgehen, aber vorbei ist vorbei. Im Scheitern einen Zugang zu sich gewinnen, das wäre vielleicht möglich, aber schon vorbei, es wäre möglich gewesen, aber es war nicht, ich habe noch Zeit vorzulaufen, aber das nützt mir nichts, die Zeit läuft ja immer in ihrem eigenen Tempo, egal, was ich mache. Ich grüble nach, aber es nützt mir nichts. Ich kann nicht darauf verzichten, kann nur die Türe schließen, was dahinter war, ging mich etwas an, was jetzt kommt, geht mich auch was an, doch ich kenne es nicht. Ich werde es schon noch kennenlernen, aber jetzt kenne ich es noch nicht. Ich werde noch an dich denken. Aber als du da warst und ich nicht an dich denken mußte, denn du warst ja da, da habe ich nur an das Zukünftige gedacht, an dich als meine Zukünftige, an die sinnlose, lächerliche Zeit, die ich ohne dich verbringen würde können, bis du meine Zukünftige geworden sein würdest, darauf habe ich mich gefreut, doch am Vorbei kann ich mich nicht mehr erfreuen. Man hat mich hinausgeworfen, als ich dachte, das ist es jetzt, das ist jetzt die Gegenwart, das bist du, meine Zukünftige, oje, vorbei!, ich sage nichts mit Gegenwert, obwohl es naheliegt und obwohl ich das gut sein könnte, dieser Gegenwert für die Gegenwart, obwohl ich es der Gegenwart mit gleicher Münze heimzahlen könnte, mit der sie mich verkauft hat, verraten und verkauft, aber diese Münze ist heute schon ungültig, denn es ist vorbei, und da gilt eine andre Währung, die aber auch nicht ewig währen wird, so sehr ich mir das auch wünschen mag. Ich schaue etwas an. Ich schaue. Ich sehe eine Tür, auf der mit Kreide etwas steht, das leicht wegzuwischen sein wird, etwas Flüchtiges, man sagt ja, die Zeit flieht, na, eigens vor mir wird sie nicht fliehen, sie wird vor allem fliehen, auch vor mir, sie wird eine Massenflucht einleiten, in der ich nicht weiter auffalle, die Zeit flieht ja vor allem, ohne Angst, sie flieht, ohne Eifer, ohne Furcht.

Alles ist fort. Ich erinnere mich schon nicht mehr, etwas an eine Tür geschrieben zu haben, denn das Vorbei kann man zwar kennen, man hat es ja erlebt, aber was geschrieben wurde, ist in der Gegenwart immer ungültig. Dafür kriege ich nichts. Da wird etwas andres geschrieben. Kreide kann man immer ganz leicht auslöschen, fast so leicht wie Menschen. Für das Gehabte gibt mir keiner was, das vorbei ist, bevor ich es wirklich hatte, denn es ist nur mein eigenes Vorbei, aus dem ich mir selbst nicht mehr vorkommen, an mir nicht mehr vorbeikommen kann in die Gegenwart, in der ich dann nicht mehr vorkommen werde. Suchen Sie sich Ihr eigenes Vorbei! An wen hab ich gedacht? An wen? Das war gestern, aber das ist vorbei. Heute denke ich auch an dich, aber das ist ebenfalls vorbei, in dem Augenblick, da ich an dich denke, ist der Augenblick schon vorbei, jener, in dem ich an dich gedacht habe, und der andre auch schon, in dem ich denke, als ob ich an dich als an jemand anderen denken würde. So, jetzt laufe ich mal ein Stück an meinem Vorbei vorbei, um mir in ihm ins Gesicht sehen zu können wie in einem Spiegel, aber das geht nicht. Vorbei ist vorbei, und ich bin bereits ein anderer. Wüßte ich, wer ich gestern war, ich weiß es ja!, ich erinnere mich, wer ich war! Aber das nützt mir jetzt nichts, denn wüßte ich, wer ich gestern war, könnte ich mich morgen, nein, morgen ist was andres, könnte ich mich schon jetzt nur noch nachmachen. Ich würde meine eigene Imitation werden. Was sollte ich denn länger weilen? Man wollte mich vielleicht als einen anderen, aber der wäre ich bestenfalls morgen oder übermorgen, im Vorbei wäre ich niemand. Niemand in einem schwarzen Loch der Zeit, die nur das Vorüber kennt, obwohl sie uns serviert, was kommt. Sie gibt uns freigiebig, was kommt, sie nimmt uns gnadenlos, was war, sie nimmt uns das Vorbei, obwohl wir ständig an allem vorbeigehen. Wüßten wir, wie wichtig es einmal werden wird, wir würden stehenbleiben und es genießen, doch das geht nicht. Wir können nicht anders. Vorbei ist vorbei. Fragen Sie die Zeit! Sie wird es Ihnen bestätigen. Vorbei. Ich kann nicht anders. Muß selbst den Weg mir weisen, aber der geht dann auch immer nur an meinem Vorbei vorbei. Jetzt bin ich zwar da. Aber nützt mir das was? Nein. Denn ich bin da und auch schon wieder weg. Ich bin jeweils weg, wann immer ich wo bin. Ich bin die Zeitweiligkeit, nein, das Jeweils, und das alles ist jetzt weg. Die Gegenwart versteht sich nie, sie versteht sich nicht als Zukünftiges, und sie versteht sich nicht als Jetzt. Und als Vergangenes will sie sich meist nicht verstehen. Ich verstehe auch nicht. Was sagten Sie? Ich verstehe Sie nicht. Sprechen Sie lauter! Die Liebe? Sprechen Sie bitte lauter! Was meinen Sie damit? Meinen Sie damit das, was vorbei ist? Also ich bin nicht an ihm vorbeigekommen, aber vielleicht ein anderer, der sie erkannt hat, die Liebe. Ich nicht.

ZWEI

Die einen weisen ab, die andren weisen an. Diese Anweisung weist nichts aus, nicht, woher sie kam, nicht, wohin sie geht. Nur der Ausweis weist aus, wir weisen niemanden aus, das wäre ja noch schöner. Wir gönnen jedem Menschen etwas. Wir füllen Anweisungen aus, wir weisen Weisungen vor, wir weisen Menschen ein, die eigentlich ausgewiesen werden müßten. Wir pfeifen den armen Flüchtling noch aus. Es ist nicht genug. Der Wind spielt an sich herum, der Wind will auch seinen Spaß, er kommt, er kommt!, es kommt ihm, es heult, es heult. Irgendwas klappert da. Die Braut wird geschmückt. Verstehen Sie, was das heißt, die Braut wird geschmückt?, damit sie reicher aussieht und ihr jemand ein Preisschild aufsteckt, ich meine, damit ihr jemand die Wahrheit steckt? Aber hinter der Wahrheit steckt auch noch jemand, hinter der Wahrheit steckt immer ein kluger Kopf, der sie im richtigen Moment zurückhält. Es kommen Fragen auf. Diese frisch geschmückte Braut soll mir das Paradies auf Erden bereiten, doch sie bereitet mir nur das Steuerparadies, allerdings in einem paradiesischen Land: die reiche Braut, ihr werden Privatstiftungen untergeschoben, dem Schleier untergeschoben, damit man die verstohlenen Bewegungen der Braut darunter nicht sieht. Das Geld ist Braut. Nicht die Braut ist reich, das Geld ist reich, es macht nicht reich, es ist selbst reich, es genügt sich selbst, auch wenn es jede Menge Abnehmer gibt, damit es nicht abnimmt. Damit ihm jemand seine Last abnimmt.

Das Geld ist eine Last für sich. Wohin? Wohin zeigt die Wetterfahne, das verspielte Ding, einmal hierher, einmal dorthin? Zum Beispiel hier, was findet es hier, was findet das Geld an uns? Nichts, denn es findet uns ja nicht. So. Diese Braut soll an die Börse, da muß zuvor noch viel Schmuck dran, die ist so flatterhaft, einmal schaut sie den an, ein andres Mal jenen, der Schleier kommt erst später drüber, also, was machen wir jetzt, damit sie reich wird oder zumindest reich aussieht? Damit sie geheiratet wird von der größeren Bank, der größeren Bank, auf der diejenigen sitzen, die nur sich was gönnen, die in ein großes Haus hineinbefördert werden wollen, und das große Haus soll dann nach der Hochzeit geradestehen für die Braut, die hinter allen Augen, hinter allen Blicken heimlich geschmückt wird. Keiner soll sie vor der Hochzeit zu Gesicht bekommen. Die Wetterfahnen quietschen im Wind, da ist einer, der sie dreht, dreht wie wild, und das ist nicht der Sturm, an diesen Wetterfahnen wird eindeutig gedreht, da dreht doch jemand!, da dran ist doch gedreht worden, sehen Sie das nicht? Da hat einer einen Dreh gefunden, und jetzt quietscht es am Dach mit dem aufgesteckten Schild, das alle abwehrt, die nichts haben, die flüchtig sein müssen, für immer, die keine schöne Braut finden, die weitergehen müssen, mit deren Herzen gespielt worden ist, in deren Köpfen der Wahn haust, nein, nicht einmal der, denn der Wahn ist die Leere schlechthin. Der Wahn ist die Frage. Der Wahn ist die Frage, die keiner stellt. Die anderen, ohne schöne Braut, die müssen in die Leere hinaus, wo nur noch der Wind mit ihnen spielt, sonst spielt mit ihnen keiner. Die Braut dreht sich jetzt auch, sie wird gedreht, im schwerfälligen Tanz, im langsamen Tanz, damit ihr nichts rausfällt unter dem Kleid. Dann plötzlich ein Stampfen, ein Auftrumpfen mit den Füßen. Entsetzlich schwappen ihr die Röcke über den Kopf, wie schmutziges schneegeschmelztes Wasser, wie Bündel von Ruten, Bündel von Scheinen, es gehen geschmalzene Rechnungen ein, diese Hochzeit ist teuer und wird noch zu bezahlen sein, es wird abkassiert, und die armen Rechnungen bleiben dann am Boden liegen, wer bezahlt? Wer bezahlt was mit seinem Herzen, an dem die Braut vorüberzieht, donnernden Schritts, in den eigenen Nachhall hinein, vorwärts und rückwärts zugleich?

Die Erde dröhnt von ihrem Stampfen beim Hochzeitstanz, der Schmuck fliegt von ihr fort, ihr Haar fliegt von ihr ab, sie stampft und walzt, sie tanzt und kracht, die Braut tanzt. Sie schaut unter ihrem Schleier hervor, ob sie nicht jetzt schon scheitert. Nein, sie scheitert nicht. Das ist ganz unmöglich. Man hätte sie nimmer suchen sollen, aber man hat sie gefunden, und keiner ließe sie gehn, die bei Gesamtaktiva von 1,29Mios Verbindlichkeiten von 1,43Mios ausweist, diese Braut weist sich noch mit ihrem alten Namen aus, diese Hyper-Braut, die hochnervöse Braut, die ihre Geheimnisse hat und dafür die Alpen sehen durfte und das Meer und Schiffe und Autos und Flugzeuge, aber bitte, warten Sie! Es ist noch nicht freigegeben, die Braut ist noch nicht freigegeben, aber bald. Ich weiß, Sie können es kaum erwarten, aber Sie müssen! Auf eine Braut wartet schließlich jeder, der eine braucht. Da stellt die Braut Forderungen, da stellt eine frühere Braut nachrangig gestellte Forderungen an eine Privatstiftung, das ist eine Verbindlichkeit, die aber nicht zu beachten ist. Da stellt eine spätere Braut vorrangige Forderungen an ihren Bräutigam und rückwirkende Forderungen an den vergangenen Freier, den sie einst wies hinaus, da stellen Freier, wir sind so frei!, Forderungen an spätere Bräute, da weiß keiner, wer was von wem gefordert hat, nur die Finanz hat nichts zu fordern und nichts zu melden, denn: Die Braut tanzt! Das muß der Finanz doch genügen, das muß ihre Forderungen abdecken, die Braut stampft den Boden, den Tanzboden, wo die reichen Bräute tanzen und ihre Bräutigame herumschleudern, daß es nur so kracht.

Die Stiftungsvorstände, die sie selber sind, die sich selbst gehören, weil ihnen die Stiftung, die sie sind, ja auch gehört, weil sie die Stiftung sind und sie ihnen gleichzeitig auch gehört, nein, umgekehrt, sie gehört ihnen, und sie sind daher die Stiftung, ich weiß es nicht: Haben Sie gehört, daß das alles den Stiftern gehört, daß die Bank diesen Stiftern gehört?, nein, ich habe nichts gehört, das nennt man schon nicht mehr einen Stift, das nennt man eine Stiftung, es sind so viele, es ist so viel, in die Stiftung, deren Eigner wir nennen könnten, ist so viel eingeflossen und wieder raus, jawohl, bis dahin stimmt es, die Bräutigame können wir nennen, und die Bräute kennen wir auch, die freuen sich alle auf diese Hochzeit, kommt ja schon, bitte warten Sie, kommt ja schon! Bitte schweigen Sie über das Vorleben der Braut, sehen Sie nur ihr zukünftiges Leben, bitte leben Sie, leben Sie jetzt, diese Braut wartet extra auf Sie, sie wartet und wartet. Sie hat all ihre Kinder verschwiegen, der Finanz hat sie sie verschwiegen, dem Bräutigam hat sie sie verschwiegen, uns allen hat sie sie verschwiegen, aber bitte, das macht doch nichts! Das macht gar nichts, denn diejenigen, denen sie sie verschwiegen hat, werden sie trotzdem heiraten, ja umso lieber heiraten, das Kind, das eine reiche Braut ist, umso lieber heiraten, denn ihr Reichtum öffnet ihnen die Welt, eine ganze Welt, nicht nur die Alpen, nicht nur die Adria, nicht nur das Hypersuper-Irgendwas, nein! Die öffnet Beteiligungen überall, diese Braut ist nicht unbeteiligt an ihrem Schicksal, diese Braut hat Beteiligungen und öffnet sie, das Liebchen öffnet sie für die Seinen, sie eröffnet ungeahnte Beteiligungen, die der Bräutigam zwar geahnt, aber nicht geahndet hat, er wollte ja unbedingt heiraten, er wollte diese Braut unbedingt heiraten, er hat sie gekauft, die Braut, doch er hat von nichts gewußt, er sah die reiche Braut lachen, geputzt für ihn, aber er hat nichts gewußt, er hat nur den Schmuck gesehen, er hat nur ein treues Frauenbild im Haus gesehen, das ihm zugewunken hat.

Seine Braut hat Oasen, sie hat Fata Morganas, sie hat Morgengaben und Abendgaben, sie hat Steueroasen und eine Privatstiftung, der Wind spielt mit ihrem knatternden Kleid, doch was darunter ist, so viel, wie darunter ist, das sieht nur der nicht, der sie jetzt heiraten wird. Der sieht nur, was sie anhat, aber er weiß gar nicht, was sie hat und wer sie hat, er ist geblendet, der Bräutigam, und sieht nicht diejenigen, die seine Braut genauso genießen wollen wie er, er sieht nicht die fünfzig Genießer, die seine Braut genießen werden, kaum daß geheiratet wurde, er sieht nicht die dunklen Gründe, die sich auftun, er sieht nicht die Abgründe, in die man ihn hineinstürzen wird, er sieht nicht, daß die fünfzig Genießer dann auch ihn genießen werden, er sieht nicht, daß alle genießen werden außer ihm, er sieht nicht ihre Gewinne, er träumt nur von seinem eigenen Gewinn, aber nichts da!, nichts da. Der Bräutigam genießt bald nicht mehr, viele genießen an seiner Statt, anstatt seiner, sie genießen im Großen, sie genießen in vollen Zügen, die Gesellschaft genießt nicht, aber die Gesellschaften, die genießen schon. Die immer genießen, die tun das auch diesmal, wann denn, wenn nicht bei einer Hochzeit! Die großen Gesellschaften, die brauchen keine Genußscheine, die genießen gleich so, die fressen die Braut gleich aus dem Papier, die fressen aus ihrem Hochzeitskleid, die fressen die reiche Braut, das Kind, das eine reiche Braut ist, die vielen Kinder, die vielen Beteiligungen und Gesellschaften, die alle reich sind und reich machen, wenn auch nicht uns, wenn auch weit weg, wenn auch auf Jersey oder den aus riesigen Mäulern zahnbewehrt grinsenden Kaimanen, auf dem Kärntner Berg des St.Ulrich oder in den Tälern, wo die Jachten herumschießen und sich immer auskennen, obwohl es nicht Wasser ist, worauf sie schwimmen. Der Bräutigam steht mit leeren Händen da. Er kann jetzt durch die Finger schauen, weil alles abgeronnen ist, was er zu halten glaubte. Der Bräutigam kann seiner Braut nur noch nachwinken. Andere haben sie ihm genommen. Er ahnt es schon, er weiß es schon. So hätt er nimmer suchen wollen im Haus ein treues Frauenbild. Der Bräutigam wollte die Braut, nur sie hat er gesehen. Er hat nicht richtig unter ihr nachgeschaut. So. Der Wind spielt nun mit seiner nutzlosen Wetterfahne. Die braucht er nicht mehr. Der Bräutigam hat vor der Hochzeit nicht rechtzeitig nachgeschaut,