Wolken.Heim - Elfriede Jelinek - E-Book

Wolken.Heim E-Book

Elfriede Jelinek

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Beschreibung

Rowohlt E-Book Theater Ein Identitäts- und Heimatmonolog, der um den Ausschluss des Anderen, des Fremden kreist. Fundus des Zitatgeflechts sind die idealistische Philosophie und die deutschsprachige Dichtung, die als Ursprünge des deutschen Nationalismus gelesen werden. Das kollektive Subjekt, die Deutschen, rufen u.a. Texte von Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte, Kleist und Auszüge aus den Briefen der RAF auf, die sie sich für ihre Zwecke aneignen und einverleiben. Dabei kommt es notwendigerweise zu Sinnentstellungen oder gar -verkehrungen. Zum einen entlarvt sich dabei die so inszenierte Sprache selbst, zum anderen erscheint die Ideologisierung beziehungsweise trivialmythische Rezeption der Prätexte. «Wolken.Heim.» wurde für die E-Book-Ausgabe um den Epilog «Und dann nach Hause» ergänzt, der 2005 im Berliner Ensemble erstmals zu sehen war.

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Seitenzahl: 57

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Elfriede Jelinek

Wolken.Heim

Ergänzt um den Epilog «Und dann nach Hause»

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

DankWolken.Heim.Wolken.Heim. Und dann nach Hause
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Dank an Leonhard Schmeiser («Das Gedächtnis des Bodens») und Daniel Eckert.

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Wolken.Heim.

Da glauben wir immer, wir wären ganz außerhalb. Und dann stehen wir plötzlich in der Mitte. Heilige, die im Dunkel leuchten. Wir sind immer fassungslos, wenn auch nur einer uns im Gedächtnis behält, über eine Zeit hinaus. An den Wegrändern sprechen sie seit Jahren und Jahren heimlich über uns. Das bilden wir uns nicht ein! Ein schönes Gefühl, in der Nacht über unsre Autobahnbrücken zu fahren, und unten strahlt es aus den Lokalen: Noch mehr Menschen wie wir! Ein heller Schein. Die Figuren, Fremde wie wir, Reisende, strömen in die Busbahnhöfe, um sich zu verteilen, von Ort zu Ort, und wir kommen über sie wie der Regen, der zeitig in der Früh die Schuhe durchnäßt. Oder eines Tages an einer Wegkreuzung, wo wir uns stauen, Menschenfluten. Dort ist nichts, aber es strotzt vor lauter Zeichen von uns. Nach uns kommen andere, aber wir sind nicht nichts! Uns wird der Kopf schwer von uns. So zu fahren, das macht uns einzigartig. Da können sich noch so viele Schienen überkreuzen, wir liegen übersichtlich vor uns und den anderen Wanderern, gute, markierte Wege. Jetzt sind wir zu Haus und erheben uns ruhig.

 

Regt sich ein Sturm, wird das Jahr kalt, dann geht das Licht über unser Haupt, wir sind bei uns. Wo lebt Leben sonst? Schön bei sich sein. Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn, ein Landmann geht, des Morgens, wenn aus heißer Nacht die kühlenden Blitze fielen die ganze Zeit und fern noch tönet der Donner. Wir schaudern vor den andren. Wir führen uns ebene Wege. Wir weichen nicht aus, denn wir gehören uns. In sein Gestade wieder tritt der Strom, und frisch der Boden grünt. Schön bei sich sein und bleiben, und es trinken himmlisches Feuer jetzt die Erdensöhne und kommen zu uns ins öde Haus. Es gibt uns. Es gibt uns. Wir sind allein, aber schön bei uns. Des Vaters Strahl, der reine, versengt uns nicht und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen des Gottes, wenn er uns naht wenn er uns naht. Wir sind bei uns zu Haus.

 

Gerettet. Das Licht scheint auch den Toten, aber wir machen uns breit drunter, liebliche Gärten. Die Freiheit das einzig Wahrhafte des Geistes. In uns haben wir unsre Mitte und sind zu Haus. Droht uns der Nordwind auch, wir fallen nicht von den Ästen ins Laub. Wir bleiben sitzen. Ruhig lächeln wir. Daheim. Wir haben nicht die Einheit außer uns, wir haben sie gefunden, sie ist in uns selbst und bei uns selbst. Die Freiheit. Die Materie hat ihre Substanz außer ihr, der Geist aber ist das Bei sich selbst Sein. Wie wir. Wie wir. Zu Haus sein. Bei sich sein. Verharren und es kommen sehn! Und was wir sahn, das Heilige, ist unser Wort. Und hielten wir uns in der Nacht, wir wären doch geduldig in unserm Bann und lächelten uns an. Wir wären uns gewohnt und wohnten unter uns. Wir glauben uns. Zu Haus sein, wenn Hohes wir entwerfen, so ist von neuem an den Zeichen, den Taten der Welt jetzt ein Feuer angezündet. Und wir, in Knechtsgestalt, doch Herren, aus denen der Laut des Herrschens quillt, wir sind erkannt. Zu Haus sein, von dort die andern sehn mit ihren stumpfen Stirnen, begraben im Boden wie Gold, Untote, wir aber sind zu Haus, wo wir hinwandeln zwischen Himmel und Erd und unter den Völkern das erste. Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind, still endend, in unsrer Seele. Wir bezeugen uns: Wir sind hier.

Uns gehören wir.

 

Wir sind bei uns. Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt, fühlt neu die Begeisterung sich, die Allerschaffene wieder. Es reißt uns hinauf, und nichtig fallen wir wieder zurück in Gefängniswände, doch hier sind wir. Egal, was über den Köpfen uns hängt. Wir sind hier. Unser Haus, gefüllt mit unserer Sprache, die auf uns ruht wie die Natur, die uns wiegt. Sprache und Leben, und sinnlos das übrige. Wir sitzen selig mitten im Leid. Wir stehen auf, weil alles Warten und Gedulden doch vergebens war, und wir wie Pappeln blühen. Unser Wort genügt. Doch die Jahre der Völker, sah ein sterbliches Auge sie? Haben wir sie verkürzt, daß sie tiefer sich beugen, daß die leisesten Saiten ihnen verstummen vor uns? Daß enden mögen mit Freuden sie vor uns? Oder geduldig auch wohl im furchtsamen Bann wohnen, vor uns? Wenn sie alle, mit denen wir vormals trauerten, wenn unsre Städte nun hell und offen und wach, reineren Feuers voll sind und es auf andre werfen, wo einst die Musen waren. Wir sind wir. Zu eng begrenzt unsre Lebenszeit, zu enge Grenzen, wir schießen hervor, wir quellen wie Laut aus der Brust, wir gönnen den andern keine Blicke. Wir sind wir und scheuchen von allen Orten die anderen fort. Es rinnt uns Geist von der Stirne. Zu eng begrenzt unsre Lebenszeit. Die Orientalen wissen es nicht. Sie wissen nur, daß Einer frei ist, aber ebendrum ist solche Freiheit nur Willkür, Wildheit, Dumpfheit und Leidenschaft, und die Milde ein Zufall. Wir aber wir aber wir aber. Wir Lieben! Auch uns, so will es scheinen, kann niemand von der Stirne nehmen den Traum! Aber wir Guten, auch wir sind tatenarm und gedankenvoll! Wir! Aber kommt, wie der Strahl aus dem Gewölke kommt, aus Gedanken vielleicht, geistig und reif die Tat? Folgt die Frucht, wie des Haines dunklem Blatte, der stillen Schrift? Und das Schweigen im Volk, ist es die Feier schon vor dem Fest? Oder die Ruh vor dem Sturm? Oder der Wind, der vor dem Gewitter herfliegt? Oder wer scheucht uns hier fort, wir sind hier zu Haus! Wir sind hier zu Haus.