Wir können doch Freunde bleiben - Katja Lewina - E-Book

Wir können doch Freunde bleiben E-Book

Katja Lewina

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Beschreibung

Wie zwei Menschen sich finden, ist oft leicht erzählt. Aber wie gehen sie auseinander? ›Wir können doch Freunde bleiben‹ versammelt Geschichten über eine der schmerzlichsten Erfahrungen unseres Lebens: das Ende einer Liebesbeziehung. Da ist Annette, die herausfand, dass ihr Freund ein polizeibekannter Exhibitionist ist. Rayk, der nach dreißig Jahren Beziehung nun lernen muss, mit dem Alleinsein klarzukommen. Oder Maximilian, der seine Freundin heiratete, als ihre Beziehung eigentlich schon am Ende war. Die von Katja Lewina hier erzählten authentischen Anekdoten lesen sich wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Denn Trennungen sind naturgemäß eine wilde Sache. Zum Glück aber können wir aus den Fehlern anderer lernen: über unseren eigenen Leichtsinn, unsere Verhaltensmuster oder auch wie man nicht ins offene Messer rennt. Denn wenn es eins gibt, dass alle diese Geschichten eint, dann ist es wohl dieses: Am Ende ist man immer froh, wenn vorbei ist, was nicht dauern sollte. Katja Lewinas Trennungsgeschichten sind lebendig, witzig und trotzdem tiefgründig. Empathisch und klug ergründet sie wie das geht: sich gut trennen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 227

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kuriose Abschiede und andere Geschichten vom Ende der Liebe

»Trennt euch doch endlich!«, möchte man dem einen oder anderen Paar an den Kopf werfen – macht man natürlich nicht. Doch so schlimm der Schlussstrich auch manchmal sein mag, hinterher, also sehr lange hinterher, sieht man klar und deutlich, welcher Segen das Ende einer Beziehung sein kann.

In ›Wir können doch Freunde bleiben‹ versammelt Katja Lewina Geschichten vom Ende der Liebe – mal bitter, mal absurd, aber immer befreiend. Die unterschiedlichsten Menschen erzählen von ihren ganz persönlichen Trennungshöllen: Da wird Schluss gemacht, weil der Partner nicht weiß, wer Alice Schwarzer ist – und das geht ja nun wirklich nicht. Oder weil sich der Freund plötzlich als polizeibekannter Exhibitionist entpuppt. Oder man macht sich auf und davon, ohne je Lebewohl zu sagen.

Katja Lewina taucht ein in das große Chaos nach dem großen Gefühl und macht uns Mut, endlich unser eigenes Leben zu leben.

© Lulija Goyd

Katja Lewina wurde 1984 in Moskau geboren, studierte Slawistik sowie Literatur- und Religionswissenschaften. Sie arbeitete als freie Lektorin und im Künstler*innenmanagement. Heute ist sie freie Autorin für namhafte Medien. Bei DuMont erschienen die SPIEGEL-Bestseller ›Sie hat Bock‹ (2020), ›Bock. Männer und Sex‹ (2021), ›EX‹ (2022) und ›Was ist schon für immer‹ (2024).

Katja Lewina

WIR KÖNNEN DOCH FREUNDE BLEIBEN

Trennungsgeschichten aus der Hölle

Einige der Texte erschienen erstmalig bei stern+. Für die Buchveröffentlichung wurden sie von der Autorin überarbeitet.

E-Book 2025

© 2025 DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Die Nutzung dieses Werks für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Umschlagabbildung: »Matter of Tact« courtesy of the artist, Kelly Reemtsen. © 2025 Kelly Reemtsen. All Rights Reserved.

Satz: Angelika Kudella, Köln

E-Book Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book 978-3-7558-1141-1

www.dumont-buchverlag.de

AUF EIN WORT

»Und? Hat hier noch irgendwer außer mir eine miese Trennungsgeschichte auf Lager?«, frage ich in den Raum hinein. Es ist das erste Mal, dass ich auf einer meiner Lesungen etwas derart Entblößendes von meinem Publikum verlange. Ich selbst bin es gewöhnt, mich emotional vor aller Welt auszuziehen. Aber anderen geht es da ganz anders, das weiß ich. Ich spüre, wie ein Schweißtropfen meinen Nacken hinunterläuft: Wird sich jemand trauen? »Kein Problem, ich kann warten«, pokere ich. Ein paar pseudo-selbstsichere Witze später kommt sie: die erste Story. Das Publikum johlt. Und dann gibt es kein Halten mehr. Die Geschichten prasseln nur so auf mich herab.

Etwa zwei Jahre ist die Lesetour zu meinem Buch Ex. 20 Jahre, 10 Männer und was alles so schiefgehen kann jetzt her. Seitdem sammelte ich nicht nur denkwürdige Trennungsstorys unter meinem Publikum, sondern auch auf Instagram, Dates, Dinnerpartys, Zugfahrten und einmal sogar, während ich an einer intimen Stelle mit Heißwachs enthaart wurde. Einige dieser Geschichten landeten in Aus die Maus, einer Kolumne, die ich für den stern+ schrieb. Da aber inzwischen noch so viele mehr dazugekommen sind, könnte ich wohl inzwischen eine Dating-App programmieren, die nicht nach Gemeinsamkeiten sucht, sondern warnt: »Achtung, diese Person hat die gleichen Bindungsmuster wie deine Ex!« Doch mal ehrlich: Das würde wahrscheinlich die Hälfte der deutschen Singles aus dem Verkehr ziehen. Und weil ich euch kleinen Lovebirds nicht das Vergnügen vermasseln will (und nun mal Autorin und nicht Coderin geworden bin), habe ich beschlossen, stattdessen dieses Buch zu schreiben. Denn viele dieser Geschichten sind zu gut, um in einsamen Tagebüchern vor sich hinzuvegetieren (zwischen den eingeklebten Kinokarten vom ersten Date und den vertrockneten Rosen von Ex Nummer sieben). Sie sind zu wild, zu weise und zu witzig, um sie nicht zu erzählen.

Für wen ist also so ein Buch über die schmutzige Wäsche von anderen Leuten? Für Menschen, die erwägen, sich selbst zu trennen. Oder die sich gerade oder irgendwann einmal getrennt haben. Menschen mit Liebeskummer. Solche, die wissen wollen, ob es noch ein Leben nach dem Beziehungstod gibt. Und ja, auch diejenigen, die rein um des Amüsements willen auf schmutzige Wäsche stehen. Doch auch den kaltblütigsten Voyeurinnen verspreche ich mehr als reine Schadenfreude.

Julia, die im echten Leben natürlich anders heißt, war die erste Frau, deren Geschichte ich aufschrieb. Ihr Mann hatte sie isoliert, gedemütigt und unter Druck gesetzt, sie hatte ewig nicht die Kraft gefunden, sich aus dieser Beziehung freizukämpfen. »Wenn mein Beispiel auch nur einer Person hilft, rechtzeitig zu gehen oder sich gar nicht erst in so eine Hölle reinquatschen zu lassen, war es schon für was gut«, sagte sie am Ende unseres Gesprächs. Schauen wir also Maximilian dabei zu, wie er eine eiskalte Hochzeit durchzieht; lernen wir von Amrei, wie es ist, festzustellen, dass man selbst die heimliche Geliebte ist; gehen wir mit Rayk nach dreißig Jahren Beziehung weiter. Abgesehen davon, dass ich die meisten Namen und manche Details zum Zweck der Anonymisierung verändert habe, ist das alles genauso passiert, und es passiert jeden Tag, nur vielleicht ein kleines bisschen anders. Apropos »genauso passiert«: Wir lernen hier natürlich immer nur die eine Seite der Geschichte kennen. Wobei ich fast befürchte, dass die andere Seite ihre Version schon längst in einer anderen Bar, auf einer anderen Couch oder – Gott bewahre – in einem konkurrierenden Trennungsbuch zum Besten gegeben hat. So ist das eben mit der Wahrheit in Beziehungen: Sie liegt nicht in der Mitte, sondern kann an mehreren Orten gleichzeitig sein.

Und noch eine kleine Randbemerkung: Einen Anspruch auf Vollständigkeit, was zwei Menschen so passieren kann, wenn sie auseinandergehen, kann ich definitiv nicht bedienen. Und auch wenn ich eindeutig auf der Suche nach miesen Trennungen war, gibt es einige Varianten, die ich außen vor gelassen habe. Sorgerechtsstreitigkeiten zum Beispiel oder Beziehungen, in denen physische Gewalt eine Rolle spielt, obwohl beides gar nicht mal so selten vorkommt und definitiv die schlimmsten Trennungsszenarien sind, die ich mir vorstellen kann. Solche Fälle sind eine andere Kategorie von zwischenmenschlicher Katastrophe, und ich muss zugeben, mein Gedanke war: Lass das mal die Profis machen. Wir bleiben hier lieber bei den ganz gewöhnlichen beschissenen Geschichten. Wobei, so ganz gewöhnlich sind sie, wie ihr gleich sehen werdet, auch wieder nicht.

Trotzdem bin ich mir sicher, ihr werdet euch selbst in mindestens einem, vielleicht sogar in mehreren der Menschen in diesem Buch wiedererkennen, genauso wie ich mich selbst immer wiedererkenne. In den Fehlern der anderen, in ihrem Zögern und Klammern, ihrem Leichtsinn, in dem, wie sie ins offene Messer rennen, in ihrem Sicherheitsdenken. So lernt man nicht nur etwas über die eigenen Verhaltensmuster, sondern bewahrt sich vielleicht selbst vor der einen oder anderen Katastrophe. Denn wenn es eins gibt, was die meisten dieser Geschichten eint – egal, ob man erhobenen Hauptes rausspaziert ist oder auf die fieseste Art und Weise sitzen gelassen wurde –, dann ist es wohl dieses: Am Ende ist man immer froh, wenn etwas vorbei ist, das nicht dauern sollte.

Geschichten von miesen Trennungen sind in erster Linie Geschichten von miesen Beziehungen, so viel habe ich inzwischen verstanden. Eine Beziehung geht schließlich nicht erst kurz vor der Trennung den Bach runter. Nein, das mit dem Bach beginnt schon lange vorher. Erstaunlicherweise ist es geradezu gleichgültig, ob man selbst beschließt zu gehen oder unverhofft des Hauses verwiesen wird, und selbst Alter, Geschlecht oder sexuelle Orientierung spielen keine große Rolle. Eigentlich kann man schon fast eine Regel aufstellen: Je toxischer1 die Beziehung, desto nuklearer der Fallout – und am Ende strahlt nicht nur das Expaar, sondern auch die gesamte Umgebung noch jahrelang nach.

Woher ich das weiß? Ich bin zwar keine Psychologin, aber eine ganz passable Beobachterin. Wer fürchtet, ich könnte mich über den Schmerz und die Verfehlungen von anderen Leuten erheben und über sie urteilen, irrt: Ich habe schon so viele miese Trennungen hinter mir, dass die Hälfte dieser Geschichten von mir selbst sein könnte. Mit Unglück kenne ich mich (leider) bestens aus.2 Darum ist das hier ja auch ein Buch über Trennungen aus der Hölle geworden und keines über die Liebe auf dem Ponyhof (ganz abgesehen davon, dass ich dann die ganzen voyeuristischen Ferkel unter euch verloren hätte).

Aber wer will schon nur auf Negativem rumreiten? Ich jedenfalls nicht und ihr ganz sicher am wenigsten! Schließlich lest ihr gerade ein Buch über Trennungen, und ohne euch Böses unterstellen zu wollen, glaube ich doch, dass ihr gewisse Absichten hegt – oder zumindest Zweifel habt. Vielleicht seid ihr gerade mittendrin im Schlamassel und wollt versuchen, zu retten, was noch zu retten ist. Deswegen habe ich mir zwischen all den Storys auch noch ein paar eigene Gedanken gemacht. In den letzten Jahren habe ich mir nämlich nicht nur die Finger wund getippt zu allen möglichen Beziehungsthemen, sondern es sogar geschafft, mich nach zehn Jahren Ehe so von meinem Mann zu trennen, dass wir uns noch immer gegenseitig anrufen, wenn es brennt. Zusammen bieten die Essays eine Art Survival Guide für schwere Zeiten: Wie verabschieden wir uns von einem Menschen, der uns einmal alles bedeutet hat, ohne in Bitterkeit zu versinken? Woher wissen wir, wann es Zeit ist, zu gehen? Und können wir wirklich nicht befreundet bleiben? Weil aber selbst die smootheste Trennung keinen Schutzschild gegen Liebeskummer bietet (glaubt mir, ich habe es versucht), widme ich mich zum Schluss der Frage, wie wir uns wieder aufrappeln können. Wie wir weiterleben, wenn wir uns fühlen, als hätte uns jemand das Herz rausoperiert – mit einem Buttermesser. Wie wir uns selbst wieder einsammeln, wenn die große Liebe sich als großer Irrtum entpuppt hat. Ich verspreche keine schnellen Lösungen, keine schmerzfreien Wege und garantiert keine Ratschläge, die klingen, als hätte sie ein Motivationscoach auf einen Kaffeebecher gedruckt (außer hier und da ein paar eingestreute Trennungsfloskeln – wer weiß, vielleicht braucht ihr ja eine kleine Formulierungshilfe). Aber ich verspreche, ehrlich zu euch zu sein. Und euch zumindest so gut von eurem eigenen Drama abzulenken, dass ihr für einen Moment vielleicht sogar vergesst, eurer Ex eine verzweifelte Sprachnachricht zu schicken.

ES LIEGT NICHT AN DIR – ES LIEGT AN MIR

Charlotte: Karma hat einen heißen Hintern

Hier sitze ich also, auf besagter erster Lesung mit Publikumsbeteiligung, und lasse Leute von ihren verhunzten Lieben erzählen. Traurige Geschichten sind das, auch mal witzige. Aber irgendwann meldet sie sich, eine Frau Mitte zwanzig. Nennen wir sie Charlotte. »Ich bin das beste Beispiel dafür, dass das Karma früher oder später zurückschlägt«, beginnt sie. »Und in meinem Fall sogar ziemlich früh.« Schon mit zehn Jahren habe sie sich in diesen Jungen aus ihrer Klasse verknallt. Niemals würde er sie toll finden, da war sie sich sicher – bis er sie auf der Klassenfahrt in der Zehnten küsste. »Von da an waren Levin und ich das Paar: Wir beide waren blond, lebhaft, hatten dieselben Hobbys, Freunde und Noten – wir schwammen einfach auf einer Welle. Erst nach dem Abi zeigte sich, dass wir auch Unterschiedliches wollen konnten: Er ging fürs Jurastudium nach München, ich für Musikwissenschaft nach Leipzig. Auch unser Bedürfnis nach Nähe war unterschiedlich stark: Er wollte immer raus, Leute kennenlernen, feiern. Als seine Freundin war ich zwar oft dabei, aber wenn wir alleine waren, hatten wir uns nicht mehr viel zu sagen. Mehr und mehr bekam ich das Gefühl, dass ihm unsere Beziehung überhaupt nicht wichtig war. Wenn ich darüber reden wollte, sagte Levin, dass ich mir das einbilde und unnötiges Drama mache. So war es auch mit meiner Eifersucht: Wenn ich ihn auf die Mädchen ansprach, mit denen er rumhing, lachte er mich aus. Ich wollte unbedingt, dass es läuft mit uns. ›Vielleicht ist das ja irgendwann in einer Beziehung so‹, dachte ich. ›Vielleicht kann man einfach nicht mehr erwarten.‹ Trotzdem traf es mich aus dem Nichts, als er mich nach fünfeinhalb Jahren abservierte. Ich lag da gerade mit Corona im Bett, und Levin rief an, um mir zu sagen, dass wir nicht zusammenpassen würden, dass er sich entliebt habe.« Trennung nach so einer langen Zeit am Telefon? Kommt mir seltsam vor. Sind das die Gepflogenheiten der Jugend? Charlotte schüttelt den Kopf: »Es war mittlerweile eine Fernbeziehung, wir waren es also gewöhnt, viel übers Telefon zu kommunizieren. Und wir konnten uns eine Weile nicht sehen, ich war ja krank. Was mich viel mehr gekränkt hat, war, dass er in Wirklichkeit schon eine Neue hatte. Das gab er aber erst etliche Telefongespräche später zu. Diese Salamitaktik, die er da fuhr, hat mich einfach wahnsinnig gemacht. Ich wusste sogar, wer sie war, Levin hatte schon oft Zeit mit ihr verbracht. Ein paarmal hatte ich ihn gefragt, ob er sie mag, aber er hatte immer beschwichtigt. Dabei hatte ich das die ganze Zeit über gespürt – und mich für hysterisch erklären lassen. Und nun wurde ich nach fünf Jahren ausgetauscht wie ein altes Auto ohne TÜV. Das war natürlich unfassbar verletzend. Ich hatte das Gefühl, ich hatte eine Lüge gelebt.« Ihr Ex hatte sich nicht getraut, ihr die Wahrheit zu sagen; wahrscheinlich wollte er sie sogar schonen. Wie oft habe ich dieses Argument schon gehört: Man müsse sich doch nicht alles sagen. Vielleicht muss man das doch. Jedenfalls wenn man nicht vorhat, danach für alle Zeit aus dem Leben der oder des anderen zu verschwinden. Entlarvte Lügen machen uns noch kränker als jede unliebsame Wahrheit. »Dazu kam, dass er mich darum bat, sein Versteckspiel mitzuspielen«, fährt Charlotte fort. »Ich sollte niemandem etwas von seiner Neuen erzählen. Unsere Trennung muss sich wie der totale Gesichtsverlust für ihn angefühlt haben. Immerhin waren wir alle zusammen mit unseren Eltern in den Urlaub gefahren. Wir wollten heiraten. Wir waren das romantische Ideal! Und dann machte er einfach Schluss. Ich denke, er wollte nicht auch noch das Arschloch mit der neuen Freundin sein. Unsere Trennung hätte beinahe auch den gesamten Freundeskreis gespalten, also versuchten wir es mit ›Freunde bleiben‹. Als seine Oma starb, tröstete ich ihn; wenn wir uns mal in der Gruppe trafen, tat ich, als sei alles super. Nachdem ich jahrelang die coole Freundin gespielt hatte, wollte ich jetzt unbedingt die coole Exfreundin sein. Nach einigen Monaten aber merkte ich, wie unwohl ich mich damit fühlte, weil ich meinen ganzen Schmerz verleugnete und wieder eine Lüge lebte. Immer wütender und wütender wurde ich – bis ich Levin und seiner Neuen auf einer Party über den Weg lief. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt schon total betrunken. Er umarmte mich und sagte: ›Wie schön, dass wir diese schreckliche Zeit so gut hinter uns gebracht haben.‹ Im Gegensatz zu ihm ging es mir aber beschissen, ich war inzwischen sogar in Therapie wegen der ganzen Sache. Und dann stellte sich seine Freundin zu uns.« Sie macht eine dramatische Pause. »Ich konnte mir nur noch dabei zusehen, wie ich sagte: ›Hey, schön dich kennenzulernen! Du siehst ja gar nicht so scheiße aus, wie Levin immer gesagt hat.‹ Und zu ihm gerichtet: ›Sie ist ja wirklich ein gutes Stück größer als du, ihr seid ein seltsames Paar.‹ Als mein Ex sie von mir wegziehen wollte, umarmte ich sie und flüsterte ihr ins Ohr: ›Er lügt viel mehr, als du denkst!‹ Obwohl ich mich schon in demselben Moment für das, was ich getan hatte, schämte, spürte ich eine enorme Genugtuung. Es hatte sich so viel Wut in mir aufgestaut. Endlich konnte ich mit unserer Übereinkunft, so zu tun, als sei zwischen uns alles in Ordnung, brechen. Ich wollte, dass die beiden sich nur ein einziges Mal so schlecht fühlten wie ich.« Der Saal lacht hämisch auf. Seien wir ehrlich, wer hat noch nie davon geträumt, dem Ex und seiner blöden Neuen eins reinzuwürgen? Aber wer würde sich nicht mies fühlen, käme es zu einem echten Showdown unserer Boshaftigkeiten? »Als die zwei weg waren, habe ich nur noch geweint. Meine Mutter war entsetzt, als ich ihr später erzählte, was passiert war. ›Das kannst du doch dem armen Mädchen nicht antun!‹, sagte sie, und sie hatte recht. Die Neue konnte überhaupt nichts dafür, dass mein Ex mich so schlecht behandelt hatte. Wenn überhaupt, dann hätte er meine Wut abbekommen müssen und nicht sie.« Das Karma schlug schon am nächsten Tag zu: »Sauna war angesagt. Vielleicht würde mir das Schwitzen ja helfen, dachte ich, verkatert und derangiert, wie ich war. Leider ließen meine Koordinationsfähigkeiten an diesem Tag aber sehr zu wünschen übrig. Durch eine unbedachte Bewegung beim Betreten der Sauna landete ich mit dem Hintern direkt auf dem Ofen. Zischhhhhh! Die Verbrennung war übelst schmerzhaft, aber zum Glück ungefährlich. Es fühlte sich an, als wäre ich wegen meiner Missetaten vom Schicksal gebrandmarkt worden. Noch Wochen später erinnerte mich mein Brandmal daran, wie bescheuert ich gewesen war. Danach habe ich den Kontakt zu Levin abgebrochen. Vorher habe ich mich aber noch bei ihm und seiner Freundin für mein Verhalten entschuldigt. Ein bisschen hatte ich gehofft, er würde das Gleiche tun, doch das passierte nicht.« Etwas Gutes habe die ganze Sache aber doch gehabt: Kurz nach der Trennung habe Charlotte was mit einem von Levins besten Freunden angefangen. Ob da Rache im Spiel gewesen sei? »Überhaupt nicht«, schwört sie. Es sei zwar rücksichtslos von ihr gewesen, andererseits hätte sie den Trost dringend gebraucht. Der Freund habe sie aufgefangen, als es ihr schlecht ging, schnell sei Liebe daraus geworden. »Vor paar Wochen waren mein Ex und ich zusammen Kaffee trinken. Er war ganz kleinlaut und sagte endlich, dass es ihm leidtue, wie alles gelaufen sei. Dass auch er sehr unter der Situation gelitten habe. Und er erzählte, dass er mit der neuen Freundin die gleichen Probleme habe wie mit mir damals: Er will raus, sie will Zeit zu zweit. Was bin ich froh, dass es in meiner neuen Beziehung diese Diskrepanz nicht gibt.«

Es ist nicht so, dass ich an Karma glauben würde. Aber ein bisschen verleitet Charlottes Geschichte doch dazu. Denn auch bei Levin scheint es zugeschlagen zu haben, wenn auch deutlich später: neue Beziehung, gleiche Probleme. Es ist eine Binse der Paartherapie: Wenn man die eigenen Themen nicht angeht, nimmt man sie mit von einer Beziehung in die nächste. Da nützt es nichts, das Schlachtfeld zu ändern. Der Kampf bleibt immer der gleiche. Das Publikum applaudiert wie verrückt. Endlich mal eine Person, die öffentlich zugibt, Mist gemacht zu haben. Die nicht mit dem Finger auf andere zeigt.

Die Geschichten hören gar nicht mehr auf. Die Schweißtropfen in meinem Nacken versiegen. An diesem Abend spüre ich zum ersten Mal, wie viel Redebedarf es zu Trennungen gibt. Und wie unglaublich gut es tut, über unser vermeintliches Scheitern in der Liebe zu sprechen.

Maximilian: Bis dass der Stress uns scheidet

Samstagnachmittag, die Sonne scheint. Maximilian, der natürlich anders heißt, sitzt in einem Straßencafé, ich zu Hause am Schreibtisch; was uns verbindet, sind unsere Handys. Ich weiß nichts über ihn, nicht, wie er aussieht, wie alt er ist oder was er beruflich macht. Nicht einmal, wo er gerade seinen Kaffee trinkt. Nur, dass es nach vielen gemeinsamen Jahren eine überraschende Trennung in seinem Leben gab; das hat mir ein gemeinsamer Bekannter erzählt.

»Wo fange ich an?«, fragt Maximilian mit einer Stimme, die warm klingt und nach Süddeutschland, beschließt aber, noch einen Disclaimer vor den Anfang zu setzen: »Denk dran, das Ganze kommt jetzt aus meiner Perspektive. Meine Exfrau ist ganz sicher nicht die alleinige Schuldige.« Zu einer Trennung gehören immer zwei, so viel ist hoffentlich allen von uns klar. In unseren lichten Momenten zumindest. In den anderen schieben wir die Verantwortung nur allzu gerne von uns. Maximilian versucht, das zu vermeiden. Ich mag das. Seine Exfrau, nennen wir sie Sarah, habe er mit Anfang zwanzig in der Ausbildung kennengelernt. »Es war von vornherein eine sehr ruhige Beziehung. Sie war ein zurückgezogener, häuslicher Typ, hat mir aber alle Freiheiten gelassen, während ich viel unternommen habe. Ich war ständig beim Sport oder beruflich unterwegs, sie war für mich Ruhepol und sicherer Hafen. Ich habe es sehr genossen, dass sie sich zu Hause um alles gekümmert hat. Vermutlich ist unsere Beziehung da schon in eine Schieflage geraten, die ich aber gar nicht wahrgenommen habe. Dazu kam, dass ich sehr von meinen Ängsten bestimmt war: einerseits vor materieller Unsicherheit, andererseits davor, allein zu sein. Meine Reaktion darauf war, ins Machen zu gehen. Ich gab alles für meine Karriere, wollte um jeden Preis Sicherheiten schaffen. Den Stress, den mir das einbrachte, habe ich in der Beziehung abgeladen. Wut war mein Muster. Wenn es bei der Arbeit schwierig wurde, habe ich zu Hause ganz schön vom Leder gelassen. Und wenn es Konflikte zwischen Sarah und mir gab, konnte ich keine Ruhe geben, wurde laut und aufbrausend. Sie wiederum hat sich in Konfliktsituationen eher zurückgezogen, aber ich habe sie nicht gelassen. Ich glaube, für sie wurde unsere Beziehung immer belastender.« Und für ihn? War er denn glücklich? Es sei eine schleichende Entwicklung gewesen und darum nicht gleich wahrnehmbar, sagt Maximilian. »Ich merkte, die Beziehung ist in vielen Aspekten nicht erfüllend für mich, wollte das aber nicht wahrhaben. Wenn ich ehrlich auf die Situation und auch auf mich selbst geblickt hätte, hätte ich gesehen, dass das alles keine Zukunft hat. Aber damals konnte ich das nicht. Wir haben die Beziehung weitergeführt, obwohl sie schon längst nicht mehr funktionierte. Dass Sarah an der Beziehung zweifelte, bekam ich vor allem über Bemerkungen ihrer Mutter mit. Irgendwann hieß es: ›Ihr seid jetzt an einem Scheideweg: Entweder man heiratet, oder man trennt sich.‹ Wir waren an diesem Punkt schon acht Jahre zusammen, die Erwartungshaltung war klar. Ich hatte so große Angst vor dem Alleinsein, dass ich alle Zweifel ignorierte. Also machte ich Sarah einen Antrag. Natürlich sagte sie Ja. In den Monaten vor der Hochzeit aber spitzte sich die Lage zu: Ich war ohnehin ständig gestresst wegen der Arbeit. Jetzt kam für Sarah eine beruflich anstrengende Zeit hinzu. Außerdem hatten wir gerade eine sich im Bau befindende Wohnung gekauft, die uns einiges abverlangte. Dazu die Vorbereitungen für die Hochzeit. Es war alles viel zu viel. Sarah sagte nicht, dass sie überlastet war, wieder bekam ich das allein über ihre Mutter mit. Nur wenn wir stritten, bemerkte ich, dass sich ein neuer, extrem scharfer Ton bei ihr eingestellt hatte. Ich konnte nicht mehr unterscheiden: Ist das jetzt Kritik, oder beschimpft sie mich schon? Für den Stress, den es zwischen uns gab, fand sie ein Ventil: Plötzlich zog sie nächtelang mit einer Freundin um die Häuser. Die häusliche Sarah war zur Partymaus geworden. Ich erkannte meine Partnerin nicht wieder: Sie war laut, aufgedreht, voller Ablehnung mir gegenüber. Einen Monat vor der Hochzeit schlug ich vor, das Ganze abzusagen. Die Stimmung war derart feindselig, dass ich nicht mehr wusste, wie wir jetzt noch heiraten sollten. Aber Sarah bestand darauf, das durchzuziehen. Danach würden wir uns schon wieder auf die Kette kriegen.« Ich kann es nicht fassen: eine Hochzeitdurchziehen. »Du Armer!«, rutscht mir heraus, wobei »ihr Armen« eigentlich viel treffender gewesen wäre. Sarah ging es offensichtlich auch eher bescheiden. »Ach was«, sagt Maximilian, »ich hatte mich da ja selbst hineinmanövriert. Hätte ich mal in mich reingehört! Aber meine Ängste waren stärker.« Und die Hochzeit so? »Das war das befremdlichste Erlebnis meines Lebens. Zwischen uns beiden waren Eisblöcke. Keine Verbindung, Nähe, Liebe. Nur noch gefühlskaltes Abhandeln der Zeremonie. Ich weiß noch, wie ich auf der Tanzfläche versucht habe, mich Sarah zu nähern: Sie sieht mich, verdreht die Augen und wendet sich ab. Ich stehe völlig ratlos da, frage ihre beste Freundin: ›Was ist mit meiner Frau los?‹ Darauf sie: ›Sie braucht Abstand, lass sie erst mal zu sich kommen.‹ An dem Abend ist Sarah allein mit der Freundin nach Hause gefahren, ich blieb da und habe mich abgeschossen. Am nächsten Tag war ich völlig verkatert, die Welt stand Kopf. Sarah kam aus dem Schlafzimmer, in einem manischen Maße happy, lachte, sprang, pfiff, rief: ›Jetzt ist alles gut, wir haben die Hochzeit hinter uns.‹ Für mich aber war gar nichts gut. ›Was war das?‹, wollte ich wissen. Aber sie blockte ab. Statt mit mir zu reden, beschloss sie, für ein paar Tage zu ihrer Freundin zu gehen. Auch in den Flitterwochen in Rom gab es keine Annäherung. Wir exerzierten das obligatorische Programm durch, das war’s. Zu Hause angekommen, bat sie mich, auszuziehen. Sie bräuchte Zeit für sich, sagte sie. Ich kam erst mal bei einem Freund unter, es sollte ja nur vorübergehend sein. Außerdem wollten wir uns in regelmäßigen Abständen auf neutralem Boden treffen, um uns wieder positiv begegnen zu können. Doch daraus wurde nichts: Ich wollte über unsere Situation und die Verletzungen, die in all der Zeit entstanden sind, sprechen, aber sie meinte, wir sollten einfach nach vorne schauen. Da konnten dann auch die zwei Paartherapeutinnen, die wir aufsuchten, nicht mehr helfen.« Sieht ganz so aus, als hätte sie nicht mehr gewollt, überlege ich. Ein Mensch, der sich versöhnen will, reagiert anders. Maximilian stimmt mir zu: »Wahrscheinlich war ihr das selbst nur noch nicht so richtig bewusst. Aber drei Monate nach der Hochzeit rief sie an, mitten in der Nacht, total aufgekratzt. Es habe keinen Sinn mehr, sagte sie. Es sei Schluss. Bei der Paartherapeutin verständigten wir uns auf eine Trennung auf Probe, angesetzt auf vier Monate. Ich sollte mir eine eigene Wohnung suchen, wir legten eine Kontaktsperre ein. In dieser Zeit bin ich den Jakobsweg gelaufen, das hat mir geholfen, mich zu sortieren. Beim Wandern wurde mir klar: Ich kann die Beziehung nicht mehr weiterführen. Trotzdem wollte ich diesen Entschluss reifen lassen, bis die vier Monate vorüber waren. Doch Sarah kam mir zuvor, initiierte ein Treffen und machte endgültig Schluss. Das war es dann mit uns. Wir haben uns danach nur noch zwei Mal gesehen, bei der Scheidung und bei der notariellen Übertragung unserer frisch gekauften Wohnung.« Wie hat er sich gefühlt nach diesem langen Kampf? Verletzt, enttäuscht, erleichtert? Was machte die Angst vor dem Alleinsein? »Ich habe vor allem angefangen, mich selbst zu reflektieren«, erinnert sich Maximilian. »Diese Erfahrung war eine sehr wichtige Lektion, ich habe viel über mich gelernt. Dass ich so stark von meinen Ängsten bestimmt war, war mir vorher zum Beispiel überhaupt nicht bewusst. Ebenso wie ungerecht ich mich Sarah gegenüber verhalten habe. Wie ich mich blind gestellt habe für die Schwierigkeiten, in denen wir steckten. Nach der Trennung habe ich angefangen zu meditieren und gelernt, bewusst mit meinen Gefühlen umzugehen, statt sie impulsiv auszuagieren. Jetzt bin ich seit fünf Jahren mit der Liebe meines Lebens zusammen und führe eine Beziehung, von der ich nicht gedacht hätte, dass ich sie haben könnte. Ganz sicher habe ich die Erfahrung mit Sarah gebraucht, um da hinzukommen, wo ich heute bin.« Und wer weiß, wenn Sarah sich nicht getrennt hätte, würden sie heute vielleicht immer noch dasitzen und wären unglücklich. »Oder noch komplizierter: Wir hätten in der Zwischenzeit noch ein, zwei Kinder bekommen und würden dann auseinandergehen«, setzt Maximilian hinzu. »Schreckliche Vorstellung!« Und dann lachen wir, jeder an einem anderen Ende von Deutschland. Denn das ist gerade noch mal gut gegangen.

Mia: Vom Instagram-Haus zur Tinder-Suite

Mia ist mir im Internet zugelaufen, auf Instagram. Ich würde doch Trennungsgeschichten suchen, schreibt sie. Da hätte sie was: »Dass mein Mann mich betrogen hat, war das Beste, was mir passieren konnte!« Wie das sein kann, das will ich natürlich wissen. Ein paar Wochen später bin ich tatsächlich beruflich ganz in ihrer Nähe, wir verabreden uns auf einen schnellen Kaffee. Sie ist ein bisschen älter als ich, aufgedrehter, und lässt mich nicht bezahlen. »Was genau soll ich denn erzählen?«, fragt sie mit einer Stimme, der man direkt anhört, dass man viel Spaß mit Mia haben kann. »Am besten alles«, sage ich. »Und zwar von Anfang an.« Und dann erzählt sie.