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Meine Frau Angela und ich haben uns Jahrelang gefreut, dass wir uns eine fünfmonatige Auszeit mit unserem Segelboot "Slocum" gönnen würden. Und dann kam Corona. Wir sagten die Reise nicht ab, aber wir änderten unsere Pläne: Aus dem Mittelmeer wurde die Ostsee und statt 2020 verschoben wir den Termin auf 2021. Aber dann ging es los! Es gab zu Beginn kaum verfügbare Corona-Tests, Impfungen schon gar nicht, aber: Wir wollten dennoch starten! Immerhin waren wir noch nie in der Ostsee, da freuten wir uns auf neue Häfen, neue Gegenden und nette Menschen! In diesem Buch beschreiben wir gemeinsam unsere Erlebnisse von der Planung lange vor dem Start bis zur abschliessenden Ankunft im Heimathafen Oldenburg.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Vielleicht wird das vorliegende Buch für einige Leser eine Enttäuschung sein: Wir sind keine „großen“ Segler, wir haben noch relativ wenig Erfahrung, haben noch nie eine richtig große Reise mit einem Segelboot gemacht und viel Respekt vor Wind, Wellen und auch vor unserem alten Boot. Aber auch wenn wir nicht unter allen Umständen bis zum nördlichsten und östlichsten Teil der Ostsee vordringen sondern uns eher in südwestlichen Gegenden aufhalten: Wir haben was erlebt und wir haben was zu erzählen. Und wir waren bis dahin noch nie mit dem Boot, auf eigenem Kiel, in der Ostsee: Für uns war das alles neu. Dass wir vor der Reise viel gewaltigere Reisepläne hatten als wir später tatsächlich durchgeführt haben, das ist Teil dieser Geschichte. Und dass wir diese Reise „trotz Corona“ begannen, auch.
Wir haben eine Webseite (schlickspur.de) und dort erschienen fast regelmässig kleine Berichte über unsere Etappen. Angela hat während der Reise ganz fleissig für jeden Tag eine kleine Tagebuch-Notiz gemacht. Das alles ist die Grundlage für dieses Buch. Dadurch kann es geschehen, dass das ein oder andere Ereignis mehrfach erwähnt wird: Einmal aus Angelas Sicht und einmal von mir beschrieben. Die verschiedenen Sichtweisen sind aber durchaus interessant. Auch wird nicht alles ganz chronologisch erzählt. Das wäre doch auch langweilig…
Es war, glaube ich, im Jahr 2015, als eine Idee einfach so dahin gesagt wurde. Vielleicht war es sogar mehr Traum als eine echte Idee: Wir nehmen uns ein paar Monate Zeit und fahren mit dem Boot ins Mittelmeer. Es sollte auf jeden Fall bis zum Canal du Midi gehen, denn ein TV-Bericht über genau dieses Binnengewässer brachte uns erst darauf. Einmal mit dem eigenen Boot dort durch fahren, das wollten wir machen!
Wir besaßen zu dem Zeitpunkt ein Motorboot, einen holländischen Stahlverdränger, der auf keinen Fall für die hohe See, aber ideal für Kanalfahrten geeignet war. Also Binnen durch Europa bis zum Mittelmeer? Warum nicht! Ich kaufte schon entsprechende See- oder besser Binnengewässerkarten, um zu schauen, welchen Weg man denn nehmen könnte. Dennoch war es zu dem Zeitpunkt mehr Traum als Plan, weil der alltägliche Trott genug Argumente (oder waren es Ausreden?) gegen eine solche Reise bot: Wo soll man denn mehrere Monate Zeit am Stück hernehmen? Wie geht das mit der Kranken- und Rentenversicherung? Was ist mit unserem Haus, dem großen Garten? Wer kümmert sich um Oma und Opa? Wer bezahlt die laufenden Kosten, wenn wir nicht da sind? Was kostet so eine Reise überhaupt? Und, das blödeste Argument: Was, wenn mal was ist?
Spätestens, als wir 2017 unsere Slocum bekamen, wurde alles wesentlich konkreter, als wir uns das je vorher gedacht hatten. Wir fingen an, uns ernsthaft um Geld, freie Zeit, Krankenversicherungen und die eigentlichTörn-Planung Gedanken zu machen. Dabei hatten wir kaum Segel-Erfahrung. Angela als Beamtin erkundigte sich, wie man unbezahlten Urlaub bekommt, ich war zu dem Zeitpunkt noch bei der Telekom beschäftigt und dort würde es immer Möglichkeiten geben. Doch mehr oder weniger überraschend verliess ich die Telekom Ende 2018, also lange, bevor unsere Reise los ging.
Dazu später mehr. Meinem nächsten Arbeitgeber stellte ich von vorn herein die Bedingung: Ab Ende April 2020 bin ich weg und frühestens ab Ende Oktober 2020 komme ich wieder. Einverstanden, das war geklärt: Weiter mit der Planung! Wer konnte da schon ahnen, dass ein kleines aber fleissiges Virus so viele Pläne auf der ganzen Welt vereiteln wird?
Früher fuhren wir mit unserem Motorboot fleissig über Hunte und Weser, hatten als Zielhäfen meist Bremerhaven, Grohn in der Lesum oder die Schlachte in Bremen. Viel weiter kamen wir nur in unseren Träumen, weiter raus trauten wir uns schon gar nicht mit dem Boot. Aber unser Segelboot, das war eine richtige Hochsee-Yacht! Zumindest nach den Maßstäben, als sie gebaut wurde: Mit Baujahr 1968 ist sie schon etwas betagt, doch mit 32 Fuss Länge groß genug für vielerlei Unternehmungen und mit vielen GfK-Schichten im Handauflegeverfahren solide gebaut. Die Wandstärken sind mindestens doppelt so dick wie bei üblichen Serienbooten… da scheint keine Sonne durch!
Der Name Slocum passt irgendwie zu unserem Boot, zumal konsequenterweise 1895 als Segelnummer im Großsegel geschrieben steht: Joshua Slocum segelte von 1895 bis 98 als erster Mensch allein (also einhand) um die Welt. Sein Boot, die „Spray“ baute er quasi selbst aus dem Wrack eins alten Rettungsbootes.
Hier sind ein paar Eckdaten unserer Slocum:
„gemäßigter“ Langkieler
Baujahr 1968, Einzelbau
Länge 32 Fuss / 9,80 Meter
Breite 2,70 Meter (sehr rank!)
Tiefgang 1,30 Meter
Unten in der Kajüte hängt ein simples Bild der Spray (vermutlich von Peter, dem Vorbesitzer, selbst gemalt), auf allen möglichen Ausrüstungsgegenständen steht „Slocum“ gedruckt, gemalt oder eingeritzt. Auch die Schiffsglocke hat den Namen eingraviert.
Mir ist nicht bekannt, welche Maschine ursprünglich verbaut wurde, aber laut den mir übergebenen Unterlagen ist der jetzt verbaute Bukh DV 20 seit 1983 in seinem Keller und verrichtet brav seinen Dienst. Mit 20PS scheint das eigentlich nur ein Hilfsmotor zu sein, aber das ist eine große, solide Maschine mit immerhin knapp einem Liter Hubraum. Er musste bei den Strömungen in unserem Gezeiten-Revier manchmal schon kräftig ran. Das schafft er gut und ist wirklich robust. Wenn er das Boot mit vier bis fünf Knoten durch eine Flaute schieben muss, dann reicht ihm auch ein guter Liter Diesel pro Stunde.
Es ist mehr Legende als Wahrheit, aber die Geschichte zur Entstehung des Bootes ist durchaus erzählenswert. Im Oldenburger Yacht Club kursieren diverse Versionen, aber im Wesentlichen ist es diese:
Irgendwo in den Dünen auf Wangerooge (angeblich existiert noch eine alte Seekarte mit einer Markierung an der entsprechenden Stelle) wurde von Ernst Gerdes direkt in den Sand die Form für den Rumpf gegraben und modelliert, mit dem Ziel, am Ende ein Boot für eine Weltumsegelung zu haben. Genau dort vor Ort im Loch in den Dünen wurden die einzelnen Glasfaser-Matten von Hand Schicht für Schicht einlaminiert, bis der Rumpf fertig war. Als Ballast, tief unten im Kiel, wurden Schienenteile von der Bahn, die zum alten Wangerooger Ostanleger führte, verwendet. Sieht man an Land, wie Breit der lange Kiel an seiner Unterseite ist, dann will man das gerne glauben… So entstand die Form, der Rumpf und die Aufbauten der Slocum, die damals je nach Quelle der erzählten Geschichte noch einen anderen Namen trug, nach und nach in der freien Natur.
Jetzt kommt der wahrhaft legendäre Teil der Story, bei dem man lieber nicht darüber nachdenkt, ob man das glauben will, sondern sich einfach von dieser unglaublichen Szene mitreissen lässt:
Als das Boot soweit fertig und Schwimmfähig war, stand sie aufgepahlt zwischen den Dünen, der frische Lack glänzte in der Sonne. Nun grub man einen breiten Graben zum Ufer hin, machte endlich einen Durchstich zur See. Alles wohlberechnet: Es war Ebbe. Mit steigender Tide füllte sich der Graben und auch die Grube mit dem Boot darin mit dem auflaufenden Wasser. Noch vor Hochwasser war es schon so weit: Das Boot schwamm auf, fuhr durch den Graben gen See und war nun dort, wofür es gebaut wurde. Damit wurde dieses solide Boot dem bestimmungsgemäßen Element übergeben….
Beeindruckend, oder? Aber so war es nicht. Ja, sie wurde auf Wangerooge gebaut. Tatsächlich aber wurde der Rumpf in zwei einzelnen Hälften in eine Form laminiert. Danach wurden die zwei Hälften in einer Werfthalle an der Siedlerstraße zusammengefügt. Es existieren noch Fotos vom Bau aus den Jahren 1966 und 67. Tatsache ist: Damals gab es noch nicht viele Boote aus Glasfaserverstärktem Kunststoff. Man hatte wenig Erfahrung und deswegen lieber alles etwas dicker aufgetragen als vielleicht notwendig. Viel hilft viel. Deswegen ist der Rumpf außen auch nicht so ganz glatt, wie man es von moderneren Booten kennt. Auf den ersten Blick halten einige sie für ein Stahlschiff.
Der Voreigner erzählte mir persönlich: Die Griffe am Niedergang stammen aus einer alten Kirche auf Wangerooge.
Und der Korken der Sekt-Flasche für die Taufe befindet sich noch an Bord! Das Boot wurde von Peter (er war über 70 Jahre alt und besaß Slocum über 25 Jahre) schonend behandelt und weiter als Helgoland ist er meines Wissens nie gesegelt. Gerne hat er bei Wangerooge Ost geankert. Als er im Februar 2017 überraschend starb, bot uns seine Ehefrau das Boot äußerst günstig an, mit der Bedingung, es solle im Verein bleiben. Das akzeptierten wir wohlwollend. Und wir wussten gleich: Auch Slocum wollte gerne noch mal in die Ferne reisen!
Auf den folgenden Seiten im Buch werden ab und zu Namen verwendet, die den Sinn des Textes entstellen könnten, wenn man nicht weiß, was diese Namen zu bedeuten haben: „Mit Gudrun knatterte ich...“
Deswegen möchte ich das hier in aller notwendigen Kürze erklären. Die Namensgeberei an Bord hat angefangen, als ich zum Einen Angela (meine Frau) meine Beobachtung mitteilte, dass viele Segler, deren Bücher ich las, ihren Autopiloten Namen gaben. Von Knarzi über James bis Öli war alles dabei.
Zum Anderen erwähnte ich, dass ein Autopilot wie unserer, weil er an der Pinne angeschlossen wird, gern PiPi für Pinnenpilot abgekürzt wird. Ihre schlagfertige Antwort: „Dann muss unser wohl Andreas heissen“. Perfekt! Aber auch das will erklärt sein: Wir haben einen guten Freund, der heisst Andreas. Und der wurde damals von seinen Ausbildungskameraden aus Gründen (die ich kenne!) Pipi genannt. So kam das.
Die oben erwähnte Gudrun ist auch schnell erklärt: Es ist unser Schlauchi, unser Beiboot. Weil ja unser Segelboot Slocum heisst, war für das Dinghi ein Name mit ähnlicher Herkunft naheliegend. Ich kam zunächst auf Wilfried (Erdmann) als erster deutscher Weltumsegler (auch nonstop!). Aber das war mir zu simpel. Denn Gudrun Calligaro war die erste deutsche Frau, die einhand um die ganze Welt gesegelt ist (ihr Buch „Ein Traum wird wahr“ ist sehr lesenswert). So sollte unser Beiboot heissen!
Und dann war da noch unser Dahon-Klappfahrrad an Bord. Angela und ich lagen zuhause im Bett, guckten an die Decke und unterhielten uns über dieses Bordfahrrad. Weil wir vorher über den in der Ecke liegenden Boris sprachen, fiel mir ein, dass dieses Rad ja noch Namenlos war:
H: Wie heisst eigentlich unser Fahrrad? Hat das einen Namen?
A: Nö. Wie wäre es mit Greta?
H: Nä, das ist zu plump. (grübel) Treta!
A: Datt passt!
Und wer oder was ist nun Boris? Das ist das SUP-Board von Angela. Ich fragte sie gerade, warum es eigentlich so heisst? Antwort: Na, wegen Boris Herrmann!? Weil sie ähnlich sportliche Leistungen auf dem SUP vollbringt wie Boris… ach ja, klar!
Jetzt, im Frühjahr 2017, waren wir der Meinung: Mit diesem „richtigen“ Boot können wir unsere Traumreise doch ganz anders planen als mit einem holländischen Motorboot! Wir konnten zwar keine große Segelerfahrung vorweisen, aber wir würden uns langsam rantasten.
Wir planten nun, „Europa links rum“ zu segeln, denn wie ursprünglich geplant mitten durch die Kanäle geht ja mit einemstehenden Mast nicht so gut. Links rum beinhaltet Nordsee, englischer Kanal (Ärmelkanal), Biskaya, die Straße von Gibraltar und schliesslich das Mittelmeer. Aus all den Spinnereien, die uns dazu in den Kopf kamen, entwickelte sich nach und nach der konkrete Plan mit dem Startdatum Ende April 2020. Dann legen wir ab und werden uns fünf Monate Zeit für die Reise nehmen! Aber bis dahin war noch einiges zu erledigen.
Ich überlege und gucke immer wieder mal, was man noch an sinnvollen Ausrüstungsgegenständen besorgen könnte. Neulich kam mir in den Sinn: Wir brauchen ein Satelliten-Telefon! Hier und da werden diverse Modelle angeboten, auch gebraucht. Also schrieb ich einen an (im Angebots-Text wurde auf Mail und Wetter gedeutet; vielleicht ein Hinweis auf einen Segler?) und fragte mal nach:
Hallo,
meine Frau und ich machen nächstes Jahr eine längere Reise mit dem Segelboot, fünf Monate Europa links rum. Und auch wenn ich glaube, dass wir ein Sat-Telefon nicht unbedingt brauchen, fände ich es irre cool, sowas an Bord zu haben Mein Argument: Grib-Files!
Du findest doch bestimmt auch, dass das eine gute Idee von mir ist? Überzeuge mich mal!
Das Argument meiner Frau, wo sie auch wirklich recht hat: Mit dem Geld kann man viel sinnvollere Dinge machen/kaufen… ich weiß es nicht. Hast du noch Argumente für mich, euer Sat-Telefon haben zu müssen?
Grüsse aus Oldenburg
Man kann erkennen: Ich gehe überraschend rational vor! Genauso überraschend kam schnell eine Antwort:
Hallo Holger,
Danke für dein Interesse. Natürlich möchte ich das Telefon gern verkaufen, schreibe dir aber ehrlich meine Meinung.
Nachteile:
– teuer, nicht nur das Telefon auch die Minuten
– gerade bei der Installation der speziellen E-Mail-Software benötigt man etwas Hilfe, aber kein Problem
– langsame Verbindung, für E-Mail und Grib Files langt es aber
Vorteile:
– man kann immer telefonieren und Wetterdaten abrufen, wirklich überall und jederzeit
– auf hoher See könnte man auch medizinischen Beistand holen (wir brauchten das mitten auf dem Pazifik, zum Glück kein wirklicher Notfall)
– Gefühl von Sicherheit und keine nervigen fremden Sim-Karten ständig
Da war ich Baff, und das war noch nicht die letzte Nachricht, denn wenige Minuten später plinkte es und die nächste E-Mail landete in meinem Postfach:
Fazit:
Ob man das für Europa wirklich braucht hängt von der Strecke und der Person ab
1. Mobiles Internet bekommt man auch noch 5 sm von der Küste entfernt. Bei vielen Törns offshore, sehe ich vielleicht ein Vorteil. Meist bleibt man aber in der Nähe der Küste.
2. Die deutsche SIM-Karte ist auch in Europa zu verwenden.
3. Wer ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat, hat hier ein gutes Backup System.
Ich würde das Geld sicherlich sparen. Wir haben das System erst auf dem Atlantik und im Pazifik wirklich genutzt. (Außer Biskaya).
Zum Thema Sicherheit: ein AIS Transponder ist viel wertvoller und zuverlässige UKW Anlage!!!
Hoffe meine Meinung hilft.
Viele Grüße und schöne Weihnachten.
Und einen kleinen Moment später der Nachtrag:
Wir persönlich würden ein Sat-phone dabei haben, wenn wir oft länger als 3-5 Tage ohne Internet wären. Wettervorhersage ist schon Sicherheit. Wenn man regelmäßig in der Zivilisation ist, halte ich es für unnötig. Ciao
Was soll man dazu sagen? Allumfassend und vernünftig aus Segler-Sicht betrachtet, erfahren (ganz offenbar ein Ozeanerfahrener Segler!) und dargelegt. Fast schon enttäuschend ehrlich.
Nein, ja, wirklich: Für unsere Reise wäre das unnötig und das wusste ich eigentlich bereits vorher. Aber nicht jede Anschaffung ist vernunftbehaftet… vielleicht sollte man mir einfach mein gespartes Geld wegnehmen, bevor ich das sinnlos verprasse?
07.01.2020
Vorbereitungen für den großen Törn
Zur Zeit gleicht unser Wohnzimmer einem Bücher-Lager!
Überall liegt Fachliteratur übers Segeln herum. Am Wochenende wurde auch schon die eine oder andere Seekarte ausgebreitet und studiert.
Ich lerne zwischendurch mal ein paar englische und französische Vokabeln, denn in der Schule lernt man nicht, was Anker, Segel oder Hafenmeister heißt und meine Schulzeit ist ja auch schon ein paar Jahre her.
Eine Liste der zuletzt erworbenen Bücher:
Segelwetter westliches Mittelmeer
Mediterranean Cruising Handbook
Royal Cruising Club Atlantic Spain and Portugal
RCC Pilotage Foundation Meditererranean Spain
Mediterranean France and Corsica Pilot
Es fehlt noch Literatur über den Canal du Midi, aber da sind wir am Ball… Der Reeds Nautical Almanac fliegt hier auch rum, zusammen mit einem veralteten deutschsprachigen Hafenhandbuch Nordsee. Wenn wir wieder zurück sind, wird es interessant, welches dieser vielen Bücher nun wirklich weiter geholfen hat.
Ich möchte meine „einfache“ Kamera (Rollei Powerflex 250 HD) auf dem Törn mitnehmen, weil ich denke, dass man so schneller mal ein Foto macht, als mit der „großen“ Kamera (Canon EOS 500D). Der eine oder andere Sonnenuntergang oder Delfin möchte doch bestimmt fotografiert werden. Aber das Handling ist unterschiedlich, somit muss ich mich erst mal wieder dran gewöhnen, dass ich nicht (mehr) durch den Sucher gucken muss. Außerdem haben wir eine so genannte Action-Cam gekauft. Diese soll mit einem Halter am Boot befestigt werden und uns filmen, wenn wir mal nicht die Hände frei haben zum fotografieren. Ob das hin haut? Die Kamera muss unbedingt getestet werden! Das Material (Fotos, Filme) muss auch irgendwie gesichert und/ oder gespeichert werden. Also die richtigen Kabel einpacken, oder Speicherkarten!
Es gibt noch viel zu planen und zu packen!
06.02.2020
Mein Countdown-Zähler sagt, es sind noch 86 Tage, bis wir die Leinen los werfen. Hört sich erst mal viel an! Aber es gibt noch einiges am Boot zu arbeiten und zu planen. Der Sprayhood-Bezug muss noch geliefert werden, es muss noch gestrichen werden, ein neues Kabel für das Funkgerät muss durch den Mast gezogen werden, wir brauchen neue Wassersäcke, ein Schott aus Plexiglas für den Niedergang… um mal ein paar Arbeiten auf zu zählen!
Wir sitzen nun oft über den Karten und Handbüchern und schauen, welche Häfen wir anfahren wollen. Ich denke aber, während der Tour wird sich das noch verändern. Es muss ja von Wetter, Tide etc. her passen. Segeln ist auch immer ein Kompromiss und ein Überraschungspaket. So habe ich mich jetzt doch entschieden, meine Canon mitzunehmen. Der Gebrauch geht mir einfacher von der Hand und ich muss keinen Vorrat an Batterien einpacken.
Meine Vorfreude auf den Törn wird immer größer! Ich könnte schon heute die Leinen loswerfen, wäre es nicht so A...kalt zur Zeit. Holger hat sich neue Segelstiefel gegönnt.
15.03.2020
Planungen des Lebens
Seit circa zwei Jahren planen wir an unserer Reise durch Ärmelkanal, Biskaya und der Straße von Gibraltar übers Mittelmeer bis zum Canal du Midi. Noch länger legen wir sparsam Geld zur Seite. Immer alles voller Vorfreude.
Und nun kommt so ein winziger Virus und alles wird in Frage gestellt. Natürlich plane ich nach wie vor weiter, aber wer weiß, was noch geschieht in den nächsten Wochen. Werden Häfen auf bleiben? Am Losfahren kann uns schwerlich jemand hindern, aber was dann?
Voll doof.
Die meisten Menschen, denen man von unseren Langfahrt-Plänen erzählt, fragen folgendes: „Wie macht ihr das denn eigentlich?“ Und meinen damit: Wie könnt ihr soviel Zeit dafür frei haben? Was ist mit der Arbeit, dem Job und so? Und was ist mit Geld? Und überhaupt...
Deswegen verrate ich nun unser Geheimnis: Es gibt keines!
Was man, neben einem Segelboot, braucht: Den echten Willen, so eine Reise zu machen. Dadurch wird man „Entschlossen“, sprich: Offen, Entscheidungs- und Beschlussfähig. Wenn man erstmal soweit entschlossen ist, dann merkt man, welch ein „geschlossenes“ Leben eigentlich normalerweise abläuft. Alles ist (mehrfach) abgesichert, durchdacht, es gibt kaum Überraschungen. Selbst der Wecker klingelt jeden Tag zur selben Zeit und man schmiert sich immer die gleichen Stullen.
Für mich war es relativ einfach: Als uns der Plan reifte, da war ich noch bei der Telekom beschäftigt, hatte aber im Geiste schon mit dieser Phase meines Lebens abgeschlossen. Ich würde zum gegebenen Moment einfach kündigen, vielleicht könnte ich sogar eine Abfindung mitnehmen? Dann kam beruflich ziemlich plötzlich vieles ganz anders und ich war nicht mehr bei der Telekom sondern wieder in meinem ursprünglich erlernten Beruf als Schlossermeister beschäftigt: Als Leiter Vormontage und Entwicklung in einem mittelständischem Unternehmen im Sonderfahrzeugbau begleitete ich mittlerweile auch die QM rund um ISO9001, schreibe Prozesse oder Reklamationsdokumentationen, zeichne CAD-Pläne von TÜV-relevanten Kfz-Umbauten. Nebenbei noch Kunden-/B2B-Betreuung, Mitarbeiter motivieren und fachlich anleiten, Kaffeeplausch auf Führungsebene nebst Telefondienst. Und das alles mit der Einstiegsklausel, dass ich in gut einem Jahr wieder weg sein werde, mindestens für einige Monate. Von Corona wusste da noch kein Mensch.
Bei Angela kommen die drei Aspekte Arbeit, Freizeit und Geld je nach Betrachtungsweise einfacher oder schwerer zusammen: Sie „muss“ als Beamtin unbezahlten Urlaub beantragen, dieser muss genehmigt werden und in der Urlaubszeit hat sie dann weder Bezüge noch Krankenversicherung. Sowas muss natürlich kompensiert werden. Anstrengend ist dabei eigentlich nur: Weil so viele Menschen, mit denen man darüber redet, so viel Blödsinn reden, muss man erstmal selbst prüfen, was geht, muss, kann und soll. Angela musste bei ihrer Versicherung erstmal an einen anderen Berater kommen, der einem keinen unnötigen Kram aufschwatzen wollte.
Es bleibt dabei: Wenn man erstmal für sich selbst weiß, dass man eine solche Reise machen will, dann findet sich für alles ein Weg und eine Lösung. Und wenn man aufhört, allen möglichen Schnickschnack zu kaufen und keine Abos mehr abschließt (Spotify? Netflix?), dann hat man auf einmal am Ende des Monats auch Geld über, und als netten Nebeneffekt: Die monatlichen Fixkosten werden geringer. Diese laufenden Kosten muss man ja weiter bezahlen, auch wenn man nicht daheim ist.
Haben wir denn so viel ansparen können oder wie machen wir das? Das ist schon eine berechtigte Frage, denn man braucht ja nicht nur unterwegs Geld für Nahrung, Liegeplatz und irgendwelche ungeplanten Anschaffungen, falls mal was irreparabel kaputt geht. Wir verkaufen nicht Haus und Hof sondern haben immer noch ein Heim. Für fünf Monate werden wir auch nicht das Auto abmelden, denn der Sohn wird sich freuen, wenn er mal damit statt mit dem Fahrrad los fahren kann.
Ich bin kein Mensch, der alles akribisch erfasst und auswertet sondern ich habe einfach über den Daumen gepeilt. Deswegen gehe ich davon aus, dass ich mit 1000,- pro Monat für die laufenden Kosten hinkommen werde. Und da man von erfahrenen Langfahrern oft hört „Das Leben auf Langfahrt kostet genau so viel wie das Leben an Land“, brauche ich auch noch 5000,- für unterwegs. Das geht doch, oder? Was da nicht mit drin ist: Die Kosten für das Boot. Das haben wir „sowieso“. Natürlich kostet alles rund ums Boot ordentlich Geld: Letztes Jahr war es eine neue Genua mit Rollanlage für knapp 4800,-Euro, nun kriegten wir noch eine Sprayhood (bisher hatte die Slocum gar keine), das Boot ist versichert (Vollkasko), es braucht alle Nase neues Antifouling und Anoden undundund. Wer selbst ein Boot hat, kennt das.
Tatsächlich hatten wir sogar etwas mehr Geld als benötigt auf der hohen Kante. Als die Idee zu dieser Fahrt in uns keimte, da besaßen wir die Slocum ja noch gar nicht und im Grunde sparen wir seit dem ersten Tag dieser Idee darauf hin… über die Jahre kommt da was zusammen. Vermutlich werden wir genug Gelegenheit bekommen, das Geld auch los zu werden. Apropos Vollkasko: Ich habe eine starke Abneigung gegen die ganzen sonstigen Versicherungen, die man so abschliessen könnte. Ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen, aber man spart einiges Geld für wirklich sinnvolle Dinge, wenn man sich nicht darauf einlässt. Und aber die Vollkasko-Versicherung für das Boot ist bei den Holländern so günstig, das muss man einfach machen. Des weiteren bin ich weit davon entfernt, ein Mode-Narr zu sein: Angela ist schon echt genervt von meinen alten Klamotten. Und – ungeplant aber wirkungsvoll – wir sind seit über drei Jahren Nichtraucher.
Auch beim Einkaufen und Essenkochen bin ich quasi von Natur aus sehr sparsam (nicht geizig!). Was ich mir aber leistete: Ich bezahle seit neustem für eine App, um Spanisch zu lernen. Bisher mit mäßigem Erfolg. Immerhin weiß ich schon, was Mariposa heisst: Schmetterling...
Im Allgemeinen bin ich ein sehr sparsamer Mensch, denn ich habe die grundsätzliche Einstellung: Statt das ich mir mein Geld schwer verdiene, um damit dann irgend einen Quatsch zu kaufen, arbeite ich lieber weniger… (und segle dafür mehr) oder spare für eine gute Idee.
Das ist das ganze Geheimnis: Geld verdienen bzw. haben, aber nicht ausgeben. Dann wird es mehr, auch ohne Zinsen. Oder andersrum: Man kommt mit dem gleichen Geld bei weniger Ausgaben längere Zeit damit hin. Nun liegt das Geld auf unseren Konten und eigentlich, so bin ich erzogen, müsste man das Geld irgendwie für ein Jahr anlegen, damit man vielleicht etwas Profit damit macht. In heutigen Zeiten von negativen Zinsen? Bei aller Sparerei kann mann natürlich trotzdem mal lecker zum Essen ausgehen und/oder ins Theater, aber das muss ja nicht jede Woche sein!
Des Weiteren fällt es mir leicht, auch mit bescheidenen Mitteln lange hinzukommen. Ich kann mir eine Dose „Hering in Tomatensosse“ in gekochte Spagetti rühren und freue mich über ein nahrhaftes, warmes und leckeres Essen. Aber es muss noch Knoblauch mit dabei.
Angela
21.03.2020
Das beste daraus machen: Wir hatten auf unserer Webseite einen Countdown. Dort wurde die Zeit bis zum Start unserer Reise runtergezählt. Den haben wir gerade deaktiviert, da wir uns dazu entschlossen haben, unsere Reise zu verschieben.
Verschieben! Erstmal auf das nächste Jahr. Und das war wirklich keine leichte Entscheidung. Nicht nur wegen der vielen bereits angelaufenen Vorbereitungen sondern auch wegen dem, was im Kopf vorgeht: Ich hatte mich innerlich so sehr auf die Reise eingestellt, dass ich da nicht so einfach wieder raus komme. Es ging oder besser geht ja auch darum, weg vom üblichen Alltagsallerlei zu sein, einen ganz neuen Rhythmus und eine andere Wahrnehmung der Zeit zu erleben. Und ich freute mich darauf, mal kein Telefon klingeln zu hören, nicht im eigenen Gedankengang unterbrochen zu werden und irgendwie ganz bei sich zu sein.
Aber Corona beziehungsweise die Ereignisse und das Geschehen auf der ganzen Welt lassen uns keine andere Wahl. Vielleicht liest man diese Zeilen in einigen Jahren und fragt sich: „War das echt so schlimm?“ Ja! Hier ein kleiner Auszug der Geschehnisse:
In Deutschland traten Ende Januar 2020 erste einzelne Erkrankungsfälle von COVID-19 auf. Seit Ende Februar wuchs die Zahl der täglich neu dokumentierten Fälle rasch an und betraf immer mehr Bundesländer. In der zweiten Märzwoche waren dann alle Bundesländer betroffen und es gab den ersten „deutschen“ Todesfall. Im März 2020 gab es noch erhebliche Unklarheiten über die Gefährlichkeit des Viruses und die Verbreitungsgeschwindigkeit der Pandemie. In Deutschland wurde eine Maßnahme eingeführt, die sich bis dato keiner vorstellen konnte: Am 22. März 2020 beschlossen Bund und Länder Kontaktbeschränkungen mit dem Ziel, einen unkontrollierten Anstieg der Fallzahlen zu verhindern und das Gesundheitssystem leistungsfähig zu halten. eine umfassende „Beschränkung sozialer Kontakte“ - Ein Lockdown. Das öffentliche Leben wurde eingestellt, eigentlich nur Supermärkte und Tankstellen waren noch offen. Man durfte sich nicht mehr in Gruppen treffen, weder im Freien noch privat in seiner Wohnung. Für Branchen wie Gastronomie, Kunst, Theater etc. war das für viele ein Todesurteil Für die Menschen war das unfassbar.
Im Ausland, sei es Europa oder die ganze Welt, war es oft noch schlimmer. Enorme Todeszahlen, enorme Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Unter diesen Bedingungen war es unmöglich, nur daran zu denken, mit einem Segelbot in einen französischen oder spanischen Hafen einlaufen zu können. Im Gegenteil: Die Bundesregierung startete eine Reisende-Rückholaktion. Mit Bundeswehr-Flugzeugen wurden deutsche Bürger auf der ganzen Welt eingesammelt und zurück nach Deutschland gebracht. Unser Traum blieb einer. Und keiner weiß, für wie lange.
Doch man muss sich den Gegebenheiten stellen. Jammern und Klagen hat in solchen Momenten nicht viel Sinn. Die ganze Welt hat unter Corona, den Folgen und den Maßnahmen drum herum zu leiden. Wir drehten den Spiess um und sahen das Ganze positiv: Wir wollen dieses „gewonnene“ Jahr noch sehr viel mehr Segeln, mehr Erfahrung zu sammeln und uns noch besser auf die Reise vorbereiten. Wir könnten noch mehr Nachtfahrten machen, besonders mal längere Schläge planen, in fremde Reviere fahren.
Es gibt nur eine Hürde, die natürlich auch den Corona-Einschränkungen geschuldet ist: Man weiß zum Beispiel aktuell nicht, wann das Boot aus dem Winterlager wieder ins Wasser kann. Die Zeit wäre nun, Ende März, gekommen. Die Slocum ist so groß und schwer, das „Ins Wasser lassen“ kann man nicht mal eben mit dem Auto und dem Trailer an der Anhängerkupplung machen. Dazu brauchen wir die starke Seilwinde im Yachtclub und eine erprobte Vorgehensweise mit einigen Club-Kameraden mit helfenden Händen. Aktuell darf aber bei uns im OYC kein Boot geslippt werden, der Hafenbetrieb ist eingestellt. Aus dem einfachen Grund: Man könnte sich ja gegenseitig mit Corona infizieren. Aber irgendwann wird, muss es doch weiter gehen… oder? Und wenn nicht? Wenn alles noch viel schlimmer kommt? Tja, dann haben wir alle so wie so ganz andere Sorgen.
Das wäre alles ganz schön traurig, wenn es da nicht noch einen Termin gäbe, den wir eigentlich ohne besondere Aufmerksamkeit verstreichen lassen wollten: Wir haben dieses Jahr, 2020, Silberhochzeit. Und wenn wir schon nicht so segeln können, wie wir wollen, vielleicht können wir doch etwas feiern? Auch das war bei weitem nicht klar. Man durfte sich zu diesem Zeitpunkt nicht mit mehr als 10 Personen treffen, die Gaststätten hatten weitestgehend geschlossen, die Brauereien mussten ihr Bier wegkippen, weil es schlecht wurde. Wie soll man unter diesen Bedingungen eine Feier planen? Wir hatten gleich mehrfach Glück: Unser Hochzeitstag ist Mitte August. Über den Sommer gab es einige Lockerungen in den Corona-Regelungen, so dass wir mit bis zu 50 Personen feiern „durften“. Wir konnten in unserem Bootshaus vom OYC einen Termin buchen und der Wirt zauberte ein herrliches Büffet, eine schöne Tischdeko und frisches kaltes Bier, so dass es ein sehr schöner Abend wurde. Und, was mich ganz nebenbei zufrieden macht: Keiner der 50 Teilnehmer ist an Corona erkrankt…
Unseren Dauerliegeplatz in Hooksiel hatte ich schon zum Ende der vorherigen Saison aufgekündigt. Das könnte ich zwar wieder rückgängig machen, aber wir wollten ja jetzt die Gelegenheit nutzen, um mit dem Boot in möglichst vielen verschiedenen Häfen zu liegen. Denn das bedeutet auch: Das Boot möglichst viel und oft bewegen und das wiederum segeln, segeln, segeln!
Die Entscheidung, „unsere Reise“ nicht wie geplant anzutreten, müssen wir dennoch erstmal sacken lassen. Denn damit ist sämtliche weitere Lebensplanung auch dahin… wir hatten uns alles gut überlegt und die Weichen waren gestellt: Job, Versicherungen, Haus, Garten, Geldreserven etc. Nun muss einiges wieder zurückgestellt werden. Trotz oder wegen Corona: Im Kopf war ich noch lange nicht damit durch, die Reise einfach um ein Jahr zu verschieben.
Angela
16.04.2020 Neuer Countdown: Wir geben nicht auf! Dies ist der neue Stand des Countdown- Zählers auf meinem Handy: 373 Tage, 1 Stunde, 36 Minuten
Unsere Reise zum Mittelmeer startet am 24.04.2021 um 14:00 Uhr. Hochwasser Oldenburg, damit wir mit ablaufenden Wasser nach Bremerhaven kommen. Ich freu mich schon!
11.05.2020
Mensch, so ein anstrengender Saison-Start! Das werden wir (hoffentlich) noch unseren Enkeln erzählen, wie unsicher 2020 die Lage war. Es ist aber auch für Verantwortliche nicht leicht, in einer noch nie da gewesene Situation Maßnahmen zu treffen, die alle akzeptieren… Aber gut: wir dürfen wieder zum Boot und arbeiten. Außerdem geht es Samstag ins Wasser!
Der Ehemann war schon fleißig (ich nur ein bißchen). Da man Holzteile der Slocum abbauen kann, haben wir diese in der „Verbotszeit“ zu Hause geölt. Als es wieder zulässig war, haben wir den Rest in der Halle geölt. Das war auch nötig! Vorteil an einem Liegeplatz in einer Halle ist unter anderem auch, dass keine Pollen, Blüten und Blätter auf das frisch Gepinselte flattern!
16.05.2020 - Ab ins Wasser
Andere müssen den Kran herbestellen, wir den Treckerfahrer und den Windenwart. Corona-bedingt sind bei uns im OYC aktuell nur drei Personen berufen, als Treckerfahrer und Windenwart zu agieren. Diese drei bekamen eine Art Hygiene-Einweisung, damit niemanden beim Slippen „was passiert“. Gleich vorweg: Alle Teilnehmer blieben Symptomfrei.
Gegen 11:30 Uhr war für diesen Samstag Hochwasser in Oldenburg angesagt. Mein Treckerfahrer, Manfred Eilers, meinte, wir könnten schon zwei Stunden vorher rein. Manfred ist um die 70 Jahre alt und hatte die Slocum schon geslippt, als Peter noch damit das Revier besegelte. Okay, gerne, kein Problem. Eher ist immer gut! Falls es zu früh wäre, würden wir halt auf dem Trailer liegend warten, bis genug Wasser aufgelaufen ist.
Die Slocum wurde aus der Halle gezogen und vor die Slip-Rampe geschoben. Das sind keine 80m Fahrweg. Nun konnte das Drahtseil der Winde bereitgelegt werden. Die Kameraden, die den Trailer auf dem Weg die Rampe abwärts in der Spur halten sollten, tüdelten ihre Lenkseile an die Deichsel, Angela und ich kletterten über eine Leiter an Bord und los ging es: Der Windenwart drückte seinen Knopf. Langsam, ganz langsam rollte der Trailer samt Boot die Slip-Rampe runter, bis ins Wasser hinein. Die Lenker an ihren Tampen sorgten dafür, dass der Trailer nicht schief über die Rampe rollte, denn es ist nur begrenzt Platz zu beiden Seiten. Mehr Leute braucht man auch nicht zum Slippen: Einer an der Winde, zwei an den Seilen und natürlich einer an Bord. In Zeiten vor Corona liefen, standen und lungerten immer ein Dutzend Menschen auf dem Gelände, wenn andere ihre Boote ins Wasser brachten. Das lag vielleicht eher an den Mettbrötchen und Kaffee danach und an der Erwartung von „schönem“ Hafenkino, und nicht daran, dass man so viele Menschen zum Slippen benötigt.
Nun waren wir mit dem Trailer am unteren Ende der Rampe, aber das Boot schwamm noch nicht auf. Da der Trailer große LKW-Gummireifen drauf hat, liess der Windenwart noch etwas Seil kommen und wir rumpelten nen guten Meter über den Huntegrund ins tiefere Wasser. Nun schwamm zumindest das Heck auf. Leider gab die dadurch resultierende vorderliche Mehrbelastung einer seitlichen Rumpfstütze den Rest: Sie brach einfach ab. Es gab einen kleinen Rums, und sonst nichts. Für das Boot ist das nicht schlimm, es steht mit dem Kiel auf dem Trailer und kann nicht tiefer. Aber ich konnte ja nicht sehen, was wo abgebrochen ist. Stand vielleicht ein nun offenes Rohr-Ende mit zerissenen und scharfkantigen Flanken unter Wasser? Ein Schub rückwärts genügt, um es in den Rumpf zu rammen und ein beeindruckendes Loch zu produzieren? Phantasie hat man ja. Also wollte ich es nicht mit Gewalt versuchen, sondern mit Geduld.
Wir mussten eh noch warten, denn es lief nicht viel Wasser auf. Um 9:40 Uhr waren wir auf der Rampe und erst um 10 nach 10 schwammen wir endlich vollständig, also hinten und vorn. Der Motor sprang übrigens sofort an nach der langen Winter-Ruhezeit. Er hat aber auch feines neues SAE-30 Öl bekommen. Als wir lange genug schwammen, um hoffentlich von der gebrochenen Rohrstrebe ausreichend Abstand bekommen zu haben, legte ich den Rückwärtsgang ein und laaangsam fuhren wir zwischen den Rungen von dem unter Wasser stehenden Trailer ins freie Wasser. Völlig Problemlos. Kein Ruck, kein Rumpeln, kein Wassereinbruch im Boot. Wir kamen rückwärts am Steg-Ponton vorbei und sind dann bei bestem Sonnenschein erstmal in Richtung der Schleuse Oldenburg gefahren. Auf dem Küstenkanal haben wir in Ruhe eine Runde gedreht, sind dann zurück und haben am Steg festgemacht. Und das ging alles ganz gut, trotz Winterpause, wo man ja so vieles an notwendigem Feingefühl fürs Boot wieder verlernt.
Zurück bei der Slip-Rampe – da war alles fertig und aufgeräumt: Der Trailer wurde schon weggefahren und die helfenden Kameraden schossen nur noch die verbliebenen Leinen auf. Also haben wir uns für die Hilfe bedankt und sind erstmal wieder an Bord zurück und haben geputzt. Angela in der Kajüte und ich außen an Deck. Das war nötig! Was man sich da im Winter für einen Dreck hinlatscht, ist unglaublich. Und es ist sooo herrlich, dass Boot wieder im Wasser zu haben. Wenn dann alle Polster etc. wieder an ihrem Platz sind, dann sieht es auch wieder wohnlich und schiffig aus!
Am nächsten Tag stellten wir den Mast. Auch wenn die Cäcilienbrücke aktuell nicht mehr da ist, so ist da nun eine Höhenbegrenzende Übergangsbrücke und natürlich ein Stück weiter die Amalienbrücke, wo wir mit stehendem Mast auch nicht durchpassen. Also tuckerten wir liegenden Mastes vom Buschhagensteg zum Stadthafen in Oldenburg und haben dort am Vereinssteg festgemacht.
Wir können mit Bordmitteln unseren Mast stellen und brauchen keinen Mastkran. Es ist zwar ein kleiner Kraftakt, aber dafür können wir das machen, wann und wo wir wollen.
Dieses Jahr dachte ich, Angela und ich können das ja mal allein versuchen. Wir müssen den mittig auf dem Deck liegenden Mast erst nach hinten wuppen, damit das untere Ende im Mastkoker festgebolzt werden kann. Das ist der schwerste Abschnitt der ganzen Aktion. Leider zu schwer für Angela, sie kann den Mast nicht ansatzweise anheben. Für Außenstehende ist übrigens das Gewusel an Wanten, Stagen und sonstigen Tampen das schwerste. Aber das ist schnell sortiert. Dieses Jahr mussten wir etwas mehr aufpassen, denn an dem einen Vorstag war ja die neue Rollanlage samt Schiene montiert, und diese sollte natürlich nicht leiden. Also brauchen wir doch noch eine dritte Hand. Ein Clubkamerad, der Pinger, war in der Nähe und wollte uns gerne helfen. Mit ihm ging das Mast-nach-hintenheben ruckzuck und er half auch, bis der Mast ganz stand. Wenn dann auch noch der Großbaum am Mast fixiert ist, dann sieht alles wieder alles vollständig aus. Nun konnten wir unsere Saison mit Insel- und Hafen-Hopping planen und beginnen. Das wurde daraus:
Unsere Sommer-Saison 2020 als Kurz-Logbuch:
17.05.2020 Mast gestellt
22.05.2020 Ankern bei Weser-km 33
23.05. Einen Tag in Grohn
24.05.2020 am Elsflether Stadthafen
30.05. Pfingsten Im Jaich / Bremerhaven
06.06. An der Nassau-Brücke Wilhelmshaven
12.06.2020 Helgoland / Südhafen
14.06.2020 Hooksiel / Lollipop
26.06.2020 Wangerooge / Gaststeg Ostseite
28.06.2020 Neuharlingersiel / Steg vom YC
11.07. Spiekeroog
12.07. Neuharlingersiel
24.07.2020 Spiekeroog
25.07. BBC Baltrum
27.07.2020 Norderney
28.07. - 13.08.2020 Niederlande, Staande Mastroute
15.08.2020 Norddeich
11.09.2020 Baltrum
12.09.2020 Langeoog
13.09.2020 Bensersiel
19.09.2020 Baltrum
20.09.2020 Spiekeroog
22.09.2020 Wangerooge
23.09.2020 Horumersiel
24.09.2020 Bremerhaven
25.09.2020 Elsfleth SWE
28.09.2020 Europa-Hafen, Bremen
29.09.2020 Stadtanleger Elsfleth
30.09.2020 Stadthafen Oldenburg
23.10.2020 Stadtanleger Elsfleth
25.10.2020 Stadthafen Oldenburg
12.12.2020 Winterlager große Halle OYC
Bis zum Zeitpunkt der Absage unserer Reise hatten wir einiges organisiert. Schon der Haufen an Hafen- und Revierführern, speziellen Wetterbüchern und sonstiger irgendwie passender Literatur, von der man meint, man müsse das unbedingt haben, ist beachtlich. Sogar Cornells „World Cruising Routes“ war dabei. Dazu kam die notwendigerweise etwas detailliertere Törnplanung: Wann könnten wir in welchem Hafen sein, wann müssen wir irgendwo sein, wie viel Zeit benötigen wir, um dorthin zu kommen und wie gehts danach weiter?
Der Weg von Bremerhaven bis nach Marseille „außen rum“ beträgt ca. 2500 Seemeilen. Wenn wir im Durchschnitt 50sm pro Tag annehmen, dann bräuchten wir 50 Tage dorthin. Das ist schon mal gut, weil wir uns ja 150 Tage (also 5 Monate) Zeit genommen haben. Und weil alle (Yachties) immer sagen: „Plane ein Drittel für den Hinweg und zwei Drittel für den Rückweg, sonst schafft man das nie“, passt unser Zeitrahmen erstmal gut ins Schema. Doch die 50 Tage für den Weg bleiben sportlich. Selbst wenn man annimmt, dass 50 Meilen pro Tag „locker“ machbar scheinen. Aber das sind immerhin 10 Stunden - unter Umständen hartes - Segeln mit mindestens 5 Knoten! Zu schaffen ist dieser Schnitt nur, wenn wir die eine oder andere Nacht durchsegeln. In 24 Stunden kann man dann mal 100 Meilen schaffen. Mehr wäre schön, ist aber eher utopisch. Eine Nacht gesegelt, einen Tag gewonnen? Hier zeige ich mal einen Auszug aus unserer groben Planung:
3. Tag Helgoland – Borkum 60sm
4. Tag nach Den Helder ca. 100sm
5. Tag nach Den Haag 55sm
6. Tag Dünnkirchen 95sm
3 Tage Pause!
7. Tag Boulogne 47sm
…. usw.
Wenn es so weiter ginge, dann wären wir am 22.05. in A Coruna angekommen, hätten also dann die Biskaya hinter uns. Uns war aber klar: diese Taktung werden wir nicht schaffen können und das Wetter wird eh so nicht mitspielen. Also saß ich an unserem Esszimmertisch, über alle Karten und Pläne gebeugt und grübelte. Schliesslich habe ich die geplanten Zeiten der Tagesschläge stumpf verdoppelt und alles neu berechnet.
Danach wären wir am 09. Juni, also ca. drei Wochen später als ursprünglich vorgesehen, über die Biskaya (bis dahin über 1000 sm), und am 01. Juli in Gibraltar gewesen.
Ab dort hätten wir noch vier Wochen Zeit, um durchs Mittelmeer, an Mallorca vorbei (dort mal anhalten?) bis nach Sete an der Südküste Frankreichs zu kommen, wo der Canal du Midi beginnt. Für diesen hätten wir ungefähr drei Wochen Zeit gehabt, um dann wieder oberhalb der Biskaya rauszukommen (21.08. Brest?). Anschliessend wieder durch den Ärmelkanal gen Heimat segeln, mit fünf Wochen Zeit.
Auch wenn wir keine Erfahrung mit Langfahrten haben: Das schien uns sehr ambitioniert. Aber wir wollten es wagen. Urlaub war genommen, Auslandskrankenversicherung bestellt, sogar ein „Liferaft“, ein Rettungsfloß, hatten wir uns schon besorgt und an Bord verstaut.
Und dann kam der Tag, an dem wir uns kurzfristig entschlossen, die Reise abzusagen, oder besser: Wie alle anderen Veranstaltungen auf der Welt um ein Jahr zu verschieben, weil die Corona-Regelungen nichts anderes sinnvolles zulassen.
Doch die überraschenden Planänderungen gingen noch weiter: Tage später haben Angela und ich uns fest in die Augen gesehen. Wir hatten uns noch mal ausführlich über die Törnplanung und den Zeitbedarf unterhalten, tauschten unsere Meinungen und Gedanken aus. Und wir waren uns überraschend einig: Auf einmal war uns das alles zu weit, zu große Schläge, zu wenig Zeit für alles. Nein, wir würden nicht ins Mittelmeer segeln. Wir gönnen uns die fünf Monate stattdessen in der Ostsee!
Wir hatten in dem „gewonnenen Jahr“ 2020 keinen festen Liegeplatz für Slocum und hüpften von Hafen zu Hafen, zahlten auch beachtliches Gastliegegeld. Aber: Wir kamen rum, wir lernten neue Häfen kennen, wir mussten mit unplanbaren Situationen fertig werden. Tolle Sache, tolle Erfahrungen, das hat Spaß gemacht! Dazu kam unser dreiwöchiger Sommerurlaub, den wir mit dem Ziel IJsselmeer angegangen sind. Das war auch toll, aber die Geschichte gehört hier nicht her.
Was wir bei alledem aber bemerkten: Es macht für uns weder Sinn noch Spaß, einfach nur jeden Tag von Hafen zu Hafen zu hüpfen, um Strecke zu machen. Das kann man machen, wenn man aus welchen Gründen auch immer dringend von A nach B muss und der Rest vom Alphabet einem wurscht ist.
Nein, hier und dort mal einen Hafentag, mal die Socken lüften, mal die Gegend anschauen etc., ihr wisst schon. Das wollten wir. Und so reifte in uns beiden (unabhängig von einander!) der Gedanke, dass unsere geplante lange Auszeit ins Mittelmeer ganz schön stressig werden könnte und wir unterwegs quasi nix mitbekämen. Dazu hatten wir so ein kleines bisschen die Nase voll, dass entweder Tide oder Wind nicht so waren, wie wir es gerade gebrauchen könnten. Und schon in einem Drei-Wochen-Urlaub kommt der Wind oft aus der falschen Richtung!
Wir brauchten gar nicht lange, um uns zu einigen: Nee, das machen wir anders. Einfach das Hafenhandbuch Ostsee I organisieren, die anderen Revierführer und Seekarten wieder verkaufen und nun neu planen: Kiel – Marstal – Bornholm – Oslo oder so ähnlich… weniger Weg, aber die gleiche Zeit. Keine Tide, aber schöne Orte. Wir glaubten, dass wird eine sehr schöne Zeit!
Wie erwartet kam alles nochmal ganz unerwartet anders.
Angela
02.09.2020 Wann bleibt ein Traum ein Traum?
Holger und ich hatten ja mal ein Motorboot. Dann sahen wir einen Bericht über den Canal du Midi in Frankreich und fragten uns, ob wir den Canal wohl mit unserem Boot erreichen könnten? Über sämtliche Binnenwasserstraßen hätten wir dafür irgendwie 6 bis 8 Monate gebraucht… Dann kam unsere Slocum und wir guckten immer noch verträumt nach Frankreich und lasen von anderen Seglern, die durch „unseren Kanal“ schipperten. Dann stellte sich heraus, dass es beruflich durchaus möglich wäre, eine längere Zeit Urlaub zu machen! Aber sind wir (und Slocum) fit genug für so eine Tour?
Wo ein Wille, da ein Weg! Sogar einen Kurs „Überleben auf See“ an der Seefahrtschule Elsfleth haben wir absolviert. Ab November saßen wir über Seekarten und Handbücher (englische wie deutsche) und baldowerten eine Strecke aus! Ein Wetter-Seminar von Ralf Brauner wurde besucht und viel gelesen. Segler mit denen wir sprachen, fanden unser Vorhaben sehr ambitioniert!
Und jetzt, mit noch mehr Erfahrung im Tiden-Revier, haben wir dazugelernt. Fünf Monate reichen einfach nicht für unser Vorhaben! Es wäre nur Stress und wir würden uns und unser Boot 150 Tage stark beanspruchen. Außerdem wollen wir nicht nur Hafenmauern sehen und jeden Tag überlegen, rechnen und abwägen ob Tide und Wind passen.
Viele Segler, denen wir unser Vorhaben schilderten, fragten uns warum wir uns so einen schwierigen Weg suchen. Die Ostsee sei doch viel angenehmer? Aber unser Plan war ja, den Canal du Midi zu erreichen und nicht, einfach 5 Monate irgendwo zu segeln! Wenn Corona für irgend etwas gut war, dann dazu: Uns in dieser Segel-Saison zu zeigen, wie angenehm es sein kann, nur dem Wind zu folgen und nicht irgend einer festgelegten Route!
In unseren 5 Monaten Auszeit wollen wir nur segeln und entspannte Zeit auf dem Boot verbringen. In die Richtung segeln, in die der Wind einen pustet. Wie heisst es so treffend?
„Der Segler mit Zeit hat immer den richtigen Wind“
Und deswegen haben wir entschieden: Der Canal du Midi bleibt vorerst nur ein Traum und nächstes Jahr geht es fünf Monate in die Ostsee.
...
15.01.2021 Unter hundert...
...Tage noch bis zu unserer Reise/ Auszeit/ Ostseetour!
Letztes Jahr um diese Zeit zeigte der Countdown-Zähler schon einmal diese Zahl an. Und dann kam dieses sche… Virus.
Wir haben die Route und die Richtung geändert und werden auf jeden Fall am 25.04. ablegen
Tja, geschehen ist bisher nicht viel. Wir haben Mitte Februar 2021, der Schnee ist schon geschmolzen, der Corona-Lockdown noch nicht. Das Boot wartet noch in der Halle auf die notwendigen Zuwendungen. Aber auch wenn man nicht werkelt, muss man ja nicht untätig sein.