Wo ist er – der Mann für Mama? - Maria Bianca - E-Book

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. »Gloria! Wie schön, dich zu sehen!« Rechtsanwalt und Notar Dr. Henry Kröger verließ mit raschen Schritten seinen Schreibtischbereich und eilte seiner ernsten jungen Mandantin entgegen. Seine Freude wirkte echt, aber auch prüfend-besorgt. Nach der freundschaftlichen Umarmung hielt er die hübsche junge Frau dann auch ein wenig von sich ab, ihre Augen findend. Und nach einem Moment trat tatsächlich ein verhaltenes Lächeln auf ihre Lippen. »Geht es dir gut, mein Kind?«, forschte er väterlich-besorgt, die Trauer in ihrem offenen Gesicht noch erkennend, um dann gleich die Frage anzuschließen: »Wie ist die Auktion gelaufen?« »Gut, Onkel Henry! Für die Sommerzeit sogar überraschend gut. Der Kunsthandel zeigt sich erstaunlich stabil.« Gloria de Vries war die Erleichterung anzumerken. Ihre erste Auktion, für welche sie verantwortlich zeichnete, hatte sie erfolgreich hinter sich gebracht! »Wunderbar!« Der agile ältere Herr mit dem weißen Haar und der zurückhaltenden hanseatischen Noblesse nickte zufrieden. Wie gut, dass die Kleine, wie er sie gedanklich immer noch nannte, einen guten Einstieg in die alleinige geschäftliche Verantwortung gehabt hatte. Er wollte sie im Moment nicht nach den erzielten Erlösen befragen. Den Wert der Dinge würden die beiden langjährigen Mitarbeiter des Kunsthandels de Vries im Auge behalten, da war er sich sicher. Charlotte von Bellwange und Hans Christensen waren erfahrene Kunsthistoriker und seit Jahrzehnten in dem renommierten Haus für hochwertige Kunst tätig.

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Fürstenkrone Classic – 80 –

Wo ist er – der Mann für Mama?

Prinzessin Ilka erlebt eine Achterbahn der Gefühle ...

Maria Bianca

»Gloria! Wie schön, dich zu sehen!« Rechtsanwalt und Notar Dr. Henry Kröger verließ mit raschen Schritten seinen Schreibtischbereich und eilte seiner ernsten jungen Mandantin entgegen. Seine Freude wirkte echt, aber auch prüfend-besorgt.

Nach der freundschaftlichen Umarmung hielt er die hübsche junge Frau dann auch ein wenig von sich ab, ihre Augen findend. Und nach einem Moment trat tatsächlich ein verhaltenes Lächeln auf ihre Lippen.

»Geht es dir gut, mein Kind?«, forschte er väterlich-besorgt, die Trauer in ihrem offenen Gesicht noch erkennend, um dann gleich die Frage anzuschließen: »Wie ist die Auktion gelaufen?«

»Gut, Onkel Henry! Für die Sommerzeit sogar überraschend gut. Der Kunsthandel zeigt sich erstaunlich stabil.« Gloria de Vries war die Erleichterung anzumerken. Ihre erste Auktion, für welche sie verantwortlich zeichnete, hatte sie erfolgreich hinter sich gebracht!

»Wunderbar!« Der agile ältere Herr mit dem weißen Haar und der zurückhaltenden hanseatischen Noblesse nickte zufrieden. Wie gut, dass die Kleine, wie er sie gedanklich immer noch nannte, einen guten Einstieg in die alleinige geschäftliche Verantwortung gehabt hatte.

Er wollte sie im Moment nicht nach den erzielten Erlösen befragen. Den Wert der Dinge würden die beiden langjährigen Mitarbeiter des Kunsthandels de Vries im Auge behalten, da war er sich sicher. Charlotte von Bellwange und Hans Christensen waren erfahrene Kunsthistoriker und seit Jahrzehnten in dem renommierten Haus für hochwertige Kunst tätig.

»Komm, nimm Platz, mein Kind«, sagte er daher, sie mit zu jenem ausladenden Mahagonischreibtisch nehmend, welcher das Herzstück in dem weiten Arbeitsraum darstellte. Mit den kostbaren Holzvertäfelungen an Decken und Wänden, den eingebauten hohen Aktenschränken und antiken Ledersesseln wirkte das Büro wie ein hanseatisches Kontor alter Kaufmannschaft.

Und während er ihr einen Sessel zurückrückte und selbst am Tisch gegenüber Platz nahm, bekam dieses Treffen etwas Formelles.

Gloria de Vries registrierte diese Tatsache gefasst. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte es viele solcher Termine gegeben. Auch die notarielle Überschreibung des Kunsthauses de Vries auf sie als Erbin hatte Henry Kröger als rechtlicher Beistand der Familie in die Wege geleitet. Seine umsichtige Hand und freundschaftliche Verbundenheit waren Halt gewesen – und waren es noch. Das Leben würde weitergehen und allmählich helfen, jene Selbstsicherheit aufzubauen, welche man im Geschäftsleben brauchte.

»Tee oder Kaffee?«, fragte er mit einem Blick auf die freundlich wartende Kanzleiangestellte, die noch dienstbereit in der offenen Tür stand.

»Tee, bitte!« Glorias Lächeln begleitete den Wunsch, bevor sich ihre Aufmerksamkeit wieder dem Familienfreund zuwandte. Dabei bemerkte sie zum ersten Mal das helle Kuvert, welches ziemlich allein in der Tischmitte lag. Ein freundlich wirkendes Rechteck, seltsam unschuldig und wenig schicksalsschwer.

Henry Kröger plauderte derweil Unverbindliches, locker um eine entspannte Atmosphäre bemüht. Sein joviales Altherrengesicht signalisierte Gelassenheit und jenen Hauch von Altersweisheit, welche einem jungen Menschen noch fremd war.

Der Tee kam, und sein Genuss wurde zelebriert, als sei im Moment nichts wichtiger. Zwischen Teetassen, Silberkännchen und Salzgebäck aber lag immer noch der Brief. Fast schien es so, als sei sein Inhalt das Warten gewohnt.

Vielleicht aber war er auch ganz einfach dort vergessen worden. Eine Unwichtigkeit des Lebens ohne besonderen Inhalt. Eigenartig, sich darüber Gedanken zu machen.

Gloria de Vries verrührte das braune Kandisstückchen im Tee, horchte auf dessen helle Laute, als es gegen die zarte Porzellantasse trieb – und sah immer noch auf das helle Kuvert.

»Bring etwas Zeit mit«, hatte Henry Kröger gesagt, als er sie zu einem weiteren Termin in seine Kanzlei gebeten hatte. Und genau diese Worte wiederholte er jetzt als Frage:

»Hast du etwas Zeit mitgebracht, mein Kind?«

Und während sie dies lächelnd bestätigte, trat wieder das Prüfende in seinen Blick.

»Fühlst du dich auch ein wenig entspannter als noch vor Wochen?«, forschte er weiter, sich unsicher fragend, ob der heutige Zeitpunkt für eine höchst brisante Mitteilung richtig gewählt war.

»Ja, sicher …« Unruhe trat in Glorias Blick. Was, um alles in der Welt, gab es noch, welches den Tod ihrer geliebten Mama noch übertreffen konnte an Schwere und Schmerz?

Erstaunt erkannte sie eine Mischung aus Unsicherheit und Zweifel im Verhalten des sonst so lebenssicheren Beraters und Freundes. So sah sie, wie er sich nervös erhob, ein eleganter schlanker Herr im feinen blauen Nadelstreifenanzug, der scheinbar jeder Lebenssituation gewachsen war. Jetzt aber schien er um Worte zu ringen.

»Onkel Henry, geht es immer noch um das Erbe?«

»Nein, nein, mein Kind, das geht alles seinen Gang«, winkte er ab. »Ich habe noch eine ganz andere Mission zu erfüllen.« Er nahm wieder Platz, und sein Blick richtete sich nun gezielt auf den hellen Umschlag. Auf dieses schwerwiegende Geständnis, welches seit nunmehr fünf Jahren in seinem Tresor lag, als sei es nur hinter gepanzerten Wänden gut aufgehoben.

An meine Tochter Gloria, stand darauf und dazu das Datum der Abfassung. Weiter unten der Vermerk: Spätestens nach meinem Tode auszuhändigen.

Seine Hände zogen das letzte Vermächtnis Elise de Vries’ zu sich heran, strichen nachdenklich darüber hin. Warum war es so schwer, Wahrheiten auszusprechen, welche unbedingt ausgesprochen werden mussten?

»Onkel Henry?«, fragte Gloria de Vries irritiert, auf den unspektakulären Umschlag sehend, der so wenig schicksalsschwer aussah. »Geht es um etwas Unangenehmes?«

»Wie?« Dr. Kröger schreckte auf, und sein heller Blick pendelte zwischen ihr und dem Brief ihrer Mutter. »Unangenehm?«, wiederholte er ihre Frage und bewegte leicht den Kopf. »Nein, es geht um ein grundsätzliches Wissen, um Identitäten und Lebenswurzeln, wie sie jeder kennen sollte, um sich selbst zu begreifen.«

Seine Stimme klang nachdenklich, und sein vornehmes Altherrengesicht überzog sich mit großem Ernst.

»Du machst mich neugierig, Onkel Henry. Wessen Lebenswurzeln müsste ich denn kennenlernen? Denn meine eigenen sind doch recht klar – oder?«

Gloria neigte sich etwas vor, zunehmend beunruhigter und den so unschuldig wirkenden Umschlag plötzlich als Bedrohung empfindend.

Henry Kröger, welcher sich eine Weile überlegt hatte, ob er seiner jungen Mandantin den Inhalt des Briefes nahebringen sollte, indem er ganz bestimmte Wahrheiten aussprach, entschied sich ganz plötzlich anders.

Diese junge Frau war kein Kind mehr und wollte so auch ganz sicher nicht behandelt werden.

So schob er ihr mit einem etwas zwanghaften Lächeln den hellen Umschlag entgegen und sagte:

»Liebe Gloria, lies erst einmal, was deine Mutter dir zu sagen hat. Wir reden dann darüber …«

Das helle Rechteck kam auf sie zu. Seine optische Makellosigkeit, verbunden mit der geradlinigen Schrift ihrer Mutter Elise.

Alles an diesem Umschlag wirkte klar – so klar, wie auch der Mensch Elise zu Lebzeiten gewirkt hatte – nämlich aufrichtig und zu keinen Geheimnissen fähig. Dann hielt sie das leichte Kuvert in der Hand und las nun aus nächster Nähe:

An meine Tochter Gloria und weiter unten den Vermerk: Spätestens nach meinem Tode auszuhändigen.

Sie sah eine ganze Weile darauf, starr vor Trauer und Betroffenheit, bevor sie bewusst das beigefügte Datum registrierte.

Ihr Blick fuhr hoch. »Der Brief ist fünf Jahre alt, Onkel Henry! Und er wurde am Todestag meines Vaters geschrieben! Was hat das zu bedeuten?«

Der notarielle Freund und Vertraute ihrer Familie nickte. »Ja, ich weiß, mein Kind. Erst an diesem Tag war es deiner Mutter möglich, Wahrheiten aufzuzeigen, welche dein Vater längst für überholt hielt.«

»Das klingt alles sehr geheimnisvoll, Onkel Henry.« Ein Gefühl von Unbehagen beschlich die junge Frau. Dann aber sah sie sein zuversichtliches Lächeln. Und in diesem Wissen, dass er gemeinsam mit ihr diesen Weg beschritt, öffnete sie im raschen Entschluss das Briefsiegel und entnahm dem Umschlag einen handgeschriebenen Brief ihrer Mutter.

Und während sie ihn mit klopfendem Herzen entfaltete, begegnete ihr auch hier das klare, geradlinige Schriftbild Elises. Ein Schriftbild, das besagte, dass diese Zeilen nichts Schockierendes enthalten konnten.

So dachte Gloria noch, als sie das Vermächtnis ihrer Mama zu lesen begann und sich schlagartig die klare Ordnung ihres bisherigen Lebens mit Unsicherheit auflud.

Meine liebe Gloria, stand dort, wenn Du diese Zeilen liest, dann wird es mich wahrscheinlich nicht mehr geben. Es sei denn, ich bringe zuvor den Mut auf, Dich mit einer Wahrheit zu konfrontieren, die Dich nicht nur erstaunen wird, sondern auch wundern – vielleicht sogar schmerzen. Aber ich denke, Du solltest Deine wirklichen Wurzeln kennen, wie jeder Mensch sie kennen sollte.

So lass Dir denn sagen, dass Albert de Vries nicht Dein leiblicher Vater ist. Und doch war er mehr Dein Vater, als ein leiblicher es je hätte sein können. Denn er übernahm freiwillig diese Aufgabe. In ihm verband sich Großzügigkeit mit Liebe und menschliches Verständnis mit grenzenloser Herzenswärme.

So warst Du sein ganzer Stolz, sein Lebensinhalt und auch seine Lebensleistung – aber ich denke, das weißt du.

Gloria ließ das schicksalhafte Geständnis ihrer Mutter sinken und blickte maßlos betroffen Henry Kröger an. Jenen still abwartenden Freund und Berater, dem sicherlich nichts Menschliches fremd war.

»Albert de Vries war nicht mein leiblicher Vater, Onkel Henry … Wusstest du das?«

»Ja, mein Kind.«

»Aber wieso erfahre ich das erst heute? Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt – und somit seit Langem erwachsen. Sollte man nicht bei einem Menschen dieses Alters Verständnis für menschliche Lebensläufe voraussetzen können?«

Mit zunehmender Betroffenheit erhob sich Gloria jetzt und ließ den halb gelesenen Brief auf dem Tisch zurück. Trat dann an eines der hohen Fenster, welche zur Außenalster hinausgingen. Boote glitten auf dem glänzenden Wasser dahin, traumschön und voller Harmonie.

Noch wusste sie nicht, was sie mehr schockierte: War es die Tatsache, dass ihr geliebter Vater nicht ihr Vater gewesen war – oder aber die lange Zeit des Verschweigens?

Henry Kröger erhob sich nun ebenfalls.

»Weißt du, mein Kind, die Angelegenheit ist komplizierter, als du ahnst. So gibt es Versprechen, welche einen hohen moralischen Wert und bindenden Charakter besitzen. Albert de Vries war dein Vater mit allen rechtlichen Konsequenzen geworden – und er wollte diese Tatsache auch für alle Zeit so behandelt wissen. Deine Mutter hat sich daran gehalten.«

»O bitte, Onkel Henry!« Glorias blonder Kopf flog zu ihm herum. »Papa ist seit fünf Jahren tot – und damit so lange, wie diese Zeilen auf Offenlegung warten!« Ihre blauen Augen sprachen von Unverständnis.

»Komm, nimm wieder Platz, mein Kind, ich werde versuchen, dir die ganze Geschichte nahezubringen.« Der lebenserfahrene Mann griff nach ihrem Arm und führte sie zurück zu jenem Tisch, auf dem der Brief noch immer lag und wartete.

»Deine Mama jobbte als blutjunge Studentin im Kunsthaus de Vries, als sie von einem Mann aus dem Hochadel schwanger wurde«, berichtete Henry Kröger. »Seinen Namen wirst du den Zeilen vor dir entnehmen können. Von vornherein war es eine Beziehung ohne Zukunft.«

Er begann nun in groben Umrissen eine Situation zu skizzieren, die kompliziert war und die man sich so keinesfalls aussuchte: Ein verheirateter Fürst mit einer kränklichen Ehefrau. Bedrängt von den Zwängen seines Standes und einem großen Gefühl. Eine junge Frau, die die Ehe nicht zerstören wollte – und sich zurückzog, als sie merkte, dass ihre Liebe zu dem zärtlichen Fürsten nicht ohne Folgen geblieben war.

»Albert de Vries. Er war damals doppelt so alt wie deine schöne Mama – und er war Junggeselle. Dazu war er ein integerer und liebenswürdiger Mensch. Dass er außerdem noch ein erfolgreicher Geschäftsmann war, sicherte in der Folge nicht nur den Lebensweg deiner Mutter ab, sondern auch den deinen.«

»Also eine Vernunftehe?«, fragte Gloria sachlich.

»Nein, das würde ich so nicht sagen. Albert de Vries war zwar sehr viel älter als deine Mama, aber er besaß Charme und Esprit – gekoppelt mit einem guten Aussehen.«

Bewusst ließ sich Henry Kröger viel Zeit mit seiner Sicht der Dinge. Er war um Entspannung bemüht und stellte fest:

»Die Ehe deiner Eltern war doch sehr glücklich, nicht wahr?« Sein Lächeln traf sie und erwartete eine Bestätigung.

Gloria nickte nachdenklich. Bilder tauchten in ihrer Erinnerung auf, die von großer Harmonie sprachen. Ja, sie hatte eine wunderbare Kindheit gehabt, eine sorgenfreie Jugend und glückliche Studienzeit.

Und doch! Man hatte sie bis heute um gravierende Wahrheiten gebracht! Um ihre väterliche Herkunft! Das war unverzeihlich und warf einen Schatten auf diese wunderbaren Eltern. Auf diesen liebenswerten Ersatzvater – und auf eine Mutter, welche sich offensichtlich seinem Diktat gebeugt hatte.

Still fragte sich Gloria, wie lange sie wohl noch auf diese Aufdeckung hätte warten müssen, wenn die Mutter nicht auf so tragische Weise bei einem Autounfall ums Leben gekommen wäre?

Erst mit ihrem Tod war für den Anwalt und Notar Dr. Henry Kröger der Zeitpunkt gekommen, ihr, Gloria, das späte Geständnis auszuhändigen – dem Willen der Mutter entsprechend, aber nicht dem ihres Ersatzvaters.

Zunehmend begann sie mit Abstand an ihn zu denken, enttäuscht über seinen Besitzanspruch. Tat das ein wirklich großzügiger Mensch?

»Weißt du, Onkel Henry, es ist schon eigenartig, so um eine längst fällige Wahrheit betrogen worden zu sein.« Gloria lachte bitter auf. »Und ausgerechnet meine Eltern haben mich stets zur Offenheit angehalten. Ich sollte durchsichtig für sie bleiben, während sie sich selbst ganz andere Regeln setzten.«

Henry Kröger wirkte nachdenklich. »Manchmal sind es die menschlichen Urängste in uns, Geliebtes zu verlieren«, sinnierte er. »Wobei die verschwiegenen Gründe deiner Mutter noch etwas anders gelagert sein könnten.« Er deutete auf den Brief. »Vielleicht solltest du erst einmal weiterlesen, mein Kind.«

Aufmunternd nickte er ihr zu. »Hol dir die Antwort und sei offen für die Tatsache, dass es da noch einen Menschen gibt, der dir auf einer ganz bestimmten Ebene sehr nahe steht.«

So nahm Gloria schließlich die späte Beichte ihrer Mutter wieder auf und las:

Dein leiblicher Vater ist Carl-Philipp Fürst zu Thornbach und Seeland. Ein Mann aus dem Hochadel und aus einem ebenso bekannten wie hoch angesehenen Geschlecht in Schleswig-Holstein. Schloss Thornbach liegt in der Holsteinischen Schweiz, jener bezaubernden Landschaft um den Plöner See herum. Und so besonders wie diese Landschaft ist auch Dein Vater. Eine Durchlaucht von großer Noblesse, integrem Charakter und weltmännischer Ausstrahlung.

Gloria verzog das Gesicht. Direkt peinlich, wie beeindruckt ihre Mama von diesem Mann immer noch gewesen war. Hochadel, integrer Charakter, mein Gott! Dieser Herr aus höchsten Kreisen verführte kleine Studentinnen und zeugte außereheliche Kinder!