1,99 €
Eine Frau wird Häuptling – sie entscheidet den Kampf zwischen den Stämmen Die junge „Lone Eagle Woman“ lebt als Adoptivtochter eines Kriegshäuptlings im Stamme der Crow. Sie liebt die Dinge, die eigentlich Sache der Männer sind: die Jagd und das Kämpfen. Ihr größter Wunsch ist es, selbst einmal Häuptling zu werden. Und ihr Wunsch soll in Erfüllung gehen: als Woman Chief geht sie in die Geschichte des amerikanischen Westens ein. Mara Laue hat mit diesem Roman einen außergewöhnlichen Western geschaffen, die Geschichte einer historischen Persönlichkeit, erzählt ohne Klischees und Vorurteile. Ein deutscher Western nach historischen Ereignissen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2023
Woman Chief
Mara Laue
Impressum
Copyright: Novo-Books im vss-verlag
Jahr: 2023
Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt
Covergestaltung: Armin Bappert
Verlagsportal: www.novobooks-de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlagesunzulässig
1831
Edwin Thompson Denig hielt in seiner Arbeit inne und blickte sich unauffällig um. Sein geschärfter Instinkt, den er sich durch die Jahre als Trapper in der Wildnis erworben hatte, sagte ihm, dass er und seine Kameraden beobachtet wurden. Doch so sehr er sich auch bemühte, die Ursache dafür zu finden, er konnte nichts erkennen. Der nahe Waldrand wirkte unberührt und friedlich wie zuvor. An den Büschen rings herum regte sich kein Blatt, und kein erschrocken auffliegender Vogel verriet irgendetwas Ungewöhnliches.
Dennoch war da jemand, lauerte im Verborgenen und beobachtete die Männer.
*
Lone Eagle Woman lag reglos im Gebüsch und beobachtete die weißen Männer, wie sie unermüdlich Bäume fällten, entrindeten und zersägten. Sie schlugen dabei wahllos jeden Baum, ohne Rücksicht darauf, ob er bereit war, gefällt zu werden. Sie wussten nichts von der Seele der Bäume oder des Landes. Sie waren dumm und arrogant, was auch darin zum Ausdruck kam, dass sie bei ihrer Arbeit einen solchen Lärm verursachten, dass man sie sogar auf der anderen Seite des Waldes hören konnte. Dadurch war Lone Eagle, die sich wie immer allein auf der Jagd befand, überhaupt auf sie aufmerksam geworden.
Die Weißen dort unten am Fluss hatten nicht einmal Wachen aufgestellt, eine leichtsinnige Sorglosigkeit, die sie unter Umständen das Leben kosten konnte. Dennoch war an diesen Menschen, die so bleich wie Geister aussahen, etwas Besonderes, eine Magie, die die Crow nicht kannten und die sie sich auch nicht erklären konnten.
Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb sie hier in deren Gebiet einen ihrer befestigten Außenposten errichteten, die sie Forts nannten, ohne an die möglichen Folgen zu denken. Sicherlich vertrauten sie darauf, dass ihre geheimnisvolle Medizin sie schützte. Immerhin zeigten sie Verstand genug, sich einen guten Platz dafür zu wählen, nämlich an der Stelle, wo der Rosebud-Fluss in den großen Strom mündete, der bei ihnen Yellowstone River hieß.
Lone Eagle zählte achtundzwanzig Männer, doch keiner von ihnen trug die Uniform der weißen Soldaten, was darauf schließen ließ, dass sie kein Kriegslager errichteten, sondern eine ihrer Siedlungen. Trotzdem konnten die Crow das nicht einfach so hinnehmen. Dies waren ihre Jagdgründe, und sie hatten sie den Weißen nicht überlassen.
Einer von ihnen hielt in seiner Arbeit inne und ließ seinen Blick über den Waldrand schweifen, als suchte er etwas. Lone Eagle glaubte für einen Moment, dass er sie entdeckt hatte und schloss die Augen, um seine Magie nicht auf sich zu ziehen. Als sie sie wieder öffnete, schaute der Mann längst in eine andere Richtung.
Lone Eagle kroch langsam, ohne sich durch ein verdächtiges Geräusch oder die Bewegung eines Zweiges zu verraten, zurück zu ihrem Pferd, das sie weit genug entfernt an einen Baum gebunden hatte. Der Stamm musste so schnell wie möglich von den Eindringlingen erfahren.
*
„Hey Ed!“ John Carters Stimme riss Denig aus seinen Gedanken. „Du bist doch nicht etwa schon müde? Wir haben noch nicht einmal Mittag.“
„Ich bin nicht müde. Ich habe nur das Gefühl, dass wir beobachtet werden.“
Carters Hand zuckte zu dem Revolver, den er stets bei sich trug. Aufmerksam blickte er sich um.
Denig schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass wir unmittelbar in Gefahr sind. Wer immer uns beobachtet, ist wahrscheinlich allein. Sonst hätten wir schon längst irgendwelche warnenden Zeichen durch Vögel oder andere Tiere erhalten. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein.“
„Meines Wissens befinden wir uns hier nicht auf Indianergebiet“, sagte Carter.
Denig zuckte mit den Schultern. „Das kann man nie wissen. Die Indianer in diesem Gebiet sind Nomaden. Die stecken keine Grenzen ab wie wir. Man kann also nicht genau sagen, wo ein Gebiet endet, das sie als ihre rechtmäßigen Jagdgründe betrachten. Aber ich werde mich sicherheitshalber mal umsehen.“
„Gute Idee“, stimmte Carter zu. „Und wenn du schon mal dabei bist, kannst du ja was für unser Mittagessen schießen.“
„Wenn es sich ergibt.“
Denig nahm sein Gewehr und verließ den Bauplatz. Wenige Augenblicke später war er im Wald verschwunden. Er hatte keinen Anhaltspunkt, wo er nach Spuren suchen sollte, die einen Hinweis darauf gaben, von wo aus man sie beobachtet hatte oder ob überhaupt jemand in der Nähe gewesen war. Deshalb umkreiste er die Baustelle systematisch in einer immer größer werdenden Spirale und fand schließlich, wonach er suchte.
Hinter einem Gebüsch, von wo aus man einen guten Blick auf das Lager hatte, war das Moos auf dem Boden leicht eingedrückt. Hier hatte jemand eine gewisse Zeit gelegen und die Männer beobachtet. Nach dem zu urteilen, wie stark das Moos immer noch niedergedrückt war, konnte das noch nicht lange her sein. Denig folgte der kaum sichtbaren Spur, die von dem Platz wegführte und kam kurze Zeit später zu der Stelle, an der ein Pferd gestanden hatte. Dessen Spuren führten nach Süden.
Der Beobachter war also nur ein einzelner Späher gewesen. Und der war bereits unterwegs, um seinen Stamm zu benachrichtigen. Die Leute am Bauplatz würden also in absehbarer Zeit Besuch bekommen. Die Frage war nur: von wem? Auf dem Präriegebiet, das allgemein als die Great Plaines bekannt war, tummelten sich viele Indianerstämme: Sioux, Crow, Shoshone, Blackfeet, Assiniboine, Arapahos und Cheyenne.
Denig konnte nur hoffen, dass der Stamm, der sich in der Nähe des Bauplatzes befand, den Weißen freundlich gesinnt war.
Lone Eagle betrat das Zelt ihres Adoptivvaters Sharp Knife. Der alte Krieger und Kriegshäuptling schmunzelte, als er sah, dass sie ohne Beute kam.
„Hat sich das Wild vor dir versteckt, meine Tochter?“, neckte er. „Oder haben die Geister es entführt, da du ohne Beute heimkehrst?“
Lone Eagle war nicht nach Scherzen zumute. „Nein, Vater. Ich habe weiße Männer gesehen. Sie bauen eine Siedlung an der Flussmündung.“
Sharp Knife wurde augenblicklich ernst. „Soldaten?“
„Keine Soldaten. Aber sie sind trotzdem gut bewaffnet.“
Sharp Knife überdachte das. Die Weißen kamen immer zahlreicher ins Land. Sie bauten Siedlungen, Kriegslager und veränderten das Gesicht der Erde, indem sie tiefe Furchen hineingruben und Wälder lichteten. Das war nicht gut. Auf der anderen Seite brachten sie aber auch Dinge mit, die die Crow gut gebrauchen konnten: scharfe Klingen aus Metall, Gewehre und eiserne Töpfe, die nahezu unzerstörbar waren. Nicht zuletzt wegen dieser Dinge zogen es die Crow vor, mit den Weißen in Frieden zu leben. Trotzdem konnten sie nicht dulden, dass die sich unerlaubt in ihrem Gebiet breitmachten.
„Ich werde mit den Häuptlingen darüber sprechen“, entschied er und ging wenig später ins Ratszelt, um sich mit den Häuptlingen zu beraten.
Lone Eagle verließ das Lager erneut, um ihre Jagd fortzusetzen, die durch ihre Entdeckung unterbrochen worden war. Obwohl Sharp Knife nur gescherzt hatte, als er ihr mangelnden Jagderfolg vorwarf, nahm sie sich das doch zu Herzen. Sie hatte lange gebraucht, um sich den Ruf als Jägerin zu verdienen, den sie im Stamm genoss, und konnte es sich nicht leisten, ohne Beute heimzukehren.
Genau genommen hatte sie großes Glück gehabt, von einem Mann wie Sharp Knife gefangen worden zu sein, damals vor sechzehn Sommern, als die Crow das Lager der Gros Ventre überfielen, zu denen Lone Eagle ursprünglich gehörte, und Pferde, Frauen und Kinder stahlen. Sie war zu dem Zeitpunkt bereits Waise und hatte keine Angehörigen mehr außer ihrer Großmutter, die inzwischen ebenfalls gestorben war. In Anbetracht dessen war es ihr nicht schwergefallen, sich bei den Crow einzuleben.
Sharp Knife hatte es ihr leicht gemacht. Von Anfang an hatte der Kriegshäuptling und erfahrene Pfeilmacher sie wie eine Tochter behandelt und sie darin unterstützt, eine Jägerin zu werden, nachdem er ihr Interesse dafür bemerkt hatte. Lone Eagle hätte es nicht besser treffen können. Sie liebte Sharp Knife schon lange, als wäre er ihr leiblicher Vater. Trotzdem vertrug sie nur schlecht, wenn er sie wegen mangelnder Jagdbeute neckte. Schließlich erlegte sie bei jeder Büffeljagd im Herbst die meisten Tiere, seit sie zum ersten Mal im Alter von fünfzehn daran hatte teilnehmen dürfen. Inzwischen versorgte sie weitgehend allein Sharp Knifes Familie mit Fleisch.
Sie war tüchtig und in allem bewandert, was eine Frau können musste. Trotzdem interessierte sich kein Mann für sie. Red Fox, ihr alter Freund aus Kindertagen, von dem der ganze Stamm geglaubt hatte, dass er Lone Eagle eines Tages heiraten würde, hatte ihr den Grund dafür genannt. Er war der einzige Mann gewesen, der sie je zu einem Stelldichein eingeladen hatte, getarnt als das Sammeln von wildem Rhabarber, wie es bei den Crow üblich war. Lone Eagle hatte so sehr gehofft, dass er ihr an jenem Tag einen Heiratsantrag machen würde. Doch er hatte ihr nur mitgeteilt, dass es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben würde. Lone Eagle hatte ihn tief verletzt gefragt, warum er sie nicht wollte.
„Ich bin der beste Jäger des Stammes“, hatte sie zu ihm gesagt. „Und ich kann genauso gut kämpfen wie jeder Mann. Ich bin nicht schlechter als ihr.“
„Nein“, hatte Red Fox mit einem Anflug von Trauer zugestimmt. „Im Gegenteil. Du bist besser als jeder Mann des Stammes.“ Danach hatte er sich wortlos umgedreht und war gegangen.
Doch mit diesen wenigen Worten hatte er das Problem auf den Punkt gebracht. Weil Lone Eagle besser war als die Männer, wollte keiner sie zur Frau, denn keiner hätte es ertragen können, dass seine Frau eine bessere Jägerin und Kriegerin war als er selbst. Das galt ganz besonders für Red Fox, den besten Krieger des Stammes – nach ihr. Inzwischen war er mit einer anderen Frau verheiratet und hatte drei Kinder.
Das macht nichts, sagte sich Lone Eagle immer wieder. Ich werde sogar noch weiter aufsteigen. Eines Tages werde ich Häuptling sein und im Rat sitzen!
Als sie an diesem Abend von der Jagd nach Hause kam, brachte sie drei Rehe, vier Präriehühner und acht Hasen als Beute nach Hause.
*
„Wir bekommen Besuch!“
Auf Edwin Denigs Warnung ließen die Männer alles stehen und liegen und griffen zu ihren Waffen. Vom Wald her näherte sich eine zwölfköpfige Gruppe Indianer zu Pferd. Sie ritten langsam, trugen offenbar ihre beste Kleidung und machten einen würdevollen Eindruck.
„Crow“, stellte Denig fest. „Aber sie tragen keine Kriegsbemalung.“
„Das will nicht unbedingt was heißen“, brummte William O’Brian, ein vollbärtiger Ire mit feuerrotem Haar. „Wenn die angreifen wollen, kündigen sie das nicht zwangsläufig vorher durch Kriegsbemalung an.“
O’Brians Meinung über Indianer war nicht die beste, was wahrscheinlich daran lag, dass er sie nur aus wilden, durch den Genuss von Whiskey und Bier stark übertriebenen Berichten aus zweiter Hand kannte.
„Du würdest dich wundern, wie stark ihr Ehrgefühl ist, O’Brian“, korrigierte Denig, ließ die heranreitenden Crow aber trotzdem nicht aus den Augen. „Wenn ein Indianer zum Beispiel sein Wort gibt, hält er sich strikter daran als die meisten Weißen, die ich kenne.“
„Ja, und Ausnahmen bestätigen die Regel“, knurrte O’Brian und packte sein Gewehr fester.
Die Indianer hielten in einigem Abstand von den Männern an. Ihr Anführer, ein älterer Krieger im Häuptlingsschmuck, hob grüßend die Hand.
John Carter grüßte ebenso zurück. „Gehen wir ihm entgegen“, entschied er. „Sprichst du ihre Sprach, Ed?“
„Ein bisschen. Wenn wir Glück haben, spricht einer von ihnen auch ein ebensolches bisschen Englisch.“
Er folgte Carter. Man traf sich auf halber Höhe zwischen den beiden Gruppen, tauschte die üblichen Grüße und Höflichkeiten aus und ließ sich schließlich gemeinsam auf einer Büffeldecke nieder. Zu Carters und Denigs Erleichterung gab es bei der Verständigung keine Schwierigkeiten. Was Denig an Ausdrücken in der Sprache der Crow fehlte, konnten sie durch die unter Indianern und Pelzhändlern allgemein gebräuchliche Zeichensprache ausgleichen.
„Wir kommen in Frieden“, versicherte Denig. „Wir sind Mitglieder der American Fur Trading Company und wollen Handel treiben. Handel mit Pelzen.“
„Wozu müsst ihr euer Lager befestigen, wenn ihr friedliche Händler seid?“, fragte der Häuptling, der sich als Sharp Knife vorgestellt hatte.
„Nicht jeder ist uns so freundlich gesinnt wie ihr“, schmeichelte Carter. „Und die Pelze haben einen großen Wert. Wir schützen sie damit gegen mögliche Diebe.“
Der Häuptling schien noch nicht von der Harmlosigkeit der neuen Nachbarn überzeugt zu sein. „Menschen, die in friedlicher Absicht kommen, bauen keine Häuser in den Jagdgründen anderer Menschen.“
„Das Land war leer, als wir kamen“, stellte Denig richtig. „Wir fanden weit und breit keine Besitzer oder Spuren von möglichen Besitzern. Deshalb glaubten wir, dass es niemandem gehört.“
„Da diese Annahme offensichtlich falsch war“, warf Carter ein, „sind wir gern bereit, euch dafür zu entschädigen, wenn wir bleiben dürfen. Darüber hinaus hoffen wir, mit euch guten Handel treiben zu können.“
„Darüber müssen wir beraten“, sagte Sharp Knife. „Doch bis zu unserer Entscheidung, könnt ihr bleiben.“
Damit waren die Verhandlungen vorläufig zu Ende, und beide Parteien kehrten nach einem Austausch von Geschenken zu ihren Leuten zurück.
Denig fiel auf, dass sich unter den Crow eine Frau befand. Im Gegensatz zu den Indianerfrauen, denen er bisher begegnet war, hielt sie sich nicht abseits von den Männern, sondern war mitten unter ihnen. Am Sattel ihres Pferdes hingen ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen, und in der Hand hatte sie ein Gewehr. Die Art, wie sie es hielt, zeugte davon, dass sie sehr wohl damit umzugehen verstand. Denig hatte zwar schon gehört, dass es unter den Indianern auch vereinzelte Jägerinnen und sogar Kriegerinnen geben sollte, aber er war bis heute noch keiner begegnet.
Die Frau war für eine Crow überraschend hübsch, und Denig lächelte ihr zu. Sie erwiderte sein Lächeln nicht, sondern sah ihn nur gelassen an, ehe sie ihr Pferd wendete und mit den anderen wegritt.
„Was glaubst du, wie sie entscheiden, Ed?“, fragte Carter.
Denig zuckte mit den Schultern. „Das kann man nie vorhersagen. In jedem Fall wird es ein paar Tage dauern, bis sie zu einem Entschluss kommen.“
„Und was tun wir, falls sie sich entscheiden, dass sie uns hier nicht haben wollen?“
„In dem Fall, John, schlage ich vor, dass wir ohne Kommentar oder gar Gegenwehr wieder von hier verschwinden. Die Crow sind ausgezeichnete Krieger. Außerdem sind wir nur achtundzwanzig. Selbst mit einem befestigen und komplett fertiggestellten Fort könnten wir nichts gegen sie ausrichten. Und in einem noch nicht einmal halb fertigen erst recht nicht.“
John Carter sah ein, dass Denig recht hatte. „Dann hoffen wir mal, dass sie uns bleiben lassen. Sonst war alle Arbeit vergebens.“
*
Lone Eagle durfte als Frau nicht an der Ratsversammlung der Häuptlinge teilnehmen. Doch sie hatte ihre eigene Methode, ihr dennoch beizuwohnen. Seit sie das erste Mal im Alter von gerade zwölf Jahren zusammen mit einigen Jungen, die ebenfalls lange Ohren machen wollten, wenn der Rat zusammenkam, dabei erwischt worden war, hatte sie im Gegensatz zu ihnen eine Taktik gefunden, um einer erneuten Entdeckung und der unweigerlich folgenden Vertreibung zu entgehen.
Sie legte sich in einem unbeobachteten Moment neben das Ratszelt nieder, hob vorsichtig einen Teil der schweren Zeltbahn aus gegerbter Büffelhaut an, die in einem langen Lappen auf dem Boden lag und im Winter mit Steinen beschwert wurde, und rollte sich darunter. So war sie von außen wie von innen gleichermaßen unsichtbar und konnte alles hören, was die Häuptlinge besprachen.
Ich muss erfahren, wie sie reden und verhandeln, rechtfertigte sie ihr Lauschen vor sich selbst. Wenn ich eines Tages selbst Häuptling sein werde, muss ich wissen, wie ich mich zu benehmen habe, damit sie nicht über meine Unwissenheit lachen.
Doch im Moment wollte sie nur in Erfahrung bringen, was der Rat in Bezug auf die Trapper entschied.
Sharp Knife sprach zuerst, nachdem die heilige Pfeife herumgereicht worden war und jeder sie geraucht hatte.
„Weiße Männer sind in unser Land gekommen“, erklärte er den Häuptlingen, die nicht mit beim Fort gewesen waren. „Sie bauen ein Fort. Sie sagen, dass sie Jäger und Händler sind und wollen in Frieden mit uns leben. Sie bitten darum, ihr Großes Haus auf unserem Land bauen und bleiben zu dürfen.“
Er schwieg und gab den Häuptlingen Zeit, darüber nachzudenken und sich ihre Meinung zu bilden.
„Weiße bringen den Menschenwesen nicht nur Gutes“, sagte White Hawk, einer der Ältesten nach einer langen Zeit des Schweigens. „Ich habe gehört, dass sie sich immer mehr nehmen, sobald sie einmal einen Teil von etwas bekommen haben. Heute bitten sie nur darum, auf einem kleinen Stück Land bleiben zu dürfen. Morgen werden sie ihre steinernen Häuser auf immer mehr Land bauen und immer weiter in unsere Jagdgründe eindringen. Sie in unserer Nähe zu haben, halte ich nicht für gut.“