Workbook Change Management - Dietmar Vahs - E-Book

Workbook Change Management E-Book

Dietmar Vahs

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Beschreibung

Für alle, die mit der Planung und Durchführung von Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen zu tun haben, ist dieses Buch der optimale Begleiter! Wie sieht ein typischer Veränderungsprozess aus? Die Autoren zeigen es und stellen alle wichtigen Instrumente des Change Managements vor. Ein durchgehendesBeispiel - das Musterunternehmen Speedy GmbH - veranschaulicht, wie die Instrumente in der Praxis umgesetzt werden: von der Vorbereitung über die Analyse- und Planungsphase bis zu den Instrumenten für die Erfolgskontrolle. So finden Praktiker für jede Phase des Wandels die passenden Werkzeuge. Für die Neuauflage wurden neue Beispiele integriert, die helfen, die Brücke zur Praxis zu schlagen.

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[5]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorwort der Verfasser1 Change Management – Grundlagen erfolgreichen Unternehmenswandels1.1 Formen des Unternehmenswandels1.2 Was heißt »Change Management«?1.3 Erfolgsfaktoren des Unternehmenswandels1.4 Phasen von Change-Prozessen1.5 Vorstellung des Referenzunternehmens Speedy GmbH2 Grundlagen und Vorbereitung – Instrumente2.1 Organisation2.2 Auftrag und Auftragsklärung2.3 Berater auswählen2.4 Beratungsprozess2.5 Betriebsrat/Personalrat2.6 Change-Manager2.7 Change-Team2.8 Problembewusstsein schaffen2.9 Projektorganisation2.10 Unternehmenskultur2.11 Unternehmenskultur verändern3 Analyse und Diagnose – Instrumente3.1 Analyse der Strategie3.1.1 Benchmarking3.1.2 Delphi-Technik3.1.3 Kundenbefragung3.1.4 SWOT-Analyse3.1.5 Umweltanalyse3.1.6 Wertkettenanalyse3.2 Analyse des kulturellen Systems3.2.1 Diagnose3.2.2 Kraftfeldanalyse3.2.3 Leitbild3.2.4 Mitarbeiterbefragung3.2.5 Risikoanalyse 3.2.6 Stakeholder-Analyse3.2.7 Stakeholder-Dialog3.2.8 Systemische Fragen3.2.9 Unternehmenskultur analysieren3.2.10 Werte3.3 Analyse des technisch-organisatorischen Systems3.3.1 Ablaufdiagramm3.3.2 Arbeitsanalyse3.3.3 Aufgabenanalyse3.3.4 Due Diligence3.3.5 Ereignisgesteuerte Prozesskette3.3.6 Organigramm3.3.7 Prozessanalyse3.3.8 Stellenbeschreibung4 Konzepterarbeitung und Planung – Instrumente4.1 Balanced Scorecard4.2 Gremienlandschaft4.3 Interventionen auswählen4.4 Interventionsarchitektur und -design4.5 Kommunikationsmatrix4.6 Pay-off-Matrix4.7 Regelkommunikation4.8 Top-down- und Bottom-up-Strategie4.9 TPC-Matrix4.10 Veränderungslandkarte5 Implementierung und Umsetzung – Instrumente5.1 Training und Partizipation5.1.1 Action-Learning5.1.2 Erfahrungsaustausch5.1.3 Führungskräftekonferenz5.1.4 Moderation5.1.5 Open Space5.1.6 Personalentwicklung5.1.7 Teamentwicklung 5.1.8 Townhall-Meeting5.1.9 Work-out5.1.10 Zukunftskonferenz5.2 Informations- und Kommunikationspolitik5.2.1 Appreciative Inquiry5.2.2 Away Day5.2.3 Betriebsversammlung5.2.4 Chat5.2.5 E-Mail5.2.6 Frequently Asked Questions (FAQ)5.2.7 Hotline5.2.8 Informationsmarkt5.2.9 Kommunikation5.2.10 Lernlandkarte5.2.11 Lunch & Talk5.2.12 Mitarbeiterzeitschrift5.2.13 Newsletter5.2.14 World Café5.2.15 Yellow Pages5.2.16 Social Media5.3 Commitment und Ziel-/Zeitvorgaben5.3.1 Abmahnung5.3.2 Aufgaben und Rollen5.3.3 Führungskräfte und ihre Aufgaben5.3.4 HR-Instrumente anpassen5.3.5 Kündigung5.3.6 Rituale5.3.7 Versetzung5.4 Auftreten von Opponenten und Konflikten5.4.1 Resistance Radar5.4.2 Widerstand6 Kontrolle und Verbesserung – Instrumente6.1 Controlling6.2 Debriefing6.3 Kaizen 6.4 Six SigmaAutorenStichwortverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-4697-6

Bestell-Nr. 20605-0002

ePub:

ISBN 978-3-7910-4699-0

Bestell-Nr. 20605-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-4698-3

Bestell-Nr. 20605-0151

Dietmar Vahs / Achim Weiand

Workbook Change Management

3. Auflage, Juni 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © 32 pixels, shutterstock

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Lektorat: Michael Bauer, Mainz

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[9]Vorwort der Verfasser

»Change Management« ist für viele Menschen zu einer Art »Zauberwort« geworden, das – je nach persönlichem Erfahrungshintergrund – mit positiven oder negativen Erwartungen erfüllt ist. Während die einen glauben, dass es für geplante Veränderungen einen »one best way« gibt, sehen die anderen den Unternehmenswandel als einen äußerst individuellen und nur in Teilen planbaren Prozess an, der im betrieblichen Alltag vielfältigen Einflüssen und Belastungen ausgesetzt ist. Damit wird die tiefgreifende Veränderung zu einem Zustand, der immer sowohl Ängste als auch Hoffnungen beinhaltet. Wandel ist also für alle Beteiligten ein sowohl risiko- als auch chancenreiches Unterfangen.

Angesichts der Bedeutung eines zielgerichteten und erfolgreichen Transformationsmanagements haben wir unsere langjährigen Erfahrungen als Führungskräfte, Hochschullehrer, Coaches, Trainer und Berater in dem vorliegenden »Workbook Change Management« zusammengefasst. Den Schwerpunkt haben wir auf eine systematische, übersichtliche und kompakte Darstellung der für die Praxis relevanten Instrumente des Veränderungsmanagements gelegt, die es den Verantwortlichen ermöglichen soll, in jeder Phase des Wandels das passende Werkzeug einzusetzen.

Dementsprechend folgt die Gliederung des Buches – nach einer Einführung in das Thema Change Management – dem typischen Verlauf von Veränderungsprozessen: Nach der Darstellung von Instrumenten für die Vorbereitungs-, Analyse- und Planungsphase werden Werkzeuge für die Implementierung der Maßnahmen vorgestellt. Dabei werden mit den Handlungsfeldern »Training und Partizipation«, »Informations- und Kommunikationspolitik« sowie »Commitment und Ziel-/Zeitvorgaben« genau diejenigen Themen angesprochen, die für einen erfolgreichen Wandel von besonderer Bedeutung sind. Schließlich präsentieren wir wichtige Instrumente zur Erfolgskontrolle und für die Initiierung und Begleitung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.

Die Erläuterung der einzelnen Instrumente folgt dabei stets der gleichen Logik. Dies erleichtert deren Verständnis und ermöglicht es, sich schnell einen Überblick über die für die jeweilige Situation am besten geeigneten Werkzeuge zu verschaffen. Ein besonderer Wert wurde von uns deshalb auch auf die praxisnahe und konkrete Beschreibung ihres Einsatzes anhand geeigneter Beispiele gelegt. Ein kleiner warnender Hinweis sei an dieser Stelle gegeben. Mit der routinierten Anwendung von Instrumenten kann auch einhergehen, dass man selbst wichtige Veränderungen nicht mitbekommt, da jedes Instrument per se »blinde Flecken« aufweist: »Hat man nur einen Hammer als Werkzeug, dann erscheint jedes Problem als Nagel.« Außerdem ist jedes Instrument nur so gut wie seine Handhabung. Es ist also bei allen Vorteilen der zielgerichteten Nutzung von Instrumenten auch Vorsicht angebracht. Achim Weiand hat in diesem Kontext im Wesentlichen die Instrumente der »weichen« Erfolgsfaktoren und Dietmar Vahs vor allem diejenigen der »harten« Erfolgsfaktoren bearbeitet. Auch die dritte Auflage des vorliegenden [10]Buches wendet sich an alle, deren Aufgabe die Planung und die Durchführung von Veränderungsmaßnahmen in Profit- und Non-Profit-Unternehmen ist, also sowohl an Führungskräfte als auch an Organisationsentwickler, Change-Agents, Coaches, Leiter von Veränderungsprojekten sowie interne und externe Trainer und Berater.

Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern viel Erfolg bei ihrer schwierigen Aufgabe, einen Beitrag für die gezielte Weiterentwicklung ihres Unternehmens bzw. ihres Auftraggebers zu leisten. Über Anregungen und Ideen freuen wir uns!

Esslingen/Ulm, im Januar 2020Dietmar Vahs/Achim Weiand

[11]1Change Management – Grundlagen erfolgreichen Unternehmenswandels

1.1Formen des Unternehmenswandels

In den letzten Jahren haben in vielen Unternehmen Veränderungen stattgefunden, die weitaus umfassender und tiefgreifender waren als die »Neu- und Umstrukturierungen« der Vergangenheit. Dieser Wandel führt mit Blick auf die grundlegend veränderten Markt- und Wettbewerbsbedingungen in vielen Branchen zu einer Neubestimmung der Erfolgsposition des sich verändernden Unternehmens. »Reorganisationen« im Sinne von Struktur- und Kostenanpassungen, wie sie früher vielfach durchgeführt worden sind, reichen für eine nachthaltige Zukunftssicherung nicht mehr aus. Es geht um weit mehr als um schnelle Rationalisierungseffekte. Die Veränderung von Unternehmen ist zu einer Angelegenheit geworden, die sowohl die strategische Ausrichtung des Unternehmens als auch seine Organisation, seine gelebte Kultur und die eingesetzten Systeme und Technologien gleichermaßen betrifft. Sie ist damit auch zu einer Daueraufgabe geworden, der sich alle Organisationsmitglieder stellen müssen. Folglich kommt dem zielgerichteten Unternehmenswandel heute und in Zukunft eine außerordentliche Bedeutung zu.

Angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Herausforderungen aufgrund der aktuellen Corona-Krise wird es sich in diesem Zusammenhang sogar um eine bisher nicht gekannte Dimension der Veränderung handeln, mit der die Führungskräfte aller Ebenen umgehen müssen.

Nach einer branchenübergreifenden Change-Management-Studie, an der sich 122 Führungskräfte, Change-Manager und Projektleiter beteiligt haben, halten rund 90 % der Befragten Change Management für ein »sehr wichtiges« oder »wichtiges« Thema und damit für eine zentrale Managementaufgabe (vgl. Capgemini 2007: 13). Der frühere, langjährige CEO von General Electric, Jack Welch, hat diese Situation mit den folgenden Worten beschrieben: »Drive change or it will drive you« (zitiert nach Picot/Freudenberg/Gaßner 1999: 1). Unternehmen wie beispielsweise Volkswagen oder Procter & Gamble haben den Anspruch, den Wandel aktiv zu gestalten und die sich bietenden Chancen konsequent zu nutzen (vgl. die beiden folgenden Praxisbeispiele).

PRAXISBEISPIEL

VW will die eigene Zukunft gestalten

Das Beispiel des Automobilkonzerns Volkswagen zeigt, dass ein »business as unusual« der Standard in den allermeisten Branchen ist, vor allem dann, wenn ein »business as usual« durch Fehlentscheidungen der Vergangenheit so nicht mehr möglich ist (vgl. Volkswagen AG 2018: 51):

»Im Jahr 2016 wurde mit dem Zukunftsprogramm ›TOGETHER – Strategie 2025‹ der größte Veränderungsprozess in der Geschichte von Volkswagen angestoßen. Mit dem Zukunftsprogramm richten wir den Volkswagen Konzern fokussierter, effizienter, inno[12]vativer, kundennäher, nachhaltiger und konsequent auf profitables Wachstum aus. Es bildet den Rahmen und setzt die Eckpfeiler, mit denen wir die Vision, ein weltweit führender Anbieter nachhaltiger Mobilität zu sein, erreichen wollen.«

PRAXISBEISPIEL

Organisation und Kultur als Top-Erfolgsfaktoren

Auch bei dem amerikanischen Konsumgüterhersteller Procter & Gamble ist der kontinuierliche Wandel angesichts eines turbulenten Umfeldes mit hohen Veränderungsraten eine wichtige Erfolgsgröße (vgl. Procter & Gamble 2018: X):

»Improving our Organization and Culture to Win – We continue to change our organization structure and culture to position us to win in the changing retail and competitive landscape. We have more to do, but we are simplifying the structure and clarifying responsibility and accountability by tailoring the organization to win by category and by market. […] To speed up decision-making, we’re moving more resources to our business units. This includes a significant portion of Corporate resources, so they can be closer to the consumers we serve, with higher accountability, more agility and greater speed.«

Die Entwicklung von Unternehmen und der organisatorische Wandel sind also offenkundig komplexe Prozesse mit einer vielschichtigen Problematik, die beispielsweise sowohl Fragen der Produkt- und Marktstrategie als auch der Gestaltung der Führungsorganisation und der Motivation der Mitarbeiter umfasst. Derartige Veränderungsprozesse stellen das Management regelmäßig vor schwierige Aufgaben, deren Bewältigung über die Zukunftsperspektiven des betreffenden Unternehmens entscheidet. Darüber hinaus sind sie häufig mit hohen Kosten verbunden. So investierten die Fortune-100-Unternehmen bereits zwischen 1980 und 1995 durchschnittlich jeweils rund eine Milliarde US-Dollar in Reorganisationsprojekte (vgl. Picot/Freudenberg/Gaßner 1999: 1).

Während erfolgreiche Veränderungen die Basis für ein weiteres Wachstum bilden, können fehlgeschlagene Veränderungsprozesse im ungünstigsten Fall zur Liquidation des Unternehmens führen. Das folgende Zitat aus dem »Economist« zeigt, dass der Wandel im Denken und Handeln als Herausforderung für alle Führungskräfte keinesfalls unterschätzt werden sollte (zitiert nach Reiß 1997: 3): »Anyone who tells you it is easy to change the way groups of people do things is either a liar, a management consultant, or both«.

Nun sind die Unternehmen aller Branchen und Größenklassen laufend Wandlungsprozessen unterworfen. Viele strukturelle Veränderungen sind nicht beabsichtigt, zufällig und bleiben lange Zeit mehr oder weniger unbemerkt. Ein derartiger ungeplanter organisatorischer Wandel ist etwas Notwendiges und Selbstverständliches. Das wusste schon der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos (etwa 540–480 v. Chr.), als er feststellte, dass alles in einem ständigen Wechsel begriffen sei, in einem »Strom des Entstehens und Vergehens« (griech. »panta rhei«: »Alles fließt«). Als alternative Handlungsweisen gegenüber dem ungeplanten Wandel kommen ein passiv-abwartendes oder ein reaktiv-handelndes Verhalten infrage, wobei die Reaktionen [13]im Allgemeinen darauf gerichtet sind, den ursprünglichen und durch die situativen Einflüsse gestörten Gleichgewichtszustand wiederherzustellen.

Demgegenüber umfasst der geplante organisatorische Wandel alle absichtlichen, gesteuerten, organisierten und kontrollierten Anstrengungen zur antizipativen und zielgerichteten Organisationsgestaltung mit dem Ziel der Effektivitäts- und Effizienzsteigerung. Strukturelle Veränderung in einem so verstandenen Sinn meint die aktive Entwicklung der Organisation als Höher- und Weiterentwicklung, beispielsweise von bestimmten Eigenschaften, Fähigkeiten oder Beziehungen. Die grundlegende Fragestellung eines Managements des (geplanten) Wandels hat der frühere Schweizer Managementwissenschaftler Nobert Thom treffend wie folgt formuliert (Thom 1996: 5): »Wie können Unternehmungen den Herausforderungen eines sich häufig, unregelmäßig und fast unvorhersehbar wandelnden Umsystems begegnen sowie durch ein pro- und reaktives Vorgehen ihr langfristiges Überleben und ihre fortlaufende Zielerreichung sichern?« (vgl. auch Lippitt 1982: 52, Sonntag 1996: 5). Eine knappe, aber richtungweisende Antwort gibt der amerikanische Pionier modernen Managements Peter F. Drucker: »Niemand kann den Wandel managen. Wir können ihm nur einen Schritt voraus sein« (Drucker 2005: 109).

Unabhängig davon, ob es sich um einen geplanten oder um einen ungeplanten Unternehmenswandel handelt, kann die Veränderung ein unterschiedliches Ausmaß annehmen, wie Abbildung 1.1 zeigt.

Abbildung 1.1: Wandel 1. und 2. Ordnung aus Vahs 2019: 268

Bei einem Wandel 1. Ordnung (gradual change, evolutionärer/adaptiver Wandel) »erfolgt lediglich eine inkrementale Modifikation der Arbeitsweise einer Organisation ohne Veränderung des vorherrschenden Bezugsrahmens oder des dominanten Interpretationsschemas« (Staehle 1999: 900). Es findet also keine grundlegende Umgestaltung der Unternehmenswerte, der strategischen Ausrichtung, der Verhaltensnormen, der Prozesse und der Strukturen statt. Vielmehr handelt es sich in erster Linie um quantitative und evolutionär-kontinuierliche Anpassungen im Rahmen des Unternehmenswachstums, die sich auf einzelne Organisationseinheiten oder [14]-bereiche beschränken. Die Intensität und die Komplexität des Wandels sind überschaubar. Das Ganze erscheint logisch und rational. Die Angst der betroffenen Personen vor der Veränderung hält sich deshalb in Grenzen.

Der Wandel 2. Ordnung (radical change, revolutionärer/transformativer Wandel) umfasst dagegen eine »einschneidende, paradigmatische Veränderung der Arbeitsweise einer Organisation insgesamt, und zwar mit einer Änderung des Bezugsrahmens« (Staehle 1999: 900). Der Wandel ist grundlegender, komplexer und vor allem qualitativer Natur (Paradigmenwechsel). Er umfasst die gesamte Organisation mit allen ihren Ebenen und erfolgt diskontinuierlich, revolutionär und gewissermaßen »von heute auf morgen«. Vieles erscheint irrational oder ist zumindest nicht unmittelbar (be)greifbar. Entsprechend groß ist die Angst der Betroffenen vor derartigen fundamentalen Prozessen und ihren Auswirkungen, die einen weitreichenden »Bruch mit der Vergangenheit« (Turnaround) darstellen.

Als ein weiteres Unterscheidungsmerkmal des Unternehmenswandels kann die Differenzierung in »harte« Erfolgsfaktoren (z. B. Unternehmensorganisation und eingesetzte Systeme) und »weiche« Erfolgsfaktoren (z. B. Werte und Fähigkeiten der Organisationsmitglieder) herangezogen werden.

Anhand der verschiedenen Objekte des Wandels lassen sich die in der folgenden Abbildung (aus Vahs 2019: 269 nach Krüger 2006: 55) in einem Schichtenmodell dargestellten vier Formen des Wandels unterscheiden, bei denen die Tiefe der Veränderung von oben nach unten zunimmt (vgl. Abbildung 1.2).

Abbildung 1.2: Objekte und Formen des Wandels nach Krüger 2006: 55

[15] Gegenstand einer Restrukturierung, die häufig auch als »Reorganisation« bezeichnet wird, sind die vorhandenen Unternehmensstrukturen und -prozesse sowie die eingesetzten Systeme und Ressourcen, zu denen beispielsweise die Datenverarbeitungs- und Logistiksysteme sowie die technische und räumliche Infrastruktur gehören. Typische Restrukturierungsmaßnahmen sind demnach die Optimierung von Abläufen, der Abbau von Stellen, die Verflachung der Hierarchie etc. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Capgemini in überwiegend großen Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Restrukturierung/Reorganisation mit rund 50 % der Nennungen nach wie vor die häufigste Form der Veränderung (Stichprobe mit 122 Befragten, vgl. Capgemini 2007: 14). In der betrieblichen Praxis handelt es sich bei derartigen Programmen allerdings gewöhnlich um nichts anderes als um Maßnahmen zur Kostensenkung. Eine nachhaltige Verbesserung der Erfolgspotenziale oder der Erfolgsposition eines Unternehmens ist damit im Allgemeinen nicht verbunden. Insofern ist eine Restrukturierung vergleichsweise einfach und schnell durchzuführen. Allerdings sind ihre Wirkungen eher kurzfristiger Natur, was dazu führt, dass Restrukturierungsprogramme in vielen Unternehmen in immer wiederkehrenden Wellen verlaufen.Demgegenüber geht es bei der Reorientierung um die strategische Neuausrichtung eines Unternehmens, wie beispielsweise die Umgestaltung oder Neuentwicklung von Geschäftsfeldern im Rahmen einer Portfoliobereinigung oder die Vorbereitung einer Kooperation mit einem anderen Unternehmen. Sie reicht damit wesentlich tiefer als die Restrukturierung und ist eine notwendige Bedingung für einen Wandel 2. Ordnung. Mit über 30 % der Nennungen in der erwähnten Capgemini-Studie gehört diese Form des Wandels ebenfalls zu den häufigsten Anlässen für die Initiierung von Veränderungsmaßnahmen.Grundlegende Veränderungen hinsichtlich der vorhandenen und/oder zu erwerbenden neuen Fähigkeiten und des Verhaltens der Organisationsmitglieder sind das Ziel der Revitalisierung. Beispielhaft können die Änderung des Führungsstils durch die Delegation von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen oder die Förderung des internen Unternehmertums durch gezielte Leistungsanreize genannt werden. Revitalisierungsmaßnahmen bilden damit im besten Sinne des Wortes die Voraussetzung beispielsweise für die »Wiederbelebung« eines Unternehmens nach einer existenziellen Krise oder für die Fähigkeit zu einer Anpassung an grundlegend veränderte Rahmenbedingungen.Die tiefgreifendste Form des Wandels ist die Remodellierung. Ihr Veränderungsobjekt sind die von allen Organisationsmitgliedern geteilten, kollektiven Werte, Überzeugungen und Einstellungen. Sie betrifft damit den Kern der Unternehmenskultur. Entsprechend schwierig und zeitaufwendig gestalten sich Remodellierungsprozesse in der Praxis, wenn es beispielsweise in Unternehmen wie der Deutsche Post AG oder der Deutsche Telekom AG darum geht, einen »bürokratischen Beamtenapparat« in »flexible, unternehmerisch handelnde Einheiten« zu verwandeln. Die Formulierung von Visionen und Leitbildern reicht dabei nicht aus – erst wenn diese von der Mehrheit der Organisationsmitglieder akzeptiert und gelebt werden, ist die Remodellierung nachhaltig gelungen.

[16]In der Praxis des Veränderungsmanagements greifen sowohl die dargestellten Formen des Wandels als auch deren Objekte in vielfältiger sachlogischer und prozessualer Art und Weise ineinander. Das zeigt beispielsweise das unten dargestellte Programm »Fit for the Future« der BASF AG.

Die geplante und zielgerichtete Veränderung besitzt deshalb größte Bedeutung für die langfristige Erfolgssicherung. Im Gegensatz zum ungeplanten Wandel besteht für die Unternehmensführung die Möglichkeit, sich auf bestimmte Situationen im Voraus einzustellen und frühzeitig entsprechende Veränderungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Das Management wird also nicht in die Rolle des Reagierenden gedrängt, sondern kann agieren und die sich bietenden Chancen nutzen – vorausgesetzt, die Fähigkeit und die Bereitschaft zum vorausschauenden Denken und Handeln sind vorhanden. Dass es auch dann nicht leicht ist, den »richtigen« Weg des Wandels zu beschreiten, zeigen die folgenden beiden Unternehmensbeispiele der BASF AG und der ABB AG. Während sich BASF im Jahr 2001 für eine Dezentralisierung ihrer Strukturen entschloss, rezentralisierte ABB die bis dahin fragmentierte Matrixstruktur. Zwei völlig unterschiedliche Ansätze organisatorischen Wandels mit vergleichbaren Zielen: größere Schnelligkeit und Kundennähe, verstärkte Marktpräsenz, höhere Flexibilität, mehr Wachstum und eine gestiegene Wirtschaftlichkeit.

PRAXISBEISPIEL

BASF AG – »Fit for the Future«, »NEXT« und »STEP« als Ergebnisverbesserungsprogramme

Ein Beispiel für einen geplanten, grundlegenden Unternehmenswandel ist das »Fit for the Future«-Programm der BASF AG, das der Öffentlichkeit Mitte 2001 präsentiert wurde. Das von dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Strube initiierte »Triple F« steht für den wohl radikalsten Umbau des deutschen Chemieunternehmens seit der Einführung der Matrixstruktur in den 1970er-Jahren:

»Die BASF will mit ihrer neuen Organisation im Wesentlichen drei Ziele erreichen: erhöhte Kundennähe, verstärkte Marktpräsenz und mehr Unternehmertum im Unternehmen. ›Durch Wachstum und Innovation wollen wir den Wert des Unternehmens steigern. Dafür brauchen wir optimale interne Strukturen und Abläufe. Entscheidungen sollen schneller und vor allem marktnäher getroffen werden‹, sagte Prof. Dr. Jürgen Strube, Vorstandsvorsitzender der BASF. Die BASF erwartet, dass sie mit ihrem Programm ›Fit for the Future‹ jährlich Kostenvorteile in Höhe von 400 Millionen Euro erzielen wird.« Im Rahmen der Neuorganisation wurden zur Verbesserung der Kundennähe und der Entscheidungsgeschwindigkeit 38 regionale und zehn globale Geschäftseinheiten gebildet. Deren Leiter übernahmen die unternehmerische Funktion für ihren jeweiligen Bereich und sind für Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing, Logistik und Verkauf verantwortlich. Außerdem richtete der Vorstand acht Kompetenzzentren ein, um die Verantwortlichkeiten klarer zuzuordnen und die standardisierten Abläufe sowie die gemeinsamen technischen Plattformen besser nutzen zu können, und optimierte die Wertschöpfungskette durch die Zusammenlegung von Unternehmens[17]bereichen. Schließlich wurde eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur im Hinblick auf einen ständigen Informations- und Erfahrungsaustausch und das Bewusstsein initiiert, sich nicht auf dem Erreichten ausruhen zu dürfen.

Vor diesem Hintergrund startete dann im Oktober 2008 das Exzellenzprogramm »NEXT«, mit dem in 500 Einzelprojekten ab 2012 ein Ergebnisbeitrag von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr erzielt werden sollte (u. a. durch vereinfachte Prozesse, Ressourcenbündelung und die Nutzung von neuen IT-Technologien). Diesem Programm wiederum folgte ab 2012 »ein neues globales Exzellenzprogramm« namens STEP (Strategic Excellence Program), das die weitere Optimierung von Prozessen, Strukturen und Produktionsstandorten in mehr als 100 Einzelprojekten zum Ziel hat. Auch hier wurde bis Ende 2015 eine jährliche Einsparung von einer Milliarde Euro erwartet.

Quellen: BASF SE (2009): 14, BASF SE (2014): 113, https://www.innovations-report.de/html/berichte/wirtschaft-finanzen/bericht-3865.html

PRAXISBEISPIEL

Schneller und transparenter durch Zentralisierung bei ABB

Dass man unter dem strategischen Label »Zukunftssicherung« auch den genau gegensätzlichen Weg gehen kann, zeigt das Beispiel der ABB AG, denn der damalige Vorstandsvorsitzende, Jörgen Centerman, leitete nahezu zeitgleich mit der BASF eine Reorganisation seines Unternehmens in die Wege, indem er die bestehende dezentrale Organisation mit dominanten Landesgesellschaften für nicht mehr zeitgemäß erklärte. Stattdessen würden globale Kunden eine globale Betreuung erwarten (vgl. zum Folgenden ABB 2001, Kittler 2002: 3ff., Rudzio 2003, http://www.abb.com/cawp/seitp202/6df1b6d9e19b3a1dc1256cd400343c8c.aspx).

Diese Sichtweise führte bei ansonsten mit der BASF durchaus vergleichbaren Zielsetzungen in der Mitte des Jahres 2001 zu einer Konzentration der Entscheidungsmacht in vier auf den Endabnehmer ausgerichteten Kundenbereichen. Dadurch sollte das Unternehmen »schneller und transparenter« werden, wie es in einer Pressemitteilung hieß, und es gab »eindeutige Zuordnungen, welche Gesellschaft die Führung bei welchen Kunden hat«. Damit wollte Centerman den Problemen der von seinem Vorvorgänger Barnevik in den 1990er-Jahren etablierten Matrixstruktur entgegenwirken, die unter anderem dazu geführt hatte, dass ein Kunde zumeist mehrere Ansprechpartner im Unternehmen hatte. »Für die Zukunft gilt: Einer hat die Führung und er hat 160.000 Spezialisten hinter sich.« Centerman führte in einer Presseverlautbarung im Jahr 2001 weiter aus: »Wir haben damit auf eine lautlose Revolution im Markt reagiert, die das wirtschaftliche Umfeld grundlegend verändert hat. Unsere Kunden verlangen in einer Zeit der wachsenden Komplexität und des häufig durch das Internet beschleunigten Wandels Klarheit und Einfachheit. Durch die neue Struktur wird es einfacher, mit ABB Geschäfte zu machen. Sie reflektiert unsere neue Vision, Wertschöpfung und verstärktes Wachstum zu erzielen, indem wir unseren Kunden helfen, wendiger und wettbewerbsfähiger zu werden«

(http://www.abb.com/cawp/seitp202/32831b31138dd975c1256cd400343c6d.aspx).

[18]Warum müssen sich die Unternehmen gegenwärtig und auch in Zukunft verstärkt mit Fragen des Wandels auseinandersetzen? Insbesondere die Industrieländer befinden sich zurzeit in einer Phase umfassender und weitreichender politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen, die hohe Anforderungen an die Innovationsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter stellen. Daraus ergeben sich vielfältige Gründe für Veränderungen. Sie reichen von den externen Einflüssen des Marktes und des Wettbewerbs über unternehmensinterne Strukturprobleme bis hin zu personenbezogenen Ursachen, wobei häufig nicht einzelne Faktoren den Anstoß geben, sondern ein ganzer Ursachenkomplex der Auslöser für Veränderungen ist. Der Wandel ist somit von einem eher seltenen »Sonderfall« zu einer regelmäßig wiederkehrenden Erscheinung geworden. Er läuft dabei mehr oder weniger immer nach demselben Grundschema ab, da es um sehr ähnliche Problemstellungen geht, die es zu lösen gilt.

1.2Was heißt »Change Management«?

Der geplante Wandel von Unternehmen, der in der angloamerikanischen Literatur als »strategic change«, »organizational change«, »corporate change« oder »business transformation« bezeichnet wird, ist inzwischen zum Gegenstand von zahlreichen Change-Management-Ansätzen geworden. Sie beruhen vor allem auf einer stärkeren Prozess-, Kunden- und Kompetenzorientierung und verfolgen die kontinuierliche Weiterentwicklung oder die radikale Neugestaltung der Unternehmensstrategie, der Strukturen und Prozesse, der Unternehmenskultur und der eingesetzten Methoden und Verfahren. Diese vier Handlungsfelder sind im Sinne eines »optimalen Fits« bestmöglich aufeinander abzustimmen. Dabei sind die Interdependenzen der Ziel- und Wirkungszusammenhänge bei der Planung und Umsetzung der Veränderungsmaßnahmen zu berücksichtigen (vgl. Abbildung 1.3 und Vahs 2019: 323 ff.).

Abbildung 1.3: Handlungsfelder des Veränderungsmanagements nach Vahs 2019: 324

[19]Change Management bezieht sich nach der von uns vertretenen Auffassung also gerade nicht auf einzelne, akute Problembereiche, sondern umfasst gleichermaßen in einer ganzheitlichen Perspektive alle vier in der obigen Abbildung dargestellten Handlungsfelder sowie die Wechselwirkungen, die durch die Veränderungsmaßnahmen entstehen.

Change Management ist die Vorbereitung, Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen mit dem Ziel, ein Unternehmen von einem bestimmten Ist-Zustand zu einem erwünschten Soll-Zustand weiterzuentwickeln und so die Effizienz und Effektivität aller Unternehmensaktivitäten nachhaltig zu steigern. Das Management des Wandels bewertet damit die aktuellen Potenziale und Fähigkeiten einer Organisation und plant systematisch die notwendigen Veränderungsschritte.

1.3Erfolgsfaktoren des Unternehmenswandels

Die Frage nach den erfolgsbeeinflussenden Faktoren von Veränderungsprozessen ist ebenso alt wie das Management des Wandels selbst. Allerdings gibt es keinen »one best way« im tayloristischen Sinn, der in jedem Fall und unter allen Umständen den Weg zum Ziel weist. Insofern kommt es im konkreten Einzelfall darauf an, welche Veränderungsziele verfolgt werden, wie die unternehmensinternen und -externen Rahmenbedingungen aussehen und vor allem darauf, welches Verhalten insbesondere die Führungskräfte an den Tag legen. Grundsätzlich gilt hinsichtlich der Konzepte des Unternehmenswandels: Maßarbeit statt Konfektion. Im Folgenden werden deshalb zunächst die wesentlichen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen dargestellt.

Wesentliche Erfolgsfaktoren sind:

Eine klare Veränderungsvision, die in konkrete und für die Mitarbeiter und die Kunden erkennbar zweckmäßige und anspruchsvolle Zielvorgaben und Maßnahmen umgesetzt werden muss. Ein Teil der Zielvorgaben sollte kurzfristig erreichbar sein, um schnell erste sichtbare Erfolge zu erzielen (»early wins«). Die motivierende Wirkung von derartigen Erfolgen fördert das Selbstvertrauen der Organisationsmitglieder (»Wir schaffen es!«) und unterstützt damit die langfristig orientierten Anstrengungen.Die bereichs- und hierarchieübergreifende Beteiligung der Mitarbeiter und die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Veränderungsvorhaben ist eine zweite Voraussetzung für ein erfolgreiches Vorgehen. Nur eine Partizipations- und Kommunikationsstrategie, die von Offenheit und Vertrauen geprägt ist, sichert den erforderlichen kulturellen Wandel.Dazu trägt auch ein integrativer Ansatz bei, der auf Teiloptimierungsversuche verzichtet und die Handlungsfelder des Veränderungsmanagements als sich gegenseitig beeinflussende Elemente eines dynamischen und komplexen Systems begreift.Schließlich sind tiefgreifende Veränderungsprozesse von Anfang an zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht die uneingeschränkte Unterstützung der obersten Führungsebene besitzen (Topmanagement-Commitment). Das setzt die Identifikation der Unternehmensführung mit den Zielen und der Vorgehensweise des Veränderungsprozesses voraus.

[20]Aus den Erfolgsfaktoren ergeben sich die Faktoren, die einen Veränderungsprozess negativ beeinflussen oder zum Scheitern bringen können:

Hier steht die unscharfe, nicht verständliche Vision an erster Stelle. Den Mitarbeitern fehlt ein klares Leitbild, das ihnen in der Phase des Übergangs eine Orientierungshilfe bieten und die Kräfte bündeln kann.Wenn darüber hinaus ein mangelndes Verständnis der Problemsituation besteht, wird es kaum gelingen, eine breite Akzeptanz für grundlegende Veränderungen zu erreichen.Die lückenhafte Kommunikation der Ursachen, der Ziele, der Maßnahmen und der Folgewirkungen der angestrebten Veränderung und die zaghafte Durchführung punktueller Aktivitäten bewirken in diesem Fall ein Übriges, um den Transformationsprozess zum Scheitern zu bringen.Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der fehlende Mut, falls erforderlich auch personelle Konsequenzen zu ziehen. Wenn die Promotoren des Veränderungsprozesses nicht sichtbar unterstützt und die Opponenten nicht erkennbar sanktioniert werden, schwindet die Bereitschaft zu tiefgreifenden Veränderungen schnell.Schließlich wird der Zeitbedarf für den kulturellen Prozess häufig unterschätzt. Das Lernen und das Verlernen sind keine Vorgänge, die sich kurzfristig bewältigen lassen.

Einer der größten Misserfolgsfaktoren sind offenbar zu viele Aktivitäten ohne eine klare Rangfolge. Sie wurden von 47 % der Befragten als das Hauptproblem bei der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen genannt (vgl. zum Folgenden Capgemini 2005: 45 ff.). Weitere schwerwiegende Probleme sind Interessen- und Zielkonflikte der Beteiligten (39 %), die fehlende Unterstützung durch das Linienmanagement (34 %) und die Lähmung der Organisation durch andauernde Reorganisationen (33 %), womit wir wieder beim blinden Aktionismus wären. Zudem gehören unter anderem unklare Ziele, ein fehlendes Controlling, ein unzureichendes Topmanagement-Commitment und Qualifikationsmängel zu den Misserfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen (vgl. Abbildung 1.4).

Abbildung 1.4: Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen

[21]Demgegenüber zählen das Commitment und die Glaubwürdigkeit des Managements in drei Viertel der befragten Unternehmen (wobei hier gilt: je größer das Unternehmen, desto wichtiger ist dieser Erfolgsfaktor), klare Ziele und deren Kommunikation (55 %), eine offene und eindeutige Kommunikation (38 %), ein professionelles Projektmanagement (32 %) und die Vermittlung eines »sense of urgency« (31 %) nach dieser Studie zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren (vgl. Capgemini 2005: 45 ff.).

Diese Erfolgsfaktoren werden auch im Großen und Ganzen von einer Studie des Instituts für Change Management und Innovation (CMI) aus dem Jahr 2002 bestätigt, in deren Rahmen die Topführungskräfte von 178 Unternehmen verschiedener Branchen und Größenklassen schriftlich zur Gestaltung ihrer tiefgreifenden Veränderungsprozesse befragt wurden (vgl. Vahs/Leiser 2007).

Als Fazit der Ursache-Wirkungs-Analyse konnte festgehalten werden, dass für das Gelingen eines Veränderungsprozesses die Motivation der Mitarbeiter eine entscheidende Bedeutung hat. Die Bereitschaft zum Wandel wird am ehesten durch eine angemessene Mitarbeiterbeteiligung und eine ausreichende Schulung für den Veränderungsprozess und die neuen Aufgaben, eine damit einhergehende offensive und authentische Informations- und Kommunikationspolitik sowie eine für die Mitarbeiter sichtbare und jederzeit erlebbare Identifikation der Führungskräfte mit dem Veränderungsprozess erreicht. Ferner sind die Delegation von Verantwortung, die Möglichkeit zur Realisierung von eigenen Ideen sowie die Gewährung von materiellen und immateriellen Anreizen wichtige erfolgswirksame Voraussetzungen. Der negative Einfluss von mentalen Barrieren und Konflikten bei der Zielfestlegung und der Umsetzung der Maßnahmen auf den Grad der Zielerreichung sollte jedoch keinesfalls unterschätzt und durch geeignete Maßnahmen so weit wie möglich vermieden werden.

Aufgrund der Kausalanalyse (vgl. auch Abbildung 1.5) und der sich anschließenden strukturierten Interviews mit den Topmanagern von ausgewählten Unternehmen, die der Reflexion und Vertiefung der Ergebnisse der statistischen Auswertung dienten, konnten die folgenden von der Unternehmensgröße oder einer bestimmten Branchenzugehörigkeit unabhängigen grundlegenden Voraussetzungen erfolgreichen Wandels identifiziert werden (vgl. Vahs/Leiser 2007: 119 ff.):

Veränderungsprozesse sollten rechtzeitig geplant und eingeleitet werden. Das schafft Handlungsspielräume und vermeidet den für eine ausreichende Partizipation und Kommunikation nachteiligen Zeitdruck. Insofern sollte sich die Unternehmensführung immer der erfolgsgefährdenden Wirkung des Erfolgs bewusst sein. Das Festhalten am Status quo, Notinvented-here-Syndrome, verkrustete Strukturen, ein ausgeprägtes »Risikobewusstsein«, falsche Anreizsysteme und mentale Barrieren sind gerade von erfolgreichen Unternehmen so weit wie möglich zu vermeiden. Denn heute gilt mehr denn je die von dem griechischen Philosophen Heraklit getroffene Feststellung, dass sich alles im Fluss befindet (»panta rhei«).Nach der Einschätzung der Befragten steht die Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung der Veränderungsmaßnahmen (vor allem in der Phase der Umsetzung) an erster Stelle. Ein partizipatives Vorgehen stellt nicht nur die hohe Akzeptanz der Maßnahmen in der [22]Realisierungsphase sicher, sondern gewährleistet auch, dass die Führungskräfte und die Mitarbeiter ihre Kenntnisse und Erfahrungen in den Veränderungsprozess einbringen können und damit aktiv zu einer besseren Zielerreichung beitragen. Demgemäß wird ein striktes Top-down-Vorgehen ohne die Beteiligung der Betroffenen als außerordentlich negativ für den Verlauf eines Veränderungsprozesses und die Zielerreichung gesehen.Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor sind klare und eindeutige Ziel- und Zeitvorgaben. Nur wenn allen vom Wandel betroffenen Personen bewusst ist, welche Zielsetzungen mit den vorgesehenen Maßnahmen in welchem zeitlichen Rahmen verfolgt werden und warum diese Maßnahmen überhaupt erforderlich sind, können die Initiatoren des Wandels auf die Einsicht der übrigen Mitarbeiter in die Notwendigkeit der Veränderungen hoffen. Dabei ist es wichtig, die angestrebten Wert-, Leistungs- und Sozialziele operational, realistisch und nachvollziehbar zu definieren, denn »Verständnis« bzw. Akzeptanz setzt insbesondere im Unternehmenswandel »Verstehen« voraus.Insofern ist eine transparente und authentische Informations- und Kommunikationspolitik sehr wichtig für den Veränderungserfolg. Transparent heißt in diesem Zusammenhang, dass die Hintergründe des Veränderungsprozesses offen und umfassend kommuniziert werden sollten – soweit dies für den Prozessverlauf erforderlich und förderlich ist. Authentisch müssen die Kommunikationsinhalte insofern sein, als insbesondere von den Mitgliedern des Topmanagements das gesagt werden sollte, was sie denken, und das getan werden sollte, was sie sagen (»walk the talk«). Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Management in eine »Glaubwürdigkeitsfalle« tritt – mit der Konsequenz, dass der Prozess versandet oder nur gegen erhebliche Widerstände und mit unnötigen Anstrengungen und personellen »Verlusten« zu Ende zu bringen ist.Eine besondere Rolle spielen die Angehörigen des mittleren Managements – im Gegensatz zu der weitverbreiteten Meinung, das Engagement des Topmanagements sei entscheidend für den Veränderungserfolg. Die mittlere Leitungsebene bildet gewissermaßen den »Transmissionsriemen« zwischen den visionären Vorstellungen der Unternehmensführung und den von Machbarkeitsüberlegungen geprägten Verhaltensweisen der unteren Führungskräfte und der Ausführungsebene. Deshalb sollten die mittleren Führungskräfte auf ihre Aufgaben besonders gut vorbereitet und während des gesamten Prozesses von ihren Vorgesetzten erkennbar unterstützt werden (z. B. durch Gesprächsrunden mit der obersten Führungsebene und gezielte Trainingsmaßnahmen).Schließlich gilt die konsequente Umsetzung der geplanten Maßnahmen als eine weitere Voraussetzung für erfolgreiche Veränderungsprozesse. Diese Feststellung ist zum einen vor dem Hintergrund zu sehen, dass viele Veränderungen über die Analyse- und Planungsphase nicht hinaus kommen (sogenannte Schubladenkonzepte). Die Mitarbeiter fragen sich dann zu Recht, warum bisher so viel Zeit und Energie »für den Papierkorb« investiert wurde. Immerhin nehmen die Analyse- und die Planungsphase in vielen Prozessen bis zu 60 % der gesamten Prozessdauer und erhebliche Ressourcen in Anspruch. Zum anderen regen sich im Verlauf des Wandels häufig erhebliche Widerstände, die eine Umsetzung be- oder sogar verhindern. Die Art und Weise, wie mit diesen Widerständen umgegangen wird, hat eine erhebliche Signalwirkung für den weiteren Prozessverlauf und für zukünftige Veränderungsprozesse. [23]Insofern ist es gerade in der Umsetzungsphase wichtig, die beschlossenen Maßnahmen auch konsequent und gegebenenfalls gegen Widerstände durchzusetzen.

Die Abbildung 1.5 stellt das Ergebnis der Kausalanalyse grafisch dar. Dabei zeigen die Pfeile die Wirkungsrichtung der einzelnen Gruppen von Erfolgsfaktoren und die Plus- bzw. Minuszeichen machen eine Aussage über die Wirkungsstärke und deren positiven (plus) bzw. negativen Einfluss (minus) auf die Zielgröße »Veränderungserfolg«. Die Abbildung vermittelt einen Überblick über die wesentlichen empirisch nachweisbaren Erfolgsfaktoren und gibt Anhaltspunkte für den gezielten Einsatz der verschiedenen Instrumente des Change Managements.

Abbildung 1.5: Ursache-Wirkungs-Modell des Unternehmenswandels

1.4Phasen von Change-Prozessen

In welchen Schritten laufen Veränderungsprozesse ab, wenn sie eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben sollen? In Literatur und Praxis gibt es inzwischen eine Vielzahl von Phasenmodellen. Das einfachste Modell geht auf Kurt Lewin zurück, der in seinem Kraftfeld-Ansatz (»field theory«, »force field analysis«) drei Phasen zugrunde gelegt hat: Zunächst ist eine Organisation »aufzutauen« (unfreezing), um sie bereit für die Durchführung von Veränderungsmaßnahmen zu machen. Dann folgt die Phase des »Änderns« (moving, changing) und schließlich das »Wiedereinfrieren« (refreezing). Entscheidend dabei ist, dass es gelingt, das im Status quo bestehende Gleichgewicht der den Wandel treibenden Kräfte (driving forces) und der ihn behindernden Kräfte (restraining forces) zugunsten der Veränderung zu destabilisieren, um es dann in einen neuen, auf einem höheren Niveau befindlichen Gleichgewichtszustand wieder zu stabilisieren. Insofern heißt Unternehmenswandel nichts anderes als das Verändern von Kraftfeldern – womit ein wesentlicher Aspekt von Veränderungsprozessen angesprochen ist, nämlich die psychologische Ebene.

[24]Auf dieser Ebene bauen auch viele andere Phasenmodelle auf, so beispielsweise das Modell des Harvard-Professors John P. Kotter, dessen Vorgehen acht aufeinander aufbauende Schritte umfasst, welche die Akzeptanz und damit auch die Erfolgswahrscheinlichkeit von Veränderungsprozessen erhöhen sollen (vgl. hierzu auch den Abschnitt 2.11):

Establishing a sense of urgencyForming a powerful guiding coalitionCreating a visionCommunicating the visionEmpowering others to act on the visionPlanning for and creating short term winsConsolidating improvements and creating still more changeInstitutionalizing new approaches.

Einzelne Phasenmodelle gehen zugleich auf die Sachebene von Veränderungsprozessen ein und verbinden diese im Rahmen eines integrativen Ansatzes mit der psychologischen Ebene. Die Abbildung 1.6 (aus Vahs 2019: 383) stellt einen solchen integrativen Change-Management-Ansatz dar, dessen grundlegende Systematik im Folgenden kurz erläutert wird.

Abbildung 1.6: Change Management als integrativer Ansatz aus Vahs 2019: 383

Zu Beginn eines Transformationsprozesses müssen die Richtung und der Sinn der angestrebten Veränderung von der obersten Führung mittels einer zukunftsweisenden Vision und entsprechenden Leitbildern aufgezeigt werden (»envisioning«). Der geplante Wandel bietet die Möglichkeit, die langfristigen Unternehmensziele und den zur Gewohnheit gewordenen Handlungsrahmen zu überprüfen, zu modifizieren oder völlig neu zu definieren. Nur ein Zukunftsbild, [25]das in den Augen der Betroffenen erstrebenswert erscheint, erzeugt die erforderliche Änderungsbereitschaft und setzt die für den Transformationsprozess notwendigen Energien frei.

Wichtig ist dabei die »Operationalisierung« des Zukunftsbildes in Form von nachvollziehbaren und realistischen Veränderungszielen. Auf der Grundlage einer fundierten Analyse und Beschreibung der Ausgangssituation muss darüber hinaus in aller Eindringlichkeit über die Stärken und die Schwächen der aktuellen Unternehmenssituation informiert werden. Die sich daraus in der Planungsphase ergebenden Schlussfolgerungen sollten tatsächlich revolutionäre Züge tragen, d. h., die Betroffenen müssen erkennen, dass ein Umbruch mit fundamentalen Veränderungen eingeleitet wird.

Nur durch eine umfassende und vertrauensvolle Kommunikationspolitik sind die notwendige Geschwindigkeit und die erforderliche Intensität des beginnenden Veränderungsprozesses zu gewährleisten. Im Verlauf von ausführlichen Diskussionen, in die gegebenenfalls auch die Erfahrungen der nicht betroffenen Unternehmensbereiche oder von anderen Unternehmen einfließen können, sind nicht nur die Gefahren offen anzusprechen, sondern vor allem auch die mit der Veränderung verbundenen Chancen aufzuzeigen. In Teilstudien werden die im Rahmen der Vor- und der Hauptstudie gewonnenen Erkenntnisse vertieft und gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern werden Lösungsansätze erarbeitet. Die Beteiligung der Betroffenen trägt in diesem Abschnitt der Veränderung wesentlich zu der Akzeptanz der erarbeiteten Maßnahmen bei. Noch in der Unfreezing-Phase beginnen bereits die ersten personellen, materiellen und strukturellen Realisationsmaßnahmen zur Einführung der organisatorischen Lösung. Dadurch kann die motivierende Wirkung der »early wins« gezielt für den weiteren Prozess genutzt werden, denn die ersten Erfolge zeigen allen Beteiligten die Sinnhaftigkeit des Wandels.

Der eigentliche Veränderungsprozess schließt sich an. Er muss konsequent und mit Durchhaltevermögen tiefgreifende und für jeden erkennbare Veränderungen in die Wege leiten. Kleine Korrekturen können die bisherige Situation nicht wirklich verbessern. Sie werden eher als mangelnde Bereitschaft oder als Unfähigkeit zu einer grundlegenden Veränderung gesehen und laden zur Verweigerung der Mitwirkung und zur Beibehaltung der traditionellen Mechanismen ein. Wenn aber klare und eindeutige Zeichen gesetzt werden (z. B. durch die Einrichtung einer Parallelhierarchie mit einer Fach- und einer Führungskräftelaufbahn) und neue Rituale deutlich machen, dass Veränderungen eingetreten sind (z. B. regelmäßige Geschäftsleitungsgespräche mit den Angehörigen aller Hierarchieebenen), dann ist der Rückzug in die alten Handlungsweisen wesentlich erschwert. Insofern muss die Umsetzung der Problemlösung zwar schrittweise, aber doch zügig und vor allem vollständig erfolgen.

Bei größeren und komplexen Veränderungsvorhaben ist hierzu ein sogenannter Masterplan zweckmäßig, der sämtliche Teilprojekte mit ihren jeweiligen Arbeitspaketen, Verantwortlichkeiten, Anfangs- und Endzeitpunkten etc. erfasst und koordiniert (z. B. Teilprojekt 1: Kulturwandel, Teilprojekt 2: Anpassung der Unternehmensorganisation, Teilprojekt 3: Umstellung der EDV-Systeme). Mithilfe des Masterplans lassen sich die personellen und finanziellen Ressourcen priorisieren und [26]im Hinblick auf ihren zielgerichteten Einsatz durch ein Umsetzungscontrolling fortlaufend überwachen. Das ermöglicht die Nutzung von Synergie- und Lerneffekten und schafft die Grundlagen für den sich anschließenden Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP).

Neben diesen eher »technischen« Voraussetzungen ist das aktive Vorleben der Veränderung durch alle Führungskräfte eine wesentliche Bedingung für den nachhaltigen Veränderungserfolg. Sie müssen mit ihrem Denken und Handeln immer wieder deutlich machen, dass sie voll und ganz hinter den Zielen und den Maßnahmen des Wandelprozesses stehen (sogenanntes Commitment des Managements, unter dem ein Engagement aus Überzeugung zu verstehen ist).

In der Schlussphase des Transformationsprozesses geht es darum, die Implementation der Veränderungen abzuschließen und das Erreichte zu stabilisieren. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter nicht doch wieder in die alten Verhaltensmuster zurückfallen. Die laufende Kontrolle der Maßnahmen und ihrer Umsetzung trägt wesentlich zu einem dauerhaften Veränderungserfolg bei. Sie bildet die Grundlage für den sich anschließenden kontinuierlichen Optimierungsprozess (continuous improvement), der bewirkt, dass die Organisation entsprechend den situativen Anforderungen evolutionär weiterentwickelt wird.

Auf der Grundlage eines derartigen Vorgehens werden in den folgenden Kapiteln dieses »Workbook Change Management« auch die aus unserer Sicht wichtigsten Instrumente des Change Managements beschrieben. Wir orientieren uns dabei an fünf Phasen, die in der Abbildung 1.7 dargestellt sind. Hier finden sich auch die wesentlichen Aspekte der einzelnen Veränderungsschritte, denen wir in der Gliederung die entsprechenden Instrumente zugeordnet haben.

Abbildung 1.7: Phasenmodell von Veränderungsprozessen

[27]1.5Vorstellung des Referenzunternehmens Speedy GmbH

Der praktische Einsatz der in den folgenden Kapiteln vorgestellten Instrumente des Change Managements wird jeweils anhand eines Fallbeispiels erläutert. Dabei greifen wir entweder auf Beispiele aus der Unternehmenspraxis zurück oder stellen den Einsatz des jeweiligen Instruments anhand des Beispielunternehmens Speedy GmbH vor. Deshalb erfolgt hier eine kurze Vorstellung dieses fiktiven Unternehmens.

Bei der Speedy GmbH handelt es sich um ein international tätiges Unternehmen der Fahrzeugindustrie, das als Hersteller und Anbieter von Automobilen seine Marktschwerpunkte in Deutschland und dem europäischen Ausland hat. Die beiden Kernprodukte der Speedy GmbH sind der Speedster City als Kleinwagen für die Stadt und der familienfreundliche Speedster Family. Dieses Fahrzeug ist auf dem neuesten technischen Stand. Es wird mit einer Brennstoffzelle betrieben und in verschiedenen Produktvarianten angeboten. Mit rund 160.000 Einheiten pro Jahr und etwa 2.800 Beschäftigten erreichte die Speedy GmbH in dem soeben abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro. Davon werden zurzeit rund 90 % im Inland und 10 % im europäischen Ausland erzielt. Das Unternehmen verfolgt eine langfristige Wachstumsstrategie, die auch neue, dem Kerngeschäft nahestehende Geschäftsfelder erschließen soll.

Bisher sah es so aus, als ob die Wachstumsziele erreicht werden. Durch das Auftreten von Fahrzeugherstellern aus dem südostasiatischen Raum und eine eher verhaltene Nachfrage nach Neufahrzeugen ist der Erfolg der Unternehmensstrategie jedoch infrage gestellt. In letzter Zeit zeigte sich mehrfach, dass die Wettbewerber mit qualitativ teilweise höherwertigen Produkten schneller auf dem Markt waren – und das mit Preisen, die um 10 bis 20 % unter den eigenen Verkaufspreisen lagen. In der Folge gingen Marktanteile verloren, insbesondere im »home market« Deutschland. Der Kostendruck und die in der jüngsten Vergangenheit geradezu dramatisch rückläufige Ergebnisentwicklung haben in der Geschäftsführung Zweifel unter anderem daran aufkommen lassen, ob die Organisationsstrukturen des Unternehmens noch den Anforderungen und den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden. Wie sieht die Organisation der Speedy GmbH zurzeit aus?

Vor diesem Hintergrund plant die Geschäftsleitung der Speedy GmbH einen grundlegenden Veränderungsprozess, der das Unternehmen »Fit für die Zukunft« machen soll und durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente des Change Managements unterstützt wird.

[28]

Abbildung 1.8: Organisation der Speedy GmbH

Zitierte und weiterführende Literatur

ABB AG (Hrsg.) (2001): One Team. Erfolg durch mehr Transparenz. Zürich

BASF SE (Hrsg.) (2009): Bericht 2008. Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Leistung. Ludwigshafen

BASF SE (Hrsg.) (2014): BASF Bericht 2013. Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Leistung. Ludwigshafen

Capgemini (Hrsg.): Veränderungen erfolgreich gestalten. Change-Management 2005. o. O. o. J.

Capgemini (Hrsg.) (2007): Change Management-Studie 2008. o. O.

Drucker, Peter F. (2005): Management im 21. Jahrhundert. 4. Auflage. München: Econ

Kittler, Markus G. (2002): Fit for the Future? Die strukturelle Evolution der BASF AG vor dem Hintergrund von Expansion und Internationalisierung. Working Paper 02/2002. Lehrstuhl für BWL, insbesondere internationales Management. Nürnberg

Krüger, Wilfried (Hrsg.) (2006): Excellence in Change. Wege zur strategischen Erneuerung. 3. Auflage. Wiesbaden: Gabler

Lippitt, Gordon L. (1982): Organization Renewal. A Holistic Approach to Organization Development. 2. Auflage. Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice Hall

Nestlé S. A. (Hrsg.) (2003): The Nestlé Management and Leadership Principles. Vevey

Picot, Arnold/Freudenberg, Heino/Gaßner, Winfried (1999): Management von Reorganisationen. Maßschneidern als Konzept für den Wandel. Wiesbaden: Gabler

Procter & Gamble (Hrsg.) (2018): Annual Report 2018. Cincinnetti, Ohio

[29]Reiß, Michael (1997): Einführung. In: Reiß, Michael/Rosenstiel, Lutz von/Hofmann, Laila M. (Hrsg.) (1997): Change-Management. Programme, Projekte und Prozesse. Stuttgart: Schäffer-Poeschel

Rudzio, Kolja (2003): Zu schnell für den Erfolg. In: Die Zeit, Nr. 19 vom 30.04.2003

Sonntag, Karlheinz (1996): Lernen im Unternehmen. Effiziente Organisation durch Lernkultur. München: C. H. Beck

Staehle, Wolfgang H. (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. 8. Auflage. München: Vahlen

Thom, Norbert (1996): Management des Wandels. Grundelemente für ein differenziertes und integriertes »Change-Management«. Berner akademische Reden. Bern et al.

Vahs, Dietmar/Leiser, Wolf (2007): Change-Management in schwierigen Zeiten. Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Veränderungsprozessen, mit CD-ROM. 2., veränderter Nachdruck. Wiesbaden: DUV Deutscher Universitätsverlag

Vahs, Dietmar (2019): Organisation. Ein Lehr- und Managementbuch, 10. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel

Volkswagen AG (Hrsg.) (2018): Geschäftsbericht 2017. Wolfsburg

[31]2Grundlagen und Vorbereitung – Instrumente

Change-Prozesse sind in jeder Phase anspruchsvoll. Wie wir im einleitenden Kapitel aufgezeigt haben, stellen sie eine Herausforderung für alle Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens dar. Gleiches gilt für interne Change-Manager oder externe Berater, die einen Veränderungsprozess begleiten und im Sinne der Veränderungsziele zum Erfolg führen sollen. Schließlich ist jeder derartige Prozess einerseits einzigartig und prägt andererseits das kollektive Bewusstsein eines Unternehmens. Das heißt, wenn es gelingt, die Herausforderungen des Wandels erfolgreich zu meistern und die angestrebten Ziele zu erreichen, wird dies die »Veränderungsfitness« eines Unternehmens nachhaltig stärken, während im umgekehrten Fall davon ausgegangen werden muss, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Durchführung von Veränderungsmaßnahmen sinken werden. Deshalb sollten sich alle Verantwortlichen ausreichend Zeit nehmen, um den geplanten Wandel vorzubereiten und die »Weichen« für ihr Change-Projekt von Anfang an richtig zu stellen.

Von herausragender Bedeutung für den Verlauf eines Veränderungsprozesses ist die Vorbereitungsphase, der wir uns in dem zweiten Kapitel widmen. In dieser Phase werden die Grundlagen für einen erfolgreichen Start und den weiteren zielgerichteten Verlauf des Veränderungsprozesses gelegt. Fehler, die hier begangen werden, lassen sich in den folgenden Prozessphasen kaum oder nur schwer korrigieren. Das hat zum einen etwas mit der Logik von Veränderungsprozessen zu tun: Ausgehend von dem Ziel, ein tatsächliches oder potenzielles Problem lösen zu wollen, müssen der Projektauftrag geklärt und die Projektbeteiligten informiert und eingebunden werden. Ein gemeinsames Problemverständnis und -bewusstsein sind dabei ebenso wichtig und hilfreich wie eine von Anfang an klar definierte Beziehung zwischen Auftraggeber, Berater und Klient. Zum anderen sind die organisatorischen und – soweit möglich – kulturellen Voraussetzungen für den Wandel zu schaffen. Dazu gehören sinnvollerweise die Bildung von Change-Teams mit entsprechenden Rollenzuweisungen und die Etablierung einer Projektorganisation wie auch die rechtzeitige Einbindung des Betriebs- bzw. Personalrats.

Die in diesem Kapitel dargestellten Instrumente sollen es ermöglichen, den Veränderungsprozess systematisch vorzubereiten und damit die Grundlage für seine erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung zu legen:

OrganisationAuftrag und AuftragsklärungBerater auswählenBeratungsprozessBetriebsrat/PersonalratChange-ManagerChange-TeamProblembewusstsein schaffenProjektorganisation[32] UnternehmenskulturUnternehmenskultur verändern.

2.1Organisation

Name des Instruments

Organisation, unser Bild von Organisation

Ziele

Einsicht darüber gewinnen, welche Bilder von Organisation man hat und wie sich dies auf die Betrachtung von Organisationen, ihre Bewertung und die Auswahl von Interventionen auswirkt

Beschreibung

Unser Bild von Organisationen

Unser Bild von Organisation ist wirkmächtig. Dieses (mehr oder weniger bewusste) Bild prägt unser Verständnis von Organisationen und es prägt unser Verhalten als Führungskraft oder als Mitarbeiter. Betrachten und definieren wir Organisationen beispielsweise als eine (am besten) reibungslos funktionierende Maschine in der Nachfolge von Taylor, dann tendieren wir wahrscheinlich dazu, die darin tätigen Mitarbeiter als Rädchen in einer Maschine zu sehen und entsprechend zu behandeln. Aufgaben- und Rollenzuschreibungen werden dann wahrscheinlich wichtiger als die Wahrnehmung der die Organisation tragenden tätigen Menschen. Man könnte Organisationen aber auch als Organismen sehen, die in der Auseinandersetzung mit ihren Umwelten wachsen oder vergehen, oder als politisches System mit Macht- und Aushandlungsmechanismen usw. (vgl. die »Bilder« bei Morgan 2018). Wenn man eine Organisation verändern will, muss man sich als organisationsinterner Entscheider ebenso wie als unternehmensexterner Berater über sein eigenes Bild von »Organisation« im Klaren sein, da dieses Bild Auswirkungen auf Sichtweisen, Bewertungen und Interventionen haben wird.

Die Systemtheorie – als eine dieser Sichtweisen – begreift Organisationen als soziale Gebilde und fragt nach der spezifischen Funktionalität einer Organisation in ihren Umfeldern, von der aus sich ihre Existenz legitimiert. Kühl 2011: 168 führt aus: »Systemtheorie heißt ja erst einmal nur, dass Organisationen als soziale Gebilde – soziale Systeme – begriffen werden, die sich durch ihre Eigenarten in einer Welt erst einmal unbegrenzter Komplexität zu behaupten wissen und sich durch ihre Besonderheiten von anderen sozialen Gebilden wie spontanen Face-to-Face-Interaktionen, Gruppen, Familien, Netzwerken, Kommunen, Klassen, Protestbewegungen oder gar ganzen Gesellschaften unterscheiden. Alles andere – die Bestimmung von Organisationen in der modernen Gesellschaft, die Definition von zentralen Merkmalen wie Zweck, Hierarchie und Mitgliedschaft, die Unterscheidungen zwischen drei Seiten der Organisation – folgt aus dieser Entscheidung, Organisationen als soziale Gebilde zu verstehen.«

[33]Kühl 2011: 23–88 definiert drei zentrale Merkmale von Organisationen mit Zweck, Hierarchie und Mitgliedschaft, über die sich Organisationen sowohl untereinander in ihrer Funktionsweise unterscheiden als auch im Gegensatz stehen etwa zu anderen sozialen Gebilden wie Familien, Gruppen oder Protestbewegungen. Kühl macht auf den Wandel dieser drei Merkmale aufmerksam: von der Schichtungsgesellschaft (mit Organisationen wie etwa Gilden oder Klöster) hin zu modernen Gesellschaften. Zwecke beschreiben, was die Organisation anstrebt, was an Zielen oder Strategien aus Sicht der Organisation für ihre Mitglieder handlungsleitend sein soll – Zwecke sollen »das Grundproblem der Bestandserhaltung« spezifizieren (Luhmann zitiert bei Kette 2012: 31). In der modernen Gesellschaft gibt es keine Zwecke mehr, die für allen Organisationen verpflichtend und übergeordnet sind: Viele Organisationen können prinzipiell autonom entscheiden über ihren Zweck. Mit der Wahl eines Zwecks verzichtet eine Organisation auf andere Zwecke und engt ihren (theoretisch unbegrenzten) Handlungsspielraum ein (Kühl spricht hier von »Scheuklappen«). Sie fokussiert damit aber auch die Aufmerksamkeit und die Energien ihrer Mitglieder auf die Erreichung dieses Zwecks. Mitgliedschaft bedeutete in Organisationen der Vormoderne, dass Personen komplett inkludiert waren, d. h., alle Lebens- und alle Zeitbereiche der Personen waren von der Organisation und der zugeschriebenen Rolle betroffen. Die Organisation durfte sich anmaßen, Einstellungen und Verhalten des Organisationsmitglieds auch im Privatbereich zu bestimmen. Die Mitgliedschaft beruhte meist nicht auf einer bewussten Entscheidung sowohl des Mitglieds als auch der Organisation. Dies änderte sich mit den modernen Organisationen: Hier haben beide eine Wahlfreiheit, sodass insbesondere die Organisationen autonom über Eintritt und Austritt von Personen entscheiden können. Hierarchien haben in der modernen Gesellschaft an Wert verloren: Prinzipiell sind alle Menschen gleich, unabhängig von (Geburts-)Stand, Erbe, Herkunft. Ein wie immer geartetes Durchgriffsrecht eines Souveräns in alle Lebensbereiche gibt es nicht mehr. Alleine in Unternehmen gibt es deutliche Hierarchien.

Die Systemtheorie unterscheidet zudem drei Seiten von Organisationen: die formale Seite, die informale Seite und die Schauseite (vgl. zum Folgenden Kühl 2011: 89–159). Organisationen werden oft beschrieben als gut geölte Maschinen, die mechanisch einen bestimmten Zweck erfüllen und in denen die Menschen nur kleine, unbedeutende Rädchen sind, da alle Abläufe über Richtlinien und Handbücher beschrieben sind und wenig individueller Handlungsspielraum besteht – die sogenannte formale Seite. Das heißt, im Fokus stehen die Formalstruktur wie z. B. die Aufbauorganisation (»Welche Bereiche und Abteilungen gibt es?«), die Ablauforganisation (»Wer arbeitet wie mit wem zusammen?«) und die Kommunikationsstruktur (»Wer gibt wem welche Informationen?«, »Wer bekommt von wem welche Informationen?«, »Welche Besprechungen gibt es?«). Die formale Seite einer Organisation hat folgende wichtigen Funktionen: Sie legt fest, woran sich die Mitglieder der Organisation halten müssen (z. B. »Was ist mein Aufgabengebiet? Mit wem muss ich kommunizieren?«), d. h., sie gibt Orientierung. Die Manager andererseits müssen nicht immer alles von Neuem entscheiden und festlegen. Zudem entlastet sie die Organisationsmitglieder dadurch aber auch, da wichtige Entscheidungen ja bereits (von anderen, höherrangigen Organisationsmitgliedern) getroffen worden sind. Rechtfertigungen des Mitarbeiters für formal »richtiges«, d. h. regelkonformes Handeln sind nicht notwendig. Andererseits werden Organisationen oft beschrieben als »politisches« Spiel oder Spielfeld, in dem nicht alles vorgegeben ist, sondern in dem die Akteure [34]teilweise ihre eigenen Interessen verfolgen abseits der offiziellen Ziele, wobei diese Machtspiele in der Regel selten offen ausgetragen werden – die sogenannte informale Seite einer Organisation. Kühl 201: 115 definiert sie wie folgt: »Informal sind alle Erwartungen in der Organisation, die nicht mit Bezug auf die Mitgliedschaftsbedingungen formuliert werden (oder werden können).« Dies könnte z. B. die Erwartung des Vorgesetzten sein, dass seine Mitarbeiter unbezahlte Überstunden machen oder eine unsaubere Geschäftspraxis anwenden und diese verschweigen. Auch diese informalen Seite erfüllt bestimmte Funktionen für die Organisation: Nicht alles lässt sich formalisieren, d. h. festlegen (z. B. der wichtige Umgang der Mitarbeitenden untereinander oder mit Nichtmitgliedern). Zudem wird bewusst vom Management nicht alles formalisiert, da die Organisation auch mit vielen unklaren Fällen konfrontiert wird (»Umtausch eines Produkts ja oder nein?«) und der Handlungsspielraum der Mitarbeiter nicht allzu stark eingeengt werden soll. Organisationen werden zudem oft als Fassade oder Theater beschrieben, bei denen die Organisationen sich der Außenwelt (und auch ihren Mitarbeitern) gegenüber bewusst darstellen – in der Regel deutlich positiver, als es tatsächlich der Fall ist. Oft hängt das Überleben einer Organisation von der Ausgestaltung dieser Fassade gegenüber Kunden, Geldgebern oder Medien ab– dies ist die sogenannte Schauseite. Die Schauseite ist alles das, was Organisationen vor allem ihrer Umwelt bewusst präsentieren. Sie bringen dadurch zum Ausdruck, wie sie gesehen werden wollen (z. B. Geschäftsberichte, Darstellung im Internet, Investorenkonferenzen, Strategiepapiere, Stakeholder-Konferenzen). Die Schauseite hat folgende Funktionen für die Organisation: Sie verbirgt interne Konflikte und Probleme, um Angriffsfläche der Umwelt gegenüber der Organisation zu reduzieren. Sie kann widersprüchliche Anforderungen der Umwelt bzw. der Stakeholder an die Organisation abfedern.

Kühl beschreibt mit den drei Entscheidungsprämissen Programme, Kommunikationswege/Prozesse/Strukturen sowie Personal die prinzipiellen Steuerungsmöglichkeiten von Entscheidungsträgern, diese drei Seiten einer Organisation zu beeinflussen (vgl. hierzu die kurze Darstellung in Abschnitt 2.11 »Unternehmenskultur verändern«). Diese drei Steuerungsmöglichkeiten wirken aber vor allem auf die formale Seite einer Organisation, die informale Seite kann kaum durch das Management beeinflusst werden.

Abbildung 2.1: Systemtheorie: Die Strukturmatrix zur Analyse von Organisationen nach Kühl 2016: 15

[35]Je nachdem, welchen Zweck, welche Mitgliedschaftsbedingungen und welche Art von Hierarchie eine Organisation hat (die Ausprägung der drei zentralen Merkmale), ergeben sich verschiedene Typen von Organisationen (vgl. Apelt/Tacke 2012) und unterschiedliche Steuerungsmöglichkeiten.

Eine besondere Form von Organisation: Unternehmen

Simon 2009: 82 beschreibt aus der Sicht der Systemtheorie Unternehmen über ihren Zweck: »Was Wirtschaftsorganisationen von anderen Organisationen unterscheidet, ist, dass ihre Gründung und ihr Überleben keines weiteren Zwecks bedarf, als an der Wirtschaft als Akteur teilzunehmen.« Privatwirtschaftliche Organisationen in einem marktwirtschaftlichen Kontext müssen ihre Existenz nicht rechtfertigen – die Tatsache, dass sie Gewinne erwirtschaften, ist Legitimation genug. Eine weitere Besonderheit von Unternehmen im Gegensatz zu Organisationen mit karitativen, wissenschaftlichen, sportlichen oder kulturellen Zielen betrifft ihren Zahlungsfluss (Simon 2009: 83): »In einem Unternehmen ist dies genau umgekehrt: Es wird zunächst Geld ausgegeben, damit Geld eingenommen werden kann. Um irgendein verkaufbares Gut anbieten zu können und die Chance zu haben, irgendwelche Erträge zu erwirtschaften, bedarf es der Investitionen, und die kosten Geld (= Kapital). Wenn die Rechnung aufgeht, dann sind die Kosten für Investition und Unterhalt des Betriebs geringer als die Erträge für den Verkauf der Güter. Es wird ein Profit erwirtschaftet. Die ökonomische Logik des Unternehmens lautet: Es wird Geld ausgegeben, damit Geld eingenommen wird« (Simon 2009: 83).

Damit es Unternehmen überhaupt geben kann, bedarf es mehrerer nicht-unternehmerischer Voraussetzungen, d. h., diese Voraussetzungen liegen außerhalb der Einflusssphäre von Unternehmen. Kette 2012: 36 f. nennt zwei wichtige Entscheidungen: A) Die Institutionalisierung von Eigentum, das über das moderne Rechtssystem geschützt wird. Erst sie ermöglicht Verpfändung und Beleihung von Eigentum, die wiederum erst Investitionen ermöglichen. B) Das Entstehen und die Überwachung von universalistischen Regulierungen, die alle Unternehmen betreffen und nicht nur eines (z. B. Verbot von Kinderarbeit oder Auflagen zum Schutz der Umwelt). »Nur wenn Erwartungssicherheit bezüglich dieser relativen Gleichbetroffenheit besteht, können Unternehmen absolute Einschränkungen in der Entscheidungsautonomie hinnehmen, obwohl sie auf die Abnahmefähigkeit der von ihnen erstellten Leistungen angewiesen sind« (Kette 2012: 37).

Für Unternehmen könnten die drei zentralen Merkmale einer Organisation nach der Systemtheorie wie folgt definiert werden (vgl. Kühl 2011: 89–159). Unternehmungen können ihre Zwecke frei bestimmen, da es keine übergeordneten Zwecke gibt, die sie in ihrer Zweckfestlegung einengen würden. Deshalb kann es auch keinen über alle Unternehmen hinweg einheitlichen Zweck geben. Ihre Autonomie geht sogar so weit, dass sie ihre Zwecke ändern können. Diese große Autonomie »gründet wiederum in der exklusiven Zuständigkeit von Unternehmen bzgl. der Aufrechterhaltung ihrer eigenen Zahlungsfähigkeit (qua Profiterzielung)« (Kette 2012: 32). Organisation und Mitarbeiter sind aber auch weitestgehend entkoppelt – es gibt keinen Zweck, [36]der Mitarbeiter auch außerhalb ihrer Arbeitszeit an das Unternehmen binden würde. Unternehmungen können in der Regel frei über die Mitgliedschaft ihrer Mitglieder bestimmen, d. h., sie suchen sich diejenigen Bewerber aus, von denen sie sich den größten Nutzen versprechen. Innerhalb von Unternehmen gibt es eine Hierarchie mit gestuften Weisungsbefugnissen.

Wie definiert aber die Betriebswirtschaftslehre als Spezialwissenschaft von Unternehmen denn »Unternehmungen«? Mit Wöhe et al. 2016: 27 wird hier ein weitverbreitetes, eher »klassisches« Lehrbuch der Betriebswirtschaftslehre zitiert: »Als Betrieb bezeichnet man eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der Produktionsfaktoren kombiniert werden, um Güter und Dienstleistungen herzustellen und abzusetzen.« Das heißt, Betriebe/Unternehmungen werden als Input verarbeitende und Output produzierende Organisationen gesehen, die zudem mit Kapitalmarkt und Staat als wichtigsten Umwelten verzahnt sind.

Abbildung 2.2: Leistungserstellungs- und Finanzbereich eines Betriebs nach Wöhe et al. 2016: 28

Bleibt man bei diesen Input-Output-Relationen, dann wird man sicherlich einige Besonderheiten und Voraussetzungen dieses speziellen Typus von Organisationen nicht erfassen können. Dann wird auch ein Verständnis von Organisation als einem Gestaltungsmittel neben anderen vorherrschen, das auf formale Regelungsmechanismen fokussiert und die (sozialen) Wechselbeziehungen zwischen den Mitarbeitern und sowie zwischen dem Technikeinsatz und den Mitarbeitern nicht adäquat erfasst, wie es etwa van Geldern 2000: 14 exemplarisch (und überspitzt) formuliert: »Organisation ist die Summe aller Regelungen, die die Beziehungen und Abläufe zwischen Menschen und Menschen, Menschen und Sachmitteln sowie Sachmitteln [37]und Sachmitteln zwecks Erfüllung der Unternehmensaufgabe und Erreichung unternehmensbezogener Ziele festlegt.« Organisation wird dann eher verstanden als Aufbau- und Ablauforganisation denn als ein spezieller Organisationstypus.

Bei Change-Projekten wird sicherlich das Verständnis der Systemtheorie dem betrieblichen Akteur ein umfassenderes Verständnis von Veränderungsprozessen ermöglichen und dementsprechend den Einsatz eines zielführenderen Instrumentariums. Denn die Systemtheorie versteht Unternehmen als einen bestimmten Typus von Organisation und damit als soziales Gebilde. Deshalb ist sie auch in der Lage, Unternehmen mit ihren Spezifika zu verstehen im Gegensatz zur Funktionsweise anderer Typen von Organisationen wie Polizei, politische Organisationen, Sportvereine, Schulen oder Universitäten. Die Betriebswirtschaftslehre hingegen sieht oft Unternehmen als ihren spezifischen Gegenstand aus ihrem Fachverständnis heraus und damit »Organisation« letztendlich eher als »Aufbau- und Ablauforganisation« und damit als ein Instrument unter vielen, Unternehmen zu steuern.

Verwendete und weiterführende Literatur

Apelt, Maja/Tacke, Veronika (Hrsg.) (2012): Handbuch Organisationstypen. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden

Boos, Frank/Mitterer, Gerald (2014): Einführung in das systemische Management. Heidelberg: Carl-Auer Verlag

Kette, Sven (2012): Das Unternehmen als Organisation. In: Apelt, Maja/Tacke, Veronika (Hrsg.) (2012): Handbuch Organisationstypen. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden, S. 21–42

Kühl, Stefan (2011): Organisationen. Eine sehr kurze Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Kühl, Stefan (2016): Strategien entwickeln. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Morgan, Gareth (2018): Bilder der Organisation. Stuttgart: Schäffer-Poeschel

Simon, Fritz B. (2009): Einführung in die systemische Wirtschaftstheorie. Heidelberg: Carl-Auer Verlag

Simon, Fritz B. (2015): Einführung in die systemische Organisationstheorie. 4. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer Verlag

van Geldern, Michael (2000): Organisation. Frankfurt am Main: Campus

Wöhe, Günter/Döring, Ulrich/Brösel, Gerrit (2016): Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 26. Auflage. München: Vahlen

2.2Auftrag und Auftragsklärung

Name des Instruments

Auftrag, Projektauftrag, Auftragsklärung

Ziele

Klare Absprachen zwischen Auftraggeber und Projektleiter und/oder Berater, effektive Projektsteuerung und Projektarbeit, zielgerichtete Information und Mitarbeit aller am Projekt Beteiligten

[38]Beschreibung

Zu Beginn eines Veränderungsprojektes muss ein Auftrag vereinbart werden, der die Zielrichtung des Projektes sowie die wesentlichen Rahmenbedingungen festlegt. An ihm können sich Auftraggeber, Projektleiter und Teammitglieder während der Projektarbeit ausrichten; an ihm wird später aber auch der Projekterfolg gemessen werden. Ein gutes Projekt startet mit einem durchdachten Projektauftrag. Ein schlechter und nicht durchdachter Projektauftrag dagegen zieht in der Regel auch ein schlechtes und ineffektives Projekt nach sich.

Wichtig ist: Je genauer man sich in dieser Phase Gedanken über die spezifische Zielsetzung und die Aufgabenpakete macht, desto leichter hat man es in der Umsetzungsphase mit der Durchsetzung und desto fairer wird auch die Erfolgskontrolle. Diese hängt dann nicht mehr von den persönlichen Vorlieben oder der Tagesform des Auftraggebers ab, sondern stützt sich auf objektive und vorher festgelegte Messkriterien.

Je größer das Veränderungsprojekt ist, desto komplexer und umfangreicher ist auch der Projektauftrag. So ist im nachfolgenden Praxisbeispiel der Projektauftrag zur Einführung von Gruppenarbeit im gewerblichen Bereich der Speedy GmbH sehr umfangreich, da es sich um den größten Bereich des Unternehmens mit mehr als 1.600 Mitarbeitern handelt. Zudem wird dieses Projekt stark in die Strukturen (z. B. die Aufbauorganisation mit der Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten) und die Prozesse (z. B. Fertigungslinien statt Werkstattfertigung) der Organisation eingreifen, sodass die anstehenden Veränderungen deutlich spürbar sein werden. In diesem Beispiel spielt der Betriebsrat als Interessenvertreter der betroffenen Arbeitnehmer eine wichtige Rolle, da es auch um mitbestimmungspflichtige Themen wie neue Arbeitsformen und neue Entlohnungssysteme geht.

Gerade bei größeren Veränderungsprojekten ist ein klar formulierter Projektauftrag noch aus einem anderen Grund wichtig. Da Veränderungsprojekte oft in Teilprojekten organisiert werden, kommt dem ursprünglichen Projektauftrag auch eine wichtige Informations- und Steuerungsfunktion gegenüber den Teilprojekten zu. Ist der erste Projektauftrag unklar, dann multiplizieren sich diese Unklarheiten in die Teilprojekte hinein, sodass das Gesamtprojekt nur mit viel Verschwendung und Unruhe laufen wird.

Zu einem vollständigen und nachvollziehbaren Projektauftrag gehören die in Tabelle 2.1 zusammengestellten Themen (vgl. etwa Stöger 2019: 61, Stolzenberg/Heberle 2013: 151 f., Winkler 2004: 92).

ThemaLeitfragenProjektauftragWie lautet der Projektauftrag in einigen Stichwörtern?ProblembeschreibungWie sehen die Probleme konkret aus, die Anlass für das Projekt waren/sind? (Später lassen sich die Zielrichtungen für das Projekt aus dieser konkreten Problemsituation ableiten.)[39]AuftraggeberWer ist konkret für die Erteilung des Auftrags zuständig? Wer gibt die notwendigen Ressourcen frei? Wer wird den Projektfortschritt überwachen? Gibt es nur einen unternehmensinternen Auftraggeber oder gibt es auch einen unternehmensexternen Auftraggeber?ProjektleiterWer hat als Projektleiter das »Heft in der Hand«? Wer wird für Erfolg oder Scheitern verantwortlich gemacht werden?Zielsetzung/Benefit*Welche konkreten Ziele sollen durch das Projekt erreicht werden? Wofür ist der Projektleiter persönlich verantwortlich? Falls es Ziele gibt, die dem Projektleiter nicht persönlich zuzurechnen sind: Wer muss in diese Zielvereinbarung zwingend zusätzlich einbezogen werden? Welcher Benefit kann durch das Projekt erreicht werden?AufgabenstellungenWelche Aufgabenstellungen/Aufgabenblöcke müssen im Projekt erledigt werden? (Aus diesen Aufgabenblöcken lassen sich in der Regel (Zwischen-)Ergebnisse, Termine/Meilensteine sowie im weiteren Verlauf Projektstrukturpläne ableiten.)(Zwischen-)ErgebnisseWelche konkreten Zwischenergebnisse sollen bei den einzelnen Aufgabenstellungen erreicht werden? Was hat man nach Abarbeitung dieser Aufgabenstellungen jeweils als »Produkt« in der Hand? (Diesen Zwischenergebnissen lassen sich leicht die Termine/Meilensteine zuordnen.)Termine/MeilensteineWelche Ergebnisse werden wann erreicht werden? Welche Meilensteine gibt es, bei denen es wichtige Entscheidungen des Auftraggebers gibt, die den weiteren Projektfortschritt beeinflussen bzw. bei denen Entscheidungen getroffen werden, denen als »Weichenstellung« eine besondere Bedeutung zukommt?Budget/Ressourcen**Was steht dem Projekt an finanziellem Budget und an sonstigen Ressourcen zur Verfügung (Mitarbeiter, Räumlichkeiten, Zugang zu Informationen oder Verfügbarkeit der technischen oder personellen Ausstattung von anderen Abteilungen etc.)?Randbedingungen