Wundervolle Tiere und ihre Welten - Vera Malissa & M. E. Pandura (Hrsg) - E-Book

Wundervolle Tiere und ihre Welten E-Book

Vera Malissa & M. E. Pandura (Hrsg)

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Beschreibung

Ein einzelnes Tier zu retten verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier. 23 AutorInnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihren Werken einen Beitrag zur Minderung von Tierleid zu leisten und uns aus ganz persönlicher Sicht die unterschiedlichsten Tierwelten zu zeigen. Allen gemeinsam ist die Liebe zu den Tieren, die aus ihren Worten spricht. Die Geschichten erzählen von Katzenfreundschaften, wovon Pferde träumen, und welche Beziehungen die Helden mit Fell und Federn zu ihren Menschen aufbauen können. Der Reinerlös dieser Anthologie geht zur Gänze an die Tierhilfe Süden Austria.

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Seitenzahl: 340

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Wundervolle Tiere und ihre Welten

Das Buch

Ein einzelnes Tier zu retten verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.

23 AutorInnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihren Werken einen Beitrag zur Minderung von Tierleid zu leisten und uns aus ganz persönlicher Sicht die unterschiedlichsten Tierwelten zu zeigen. Allen gemeinsam ist die Liebe zu den Tieren, die aus ihren Worten spricht.

Die Geschichten erzählen von den Sorgen und Nöten der Katzenmütter, wovon Pferde träumen, und welche Beziehungen die Helden mit Fell und Federn zu ihren Menschen aufbauen können.

Der Reinerlös dieser Anthologie geht zur Gänze an die Tierhilfe Süden Austria.

Wundervolle Tiere und ihre Welten

Spendenanthologie zugunsten der Tierhilfe Süden Austria

Impressum

© 2024

Herausgegeben von:

M. E. Pandura/Evelyn Zimmermann

A-3931 Walterschlag 18,

und Vera Malissa

Texte: © gehört den jeweils genannten Autorinnen und Autoren

Lektorat und Korrektorat: M. E. Pandura & Dr. Vera Malissa

Umschlag:© by Renee Rott, Dream Design – Cover and Art, unter Verwendung folgender Bilder:

© Adobe Stock, Depositphotos

Kapitelillustration: © by Asna Chiron

Buchsatz: Evelyn Zimmermann, [email protected]

Danke an Coverdesigner Renee Rott und Illustratorin Asna Chiron für die Spende ihrer wertvollen Zeit und Expertise zur Gestaltung des Buchs!

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung oder Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung der AutorInnen unzulässig und strafbar. Ohne ausdrückliche, schriftliche Erlaubnis der AutorInnen darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadensersatz. Die AutorInnen und Herausgeberinnen übernehmen keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten. Es handelt sich um fiktive Geschichten. Etwaige Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen sind zufällig. Es besteht keine Absicht, diverse Orte, Firmen oder Markennamen sowie Personen des öffentlichen Lebens in irgendeiner Art und Weise zu schädigen oder negativ darzustellen.

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Inhaltsverzeichnis

Über die

TIERHILFE SÜDEN AUSTRIA

Für Cindy

Wahre Helden tragen Fell

Die Hunde von Black River

Bereit, fliegen zu lernen

Pferdeträume

Drei Nüsse für Cinderella

Knusprigbraune Überraschung

Mit Herz und Huf

Seniorenadoption

Talishas Traum

Vermisst

Kriegstänze und Friedensküsse

Eine Dackelgeschichte

Das Leben ist (k)ein Paradies

Bonnie und Bandit

Merles Weg nach Hause

Des einen Freud

Aus der Asche

Die Seele der Tiere

Das Eichhörnchen

Eule

Nicht mehr allein

Die Befreiung

Der Ruf der Freiheit

Der letzte Schnee

Das Haus der Begegnungen

Asha im Herzen

Der Bär

Elefantenzirkus

Ein Hundeleben

Mitwirkende Autorinnen und Autoren

Über die TIERHILFE SÜDEN AUSTRIA

Unseren Verein gibt es in Österreich seit 2001, zu Beginn als »Filiale der Tierhilfe Süden Deutschland«.

Seit 23 Jahren bemühen wir uns, den vielen leidenden Tieren im In- und Ausland zu helfen.

Wir unterhalten ein Tierheim in Bulgarien, füttern Streunerkatzen in Niederösterreich, helfen TierschützerInnen in Rumänien und Serbien und betreiben seit vielen Jahren Kastrationsprojekte, um der stetig wachsenden Anzahl an ungewollten Tieren Herr zu werden.

Unsere Hilfe reicht bis Venezuela oder Uganda, überall leiden die Tiere und die TierschützerInnen vor Ort warten auf Hilfe, um helfen zu können.

Mein Dank für diese wunderbare Anthologie gilt Frau Dr. Vera Malissa und Frau Evelyn Zimmermann als Organisatorinnen, den Mitwirkenden dieses Buches und vor allem an Sie, den KäuferInnen, die mit dem Kauf dieses Buches die aktive und ehrenamtliche Tierschutzarbeit im In- und Ausland unterstützen.

Vielen herzlichen Dank und viel Freude beim Lesen !

Sylvana Stierschneider-Penkner

Obfrau

TIERHILFE SÜDEN AUSTRIA

Jennifer Böhm

Für Cindy

In deine treuen Augen blicke ich hinein,

verliere mich in ihrem glänzenden Schein.

Deine feuchte Nase stupst mich an,

wie du es schon immer hast getan.

Dein Fell schmiegt sich an meine Hand,

unzertrennbar ist unser Band.

Dein Schwanzwedeln bringt zum Lächeln mich,

von ganzem Herzen lieb ich dich.

Aus dem Tierheim bist du zu uns gekommen,

seither haben wir viel zusammen unternommen.

Vom Hundetraining bis zur Bergwanderung oben,

du verschönerst jeden Tag – ganz ungelogen.

Als Welpe in einer Schachtel ausgesetzt,

bist du direkt in mein Herz gehetzt.

Gerettet habe aber ich nicht dich,

sondern zweifelsohne nur du mich.

Denn viel zu schüchtern war ich ohne dich,

vor alles und jedem gefürchtet habe ich mich.

Du hast mich aus meinem Schneckenhaus getrieben,

mich gelehrt, das Leben neu zu lieben.

Auch wenn du manchmal echt frech bist

Und sogar Papas Führerschein frisst,

kann niemand dir lange böse sein,

denn du machst uns glücklich wie der Sonnenschein.

Mein halbes Leben bist du nun an meiner Seite,

sorgst dafür, dass meine Sorgen suchen das Weite.

Und wenn ich auch mal traurig bin,

reicht ein Blick von dir und alles ergibt wieder Sinn.

Noch lange möchte ich dich an meiner Seite wissen,

denn das Schlimmste wäre, dich zu vermissen.

Du hast den größten Platz in meinem Herzen

Und ohne dich zu leben würde schmerzen.

Kein Weg wär mir für dich zu weit,

bringst Lebensglück und vertreibst Einsamkeit.

Ein Teil der Familie bist du in jeder Hinsicht,

deine Pfote in meiner Hand, mehr brauch ich nicht.

Du bist einfach der tollste Hund,

bringst Hoffnung selbst in dunkelster Stund.

Ohne dich wär ich nicht, wer ich jetzt bin.

Für mein Herz warst du immer schon der Hauptgewinn.

Jennifer Böhm

Wahre Helden tragen Fell

Die Stimmung im Wohnzimmer ist am Tiefpunkt angekommen. Der Raum, der sonst von Leben und Lachen erfüllt wurde, liegt jetzt in Stille. Meine Knie schmerzen, seit Stunden schon harre ich am gleichen Fleck neben dem Teppich aus. Ihrem Lieblingsplatz. »Ach Mina … Wieso kannst du nicht für den Rest meines Lebens an meiner Seite bleiben? Ohne dich wäre ich heute nicht mehr hier. Du hast mich vor dem Abgrund bewahrt.« Meine Stimme kam kaum lauter als ein Flüstern über meine Lippen, während die Tränen über meine Wangen laufen.

Von hinten schlingt Selina die Arme um mich, legt ihren Kopf auf meiner Schulter ab. »Mina wird immer bei dir sein. Auch, wenn du sie nicht sehen kannst, sie wird da sein. Das weiß ich, so ist sie einfach.« Ihre Worte machen mein Herz noch schwerer, meine Finger können nicht aufhören, durch das Fell meiner Hündin zu streicheln. Noch vor wenigen Tagen sind wir gemeinsam durch den Wald spaziert und jetzt liegt sie hier neben mir, regungslos, den letzten Atemzug in meinen Armen getan. Mein Kopf begreift noch nicht, dass dies hier der Abschied für die Ewigkeit ist.

»Habe ich dir jemals erzählt, dass sie mir das Leben gerettet hat? Also wortwörtlich, nicht nur im übertragenen Sinne?«

Selina löst sich von mir und rutscht neben mich. Kurz wende ich mich ihr zu und sehe ihren überraschten Gesichtsausdruck. »Was? Nein, hast du nicht.«

Ein schwerer Seufzer verlässt meine Kehle. »Das war immer ein Geheimnis zwischen mir und meiner treuen Gefährtin, ich wollte nie darüber reden, um niemanden zu beunruhigen. Aber jetzt, so viele Jahre später, wo Mina als Engel im Himmel über mich wachen wird, kann ich es nicht länger verschweigen. Die ganze Welt soll wissen, welch eine Heldin sie wirklich war.«

»Manuel, was ist damals passiert?«

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, wenn ich an die Zeit zurückdenke. »Ich habe dir doch mal erzählt, dass ich Mina zufällig im Wald gefunden und gerettet habe. Tja, eigentlich war es so, dass sie in diesem Moment mich gerettet hat.« Einen tiefen Atemzug später fühle ich mich bereit, die Geschichte mit Selina zu teilen. »Es war vor etwa fünfzehn Jahren, an einem kühlen Tag im Herbst. Damals machte ich eine schwere Zeit durch, fühlte mich völlig verloren. Meine Eltern lebten in Scheidung, in der Schule wurde ich gemobbt, weil meine Familie arm war und ich deswegen nicht mit den modernen Trends mithalten konnte und mein bester Freund zog in eine andere Stadt, wodurch ich quasi alleine dastand.«

Shit, ist das schwer … »Alles wurde mir zu viel, ich wollte so nicht weitermachen. Mein damals vierzehnjähriges Ich besaß keine Kraft mehr und ich gab auf. Deswegen ging ich in den Wald, um alles hinter mir zu lassen. Für immer. Ich kann jetzt noch das Rascheln der trockenen Blätter unter meinen Füßen hören. Meine Beine trugen mich zur Schlucht, du weißt schon, zu dem Ort, an dem die Felswand steil hinabführt und wo unten nur ein paar vereinzelte Bäume wachsen. Das perfekte Plätzchen, um dem Schmerz ein Ende zu setzen und wieder frei zu sein.«

Die Augen meiner Verlobten werden groß, es fällt mir schwer, ihrem Blick standzuhalten. Sie drückt besänftigend meine Hand. »Du wolltest also …« Selina muss ihre Frage nicht zu Ende stellen, ich weiß auch so schon, was sie sagen will.

Stumm nicke ich ihr zu. »Zu diesem Zeitpunkt wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen. Keiner hörte mir zu, niemand schien sich für mich zu interessieren. Ich stand schon mit den Füßen halb über dem Abgrund, kurz davor hinabzuspringen, als ich hinter mir ein Rascheln im Gebüsch wahrnahm. Erschrocken fuhr ich herum, weil ich fürchtete, dass jemand mir gefolgt war. Aber ein ganz anderer Fall trat ein – Mina kam hinter dem Gebüsch hervor. Zuerst dachte ich, ein Babyfuchs schlich auf mich zu, doch als sie sich mir näherte, erkannte ich, dass es ein abgemagerter Hundewelpe war, der völlig mitgenommen wirkte. Zögerlich hockte ich mich auf den Boden und sie hielt abrupt inne, sodass ich fürchtete, sie würde gleich wieder im Wald verschwinden. Tat sie aber nicht.«

Der Kloß in meinem Hals wird immer schlimmer, nur durch Selinas ermutigenden Ausdruck in den Augen fühle ich mich stark genug, um weiterzusprechen. »Nach einigen Sekunden des Zögerns entschied das Hundebaby sich dann doch, zu mir zu kommen. Sie beschnupperte sanft meinen Handrücken und erst dann erkannte ich, dass sie verletzt war. Die linke Vorderpfote hing ihr schlaff vom Körper, so als wäre sie gar kein Teil mehr von ihr. Ich wagte nicht, die Wunde zu berühren, aber man sah ihr an, dass sie starke Schmerzen haben musste. Es tat mir im Herzen weh, sie so zu sehen. Den Moment, in dem ich zum ersten Mal über ihr zerzaustes Fell streichelte, werde ich niemals vergessen. Zwischen uns bestand von Anfang an eine Bindung, ein starkes Band, das untrennbar war.«

Selinas Hand streicht über meinen Arm, mein Körper erbebt bei diesem Rückblick auf die Vergangenheit. »Mein Plan, mich von der Klippe zu stürzen, verflüchtigte sich mit dem ersten Stups von Minas kalter Nase gegen meine Hand. Es war, als hätte sie mir sagen wollen »Ich bin jetzt da, alles wird gut«. Und damit behielt sie recht.« Die Tränen fließen unaufhaltsam über meine Wangen. Meine Hand ruht immer noch auf Minas leblosen Körper, der immer noch die Wärme ausstrahlte, die ich von ihr kannte. Nur für wie lange noch?

Ich möchte jede noch verbleibende Sekunde mit ihr auskosten, bevor ich sie in ihre letzte Ruhestätte betten muss. »Noch während ich so im Wald vor ihr hockte, ergriff Mina die Initiative und kroch auf meinen Schoß und das, obwohl ihre Pfote völlig hinüber war und sie kaum die Kraft besaß, sich hochzuziehen. Sie rollte sich auf mir zusammen und das brachte mich tatsächlich zum Lächeln. Etwas, was ich gedacht hatte, verlernt zu haben.«

»Oh ja, das kann ich mir bei Klein-Mina so richtig vorstellen. Sie ist immer ein Kuschelbär geblieben«, fügt Selina schwermütig lächelnd hinzu.

»Ja, genau. Jedenfalls kann ich gar nicht sagen, wie lange wir einfach so aneinander gekuschelt dasaßen, als es langsam dämmrig und kalt wurde. Die kleine Hündin fröstelte und ich wusste, dass ich sie mitnehmen musste, weil sie ansonsten im Freien verloren gewesen wäre. Ganz vorsichtig hob ich sie hoch und sie ließ es einfach geschehen. Mina vertraute mir von Anfang an blind, obwohl ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht mal selbst traute. Ich schob ihren knochigen Körper unter meine Jacke, damit ihr wärmer wurde, und stapfte so den Waldweg zurück, bis die Ortstafel vor mir auftauchte. Dann überkam mich die Panik.«

»Panik? Wieso das?«

Ich zucke die Schultern. »Naja, meine Eltern waren immer gegen ein Haustier gewesen und wenn ich einen Hund nach Hause gebracht und ihnen erzählt hätte, er wäre mir im tiefsten Wald zugelaufen, einem Ort, an dem ich allein gar nicht hätte sein dürfen, hätten sie mir bestimmt den Kopf abgerissen.«

Verstehend nickt Selina.

»So stand ich also da und überlegte, bis mir eine mögliche Lösung in den Sinn kam: Ich musste das arme Tierchen zum Tierarzt bringen, damit die Wunden versorgt werden und sie wieder zu Kräften kommen konnte. Zufälligerweise arbeitete meine Tante zu dieser Zeit als Assistentin in der örtlichen Tierarztpraxis, weshalb ich mein Glück versuchen und Mina zu ihr bringen wollte. Zu meiner Erleichterung war sie an diesem Tag tatsächlich im Dienst und staunte nicht schlecht, als ich mit dem Fellknäuel im Arm zu ihr kam.« Das lässt mich für den Bruchteil einer Sekunde lächeln.

»Verwirrt nahm sie mir den Welpen ab und ich erzählte ihr eine Lügengeschichte, von wegen ich hätte die Kleine auf der Straße gefunden, nachdem sie angefahren worden war. Beinahe sofort wurde mir das Tier aus den Händen gerissen und ins Behandlungszimmer des Arztes gebracht, der sie gründlich untersuchte. In der Zwischenzeit weigerte ich mich standhaft, die Praxis zu verlassen, solange ich nicht wusste, wie es Mina ging. So hockte ich schweigend auf einem Stuhl, bis meine Eltern auftauchten, die von meiner Tante informiert worden waren, doch selbst dann bewegte ich mich nicht vom Fleck. Irgendwann kam der Tierarzt aus dem OP und ich sprang auf, um nach dem Welpen zu fragen. Er schenkte mir nur einen mitleidigen Blick und meinte: ›Kleiner, es ist besser, wir schläfern sie ein. Ihr Bein muss amputiert werden und sie wird nie eine vergleichbare Lebensqualität haben wie ein gesunder Hund.‹«

Meine Verlobte zieht scharf die Luft ein.

»Daraufhin habe ich einen Schreikrampf bekommen und gerufen, dass ich das nicht zulassen würde. Ich schwor auf mein Leben, mich um die Kleine zu kümmern und sie wieder aufzupäppeln. Da ich keine Anstalten machte, mich zu beruhigen, knickten meine Eltern ein – sie hatten ohnehin schon Mitleid wegen der Scheidung mit mir – und baten den Arzt, dem Tier eine Chance zu geben. Er willigte ein und ich fiel Mama und Papa um den Hals. Auch wenn sie nicht happy darüber waren, bald einen gehandicapten Hund in ihrem noch gemeinsamen Haus zu haben, zeigten sie es nicht. Und so wurde die Amputation durchgeführt und es vergingen einige Tage, bis der Welpe fit genug war, um nach Hause zu dürfen. Jeden Tag besuchte ich Mina in der Praxis und wir wuchsen immer mehr zu besten Freunden zusammen, was sich im gemeinsamen Zuhause natürlich noch mehr verstärkte.«

Mein Herz schlägt schwer gegen die Brust. »Es kostete viel Zeit, Kraft, Geduld und meine Eltern bestimmt auch Geld, Mina wieder auf die Beine zu bringen, doch es lohnte sich allemal. Bestimmt merkten Mama und Papa, wie gut es mir tat, Mina um mich zu haben, denn auch sie schlossen sie schnell ins Herz. Schließlich wuchs sie zu einer starken Hundedame heran, die sich von ihrem Handicap nicht einschränken ließ. Mit ihren drei Beinen flitzte sie genauso schnell über die Hundewiese wie all die gesunden Hunde. Das machte mich unendlich glücklich, mit ihr an meiner Seite fühlte ich mich stark. Durch sie gewann ich an Selbstvertrauen, ließ mich von nichts und niemanden mehr unterkriegen. Mina hat mich gerettet, ohne sie wäre ich schon längst nicht mehr da.«

»Oh Manuel, ich bin froh, dass du mir das erzählt hast. Für mich war Mina immer schon ein wahrer Engel, aber mit diesem Wissen ist sie eine noch viel größere Heldin. Sie hatte ihr Herz am rechten Fleck. Aber sag mal, wie bist du eigentlich auf ihren Namen gekommen?«

Ich ziehe Selina in meine Arme. »Das war ganz einfach: Ich habe im Internet nach Namen gesucht, die ›Beschützerin‹ oder ›Heldin‹ bedeuten, weil sie das einfach von Anfang an für mich war. Und so fand ich ›Mina‹ und kein Name hätte je besser passen können.«

Ich schenke meiner verstorbenen Hundefreundin ein schwaches Lächeln, kraule sie noch einmal am gesamten Körper. »Mach’s gut, mein Engel, wir werden uns im Himmel wiedersehen«, flüstere ich ihr zu, ehe ich sie hochhebe und zu ihrer letzten Ruhestätte in unserem Garten trage. Und bestimmt wird sie als Engel am anderen Ende der Regenbogenbrücke warten, bis wir uns eines Tages wiedersehen.

Stephanie Briegl

Die Hunde von Black River

Als wir aus dem Flugzeug stiegen und zum ersten Mal die »frische« jamaikanische Luft einatmeten, wusste ich, warum die Hitze in der Karibik nicht vergleichbar mit der österreichischen Hitze ist. Geplant war, drei Wochen in Jamaika zu bleiben und einen Roadtrip mit Backpacking zu machen.

Unser erstes Hotel befand sich an einem Ort, der nun wirklich nichts gemein hatte mit den Postkartenmotiven, die man aus der Karibik so kennt. Müllberge, darauf Ziegen und Straßenhunde, die verzweifelt nach etwas zu Essen suchten. Straßenhunde in Jamaika ist außerdem ein Thema, mit dem man sich immer wieder befassen muss, wenn man dort reist. Im Vorfeld hatte ich mir bereits eine Tollwutimpfung geben lassen, schließlich ist die Gefahr, dass einige der Tiere dort an Tollwut erkrankt sind, hoch. Abends im Bett liegend und durch den Rauch unserer Nachbarn in etwas andere Sphären enthoben, halluzinierte ich von den Straßenhunden, wie sie im Müll herumsprangen und empfand großes Mitleid.

Meine Freundin Rebecca und ich hatten mehrere Stationen während unserer Reise geplant, jeweils mit Nächtigungen von drei bis vier Tagen. Eine dieser Stationen hieß Black River, ein kleines, viel zu wuseliges Dorf mit einem Geräuschpegel, der mich das Ghetto unserer ersten Tage vermissen ließ. In Black River bewohnten wir vier Tage lang ein altes Haus im Kolonialstil – richtig hübsch, aber etwas schief stand es da – mit langen Gängen, vielen Ameisen im Zimmer, auf die ich liebend gerne verzichtet hätte und sogar einem Pool, der zwar nicht allzu frisch aussah, an dem man aber zumindest entspannen konnte.

Beim Pool sahen wir sie zum ersten Mal: Die Hündin. Sie lag gezeichnet von der Hitze einfach nur herum, tat nichts, hob nicht einmal den Kopf, wenn man zu ihr ging und sie streicheln wollte. Am nächsten Morgen, als wir auf unserer Terrasse ein halbwegs annehmbares Frühstück zu uns nahmen, lief uns ein wenige Wochen alter Hund entgegen. Er hatte ganz weiches, wuscheliges Fell, kleine schwarze Knopfaugen und sah absolut entzückend aus. Wir spielten eine Weile mit ihm, streichelten ihn mehrmals ausgiebig und blickten uns dann verwirrt um. Wo war seine Mutter?

Wir nahmen den Hund mit zum Pool, wo wir ins Gespräch mit anderen Backpackern kamen. Es handelte sich um zwei Mädels – Julie und Anne – die uns den Welpen abnahmen und meinten, dass sie uns unbedingt etwas zeigen mussten. Wir liefen die langen Gänge entlang und gelangten zu einem Gebäudeteil, den wir zuvor noch nie gesehen hatten. Und da, in diesem etwas verwahrlost aussehenden Garten mit ausgedörrtem Gras, war ein sehr provisorisch wirkender Hundeverschlag aufgebaut, ein kleiner Käfig, eine Art Gehege mit keinerlei Annehmlichkeiten. Darin wuselten neun Hundewelpen in unterschiedlichen Farben, manche schon deutlich größer und stärker als andere, die wiederum sehr klein und schwach wirkten. Julie seufzte und es schien ihr sichtlich schwer zu fallen, uns zu erklären, was es damit auf sich hatte.

»Das haben die Inhaber gebaut. Die Hündin, die immer nur so schlapp rumliegt, ist eigentlich Mutter dieser Welpen, nur weigert sie sich, ihnen zu fressen zu geben. Also sie lässt die Welpen nicht genug Milch trinken. Wir haben echt Sorge um einige von ihnen.«

»Ja stimmt, manche sind deutlich fortgeschrittener in ihrer Entwicklung als andere.«

»Das kommt davon, dass die Mutter die Hunde eine Zeit lang schon trinken lässt. Die kleinen sind aber nicht so durchsetzungsstark und kommen nicht zum Zug. Meistens haben die größeren Welpen schon getrunken und wenn dann die kleineren Welpen hungrig sind, mag die Mutter ihnen keine Milch mehr geben. Wir hatten echt schon Angst, dass die kleinsten von ihnen es nicht packen, wenn wir jetzt bald abreisen. Bisher haben wir uns um sie gekümmert. Aber wir wissen nicht, wer es tun wird, wenn wir weg sind.«

»Was ist mit den Inhabern? Sie haben ja zumindest diesen Verschlag gebaut.«

»Denen wäre es lieber, die Hunde würden sterben. Das klingt brutal, ist aber leider Realität für viele Jamaikaner. Zu viele Welpen, braucht ja keiner hier. Die landen eh irgendwann überfahren auf der Straße.« Ich schnappte nach Luft und sah Julie entsetzt an.

»Ist es wirklich so schlimm mit den Hunden?«

»Ja, kastriert sind die meisten nicht, kriegen andauernd Welpen, um die man sich halt kümmern muss. Die Inhaber haben aber keine Zeit dafür, sind mit dem Betrieb vom Hotel schon so beschäftigt. Man bräuchte jemanden, der sich wirklich der Hunde annimmt.«

»Das ist ja schrecklich.«

»Ja, echt traurig. Aber bevor wir jetzt weiter über etwas diskutieren, was wir leider nicht ändern können, stell ich euch die Welpen vor.«

Sie öffnete die Tür zum Hundeverschlag und im Nu waren von wir umringt von zahlreichen Hundewelpen, die alle um unsere Aufmerksamkeit buhlten. Ein paar der größeren mutigen Hunde sprangen an unseren Beinen hoch, beziehungsweise versuchten es zumindest, die schwächeren und offensichtlich auch schüchternen Hundewelpen hielten einen Respektsabstand ein. Und dann begegnete mir der wohl süßeste Hund, den ich je in meinem ganzen Leben gesehen habe. Er war der kleinste und zarteste von allen, wirkte unbeholfen und tollpatschig. Vorsichtig tapste er hinter dem Holzverschlag hervor und fiel dabei fast um.

Das ließ mir Tränen in die Augen treten, der Arme konnte sich kaum auf den Beinen halten. Im Vergleich zu seinen Geschwistern war er etwa um die Hälfte kleiner und torkelte etwas ungelenk umher. Ich hätte ihn am liebsten eingepackt und mitgenommen, so sehr begeisterte er mich. Dass das nicht ging (vor allem nicht in diesem Alter und Zustand) war jedoch klar, weshalb ich nun langsam auf ihn zuging, um wenigstens die kurze Zeit mit ihm zu nutzen, die uns noch blieb. Ich taufte ihn Krümel. Der Name erschien mir passend, angesichts seines Äußeren. Fast hatte er es zu uns geschafft, tapste noch ein paar unbeholfene Schritte, ehe er erschöpft vor mir stand. Er starrte mich einfach nur mit seinen großen schwarzen Augen an. Ich hockte ihm gegenüber und wagte es nicht, ihn zu streicheln, weil die Angst zu groß war, dass es ihm zu viel wäre und er sich dann wieder hinter den Holzverschlag verkriechen würde. So blieb ich geduldig sitzen und wartete. Rebecca, die mittlerweile drei Hundewelpen im Arm hielt, fragte: »Warum wartest du denn auf den da? Der ist doch uninteressant. Die anderen sind viel lustiger. Mit denen kann man mehr machen.«

»Ich find ihn irgendwie richtig herzig. Weiß ich auch nicht, der hat’s mir einfach angetan.« Dass ich immer schon eine Schwäche für die tollpatschigen, schüchternen Tiere gehabt hatte, war wohl auch ein wesentlicher Faktor für meine Begeisterung. Mein Herz begann heftig zu schlagen, als Krümel plötzlich mehrere Schritte auf mich zu machte und an meinem Bein schnüffelte. Es schien ihm zu gefallen, denn er schmiegte seinen Kopf an mein Bein, wie eine Katze. Ich begann zu lachen. Schließlich traute ich mich doch, über seinen zarten Kopf zu streicheln. Auch das schien ihm zu gefallen, er ließ mich jedenfalls weitermachen.

Krümel wurde zu meinem Lieblingshund. In den nächsten zwei Tagen, an denen wir leider auch viel außerhalb des Hotels unterwegs waren, um Sightseeing zu machen, musste ich immer wieder an ihn denken und ging, sobald wir ins Hotel zurückgekehrt waren, sofort in den Hof, um nach ihm zu sehen. Er kam bereitwillig zu mir, sobald er mich entdeckt hatte.

Julie und Anne schlugen uns einige Möglichkeiten vor, die Mutter dazu zu bringen, den Welpen die Milch nicht zu verweigern.

»Wenn ihr sie streichelt, während sie trinken, dann vergisst sie, dass die Welpen da sind. Oder sie konzentriert sich halt so sehr auf die Streicheleinheiten, dass die Welpen ihr egal sind. Eine von uns streichelt, die andere holt die Welpen und schaut, dass sie genügend trinken. Besonders die kleinen müssen unbedingt trinken. Zum Beispiel dein Krümel. Um den sieht’s halt wirklich nicht gut aus. Was auch hilft, ist, die Mutter mit irgendwas abzulenken, das keine Streicheleinheit ist. Ein Ball oder was weiß ich.«

»Warum ist es eigentlich so, dass sie keine Milch geben mag?«

»Das wissen wir leider auch nicht genau. Es ist richtig schlimm. Wären wir nicht gewesen, wären diese Hundewelpen wahrscheinlich nicht mehr am Leben.«

»Gut, dass ihr gekommen seid und den Hof entdeckt habt. Der liegt ja doch ein wenig versteckt.«

»Uns ist im Restaurant einer der Hundewelpen entgegengelaufen, da sind wir ihm hinterher und schon waren wir hier.«

»Das geschieht anscheinend häufiger.« Rebecca und ich grinsten.

Später gingen wir mit Julie und Anne zusammen einkaufen. »Wir brauchen etwas, womit wir die Hunde bürsten können. Hier gibt es aber keine richtigen Hundebürsten. Diese großen sind sicher zu kratzig für die Welpen.«

Wir schauten uns in dem Supermarkt lange nach geeigneten Bürsten um, konnten aber nichts Brauchbares entdecken.

Plötzlich hatte Julie eine Idee. »Schaut mal, Leute. Hier: Dieses Barbieset.«

»Ist das eine gute Idee?« Rebecca und ich warfen uns zuerst zweifelnde Blicke zu, realisierten aber bald, dass die kleinen pinken Barbiebürsten, mit denen man Barbies blonde lange Mähne zähmen kann, vermutlich für die Hundewelpen die ideale Größe hatten.

»Okay, ja. Nehmen wir das Barbieset.«

Zurück im Hotel zeigten wir den Welpen die blonde Barbie, die sie begutachteten, aber nicht weiter interessant fanden.

»Die Bestandteile der Barbie sind sowieso nicht geeignet für Tiere, wenn sie beginnen, da dran zu knabbern. Schenken wir sie einem Kind«, sagte Anne.

Im Anschluss probierten wir die Barbiebürste aus. Wir holten mehrere Welpen. Jede von uns setzte sich einen Welpen auf den Schoss, dann begannen wir ihr Fell mit den Mini-Bürsten zu kämmen und es funktionierte. Sie genossen die Behandlung sichtlich.

Als ich mit der Bürste zu Krümel kam, wich er angsterfüllt aus, das war ihm anscheinend nun doch zu viel. »Kein Problem, Kleiner. Dann machen wir das eben ein andermal.« Nun musste ich schlucken, weil ich realisierte, dass unsere Zeit hier ein Ende nahm. Morgen stand die Abreise nach Kingston auf dem Programm, unser Bus ging bereits am Vormittag. »Ach Krümel, ich würde dich so gerne mitnehmen, aber das geht nicht. Bleib bitte stark und schau, dass du ausreichend trinkst. Du schaffst das!«

Abreisetag: Schweren Herzens machten Rebecca und ich uns nach dem Frühstück ein letztes Mal auf dem Weg zum Innenhof und betrachteten die vielen Hundewelpen. Die größeren Welpen spielten an diesem Tag bereits fröhlich miteinander, Krümel und die anderen kleinen Welpen tapsten noch unsicher herum. Als Krümel mich sah, lief er jedoch sofort freudig auf mich zu und begann sogar ein bisschen an meinen Beinen hochzuspringen. Ich nahm ihn hoch und hielt ihn ganz fest. »Krümel, ich muss jetzt leider gehen, aber es war toll, dich kennenzulernen und ich werde dich vermissen. Ich denke an dich!«

Krümel verstand das Abschiednehmen natürlich nicht und schleckte mir einfach über die Hand. Bei der Rezeption angekommen standen auch Anne und Julie, die nun wie wir nach Kingston weiterfuhren.

»Wir haben heute Morgen neue Backpacker getroffen«, erzählte Anne. »Sie wollen sich um die Hunde kümmern, solange sie da sind. Sie bleiben recht lang, eine Woche.« Erleichtert schauten Rebecca und ich uns an. Was für ein Glück! »Und sie sind absolut entzückt. Besonders angetan waren sie übrigens von Krümel. Dem wird’s also ziemlich sicher gut gehen.« Sie zwinkerte mir zu.

Während unserer Reise begegneten wir noch vielen Straßenhunden und jedes Mal musste ich an Krümel denken. Sogar heute – 6 Jahre später – denke ich weiterhin an ihn. Die Lage für Hunde ist nicht rosig und daher ist es besonders wichtig, dass man die Initiative ergreift, um zu helfen, sobald man das kann. Dass es Organisationen gibt, die sich den bestehenden Problemen annehmen und Veränderung für die Hunde und ihre Lebensrealität schaffen, ist großartig, aber es muss noch viel mehr getan werden. Ich kann für die Zukunft nur hoffen, dass mehr Hilfsangebote geschaffen werden, mehr Hundeheime eröffnet werden und natürlich auch die Kastrationsmöglichkeiten erweitert werden.

Emily Burger

Bereit, fliegen zu lernen

»Du bist dir sicher? Noch hast du die Chance, Edda.«

Sie lügt.

Das weiß sie genau.

Vielleicht könnte ich noch ohne mein Hab und Gut in diesen Zug steigen und ein neues Leben beginnen. Physisch ja. Seelisch nein.

Meine beste Freundin drückt sanft meine Schulter und sieht mir tief in die Augen. Was sieht sie bloß darin? Angst, Trauer, gar Wut?

Noemi zwingt sich zu einem Lächeln. Cristina steht wortlos neben uns und wippt mit dem Fuß. Sie wird schon nervös, da die beiden bereits im Zug sitzen sollten. Die kühle Nachtluft zieht durch die bereits überfüllten Gänge des Bahnhofes. Die Menschen, die den Zug, welcher um 4:56 Uhr von Gleis 3 abfährt, erwischen möchten, rasen an uns vorbei und sprinten die Rolltreppen nach oben. Drei Minuten haben sie noch.

»Du kannst auch nachkommen, hörst du?«, spricht nun auch Cristina mir gut zu, was Noemi dazu bewegt, hektisch zu nicken. Doch ich nehme sie kaum wahr. Mein Zug ist abgefahren, und das wird ihrer auch, wenn sie nicht bald einsteigen.

»Geht schon, ich komm klar.«

Jetzt bin ich diejenige, die lügt.

***

Müde mustere ich die Felder und Dörfer, an denen wir vorbeifahren. Ich musste schon um 3:00 Uhr aufstehen, um meine zwei besten Freundinnen am Bahnhof zu verabschieden. Sie fahren heute in ihr neues Leben, und ziehen final in ihre WG ein. Eine WG in der es eigentlich drei Schlafzimmer gibt.

»Es ist okay, dass du noch nicht bereit bist, Schätzchen.« Meine Mutter versucht meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe ihr wohl schon einige Zeit nicht mehr zugehört. Wir sitzen mit unseren Einweg-Kaffeebechern im Auto und fahren zurück nach Hause. Der Kaffee lässt einen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge, als ich einen weiteren Schluck trinke.

Ich blicke stumm aus dem Fenster und denke daran, dass mir eigentlich nichts im Weg gestanden hatte und ich alt genug wäre, auch in eine neue Stadt zu ziehen. Nichts, außer mein Verstand.

Noch weiß ich nicht, ob es tatsächlich die richtige Entscheidung gewesen war, hier zu bleiben. Gerade fühlt es sich nämlich nicht so an.

***

Um den Kopf freizubekommen, habe ich mich dazu entschlossen, für eine Weile spazieren zu gehen. Gleich nachdem wir zuhause angekommen waren, schlüpfte ich in meine Birkenstocks und wandte mich zum Gehen.

»Bin gleich wieder da!«, rufe ich, um meiner Mutter Bescheid zu geben. Als sie mir viel Spaß wünscht, sehe ich das als Zeichen, dass ich losmarschieren kann.

Als mein Handy leise piepst, werfe ich automatisch einen Blick darauf. Eine Nachricht von Instagram, die mich auf eine neue Story von Noemi hinweist.

»Ein neues Kapitel im Leben? Nur her damit!«, steht auf einem Selfie von Cristina und ihr geschrieben. Als Musik hat sie einen unserer Lieblingssongs von Harry Styles hinzugefügt.

Ich atme hörbar aus und like die Story, bevor ich mein Handy wieder wegpacke, um mich endlich auf meinen Spaziergang zu konzentrieren.

Die warme Sommerluft hüllt mich ein wie eine Kuscheldecke. Noch ist es eher kühl, das wird sich im Laufe des Tages allerdings noch ändern. Bisher habe ich noch keine bekannten Gesichter gesehen, es ist noch leer auf den Straßen und Feldwegen, was mir innere Ruhe verschafft. Ich denke an meine kleinen Kaninchen, welche zuhause auf mich warten. Auf mich, oder auf ihr Frühstück. Je nachdem, wie man es sehen möchte. Die kleinen Racker sind mein voller Stolz. Es sind die schönsten Minuten des Tages, wenn ich ihnen frische Kräuter und anderes Grünzeug in den Käfig lege und mich ein wenig mit ihnen beschäftigen kann. Ich hätte am liebsten ganz viele Tiere, doch wir haben derzeit nur eine Wohnung mit einem kleinen Garten.

Du hättest in der WG mit deinen Freundinnen Platz für Haustiere.

Meine innere Stimme mischt sich in meine Gedankenwelt ein. Aber sie hat nicht ganz unrecht.

Ich wandere durch das Dorf, denke gar nicht daran, umzukehren. Bleibe zwischendurch stehen und lese ein paar Ausschreibungen und Ankündigungen, die an der Tafel neben dem Postamt stehen. Morgen findet die Theater-Aufführung statt, für welche die Kindergartenkinder schon lange Zeit fleißig üben. Am Wochenende wird sogar ein Dorffest veranstaltet, bei dem ich auch beim Kellnern etwas aushelfen werde. Ich überfliege die Job-Ausschreibungen, bis ich einen Flyer der Storchenaufzucht-Station, der an der Tafel klebt, entdecke.

Wir suchen eine weitere helfende Hand!

Das steht in kursiver Schrift auf dem Flyer. Man hört nicht oft von der Station. Hier und da ein Artikel in der Gemeindezeitung, das war es dann auch schon.

Ich lese die weiteren Stichpunkte der Ausschreibung interessiert durch.

Informationen:

Wir benötigen Unterstützung beim Misten der Käfige, Bauen der neuen Gehege, Füttern der Tiere und sonstigen alltäglichen Aufgaben.

Du solltest ein Herz für Tiere haben, gerne mit ihnen zusammen sein und dabei auch keine Scheu zeigen

Du musst mindestens 15 Jahre alt sein.

Die Hilfe ist freiwillig und unbezahlt.

Besuche uns gerne in unserer Station und lerne uns kennen! Wir freuen uns auf dich und heißen dich mit offenen Armen (und Flügeln) willkommen!

Ohne großartig darüber nachzudenken, schieße ich ein Foto von der Ausschreibung und wähle die Nummer meiner Mutter, um ihr davon. Es scheint, als hätte ich eine neue Beschäftigung gefunden.

***

Störche sind meiner Meinung nach wundervolle Tiere, da sie so elegant aussehen, wenn sie auf den Wiesen stehen. Als Kind hatte ich ein Bilderbuch über einen Storch und seine Reise in den Süden. Ich muss an das Buch denken, als ich die Türe zum Sekretariat der Aufzuchtstation öffne und die ersten Bilder der Schützlinge sehe.

»Hallo?«, rufe ich in den Raum hinein, um mich bemerkbar zu machen.

Nach bereits wenigen Augenblicken huscht eine junge Frau mit Cargo-Hose und oversized-T-Shirt durch einen der Durchgänge.

»Hi! Ich bin Lola! Wie kann ich dir helfen?« Sie streckt mir energisch die Hand entgegen, welche ich schüttle und mich etwas zaghaft vorstelle.

»Ich habe die Ausschreibung gelesen und wäre interessiert, zu helfen.«

»Oh, wunderbar!«, kreischt sie.

Lola bittet mich in ihr Büro. Auf der Eingangstüre, durch welche wir in ihr Büro gehen, steht »Stationsleitung« geschrieben. Sie bietet mir einen Sitzplatz an und beginnt direkt, mir ein paar Fragen zu stellen.

»Möchtest du etwas trinken? Wie unhöflich von mir, das erst jetzt zu fragen, sorry.«

»Ach, kein Problem«, winke ich ab, entscheide mich dann dennoch für ein Glas Wasser.

»Also, du sagtest, du kannst gut mit Tieren umgehen?«, will sie wissen.

»Ja! Ich habe Kaninchen und helfe meinem Onkel auch gerne auf seinem Hof. Ich habe schon immer gerne Zeit mit Tieren verbracht«, erkläre ich ihr.

Lola scheint mit meinen Antworten zufrieden zu sein und erhebt sich von ihrem Schreibtischstuhl.

»Ich würde sagen, ich zeige dir mal alles! So kannst du dir die Station ansehen.«

Ich folge ihr und so gehen wir durch die Gänge des Gebäudes. Auf dem Weg werde ich von den hier tätigen Mitarbeiter*innen herzlich begrüßt. Lola erklärt mir, wofür jeder Raum genutzt wird und was ich wo erledigen soll, falls ich mich entscheide, mitanzupacken.

Nach der Führung sieht Lola mich erwartungsvoll an.

»Wann darf ich anfangen?«, frage ich sie.

Ein breites Lächeln zieht sich über ihr Gesicht.

»Am besten sofort!«

***

Vorsichtig, noch etwas unsicher, drücke ich die Klinke der Tür eines Käfigs nach unten.

Birdy

Der Name des Storches steht auf einem kleinen Schild, welches an der Tür angebracht wurde. Ich steige in das frische Stroh und schließe die schwere Tür hinter mir.

»Birdy?«, rufe ich zaghaft und versuche das Tier zu finden.

Ich mustere den Raum und das Außengehege, in das der Storch immer gehen kann. Plötzlich entdecke ich ihn in einer dunklen Ecke, neben seinem Futtertrog. Kann man Störchen ansehen, wenn sie unglücklich sind? Wenn ja, ist Birdy es auf jeden Fall.

***

»Morgen!«, rufe ich und wechsle von meinen Birkenstock-Sandalen zu den grünen Gummistiefeln, die auf einer Matte stehen.

»Guten Morgen!«, ruft Lola und kommt um die Ecke. Lola und ich haben uns in den knapp zwei Wochen, in denen ich nun jeden Tag ein paar Stunden hier war, um zu helfen, angefreundet. Heute steht die Reinigung von Birdys Gehege an.

»Wir können zusammen starten, ich muss erst in einer halben Stunde zu einem Meeting«, meint Lola und greift nach der großen Schaufel.

»Gerne.«

Wir packen das ganze Zeug, das wir für das Misten des Käfigs benötigen, und bringen es zu Birdy. Die letzten Tage war ich täglich bei ihm und habe versucht, sein Vertrauen zu gewinnen. Darin bin ich jedoch bisher kläglich gescheitert.

»Er muss nach draußen, sonst können wir nicht putzen«, erklärt Lola. Nickend gebe ich ihr zu verstehen, dass ich mich darum kümmern werde, dass er in sein Außengehege geht. Ich greife nach dem Eimer, in welchem Lola bereits sein Futter vorbereitet hat. Ich schüttle den Eimer kurz, sodass das Futter darin raschelt. Der Versuch, damit seine Aufmerksamkeit zu erregen, funktioniert diesmal sogar. Birdy sieht mich an und wartet auf meinen nächsten Schritt.

»Komm mit!«, rufe ich ihm zu und gehe langsam in das Außengehe.

Er rührt sich nicht.

»Birdy!«, versuche ich es erneut und halte den Eimer in sein Blickfeld.

Doch der Storch bleibt in seiner Ecke stehen und bewegt sich keinen Zentimeter.

Lola seufzt hörbar und kommt auf mich zu.

»Er ist echt schwierig. Jeder der anderen liebt das Außengehege. Wenn er nicht immer drinnen sein würde, könnten wir ihn auch mit den anderen in ein großes Gehege geben, aber ich habe das Gefühl, dass er das gar nicht möchte.«

Ich betrachte Birdy und überlege. Es muss doch einen Grund geben, warum er sich so verhält.

»Bleib du mal hier, ich gehe zu ihm«, sage ich entschlossen und gebe das Futter weiter an Lola.

Mit meinen riesigen Gummistiefeln gehe ich auf den Storch zu, der mich nicht aus den Augen lässt.

»Hey«, flüstere ich.

Birdy bleibt ruhig, obwohl ich ihm bereits ziemlich nahe bin. Ich weiß noch nicht wirklich, wie ich ihn durch diese Aktion ins Außengehe bringen soll, hoffe aber, dass sich das von selbst ergibt.

Ich stehe bereits einen Meter vor ihm, er steht noch immer wie versteinert da. Als ich meine Hand nach ihm ausstrecke, rührt Birdy sich. Ich möchte meine Hand noch zurückziehen, doch da ist es bereits zu spät.

Birdy ist mir plötzlich ganz nah, zu nah, denn bevor ich es realisieren kann, spüre ich schon den stechenden Schmerz in meinem Arm.

***

Nach mehreren Tagen zu Hause und dem ein oder anderen Arztbesuch, sitze ich wieder in Lolas Büro.

Erste heute, als ich mich genauer umsehe, bemerke ich, dass Lolas Büro direkt an Birdys Gehege angrenzt. Durch das Fenster kann man beinahe sein komplettes Außengehege sehen.

»Was hat der Arzt gesagt?« Lola ist sichtlich unentspannt. Es sind zwei Tage vergangen, seit Birdy bei meinem naiven Annäherungsversuch auf mich losgegangen ist. Bei dem kleinen Unfall habe ich mir eine Wunde am Arm und mehrere blaue Flecken zugezogen. Die Wunde auf meinem Arm wurde im Krankenhaus versorgt. Jetzt sieht man nur den weißen Verband, den ich jeden zweiten Tag wechseln muss.

»Er meinte, dass es bald wieder verheilt sein wird.« Ich sehe das Ganze nicht so tragisch, da es vollkommen meine Schuld ist.

Lola sieht das anders.

»Ich hätte dich nicht so nah zu ihm lassen dürfen und hätte es wissen müssen.« Sie sitzt versteift auf ihrem Bürostuhl, sieht mich allerdings nicht an.

»Es ist nicht deine Schuld! Ich war einfach naiv. Jetzt weiß ich es.« Es ist nicht fair, dass sie sich die Schuld gibt.

Lola sieht mich nun direkt an und redet beginnt zu erklären, was mir noch hätte passieren können. Plötzlich steht sie auf und geht auf und ab, hört dabei aber nicht auf zu reden. Mein Blick fällt aus dem Fenster, ich bleibe stumm und lasse sie sich aufregen. Doch als ich einen Blick über das Außengehege von Birdy schweifen lasse, kann ich meinen Augen nicht trauen.

»Lola!«, schreie ich beinahe und springe auf.

»Was!?«, sie ist völlig außer Atem.

»Da! Birdy steht im Außengehege!« Mein Herz pocht immer schneller, automatisch gehe ich näher an das Fenster. Lola tritt neben mich.

»Stimmt. Er muss von ganz allein rausgegangen sein, es ist außer uns keiner da«, stottert sie.

Wir stehen da und wissen nicht, was wir sagen sollen. Plötzlich bewegt sich der Storch und stolziert elegant durch das Außengehege. Wie aus dem Nichts hebt er seine Flügel und versucht zu flattern. Es macht den Anschein, als würde er versuchen zu fliegen, schafft es allerdings nicht.

»Er versucht zu fliegen.« Nun bin ich diejenige, die flüstert.

Birdy kämpft mit seinen Flügeln, kommt jedoch nicht vom Fleck. Er wirkt enttäuscht und stolpert wieder zurück in das Innengehege, stellt sich vermutlich wieder in seine dunkle Ecke.

Lola räuspert sich.

»Er ist hier, weil er nicht mehr fliegen kann. Weshalb, wissen wir nicht«, erklärt Lola.

»Er vermisst das Fliegen. Wir müssen ihm helfen«, stelle ich fest.

***

Es war nicht leicht, Lola zu überzeugen, den Tierarzt zu holen, um Birdy durchchecken zu lassen. Durch meinen kleinen Unfall macht sie sich Sorgen, wie Birdy auf den Arzt reagieren wird. Doch nur so können wir ihm helfen und ihm vielleicht durch Training, oder ärztliche Hilfe, das Fliegen wieder zurückgeben.

»Wo ist denn der kleine Racker?«, möchte der Tierarzt wissen.

»Gleich in dem ersten Käfig rechts«, erkläre ich und gehe vor, um ihm den Weg zu zeigen. Ich öffne die schwere Tür und lasse den Tierarzt hineingehen. Lola folgt ihm auf Schritt und Tritt.

»Passen Sie bitte auf.«