Your Answer. - Jens Heuchemer - E-Book

Your Answer. E-Book

Jens Heuchemer

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Beschreibung

Du sehnst dich nach mehr Freiheit, Selbstbestimmtheit und Lebensfreude? Du suchst nach Inspirationen, um endlich die Motivation zu haben, etwas in deinem Leben zu verändern?  Finde mit diesem tiefgründigen Roman von Jens Heuchemer, Coach, Trainer & Speaker für das Gesetz der Anziehung, endlich Klarheit und die Antwort auf die Frage: Was ist es, was du wirklich willst?  Der Inhalt: Alex ist Mitte 20, lebt bei seinem Vater und hat einen Job, der ihn jeden Tag ein bisschen mehr frustriert. Von einem erfüllten und freien Leben ist er meilenweit entfernt. Aufgrund einer spontanen Fügung reist er in seinem Urlaub nach Irland, um in einem Abenteuer sich selbst und das wahre Leben zu entdecken. Dort lernt er Sam und seine Nichte Faith, die etwa im gleichen Alter wie Alex ist, kennen. Er freundet sich mit den beiden Abenteurern an und reist mit ihnen in ihrem Wohnmobil durch das Land. Sam bringt Alex während all der besonderen Momente und Abenteuer auf dieser Reise eine völlig neue Realität nahe. Fundamentale Lehren über Energie, Bewusstsein, das Gesetz der Anziehung und vieles mehr kann Alex dadurch in sein Denken und Handeln integrieren. Besonders begleitet Alex die immer wieder durch Sam gestellte Frage: "Was ist es, was du wirklich willst?", die ihm ständig mehr Klarheit für sein eigenes Leben bringt. Erhalte mithilfe dieser spannenden und herzergreifenden Geschichte über die Suche nach DEINER ANTWORT hilfreiche Impulse sowie gedankenverändernde Aha-Momente für deine persönliche Weiterentwicklung und lebe endlich das Leben, das du wirklich willst!

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Die Ratschläge im Buch sind sorgfältig erwogen und geprüft. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens des Autors und des Verlags. Die Umsetzung erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden oder sonstige Schäden, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und/oder unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind ausgeschlossen. Verlag und Autor übernehmen keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte, ebenso nicht für Druckfehler. Es kann keine juristische Verantwortung sowie Haftung in irgendeiner Form für fehlerhafte Angaben und daraus entstehende Folgen von Verlag bzw. Autor übernommen werden.

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

1. Auflage

© 2022 by Remote Verlag, ein Imprint der Remote Life LLC, Powerline Rd, Suite 301-C, 33309 Fort Lauderdale, Fl., USA

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Redaktion: Isabelle Müller

Lektorat und Korrektorat: Katrin Gönnewig, Annika Hülshoff, Fabian Galla

Umschlaggestaltung: Zeus Athanasios Nasopoulos

Satz und Layout: Verena Klöpper

ISBN Print: 978-1-955655-32-3

ISBN E-Book: 978-1-955655-33-0

www.remote-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1– Die falsche Rolle

Kapitel 2– Ein Entschluss mit Folgen

Kapitel 3– Mut für die neuen Winde

Kapitel 4– In den Fußstapfen der Eltern

Kapitel 5– Das Abenteuer beginnt

Kapitel 6– Wie ist es eigentlich am Ende?

Kapitel 7– Eine unerwartete Begegnung

Kapitel 8– Jahrelang betäubt

Kapitel 9– Der Zerfall der Formen

Kapitel 10– Wurzel in der Unbewusstheit

Kapitel 11– Die magische Frage

Kapitel 12– Gedanken im Sonnenuntergang

Kapitel 13– Wolken, See und Tee

Kapitel 14– Das Gesetz der Anziehung

Kapitel 15– Geschichten der Vergangenheit

Kapitel 16– Gespräche am Strand

Kapitel 17– Abrakadabra

Kapitel 18– Herr Thompson

Kapitel 19– Die Energie des Geldes

Kapitel 20– Eine logische Konsequenz

Kapitel 21– The whole point of the dancing is the dance

Kapitel 22– Das zu tun, was man liebt ist …verrückt?

Kapitel 23– Die Monster in unserem Kopf

Kapitel 24– Wie im Film

Kapitel 25– Fülle im Überfluss

Kapitel 26– Das Geheimnis des kollektiven Bewusstseins

Kapitel 27– Puls der gleichschlagenden Herzen

Kapitel 28– Die Macht der Wut

Kapitel 29– Aus vollem Herzen

Kapitel 30– Durch deine Augen

Kapitel 31– Have a little Faith

Kapitel 32– Bürde oder Abenteuer?

Kapitel 33– Was ist es, was du wirklich willst?

Kapitel 1 – Die falsche Rolle

«Was hast du dir dabei gedacht, Alex? Hast du eigentlich eine Vorstellung, was uns das kosten wird?»

Alex schaute leer auf seinen Schreibtisch und wusste nicht, was er antworten sollte. Die ganze Situation erschien ihm so surreal, dass er sich einfach nur wünschte, sie wäre schon vorbei. Sein ganzer Körper erstarrte, als stünde er vor einem gefährlichen Tier.

«Los, sag schon was …» Michael stieß sich wütend von Alex’ Tisch ab und ging wie ein Tiger auf der Lauer für einige Sekunden hin und her.

Er war zielstrebig, fokussiert und er hatte sich ein Unternehmen mit achtundsiebzig Angestellten aufgebaut, von dem viele Menschen nur träumen. Außerdem besaß er ein großes Haus mit Pool und hatte – wie er immer so schön betonte – zwei sehr leistungsstarke Kinder, die in wenigen Jahren die besten Privatuniversitäten des Landes besuchen würden. Von der Mutter seiner Kinder war er inzwischen geschieden.

Es war Freitag und Michael trug traditionell sein dunkelblaues Jackett mit weiß-grau gemustertem Einstecktuch und sein gebügeltes Hemd war wie immer bis obenhin zugeknöpft.

Sein Parfüm werde ich wohl immer in der Nase haben. Dieser Geruch von Wohlstand, Minze und Wald. Eine merkwürdige Kombination, dachte Alex, während Michael wieder nach vorne gelehnt auf seinem Schreibtisch gestützt auf eine Antwort wartete.

«Wie konnte es nur zu diesem massiven Fehler kommen?»

«Ich kann es dir leider nicht erklären. Es tut mir einfach leid.» Alex hielt seinen Blick gesenkt.

«Ich glaube, dass du jetzt in deinem Urlaub diesen Job einmal für dich überdenken solltest. Als du hier vor einem Jahr angefangen hast, habe ich sehr viel Potenzial in dir gesehen … doch deine Leistung ging in den letzten fünf Monaten so stark bergab, dass ich nicht mehr weiß, wie ich dich hier im Unternehmen noch einsetzen soll. Du kannst jetzt schon Feierabend machen. Ich muss erst einmal an die frische Luft.»

Ohne ein Wort des Abschieds ging Michael zu der Tür, die direkt auf die Terrasse des Büros führte, auf die er immer zum Rauchen ging, um seine Nerven zu beruhigen.

Alex nahm emotionslos seine Umhängetasche mit seinem Getränk, sammelte ein paar Unterlagen ein, die er noch benötigte, und ging zum Fahrstuhl. Auf dem Weg dorthin kam er an anderen tristen Büros vorbei. In den meisten davon stand die obligatorische Zimmerpflanze, um die sich nicht allzu viel gekümmert wurde. Der Geruch von benutzten Druckern lag in der Luft.

Einige seiner Kollegen waren ambitioniert, doch wenn er in ihre Augen schaute, erkannte er etwas Erschreckendes. Reue. Ihre Blicke demonstrierten einen Zustand der Ohnmacht und Resignation. Er hatte sich über diese Gefühle nie wirklich Gedanken gemacht und trotzdem erschienen sie ihm merkwürdig vertraut.

Alex lief es kalt den Rücken herunter.

Er drückte die Erdgeschosstaste und die Tür schloss sich. Die gesamte Fahrt nach unten in die Tiefgarage starrte er leer gegen die metallene Fahrstuhlwand. Diese zwanzig Sekunden im Fahrstuhl fühlten sich an wie eine Ewigkeit.

Fragen über Fragen strömten durch Alex’ Gedanken, während er versuchte, sich mit ein paar tiefen Atemzügen zu beruhigen.

Was mache ich hier? Warum ist mein Leben gerade so anstrengend? Warum gelingt mir nichts? An welchem Punkt habe ich angefangen, mein Leben in eine so beschissene Richtung zu lenken? War es nicht das, was ich immer wollte? Ich habe Angst vor der Zukunft … Werde ich so wie meine Kollegen und besitze schon bald eine lieblose Zimmerpflanze?

Er stieg in sein Auto, doch nach bereits wenigen Hundert Metern geriet er ins Stop-and-go.

«Natürlich, es ist freitags … früher Feierabendverkehr», sagte er laut zu sich selbst, während er in den Rückspiegel schaute und danach seinen Kopf verzweifelt auf das Lenkrad fallen ließ. Er atmete tief ein.

Ein lautes und verzweifeltes «Maaaannnnn!» ertönte durch sein Auto und er schlug dabei mit beiden Händen auf sein Lenkrad. Dann hielt er erschrocken inne. Er war über sich selbst erstaunt. So kannte er sich gar nicht.

Normal war er immer ruhig und zurückhaltend. Kühn und den Situationen erhaben. So wollte er sich zumindest immer selbst gern sehen.

Ich habe keine Orientierung mehr. Ich habe das Gefühl, mein Leben zieht momentan an mir vorbei und ich habe keine Möglichkeit, Luft zu schnappen und mich zu sortieren. Seit ein paar Jahren … seit ein paar Jahren wird es immer mehr … diese Taubheit. Immer weniger Freude. Immer weniger von dem, wie ich mir mein Leben damals vorgestellt habe. Es ist so, als ob ich eine Rolle spiele, die mir jegliche Energie raubt. Ich wünsche mir einen Tapetenwechsel … zumindest für ein paar Tage!

Er betrachtete seine Hände, die eben noch auf das Lenkrad eingeschlagen hatten, und registrierte die rot-weißen Druckstellen auf seinen Handballen.

Und seit wann mache ich bitte so was?

Ein Gefühl der Scham überkam ihn und er hatte das Verlangen, sich vor sich selbst rechtfertigen zu müssen.

Seine Augen schweiften langsam erneut nach schräg oben in Richtung des Spiegels. Der nächste Blick hinein sollte Ereignisse in Gang setzen, die ihn für immer verändern würden.

Kapitel 2 – Ein Entschluss mit Folgen

Er sah sich dieses Mal sehr tief in seine Augen und es war, als gäbe es in ihm eine Version, die herauswollte. Als ob sie nach etwas schrie. Nach etwas, was er noch nicht verstand. Er konnte jede Ader seines Auges und den Verlauf der Farbnuancen seiner Pupillen erkennen.

Eine Träne befreite sich aus seinem rechten Auge, seine Lippen begannen leicht zu zittern und ein starkes Gefühl der Trauer machte sich schleichend in seinem ganzen Körper breit.

Ich bin sechsundzwanzig … und mein Leben ist ein Chaos. Ich habe keinen Job, der mich glücklich macht. Ich lebe immer noch daheim. Ich habe keine Beziehung. Noch bin ich in der sportlichen Verfassung, wie ich es gerne hätte. Das Einzige, was ich gerade habe, ist einiges an Geld. Ich habe immer gespart, weil es mir empfohlen wurde, und deswegen habe ich mich immer bei allem zurückgehalten. Letztens meinte ein Kollege zu mir, dass ich der jüngste Fünfzigjährige sei, den er jemals gesehen habe. Ich dachte, es sei nur ein schlechter Witz gewesen. Ist es doch wahr?

Er nahm ein paar tiefe Atemzüge.

Bin ich einfach nicht gut genug für das Leben in der Gesellschaft? Ich habe das Gefühl, dass es jeder schafft, nur ich nicht! Oder tun alle nur so, als ob sie glücklich wären? Ich kann einfach nicht mehr! Ich bin müde! Mit sechsundzwanzig schon müde von meinem eigenen Leben! Ich will, dass sich etwas ändert! Ich will eine neue Chance!

Die nächsten Sekunden vergingen wie in Zeitlupe. Er atmete, so tief er konnte, ein und wieder aus. Daraufhin ließ er das Lenkrad und seine gesamte Körperanspannung los.

Er beruhigte sich und in diesem Moment kehrte eine unbekannte Ruhe in ihm ein. So, als hätte jemand in dieser Sekunde all seinen Ballast von ihm genommen. Ein unbeschreibliches Gefühl der absoluten Klarheit durchströmte ihn. Der graue Schleier war komplett verschwunden. Dieser Moment der Klarheit, den er schon sehr lange nicht mehr erlebt hatte, ließ alles in seiner Umgebung intensiver wirken. Die Farben der Bäume am Straßenrand, den Geruch des Autos, seine Hände, die gerade den Stoff seiner Jeans fühlten, und die Musik im Radio.

Was … was ist das denn jetzt? Ich habe doch vorhin nicht aus Versehen irgendwas genommen, oder? Ist alles ok bei mir? Also tot bin ich nicht und da ich gerade mit dem Auto stehe und keine Gefahr droht, ist es auch keine Nahtoderfahrung, wie ich es aus Filmen kenne. Warum wirkt gerade alles so lebendig?

Er sah sich weiter um und betrachtete die anderen Autofahrer, die neben ihm im stockenden Verkehr genervt in ihren Autos saßen, wie er selbst es noch vor wenigen Augenblicken ebenfalls getan hatte. In diesem Moment erkannte er, dass er auch dieses Schicksal teilen würde, wenn er einfach so weitermachte. Sein Blick ging für einige Sekunden messerscharf und fokussiert durch die Frontscheibe.

Er beschloss, dass sich etwas ändern musste.

Ja! Ich will, dass sich etwas ändert!

Ich will eine neue Möglichkeit!

Die Radiomoderatorin ertönte aus den Boxen und erklärte, dass sie heute zum Feierabend die ganzen Klassiker spielen würden. Sie klang freudig aufgeregt, als sie das erste Lied ankündigte und die Zuhörer und Zuhörerinnen aufforderte zu erraten, von wem es sei.

Die ersten Sekunden des Lieds erklangen. Er hatte es schon ein paar Mal gehört, doch nie so wirklich wahrgenommen. Er erinnerte sich nur, dass es von der Steve Miller Band war. Weitere Zeilen ertönten aus dem Radio und schließlich kam der Refrain: «… Abra Abracadabra … Abracadabra».

Kapitel 3 – Mut für die neuen Winde

Alex parkte auf dem Bürgersteig vor seinem Haus. Der Moment der Klarheit war wieder verschwunden und Gedanken der Trübsal schossen ihm durch den Kopf. Er schaute auf den kleinen Park gegenüber seinem Haus und sagte leise vor sich hin: «Na ja, wenigstens ist der Park ganz nett …»

Er entschloss sich aus einem Impuls heraus, noch einmal zu der Bank zu gehen, auf der er so oft saß, wenn er nachdenken musste.

Er war noch keine Minute dort, da hörte er eine vertraute Stimme, die ihn schon seit knapp zwanzig Jahren begleitete.

«Alex, schön dich zu sehen. Was machst du denn so früh hier im Park?», fragte Jessica mit einem Lächeln auf den Lippen.

Sie kannten sich bereits seit der ersten Klasse und waren in all den Jahren zu wirklich guten Freunden geworden.

Sie hatte kurze, blonde Haare und einen etwas ausgefallenen Stil. Alex fand sie schon immer hübsch und war sogar als Teenager in sie verliebt gewesen.

«Oh, hey, Jessica, wie geht’s dir? Ich habe jetzt Urlaub und …», Alex machte eine Pause, «… ich durfte heute ein wenig früher gehen. Und wen haben wir da? Lucyyyy!»

Er beugte sich nach vorne, um Jessicas Hündin zu streicheln, die freudig vor ihm hin und her lief und mit ihrem Schwanz wedelte.

«Bei mir ist es gerade auch ok. Heute war echt super anstrengend und nervig und ich bin eigentlich total ausgelaugt. Aber … jetzt gerade geht es.» Sie lächelte Alex schüchtern zu und fuhr sich mit der linken Hand durch ihre Haare. «Und das ist ja voll nett von deinem Chef, dass du früher gehen konntest.»

«Ja …» Alex verzog das Gesicht.

«Was ist denn? Warum schaust du so, als wäre jemand gestorben? Du hast jetzt Urlaub. Freu dich doch mal! Was wirst du jetzt tun?»

«Wie tun? Was soll ich denn tun?» Er zögerte, ungläubig wegen der Frage, die Jessica ihm soeben gestellt hatte, bevor er weiter antwortete. «Ich entspanne ein bisschen, muss aber auch noch zwei Akten fertig machen, die ich diese Woche nicht mehr geschafft habe.»

«Alex …», sagte Jessica in einem freundschaftlich vorwurfsvollen Ton.

«Was?!» Alex’ Tonfall war harsch.

«Ich meine, du kannst natürlich tun, was immer du willst. Wir kennen uns, seitdem wir kleine Kinder waren, aber im Laufe der Jahre, bist du schrecklich erwachsen geworden. Du hast begonnen, immer nur das zu tun, was man für richtig hält. Aber … was hältst du denn für richtig? Und ist es wirklich so wichtig, immer das zu tun, was alle für richtig halten? Wann warst du das letzte Mal so wirklich im Urlaub? Oder hast ein richtiges Abenteuer erlebt?»

«Abenteuer? Wie Indiana Jones?», fragte Alex sarkastisch, während er mit seinen Ellenbogen nach vorn auf seine Knie gestützt dasaß und seinen Kopf hängen ließ.

Jessica lachte: «Na ja, du musst dich jetzt nicht in eine Höhle mit Giftschlangen und so begeben, sondern einfach mal etwas tun, was du sonst nicht tust. Flieg doch irgendwohin!»

«Wegfliegen? Ich habe doch gar kein Ticket gebucht und jetzt sind die super teuer!»

Jessicas Blick wurde strenger: «Ich habe dich noch nie viel Geld ausgeben sehen und du wohnst daheim. Geld bringt dir auch nichts, wenn du es irgendwann nicht mehr ausgeben kannst. Du hast doch bestimmt einiges angespart.»

Alex verzog für einen kurzen Augenblick nachdenklich sein Gesicht.

Da hat sie vollkommen recht! Ich habe tatsächlich viel mehr auf dem Konto als alle anderen Sechsundzwanzigjährigen, die ich kenne. Und nur weil ich etwas davon ausgebe, wird sich mein Konto bei Weitem nicht in den Keller begeben.

«Und wohin? Nach Australien, wie die ganzen Backpacker?»

«Es muss ja nicht direkt Australien sein. Ich glaube, du kannst fast überall Abenteuer erleben, wenn du dich auf sie einlässt! Erst neulich habe ich einen Film gesehen, der spielte zum Teil in Irland. Und was ich da an Bildern gesehen habe, war unglaublich beeindruckend! Wie wäre es damit?»

«Eine Insel?» Alex schnaufte einmal so laut, dass sich sogar Lucy erschreckte.

«Alex!», sagte Jessica nun energisch. «Als Kinder haben wir immer Abenteuer erlebt. Du wolltest damals ständig als Pirat eine Schatzinsel finden, weißt du noch? Ein Abenteuer ist ein Abenteuer, weil du nicht weißt, was dich erwartet.» Sie sahen sich für ein paar Momente schweigend an.

Jessica wusste, dass sie Alex mit ihren Worten zum Nachdenken gebracht hatte. Ihre Mimik und Stimme entspannten sich wieder: «Ich muss jetzt weiter, ich habe nachher noch einen Termin und Lucy darf noch ein paar Meter gehen, damit sie ausgepowert ist. Aber versprich mir, dass du jetzt im Urlaub etwas für dich tust und nicht das, von dem du glaubst, was andere denken, was richtig ist. Versprichst du mir das?»

Alex’ Blick ging hinauf zu den Blättern an den Bäumen, welche leicht durch den Wind tanzten. Die Sonnenstrahlen schienen durch die Baumkronen und er konnte ganz genau die Wärme jedes Strahls fühlen, der auf ihm landete. Plötzlich war dort wieder dieses Gefühl. Dieser wache Moment. Wie vorhin im Auto. Dieses Gefühl, als ihm alles absolut klar erschien. Auf einmal konnte er wieder die Vögel zwitschern hören, obwohl er sich sicher war, dass sie vor wenigen Momenten noch keinen Ton von sich gegeben hatten.

Ein entschlossenes «Okay, versprochen!» kam über seine Lippen, ohne dass er selbst genau wusste, woher diese Worte kamen. Jessica verabschiedete sich und gab Alex eine lange und bestärkende Umarmung.

Er setzte sich wieder auf die Bank und schaute erneut durch die tanzenden Blätter der Baumkrone zur Sonne.

«Irland …», murmelte er verträumt. «Jetzt oder nie!» Er griff sein Handy, ging auf das erstbeste Reiseportal und buchte sich innerhalb von zehn Minuten einen Flug für den nächsten Morgen. Er tat es, ohne viel nachzudenken, weil er sich nicht selbst wieder aus der Sache herausreden wollte.

Nachdem er auf den Buchen-Button gedrückt hatte, pochte sein Herz, wie er es schon sehr lange nicht mehr verspürt hatte. Adrenalin schoss durch seinen Körper und es fühlte sich ungewohnt an. Gleichzeitig lebendig und gut. Es war ein Gefühl, von dem er gar nicht mehr wusste, dass er es vermisst hatte.

Entschlossen stand er auf, doch während er die Schritte zu seinem Haus machte, schossen ihm Gedanken über das, was nun kommen sollte, durch den Kopf.

Wie erkläre ich das meinem Vater? Was sage ich ihm? Ich kann heute nicht noch eine Diskussion vertragen. Wie verhalte ich mich? Ich habe so was ja noch nie gemacht. Jetzt ist es gebucht und es gibt kein Zurück mehr. Oder … soll ich die Tickets einfach verfallen lassen? Nein! Ich gehe jetzt direkt zu ihm und sage es ihm!

Kapitel 4 – In den Fußstapfen der Eltern

Alex öffnete die Haustür und erkannte an den Schuhen, dass sein Vater auch schon zu Hause war. Seine Schritte wurden kleiner. Gedanklich ging er die ganzen Argumente durch, die er seinem Vater nennen könnte, um diese verrückte Flugbuchung zu rechtfertigen.

Ich wohne immer noch daheim. Ich habe immer alles für die Schule gelernt. Ich habe mich nach dem Studium direkt im Job voll reingehängt. Ich war nie mit Drogen oder gar zu viel Alkohol in Berührung gekommen …

Er machte die ersten Schritte ins Wohnzimmer. Sein Vater schaute zu ihm auf und freute sich, ihn zu sehen. Er trug eine Brille mit dünnen Rändern, einen Schnäuzer und ein kariertes Hemd. Wie ein klassischer Vater aus einem Film. Seine Ausstrahlung war warm und herzlich und er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen in seinem Ohrensessel, in dem er immer saß. Neben ihm auf einem kleinen Tisch lag das Buch, das er zuletzt angefangen hatte zu lesen. In seinen Händen hielt er eine Tasse mit Kaffee.

Und vor ihm auf dem Boden befand sich die Kiste mit seinen Schallplatten. Es schien, als hatte er sich wieder einmal eine aussuchen wollen, um das Wochenende zu beginnen.

Bis auf das Ticken der Wanduhr in der Küche, das man noch leicht vernehmen konnte, war es ruhig im Wohnzimmer.

«Da bist du ja! Endlich Urlaub, was?»

«Ähm … ja … genau.»

Der Blick des Vaters wurde misstrauisch, und als Alex nichts mehr sagte, fragte er nach: «Was ist los? Ich habe mit mehr Begeisterung gerechnet.»

«Ich muss dir was sagen … direkt … also jetzt …» Alex holte tief Luft, und sein Vater merkte, dass es ihm schwerfiel.

«Was ist? Sag schon! Ist irgendetwas passiert?»

«Nein … also nicht direkt. Also …» Alex stockte erneut, schluckte und versuchte einen neuen Ansatz. «Okay, aber bitte sei nicht böse auf mich …» Er atmete noch einmal ganz tief ein, spannte seine Hände und Schultern an und hob seinen Blick vom Boden zu seinem Vater.

«Du weißt ja, dass ich nach meinem Studium direkt meinen Job begonnen habe. Und das war ja auch cool und ich habe mich wirklich gefreut. Doch jetzt ist ein gutes Jahr rum und ich frage mich, ob es wirklich der Job ist, der zu mir passt. Und nun ja, eben habe ich Jessica im Park getroffen und wir haben über Veränderung und Abenteuer und Tapetenwechsel gesprochen. Und da kam der Impuls, dass ich wirklich einfach mal ein Abenteuer erleben muss! Und … was soll ich sagen … ich habe eben einen Flug gebucht … für morgen … doch … ich habe bis jetzt ja nie wirkli…»

«Morgen?», fragte sein Vater mit hochgezogenen Augenbrauen, sodass sich auf seiner Stirn lange Falten bildeten.

«Ja, morgen. Ich weiß, was du sagen willst. Aber ich habe ja einiges an Geld gespart und ich dachte mir …»

Erneut unterbrach ihn sein Vater. «Wohin? Und wann genau?»

«Nach Irland, und um zehn Uhr fünfunddreißig geht der Flieger.»

Alex’ Vater ließ seinen Blick ein paar Mal im Raum hin und her schweifen. Er fasste sich mit der Hand an den Mund und es kam Alex so vor, dass er Gefühle unterdrückte. Dann sprang er auf und sagte zu Alex: «Warte hier!»

Er ging aus dem Wohnzimmer und Alex hörte ihn die Treppenstufen hochspringen.

Ich glaube, ich habe noch nie erlebt, wie er die Treppen hochspringt.

Er hörte ein Rumpeln auf dem Dachboden.

Wenige Minuten später ertönten Schritte im Hausflur, als er wieder vom Dachboden herunterkam. Ebenfalls in einer Geschwindigkeit, die er so von seinem Vater gar nicht kannte.

Er hatte einen Rucksack und ein Fotoalbum in der Hand, das er ihm hinhielt.

«Blättere auf!»

«Was ist das?»

«Na blättere schon auf, dann wirst du es sehen.»

Alex nahm das Fotoalbum und öffnete es. Er dachte, dass er jetzt Bilder von seinem Vater gezeigt bekäme, auf denen er mit Abschlüssen, Trophäen und Ähnlichem posierte. Doch die Bilder ließen ihn einfach nur mit offenem Mund dastehen.

«Ist das … ist das Mama?», fragte er und merkte, wie ihm ein paar Tränen in die Augen schossen. «Und wo seid ihr da? Und warum seid ihr so gekleidet? Und …»

Alex verstummte, als sein Blick auf den Rucksack fiel, denn es war genau jener, den sein Vater gerade vom Dachboden geholt hatte.

Dann verstand er, dass es eine Art Reisefotobuch seiner Eltern war.

«Oh, Mann, sind das viele Bilder. Wart ihr dort überall?» Alex staunte, während er weiter durch das Album blätterte.

So viele Abenteuer haben die beiden erlebt? Und wo sie überall waren … Alex sah auf und schaute seinen Vater an, der ebenfalls sehr bewegt vor ihm stand.

«Warum hast du mir diese Bilder noch nie gezeigt?»

«Ich weiß auch nicht.» Er rieb sich mit der Hand seinen Hinterkopf. «Deine Mutter und ich wollten dir immer die Möglichkeit geben, alles zu tun, was du willst. Und ich … nach ihrem … Ich weiß es auch nicht. Doch … ich kann gerade nicht in

Worten ausdrücken, wie stolz ich auf dich bin!»

Alex verstand gar nichts mehr: «Wie … stolz?»

«Ich bin immer stolz auf dich, bei allem, was du jemals getan hast. Aber ich habe mich immer gefragt, ob in dir nicht auch ein Drang auf Abenteuer verborgen liegt, wie bei deiner Mutter und mir. Wir sind damals so unglaublich viel gereist. Haben so viele Länder und Kulturen gesehen und gemeinsame Momente erlebt, die ich für immer in Erinnerung behalten werde! Deine Mutter und ich wollten dir niemals vorschreiben, was du zu tun oder zu lassen hast.

Wir entschlossen uns, dir freien Raum für deine eigene Entwicklung zu geben. Und dann hast du dich für diesen Weg entschieden, den du jetzt seit Längerem gehst. Ich habe mich zwar immer gewundert, woher diese Entscheidung kam, aber ich versprach deiner Mutter noch, dass ich dir immer alle Freiheiten geben werde. Du musst mir nichts erklären oder dich rechtfertigen. Um ehrlich zu sein … frage ich mich schon lange, ob ich dir in irgendeiner Form helfen kann. Du schienst von Woche zu Woche unglücklicher zu werden und ich wusste nicht, was ich dagegen hätte tun können. Ich möchte, dass du diesen Rucksack nimmst. In den kannst du alles reinpacken, was du für dein Abenteuer brauchst. Es ist ein richtiger Backpacker-Rucksack.»

«Ich dachte eigentlich, dass du sauer wirst. Ich habe geglaubt, du denkst, dass ich zu schnell aufgebe oder so etwas.»

Er hielt Alex den Rucksack hin, legte seine Hände an dessen Oberarme, schaute ihm in die Augen und umarmte ihn anschließend.

«Ich bin einfach nur stolz auf dich, mein Sohn», flüsterte er Alex zu.

Nach diesen Sätzen liefen Alex die Tränen. Auch wenn er irgendwie wusste, dass es wahr war, tat es gut, diesen Satz noch einmal zu hören. Und durch die Geschichten seines Vaters und seiner Mutter, fühlte er die tiefe Liebe der beiden ihm gegenüber. So nah hatte er sich ihnen schon lange nicht mehr gefühlt. Er hatte auch noch nie all diese Bilder von seiner Mutter gesehen. Er sah natürlich stets die, die hier auf den Regalen standen, doch diese Bilder aus dem Fotobuch waren echt. Sie waren so natürlich. Lebendig. Nicht gestellt. Es war so, als könnten sie zu ihm sprechen.

Er umarmte seinen Vater noch einmal und erwiderte mit zittriger Stimme ein «Danke», das direkt aus seinem Herzen kam.

Kapitel 5 – Das Abenteuer beginnt

Sieben Uhr, Alex’ Wecker klingelte. Mit einem Mal war er hellwach und voll da. Er wunderte sich selbst darüber, dass er so früh so fit war. Denn nachdem er gestern die ganzen Geschichten von seinem Vater gehört und die Bilder von ihm und seiner Mutter gesehen hatte, konnte er nicht wirklich einschlafen.

In seinem Bauch kribbelte es. Etwa so, wie wenn man frisch verliebt ist.

Ist es eine positive Aufregung oder ist mir mulmig im Bauch?, fragte er sich selbst, doch ein leichtes Lächeln überzog sein Gesicht und er wusste, dass es ein gutes Gefühl war.

Während er den Rollladen hochzog, konnte er immer wieder die rationale Stimme in seinem Kopf wahrnehmen, die versuchte, das gute Gefühl zu verdrängen.

Bist du dir sicher? Was ist, wenn etwas passiert? Was ist, wenn das Flugzeug abstürzt? Was ist, wenn du überfallen wirst?

Alex schaute sich im Kleiderschrankspiegel an, ballte die Fäuste und sagte sich laut: «Kein Zurück mehr!»

Er duschte, packte die letzten Dinge in seinen Rucksack und als er ihn das erste Mal aufsetzte, wäre er fast hintenübergefallen.

Warum ist der so schwer?

Alex’ Blick ging zu seinem Kleiderschrank und er stellte fest, dass er die meisten seiner Kleidungsstücke eingepackt hatte.

«Man weiß ja nie …» Mit einem Lächeln rollte er die Augen, als er selbst bemerkte, wie absurd das war.

Ich gehe super spontan auf eine Reise, in ein Land, in dem ich noch nie war, und erlebe ein Abenteuer. Packe aber fast meinen gesamten Kleiderschrank ein, um auf Nummer sicher zu gehen.

Er setzte den Rucksack noch einmal ab und packte einige Teile wieder aus.

Warum habe ich zwei Paar Jogginghosen eingepackt? Und vier Pullover?

Nachdem er fertig war, zog er ihn erneut auf.

Na ja, etwas leichter ist er jetzt zumindest.

Er ging mit seinem neuen Reisebegleiter auf dem Rücken vorsichtig die Treppe herunter, um nicht auf den ersten Metern seiner Reise bereits zu fallen.

Sein Vater, der gerade in der Küche stand und ihnen beiden einen Kaffee machte, lächelte über beide Ohren und seine Augen leuchteten, als er Alex mit seinem alten Rucksack sah. Er erinnerte sich, wie es damals bei seinen ersten Abenteuern war und auch, welche unerwarteten Dinge auf solchen Reisen auf einen warteten. Er griff nach seinem Becher, schmunzelte und sagte leise zu sich: «Auf dem Weg, ein Abenteuer zu erleben und sich selbst zu entdecken.»

Er wusste, dass Alex eines dieser beiden Dinge erst später für sich herausfinden würde.

«Wenn ich dich so mit diesem Rucksack sehe, bin ich augenblicklich wieder in der Vergangenheit und sehe deine Mutter und mich auf unseren unzähligen Reisen. Ich danke dir, dass du mir hilfst, mich daran zu erinnern.»

Sein Vater holte einmal tief Luft, da er selbst überrascht war, dass dieser Anblick in ihm so viele Emotionen hervorrief.

«Bist du bereit, Alex?»

«So bereit, wie man beim ersten Abenteuer sein kann … denke ich.»

«Du bist bereit!»

Alex nahm ein paar Schlucke Kaffee, warf seinem Vater einen entschlossenen Blick zu und nickte.

Sie setzten sich ins Auto und fuhren zum Flughafen.

Auf der Fahrt sprachen sie nicht viel. Doch Alex bemerkte, dass seine Hände leicht nass wurden und dass seine Aufregung jetzt doch mehr in ein mulmiges Gefühl übersprang.

«Wenn ich …» Alex machte eine Pause und setzte erneut an.

«Wenn ich merke, dass ich nicht zurechtkomme, dann …»

Sein Vater machte eine sanfte und liebevolle Handbewegung und unterbrach ihn: «Dann kommst du einfach wieder zurück. Und ich werde dich trotzdem lieben und stolz auf dich sein.»

Alex sah ihn erschrocken an, da er nicht damit gerechnet hatte, dass sein Vater so genau wusste, was er insgeheim hören wollte. Ein paar Momente später sagte er: «Danke für alles», während er verlegen, aber glücklich, in den Fußraum des Autos schaute.

Ein freudiges «Wir sind da» ertönte von seinem Vater durch das Auto.

«Was, schon? Wir sind doch eben erst losgefahren. Wo ist denn die Zeit hin?»

«Du warst wohl irgendwo in Gedanken.»

«Ja … scheint so.»

Sein Vater hielt mit beiden Händen das Lenkrad fest und haderte, ob er seine Gedanken mit Alex teilen sollte. Doch dann drehte er sich zu ihm: «Darf ich dir noch einen Ratschlag geben?»

«Natürlich!»

«Wenn du reist, versuche immer, alles mit den neugierigen Augen und der Offenheit eines Kindes zu sehen. Ansonsten entgeht dir auf dem Weg die wahre Schönheit in allem.»

«Was meinst du damit? Die wahre Schönheit?»

«Das wirst du noch erkennen!»

Sie stiegen aus und verabschiedeten sich.

«Ich wünsche dir ganz viel Freude, Sohnemann», sagte sein Vater mit einem frechen Gesichtsausdruck, als er ihn bei seinem kindlichen Spitznamen nannte.

«Ich gebe mein Bestes!», antwortete Alex energisch, gab ihm noch eine kräftige Umarmung, drehte sich herum und betrat das Flughafengebäude.

Zwischen der ersten und der zweiten Schiebetür zum Terminal fragte er sich, was er selbst wohl damit gemeint hatte, «sein Bestes» zu geben.

Bei einem Abenteuer? Wie kann ich da mein Bestes geben? Muss ich hier mein Bestes geben?

Die zweite Schiebetür ging auf und mit einem Schritt betrat Alex die Halle, die mit unglaublicher Lebendigkeit gefüllt war. Hunderte Menschen standen an den Schaltern, einige telefonierten, hier und da rannten ein paar sogar eilig zu einem der Terminals. Da war eine Mutter, die versuchte, ihren drei Kindern gleichzeitig gerecht zu werden, und etwa ein Dutzend Menschen, die auf die große Anzeigetafel mitten im Terminal schauten, von wo man jeden Flug der nächsten Stunden im Überblick hatte.

Da war sie wieder, diese Klarheit. Plötzlich schien alles so intensiv und klar.

Was ist das immer, was mich seit gestern so oft gepackt hat?

Er fand seinen Flug auf der Anzeigetafel und wusste jetzt, wohin er musste. Jetzt konnte er es wieder fühlen. Wie heute Morgen. Das Gefühl der Freude.

Angst hat man selten, während man etwas tut, sondern meistens nur vorher, wenn man sich Gedanken drüber macht, dachte Alex, während er zum Schalter ging, und war selbst über seine Erkenntnis verwundert.

Eine lange Schlange hatte sich bei den Check-in-Schaltern gebildet.

Er stellte sich an und nach wenigen Minuten sprach ihn jemand von hinten mit irischem Akzent an: «Cooler Rucksack. Du bist wohl viel unterwegs!» Alex drehte sich um und sah in die strahlenden Augen eines jungen Mannes in etwa seinem Alter.

«Ähm, danke … aber nein, ich bin nicht oft unterwegs. Der Rucksack ist von meinem Vater!»

«Ach so, ich dachte schon. Weil er aussieht, als hätte er schon viele Abenteuer erlebt. Ich bin Neil.»

«Alex, freut mich», antwortete er nur kurz und war im selben Moment verwundert, warum dieser Neil ihn einfach so offen ansprach, als würden sie sich seit Jahren kennen.

Wenige Minuten später und etwa acht Meter weiter in der Schlange hörte Alex erneut Neils Stimme.

«Ein richtig schöner Tag zum Fliegen, was?»

Er drehte sich nach einem kurzen Zögern um: «Warum, ist heute etwas Besonderes passiert?»

«Nein, muss es das?», lachte Neil.

«Ähm, nein. Ich meine nur, weil du diesen Tag so betonst. Da dachte ich, dass etwas Besonderes passiert ist.»

«Was würde es ändern?»

«Na ja, dadurch wird ein Tag doch schön. Wenn etwas Besonderes passiert ist.»

«Meinst du etwas Wertvolles, wie zum Beispiel ein Lottogewinn?»

«Ja, so was in der Art. Genau!», antwortete Alex in einer Tonalität, dass er glaubte, dass Neil ihn jetzt verstand.

«Darf ich dich was fragen?»

«Ja», sagte Alex etwas angestrengt.

«Ist dein Leben wertvoller als Geld?»

«Ja, natürlich!»

«Warum ist dieser Tag nur dann schön, wenn etwas passiert ist, was grundsätzlich einen geringeren Wert hat als die Tatsache, dass du lebst?»

Alex’ Blick wurde leer.

«Ähm … guter Punkt. Ich werde darüber nachdenken», antwortete Alex nach einer kurzen Pause mit einem angespannten Gesicht.

«Mach dir nichts draus!»

«Aus was?»

«Dass du so gedacht hast, wie du gedacht hast. Es sind nur ein paar Gedanken.»

«Wie, nur Gedanken?»

«Du bist ja nicht deine Gedanken, oder? Denn du kannst ab und zu deine Gedanken beobachten, das bedeutet, dass du nicht deine Gedanken sein kannst.»

«Ich glaube, das verstehe ich nicht ganz.»

«Nicht schlimm. Ich habe es beim ersten Mal auch nicht verstanden», sagte Neil mit einem herzlichen und fröhlichen Lachen und ergänzte dazu: «Sei einfach ein wenig liebevoller mit dir. Du hast keinen Grund, es nicht zu sein. Und lass mich den Satz dann für dich anpassen.» Er räusperte sich.

«Heute ist ein schöner Tag, um am Leben zu sein.» Er grinste von Ohr zu Ohr, so als ob seine Sätze nur für seine eigene Motivation waren.

Alex nickte ihm leicht zu und drehte sich mit dem leeren Blick, den er immer noch hatte, wieder nach vorn.

Was war das denn gerade für eine Begegnung?, fragte er sich, während er kleine Schritte vorwärts machte, um die Lücke zu schließen. Am Schalter angekommen, empfing ihn eine gut gelaunte Dame. Sie tauschten ein paar oberflächliche Sätze aus, er stellte seinen Rucksack auf das Gepäckband zur Abgabe, nahm sein Ticket und machte sich auf zum Gate, von wo aus er in etwa einer Stunde fliegen sollte.

Dort ließ er sich auf einen der freien Stühle nieder, von dem aus er aus dem Fenster schauen konnte. Alex holte seine Kopfhörer raus, machte seine Lieblingsplaylist an und betrachtete die Flugzeuge, die auf der Landebahn standen.

Wie krass es eigentlich ist. Ich steige gleich in etliche Tonnen Metall, diese werden beschleunigt, bis wir fliegen. Dass so was überhaupt möglich ist.

Er versuchte, sich ein wenig zu entspannen, doch die Anspannung ließ ihn noch nicht ganz los.

Eine halbe Stunde später begann bereits das Boarding.

Alle Passagiere wurden mit der klassischen undeutlichen Ansage in Bahnhöfen und Flughäfen durch die Lautsprecher dazu aufgefordert, sich zum Flugzeug zu begeben. Er stellte sich in die Reihe. Zeigte sein Ticket und seinen Reisepass.

Dann betrat er das Flugzeug, ging zu seinem Platz und setzte sich. Wenige Minuten später waren alle Passagiere in der Maschine.

Der Platz neben ihm blieb frei!

Super, mehr Platz!, dachte er sich und ließ sich bequem in den Sitz sinken. Die Flugbegleiterin schloss die Tür des Flugzeugs und verriegelte sie. «Ab jetzt gibt es wirklich keinen Weg mehr zurück», flüsterte er sich selbst zu.

Der Kapitän und die Flugbegleiterin, die auch die Tür verschlossen hatte, begrüßten alle Passagiere auf diesem Flug.

Danach folgte die Sicherheitsanweisung: «Meine Damen und Herren, wir begrüßen Sie ganz herzlich auf dem Flug nach Kerry Airport. Bereits in wenigen Stunden werden Sie auf der immergrünen Insel sein und ein frisch gezapftes Guinness trinken können. Doch vorher bitte ich Sie noch um Ihre Aufmerksamkeit für die Anweisungen zu Ihrer eigenen Sicherheit …»

Während die Flugbegleiterin noch die Ansage zu Ende brachte, rollte die Maschine zur Startbahn. Sie richtete sich aus und die Turbinen begannen, einen tosenden Lärm zu machen. Die Geschwindigkeit erhöhte sich, Alex wurde in den Sitz gedrückt und nach wenigen Sekunden waren sie mehrere Hundert Meter in der Luft. Mit einem Mal verflog die gesamte Anspannung in ihm.

Jetzt, da es unumkehrbar ist und ich nichts mehr daran ändern kann, entspanne ich mich. Das ist echt merkwürdig. Warum konnte ich es denn vorher nicht?

Alex atmete erneut ein paarmal tief ein und aus, und mit jedem Atemzug fielen die Augen weiter zu. Die Müdigkeit der letzten Nacht ohne wirklichen Schlaf kam nun zum Vorschein.

Kapitel 6 – Wie ist es eigentlich am Ende?

Plötzlich weckte ihn eine erst kürzlich kennengelernte Stimme aus seinem Schlaf. Es war Neil. Lächelnd schaute er Alex an, der noch verwirrt hin und her blickte, wie wenn man nach einem Mittagsschlaf nicht mehr genau weiß, wo man eigentlich ist.

«Ich wollte mir die Sonne ansehen. Auf meiner Seite ist sie gerade nicht. Das ist doch okay, oder?»

«Ähm … ja», murmelte Alex, unentschlossen und überrascht.

«Wie toll das aussieht, oder? Ich liebe diesen Blick und freue mich jedes Mal, wenn ich ihn bei einem Tagesflug zu sehen bekomme!» Neil hörte nicht auf zu schwärmen, während er sich halb über Alex zum Fenster hin lehnte.

Oh man, ich will doch einfach nur ein bisschen Ruhe haben und zu mir kommen. Das ist doch nicht zu viel verlangt nach alldem, oder? Und warum regt der Typ mich so auf? Ich fühle mich, als müsste ich ihn wegschubsen und anschreien! Warum ist das so?

«Ich freue mich, endlich nach all der Zeit wieder nach Hause zu kommen», erzählte Neil weiter. Alex zögerte kurz, weil er nicht unbedingt ein intensiveres Gespräch beginnen wollte, doch er antwortete trotzdem und fragte mehr aus Höflichkeit: «Wo … warst du denn überall?»

«Ich bin im letzten Dreivierteljahr etwas um die Welt gereist. Hab Kulturen entdeckt, Freunde gefunden und La Vida Loca gelebt.» Er machte eine wilde Handbewegung und zog seine Augenbrauen und Stirn nach oben.

«Verstehst du? Ich war im Amazonas, in Südafrika, an der Süd- und Ostküste Australiens und auch auf Bali. Auf Bali habe ich mich dann mit einem Typen angefreundet, der in der Nähe des Flughafens wohnt, von dem wir eben gestartet sind. Und ihn war ich jetzt zwei Wochen besuchen, bevor es nun wieder nach Hause geht. Oh Mann, was freue ich mich auf die grünen Wiesen, die ganzen Steinmauern, darauf, einen Pint in meinem Lieblingspub zu trinken, und dann noch auf die Livemusik jeden Abend. Auf mein Haus, auf meinen Hund und darauf, ihn endlich wieder in den Armen zu halten. Gerade ist er noch bei meiner Schwester. Ich kann es kaum erwarten. Und jetzt schau … schau, wie die Wolken und die Sonne aussehen. Wow, ist das nicht wunderschön!»

«Wie hast du dir das denn alles finanziert? Du bist doch kaum älter als ich?»

«Ich bin Überlebenskünstler!» Neil lachte.

Alex schaute ihn ungläubig an.

«Also ich meine, theoretisch könnte ich mich so bezeichnen. Ich bin einfach ins Abenteuer gestartet und war offen und neugierig, was mich erwartet. Und irgendwie habe ich immer irgendwo eine Arbeit gefunden, der ich ein paar Wochen nachgehen konnte, und zog dann weiter. Manchmal war es einfach, manchmal musste ich etwas suchen. Und dazu habe ich so viele coole Menschen kennengelernt, die mich einfach bei ihnen haben schlafen lassen und …»

«Du bist einfach so um die Welt, ohne einen genauen Plan?», unterbrach ihn Alex in einem Ton, der Bewunderung zwischen der ablehnenden Körperhaltung vermuten ließ.

«Nun ja, mein Plan war es, Abenteuer zu erleben! Ich hatte immer ein Notfallkonto, sodass ich jederzeit hätte heimfliegen können, falls nichts mehr gegangen wäre. Aber das habe ich nie wirklich in Erwägung gezogen, da ich einfach wusste, dass es immer Möglichkeiten gibt!»

«Krass …» Alex brachte nach all dem, was Neil erzählte, nicht mehr über seine Lippen.