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Die in diesem Buch veröffentlichten Texte wurden als Motivationen gehalten am Schluss gemeinschaftlicher Meditationsabende oder im Verlauf von Meditationstagen. Es sind gesprochene und gehörte Worte - aus dem Schweigen heraus in das Schweigen hinein. So möchten sie auch in gedruckter und etwas überarbeiteter Form "an-kommen": als komprimierte, auf ein Wesentliches abzielende Fragmente, die vom hörenden Leser, von der hörenden Leserin mit den in ihnen ausgelösten Assoziationen, Gefühlen, Gedanken und Impulsen verbunden werden möchten - hin zu einem Ganzen. So möchte der Verfasser, ein authorisierter Zen-Lehrer im "Programm Leben aus der Mitte - Zen-Kontemplation im Bistum Essen", dazu beitragen, den Blick für die spirituelle Dimension des Lebens und die sich daraus ergebende Verantwortung jedes Einzelnen für eben dieses Leben zu öffnen und zu schärfen.
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Seitenzahl: 215
Veröffentlichungsjahr: 2018
Die in diesem Buch veröffentlichten Texte wurden als Motivationen gehalten am Schluss gemeinschaftlicher Meditationsabende oder im Verlauf von Meditationstagen. Es sind gesprochene und gehörte Worte – aus dem Schweigen heraus in das Schweigen hinein. So möchten sie auch in gedruckter und etwas überarbeiteter Form „ankommen“: als komprimierte, auf ein Wesentliches abzielende Fragmente, die vom hörenden Leser, von der hörenden Leserin mit den in ihnen ausgelösten Assoziationen, Gefühlen, Gedanken und Impulsen verbunden werden möchten – hin zu einem Ganzen. Wenn dies hier und da geschieht, ist das Vorhaben aus Sicht des Autors geglückt. Möge der Blick für die spirituelle Dimension des Lebens und die sich daraus ergebende Verantwortung jedes Einzelnen für eben dieses Leben geöffnet und geschärft werden.
Klaus Fahrendorf (Cloud of Merciful Awareness) wurde 1947 geboren. Seit 2008 ist er ein von P. Johannes Kopp S.A.C (Hôun-ken Roshi) autorisierter Zen-Lehrer im „Programm Leben aus der Mitte – Zen-Kontemplation“ in Essen/Mülheim a. d. Ruhr. Bis 2012 war er als Richter tätig. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. 2009 gründete er die Bochumer Zen-Gruppe, die seit 2012 in der evangelischen Emmaus-Gemeinde in Bochum-Weitmar-Mark beheimatet ist. Seit 2015 begleitet er als Zen-Lehrer auch die Meditationsgruppe in Dortmund-Lütgendortmund und leitet Meditationskurse in Essen-Werden im Meditationszentrum im Kardinal-Hengsbach-Haus.
Ulrike Rögner-Fahrendorf, 1959 geboren, ist ausgebildete Theatermalerin und freischaffende Künstlerin nach abgeschlossenem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Aus ihrer langjährigen Zen-Praxis mit Koan-Studium heraus unterstreicht sie mit 10 ihrer farbigen Malereien den Geist dieses Buchs.
Klaus Fahrendorf
ZEN – Inmitten des Alltags
52 Wünsche für einen guten Heimweg
Bilder
von Ulrike Rögner-Fahrendorf
© 2018 Klaus Fahrendorf
© Malereien: Ulrike Rögner-Fahrendorf ©
Coverfoto: Klaus Fahrendorf
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback
978-3-7469-4309-1
Hardcover
978-3-7469-4310-7
e-Book
978-3-7469-4311-4
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Wo gehen wir denn hin?
Immer nach Hause
Novalis (1772-1801)
In Kyoto bin ich
Doch beim Ruf des Kuckucks
sehn ich mich nach Kyoto
Bashô (1634-1694)
Inhalt
001 Vorwort
01: „Kommt und seht!“
Bild zu 01
02: Tun, was getan werden muss
03: Wie atmen?
04: Wort, das der Stimme vorausgeht
05: Nichttrennung
06: Demut, Leere und Leben
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07: Das wirklich Wichtige
08: Geliebt und gesehen werden
09: „Fester, einfacher – schweigsamer, wärmer“
10: Erstbestes
Bild zu 11
11: Nichts anderes als du selbst
12: Geduldiger
13: Übungspotential
14: Farbe bekennen
15: Endlich zu Gesicht bekommen
16: Na und?
17: Warten
Bild zu 18
18: Lebendig, lebendig
19: Kein Ende
20: Jeder Tag ein guter Tag?
21: „Fallende Blüten, fließendes Wasser“
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22: Herausfinden aus Sackgassen
23: Letztlich bezahlen wir selbst
24: „We-Disease“
25: Körper-Geist-Haltung
26: Vergesslichkeit – Bequemlichkeit
27: Immer diese Gedanken!
Bild zu 28
28: Nichts kann uns trennen
29: Zweifel/I – Zweifel/II
30: Selbstverantwortung
31: Was offenbart uns die Stille?
32: Zum Warten verurteilt?
Bild zu 33
33: Nimm Platz!
34: Offener Geist ist ein ehrlicher Geist
35: Charlie Brown
36: Nie genug
37: Glück? – Hmm?!!!
38: Ungenügen und Vertrauen
39: Weitergabe
Bild zu 40
40: Wenn es erst richtig losgeht – das Umkehrgesetz
41: Unsere doppelte Achtlosigkeit
42: Wie komme ich heim?
43: Ohne Verlangen
Bild zu 44
44: Schmeckt es?
45: Was fängt an?
46: Gerade dann
47: Ich weiß es nicht
48: Kein Allheilmittel
49: Ehrfurcht
50: Ja, aber
51: Ziele, Vorsätze und Gewahrsein
Bild zu 52
52: Die Freiheit der Kürbisköpfe
002 Dank
03
Wie atmen?
Schweigend haben wir einundeinhalb Stunden in Meditationshaltung, gerade aufgerichtet, gemeinsam gesessen, die Handflächen wie zu einer Schale ineinandergelegt mit den Daumen darüber, die sich an der Spitze berühren, die Aufmerksamkeit auf den Atem richtend. Na ja, wahrscheinlich sollte ich sagen: Wir haben dies versucht, immer wieder.
Denn es ist ja meistens so: Da sitzen wir da wie Buddhas, schweigend, mit dem Atem „beschäftigt“, den wir zählen oder aufmerksam zu begleiten versuchen. Und schon steigen Gedanken auf, die meisten davon sind wie ein „weißes Rauschen“. Man braucht sie nur zur Kenntnis zu nehmen, sie wieder verschwinden zu lassen und erneut zum Atem zurückzufinden. Beginnen wir mit der Meditation, haben viele zum ersten Mal in ihrem Leben die Gelegenheit, sich wirklich selbst zuzuhören. Im Alltagsleben entgeht uns vielfach, dass wir in einer fortlaufenden Unterhaltung mit uns selbst begriffen sind. Wir reden pausenlos mit uns selbst. Wir sind ständig damit beschäftigt zu kommentieren, zu beurteilen, zu analysieren, zu reflektieren, zu bewerten, zu systematisieren, einzuordnen und zu benennen. Das läuft so ununterbrochen ab, dass uns gar kein Raum bleibt, den jetzigen Augenblick wirklich zu erleben, tatsächlich zu erfahren, was jetzt geschieht.
Zazen gibt uns den Zugang zu diesem „inneren Dialog“ und eröffnet uns zugleich die Möglichkeit, ihn zu verlangsamen, zu vereinzeln und dabei die Mechanismen und Muster unserer Gedanken und Gefühle zu durch-schauen. Und zwar, indem wir all das, was auftaucht, zur Kenntnis nehmen, es wieder gehen lassen und die Aufmerksamkeit auf den Atem richten. Immer und immer wieder! Wenn wir wieder davon abkommen, ist es nicht so wichtig, dass uns das passiert. Wichtig ist der Moment, in dem wir es bemerken und uns aus dem Gedankenfluss wieder ausklinken können. Wichtig ist auch, dass wir das nicht vorwurfsvoll uns selbst gegenüber, frustriert über unser „Versagen“ oder verärgert über uns selbst machen, sondern in der Haltung einer nüchternen Feststellung – und dass wir wieder zurückkommen zu unserer Aufmerksamkeit in der Gegenwart.
Ab und zu taucht plötzlich etwas ganz Wichtiges auf, nicht nur „weißes Rauschen“ oder zufällig auftauchende Gedanken. Vielmehr etwas aus unserem Leben oder etwas für unser Leben Bedeutsames. Das kann Kummer sein; es können Verletzungen und Wunden, Beziehungsprobleme tiefster Art, Versagenserfahrungen und/oder - ängste, Verlusterfahrungen und/oder -ängste, allgemeine Lebensangst etc. sein.
Du willst es gehen lassen, aber es kehrt sofort zurück. Diese Hartnäckigkeit ist ein Zeichen dafür, dass du es nicht ignorieren darfst, dass du ihm Raum einräumen sollst. Gewähre ihm diesen Raum, auch wenn Emotionen ausgelöst werden oder Schmerz.
Dazu möchte ich später noch einmal gesondert einiges sagen und verdeutlichen. Für heute soll genügen: Es gibt solche und solche Gedanken und Störungen, und jeder sollte als erstes die Fähigkeit sich entwickeln lassen, sie als „nicht so wichtig“ oder „wichtig“ in erspürender Aufmerksamkeit – also nicht etwa im Wege analytischer Reflexion – voneinander zu unterscheiden lernen! Das, was nur ein Hintergrundrauschen unseres permanenten Gedankenflusses in unserer Hirntätigkeit ist, also nur kurz auftaucht und wieder weiterfließen kann, und das, was sich „melden“ will und unserer achtsamen Zuwendung bedarf, was gesehen und angenommen werden will und sich dann in Frieden zurückziehen kann.16
In diesem ganzen Geschehen spielt, wie bereits angesprochen, der Atem als Mittelpunkt unserer achtsam spürenden Aufmerksamkeit eine zentrale Rolle. Alles wird durch-atmet, es ist das Erleben, dass alles durch-atmet ist. Das Durch-Schauen, von dem ich vorhin sprach, ist also ein Hindurch-Atmen.
Deshalb kurz zu den verschiedenen Übungshaltungen während unserer Meditation in Bezug auf den Atem, auf die ich bei den nächsten Malen zu Beginn oder während der Meditation zurückkommen werde.
Atem zählen:
Der sicherste Weg zum richtigen Atmen ist das Zählen des Atmens von 1 bis 10. Kommt man aus dem Zählen heraus, weil Gedanken sich eingeschlichen haben, fängt man „ohne Murren und Knurren“ wieder von vorne an, egal bei welcher Zahl man war (wenn man das dann überhaupt noch weiß). Atme die ungeraden Zahlen ein und die geraden Zahlen aus. Lege beim Ausatmen keine Pause ein. Lasse vielmehr die Luft möglichst gleichmäßig fließend los, zunächst etwas stärker, damit sich kein Druckgefühl einstellt, dann nur ganz leicht, mäßig und ruhig Die Aufmerksamkeit richte auf den Unterbauch, das Hara (jap.). Versuche, diese Körpermitte in ihrer auch geistig tiefen und weiten Dimension spürend immer mehr wahrzunehmen. Aus dieser Tiefe heraus und auf diese Tiefe in uns gerichtet, beobachte, wie du – ohne es zu forcieren – immer noch ein wenig länger und tiefer und weiter ausatmen und dann wieder kurz und sanft gleitend aufs Neue ins Einatmen hineinkommen kannst.
Man kann auch, wenn die Gedanken uns besonders zusetzen und wir sehr zerstreut sind, eine Zeitlang nur das Einatmen zählen von 1 bis 10 usw.
Es kann sich auch für dich ergeben, dass du besser damit zurechtkommst, wenn du lediglich das Ausatmen zählst und so deine Atmung im Hara vertiefst. Da das Einatmen lediglich kurz abläuft, halte ich das das Zählen des Ausatmens letztlich für die beste Möglichkeit, zumal dies gut helfen kann, nicht schläfrig zu bleiben oder zu werden. Zählen wir so, ohne dies lediglich rein mechanisch oder bloß automatisch zu tun, sondern mit voller Aufmerksamkeit, können wir bemerken, wie sich unsere Wahrnehmung zunehmend nach unten verschiebt, weg von dem Kopfzentrum oben hin zum Bauchzentrum unten, und dass sich dort ein Kraftzentrum auszubilden beginnt.
Atem beobachten:
Ist man etwas geübter oder kann man beim Zählen ein bloß oberflächliches oder mechanisches Zählen nicht vermeiden, kann es eine Übungsmöglichkeit sein, in der Meditation ohne zu zählen dem Einatmen und insbesondere dem Ausatmen zu folgen und dieses Geschehen aufmerksam zu begleiten.
Dies ist nicht nur eine Übungshaltung in der Sitzmeditation, sondern eine Weise, wie wir uns unseres lebenspendenden Atems immer mehr auch in unserem alltäglichen Leben bewusst sein und das Kraftpotential im Hara immer stärker zur Entfaltung kommen lassen können. Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, sich innerlich und äußerlich immer wieder einen Augenblick bewusst aufzurichten, den Atem zu spüren, ihn sich im Hara ausweiten und uns von ihm durchströmen zu lassen.
So zentriert wünsche ich uns einen guten Heimweg.
16 Damit möchte ich keiner Technik das Wort reden, wie sie zum Beispiel in der sog. Achtsamkeitsmeditation in Nordamerika von einigen Lehrern entwickelt wurde und unter dem Akronym RAIN (Recognize; Accept; Investigate; Nonidentification oder Nonattachment) propagiert wird (dazu vgl. Robert Wright, Why Buddhism is True, 2017, S. 135). Ich spreche hier nur – aus eigener Erfahrung über die Art und Weise, wie eine durch-atmende Meditation wie die Zen-Meditation sich intuitiv mehr oder weniger entwickeln und uns weiterhelfen kann, zu einem inneren Frieden mit uns selbst in uns selbst zu gelangen.
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Wort, das der Stimme vorausgeht
In der SZ las ich am Wochenende einen guten Essay zu dem Thema, dass häufig, allzu häufig Sätze eingeleitet werden mit der Wortfolge: „Man wird ja wohl noch mal sagen dürfen.“ Einleitend bezieht sich die Autorin auf die Schriftstellerin Herta Müller, die gesagt hat: „Wörter können alles. Die können schikanieren und die können schonen und die können einen besetzen und die können einen leerräumen.“ Ja, das stimmt sicherlich und ist Teil der Lebenserfahrung von Herta Müller und vielen anderen.
Wörter können auch lügen. Sie können uns ebenfalls unterhalb der Schwelle der Lüge etwas vormachen. So hat gerade Claus Peymann (78), der bekannte Theaterregisseur und -intendant, in einem Spiegel-Gespräch gesagt, er schaue die Bundestagsdebatten oft ohne Ton. Denn Sprache harmonisiere und tarne. Aber das Gesicht tarne nicht. Er, der nichts anderes gelernt habe, als Menschen zu beobachten, sehe am Mienenspiel eines Menschen, wenn das Innere was ganz anderes sage als das Äußere.