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Zoe hat das Leben und die Liebe für eine kurze Zeit, von seiner schönen Seite kennen lernen dürfen. Leider wurde dieses von einer Person rasant zunichte gemacht und sie steht erneut vor den Trümmern. Doch es gibt etwas, das alles verändern wird. Zoe muss erneut kämpfen. Mit sich, der Liebe und den Neidern. Werden sie es dieses Mal schaffen?
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Seitenzahl: 218
Veröffentlichungsjahr: 2019
Kraftlos schleppe ich mich zu meinem Bett. Normalerweise freue ich mich darauf, dieses wohlig, weiche Gefühl unter mir zu spüren, doch mein Körper fühlt sich gerade taub an und ich empfinde dabei überhaupt nichts. Heute will ich nur noch eins, mich wie ein angeschossenes Tier verkriechen.
Vor wenigen Minuten habe ich dem Mann, welchen ich doch so sehr liebe und mir selbst, eiskalt die Herzen heraus gerissen. Und warum? Wegen einer anderen Frau, seiner Ex. Ich glaube Melania darf mir nie wieder im Leben unter die Augen treten. Wenn doch, dann gnade ihr Gott. Die gesamte Wohnung fühlt sich kalt und leer an. Es ist nicht dieses tolle Gefühl, welches ich zu Beginn verspürte, als ich froh war endlich ein wenig Ruhe zu haben. Jegliche Kraft ist aus meinem Leib gewichen und ich kann einfach nur regungslos da liegen und in die Dunkelheit starren.
Morgen haben wir zum Glück Samstag und ich muss nicht in die Agentur. Ich glaube, ich würde es nicht schaffen mich dort hin zu bewegen. Dafür sitzt der Schmerz einfach viel zu tief in meinem Inneren. Wie gerne würde ich mein Leid einfach nur herausweinen, doch ich habe keine Tränen mehr übrig. Sie sind versiegt, wie ein ausgetrockneter Fluss. Die Nacht scheint wie im Flug vorüber zu gehen. Und das, obwohl ich nicht ein Auge zugetan habe. Durch mein Schlafzimmerfenster kann ich sehen, wie bereits die Sonne aufgeht.
Ans Aufstehen denke ich erst gar nicht. Heute werde ich einfach liegen bleiben. Ich habe weder Hunger noch Durst und seltsamer Weise muss ich auch nicht zur Toilette. Es scheint, als hätte ich gestern nicht nur zwei Herzen gebrochen, sondern auch noch meine Empfindungen, bis auf den Schmerz abgestellt. Mein Hirn ist ununterbrochen am Arbeiten und versucht mir klare Bilder zu zeigen, jedoch kann ich nicht sagen was es ist. So sehr ich es auch versuche, meine Konzentration hält nur wenige Bruchteile einer Sekunde. Die Szenen rauschen in einem enormen Tempo vorbei, so dass ich sie nicht greifen kann. Wenn mich jemand fragen würde, an was ich gerade denke, dann müsste ich sagen:
»Alles und Nichts.«
Schlapp drehe ich mich auf meinen Rücken und beobachte weiter, wie die Sonne am Himmel ihren Lauf nimmt. Hin und wieder höre ich das Piepsen meines Handys. Anscheinend schickt mir jemand sehr viele Nachrichten.
Allerdings habe ich keine Lust und auch nicht den Mut nachzusehen, worum es geht. Wenn es Dylan sein sollte wüsste ich nicht, wie ich reagieren würde. Mein Herz schreit ununterbrochen nach Hilfe und um Erbarmen. Es fleht mich an, dass ich hinüber gehe und das Gesagte wieder rückgängig mache. Aber das kann ich nicht. Ich will ihn nicht zerstören.
Heute haben wir Sonntag und es ist bereits Silvester. Ich lag das gesamte Wochenende nur in meinem Bett und habe mir das Schauspiel von Tag und Nacht angesehen. Das war das Einzige zu dem ich mich aufraffen konnte. Bis auf wenige Male hatte ich keinen Anlass aufzustehen. Wenn ich nur daran denke, all die Leute da draußen werden heute Nacht in ein glückliches, neues Jahr feiern und ich? Was habe ich nur getan?
Ich quäle mich auf, um endlich mal einen Schluck Wasser zu trinken. Meine Kopfschmerzen sagen mir, dass ich bereits dehydriere und meine Kehle fühlt sich an, als wäre sie schon vor einiger Zeit vertrocknet. Träge schleppe ich mich zu meiner Couch und schalte den Fernseher an. Auf jedem Kanal scheinen Jahresrückblicke zu laufen. Wie banal mir das doch alles vorkommt. Viele schwere Schicksalsschläge werden gezeigt, doch ich kann einfach nicht ein Fünkchen Mitleid empfinden.
Die letzten Jahre habe ich gedacht, dass das, was Kalle mir angetan hat, das Schlimmste in meinem Leben wäre. Aber dieser Schmerz übertrifft alles bei Weitem. Kalle kann ich versuchen zu verdrängen. Doch wie soll ich nur je über dieses wundervolle Geschöpf von einem Mann und das Gefühl, welches er mir geschenkt hat, hinweg kommen. Ich mag diesen ganzen Mist im Fernsehen nicht mehr sehen. Am liebsten würde ich einfach nur ein wenig Musik hören. Angestrengt versuche ich mich an den Abend mit Susan zu erinnern. Sie hatte doch irgendwie das Handy mit dem Lautsprecher verbunden. Wenn ich doch ein bisschen versierter im Bereich Technik wäre.
Widerwillig stehe ich auf und hole mein Telefon. Ein Blick auf das Display veranschaulicht mir, wie lange es her ist, seitdem ich es das letzte Mal in meinen Händen hatte. Siebenunddreißig Anrufe in Abwesenheit und achtundzwanzig Nachrichten. Meine Hände zittern und beginnen feucht zu werden. Will ich wirklich wissen, was mir geschrieben wurde? Es kennen ja eigentlich nur drei Leute meine Nummer.
Dylan, Susan und mein Vater. Zum ersten Mal seit besagter Nacht beginnt mein Herz kräftig zu schlagen. Es pocht gegen meine Rippen und macht den Anschein, als wolle es aus meiner Brust heraus springen. Meine Neugier gewinnt jedoch nach kürzester Zeit die Oberhand und ich tippe fahrig auf die App mit den Nachrichten. Fünfzehn sind von Susan und dreizehn von Dylan.
Ich öffne zuerst den Verlauf von Susan.
Hey, was ist los bei euch? –
Geht es dir gut? –
Melde dich bitte. –
Ich mache mir echt Sorgen. –
Dylan nervt mich schon. –
Ich gehe bis zur letzten Nachricht.
Wenn du reden magst, dann melde
dich. Ich bin für dich da.
Bis dahin lasse ich dich in Ruhe.
Nun öffne ich auch mit bebenden Händen die Nachrichten von Dylan. Noch bevor ich lesen kann was er geschrieben hat, bildet sich ein unüberwindbarer Kloß in meinem Hals. Er macht sich so breit, dass ich nicht mehr schlucken kann. Mehr und mehr spüre ich, wie ich zu schwitzen beginne und mein Magen zu einer brodelnden Suppe wird. Ich schluchze schon alleine nur, weil sein Name im Display angezeigt wird. Mir steigen die ersten heißen Tränen in die Augen und ich versuche mit verschwommenem Blick zu entziffern, was er mir zu sagen hat.
Zoe. Bitte sag mir was los ist. –
Zoe… –
Du kannst mir nicht sagen, dass
das dein Ernst ist. –
Sag mir was passiert ist,
ich regle das. –
War es wieder Melania? Hat sie
etwas angestellt?
Auch hier gehe ich bis zur letzten Nachricht, denn meine Seele hält das alles nicht mehr aus.
Zoe bitte. Ich liebe dich!
Seine letzten Worte reißen mir erneut erbarmungslos mein Herz aus der Brust. Ich kann es quasi vor mir sehen, wie es aufhört zu schlagen und es dann wie ein regungsloser Klumpen vor mir liegt. Dylan scheint mir damit den Gnadenstoß zu geben. Am liebsten würde ich ihm antworten, Ich liebe dich auch, aber das hilft mir gerade nicht weiter. Ich schließe die Nachrichten und schaue noch die verpassten Anrufe durch. Mist, da sind auch zwei von meinem Vater dabei. Ich werde ihm direkt eine Antwort schicken.
Hallo. Es tut mir leid, dass ich
deine Anrufe verpasst habe. Im
Moment habe ich ein wenig Stress,
ich werde mich aber die Tage bei
dir melden. Hab dich lieb.
Ich hoffe, dass er meine Entschuldigung annehmen und so hinnehmen wird. Gerade erst wieder gefunden und direkt so etwas. Geknickt schließe ich alle Programme und schalte etwas Musik an, nachdem ich mich zurecht gefunden habe. Schnell entdecke ich einen Radiosender, welcher Musik aus den Achtzigern und Neunzigern spielt. Diese Lieder fand ich schon immer am besten.
Hoffentlich lenkt mich das ein wenig ab und lässt meinem Kopf wenigstens ein paar Minuten Pause. Susan werde ich am Dienstag eh auf der Arbeit über den Weg laufen und ihr alles berichten müssen. Sie wird sich gedulden. Dylan schreibe ich nichts. Ich wüsste nicht, was ich ihm sagen sollte. Wahrscheinlich würde ich einen Rückzieher machen und ihn somit gefährden. Das darf ich nicht riskieren. Am besten wird es sein, wenn ich mir eine heiße Dusche genehmige. Ich richte die Box auf dem Schrank so aus, dass ich bei offener Badezimmertür noch den Klängen lauschen kann.
Als das heiße Wasser endlich auf mich niederprasselt, fühlt es sich wie eine ungemeine Erleichterung an. So, als wenn man einen extrem schweren Rucksack nach einer Wanderung ablegt. Mein Nacken entspannt sich mit jeder Minute mehr. Ich schließe meine Augen und lasse das Wasser über mein Gesicht hinab rinnen. Nach einer gefühlten Ewigkeit trete ich wie mechanisch heraus und stehe vor dem Spiegel. Was für ein Elend mich doch aus diesem anstarrt, bevor der Wasserdampf mir die Sicht versperrt. Darunter befindet sich eine kleine Ablage mit einigen Schminkutensilien, Cremes und sonstigen Pflegeprodukten.
Ruppig versuche ich mein nasses Haar zu entwirren. Ich sehe wie sich die ausgerissenen Haarsträhnen zwischen den Zinken meines Kammes anhäufen, doch ein Ziepen wie sonst kann ich nicht vernehmen. Auf einmal ertönt ein mir sehr bekanntes Lied bei dem Radiosender. Mir stockt der Atem und ich senke meine Hand mit dem Kamm auf den Rand des Waschbeckens. Es ist Brian Adams. Seine Worte hallen in mir nach und meine Unterlippe beginnt zu zittern.
Bitte vergib mir, ich weiß nicht, was ich tue.
Plötzlich sehe ich Melanias Visage vor mir, wie sie mich fies anblitzt. All meine Wut und mein Hass steigen empor und ich kann mich kaum noch kontrollieren.
Bitte vergib mir, ich kann nicht aufhören, dich zu lieben
Meine Gefühle entladen sich in einem lauten, schmerzerfüllten Schrei, während ich mit beiden Händen alles von der kleinen Ablage fege.
Laut scheppernd fällt der Becher mit meiner Zahnbürste zu Boden. Ein Glastiegel mit Creme zerspringt klirrend an der Wand und verteilt sich auf den blauen Badezimmerfliesen. Alles was ich zu greifen bekomme, werfe ich hinterher, bis ich laut schluchzend an der Tür meiner Dusche auf den Boden sinke. Meine Hände vergraben sich in meinen Haaren und ich fasse zwei Büschel stramm zusammen. Irgendetwas muss doch diesen verdammten Schmerz lindern können.
Mit einem lauten Knall fliegt meine Wohnungstür auf und ich kann eine panische Stimme nach mir rufen hören.
»Zoe! Ist alles in Ordnung?«
Dylan steht im Türrahmen zu meinem Bad, vollkommen aus der Puste. Er sieht so fertig aus, wie ich mich fühle. Dunkle Augenringe und ein Dreitagebart spiegeln seine Trauer wieder. Bitte geh. Quäl mich nicht noch mehr, als ich mich selbst. Ich ziehe meine Nase hoch und räuspere mich.
»Ja, alles ok. Es, es ist mir nur etwas herunter gefallen«, krächze ich, ohne ihn wirklich anzusehen.
Ich beobachte aus den Augenwinkeln, wie Dylan seinen Blick durch das Bad schweifen lässt. Danach sieht er mich traurig an und versucht so gefasst zu mir zu sprechen, wie es ihm möglich ist.
»Ich weiß nicht was passiert ist, aber ich werde auf dich warten. Ich liebe dich und egal was ist, du kannst immer zu mir kommen.«
In mir zieht sich alles zusammen. Das war der nächste schmerzliche Stich. Bei so viel Folter müsste mein Herz doch schon nicht mehr existieren. Warum kann da überhaupt noch etwas schmerzen? Dylan hilft mir auf und will mit seiner Hand über meine Wange streichen, doch ich wende mein Gesicht ab.
»Danke, es wird schon gehen.«
Starr verharren meine Augen auf meinem Spiegelbild, bis ich höre wie die Wohnungstür wieder in das Schloss fällt. Mit einem Mal atme ich die gesamte angestaute Luft in meinen Lungen aus. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre meinen Gefühlen verfallen. Die Wärme, welche er mir nur in diesem einen, kurzen Moment gegeben hat, war unbeschreiblich. Doch die Kälte, die direkt danach die Macht übernimmt ist bitter.
Mittlerweile ist mein Spiegelbild klar zu erkennen. Irgendwie kann ich mich nicht mehr ertragen. Alles scheint mich zu stören. Ich hole mir aus der Küche eine große Schere und verändere das Einzige, was in meiner Macht steht. Aufgewühlt nehme ich meine langen Haare zusammen und schneide sie bis zu meinen Schultern ab. Eine dunkle Strähne nach der anderen fällt auf die glasierte Keramik des Waschbeckens. Als ich endlich mit der Prozedur fertig bin, fühlt es sich eigenartiger Weise alles viel leichter an. So als wäre ich für einen kurzen Augenblick wie neu geboren.
Die ersten Raketen werden laut heulend in die Luft geschossen und ich verkrieche mich in mein Bett. Irgendwann schlafe ich, trotz des Höllenlärms ein.
Heute ist Dienstag und ich bin schon vor dem Weckerschellen aufgewacht. Den gestrigen Tag habe ich wie zuvor auch nur in meinem Bett verbracht. Ich muss mich beeilen, denn heute werde ich zur Arbeit laufen und muss deswegen eher los. Ich hoffe so sehr, dass ich Dylan während der Arbeit nicht zu oft über den Weg laufen werde. Solange ich ihn nicht sehe, kann ich mich irgendwie mit Arbeit ablenken. Doch meine Hoffnung zerschlägt sich schon, als ich das Haus verlasse. Er steht an seinem Wagen gelehnt und wartet auf mich.
»Guten Morgen. Was ist denn mit deinen Haaren passiert?«, fragt er geschockt, während er mich genauestens betrachtet.
Da ich ihm nicht antworte, übergeht er seine Frage direkt
»Können wir?«
Seine Stimme klingt so erwartungsvoll und seine Augen strahlen mich an.
»Dylan bitte. Ich werde laufen, das mit uns klappt so nicht.«
So schnell es geht bringe ich diese Worte hervor, bevor meine Stimme mir wieder einen Strich durch die Rechnung machen kann und schiebe mich an ihm vorbei.
»Ich will nicht, dass du läufst. Das ist zu gefährlich.«
Seine Stimmlage wird energischer. Traurig schüttle ich meinen Kopf.
»Das ist lieb, aber es geht nicht.«
Ich setze meinen Weg mit strammen Schritten fort und merke, dass er mir mit ein wenig Abstand folgt. Gott. Warum macht er das nur? Melania wird denken, dass ich nicht das mache, was sie von mir gefordert hat. Hastig drehe ich mich um und motze ihn an.
»Dylan verschwinde! Mir wird schon nichts passieren.«
Ich taxiere ihn so lange mit meinen Blicken, bis er endlich kehrt macht. Obwohl er letztendlich mit seinem Wagen zur Arbeit fährt, kommen wir zeitgleich an der Agentur an. Ich gehe einige Meter vor ihm und kann schon hinter der Eingangstür das siegessichere, abscheuliche Grinsen von Melania sehen. Oh du mieses Dreckstück, warte nur ab. Meine Rache wird noch kommen. Ich weiß nur nicht wie. Sie steht direkt hinter der Tür, welche nach innen schwenkt. Mit purer Absicht und voller Kraft stoße ich die Tür auf und treffe das diabolische Wesen hart am Kopf. Alle sehen schaulustig zu uns herüber. Regungslos sehe ich sie an und flüstere ihr etwas zu, damit es niemand sonst hören kann.
»Schade, dass es nur eine Beule geben wird. Laufe mir besser nicht mehr über den Weg!«
Ich spüre Dylans Hand in meinem Rücken als er fragt, ob bei mir alles in Ordnung ist. Ich stoße ihn leicht weg und bin genervt.
»Ja doch! Es ist alles bestens, oder Melania? Also lass mich los.«
Stumm und ohne mich umzudrehen verschwinde ich in meinem Büro. Wie soll ich nur den Tag überstehen? Sofort setze ich mich an meine Arbeit. Ich wühle mich wie eine Irre durch die Programme und Ordner, welche auf den Servern liegen. Irgendwie komme ich besser voran, als gedacht. Wenn das in diesem Tempo weiter geht und Susan und ich einer Meinung sind, dann werden wird schnell mit allem durch sein. Ich sitze stumm vor meinem Emailprogramm und überlege, was ich Susan schreiben könnte. Wir müssen uns gleich wegen der Kampagne besprechen, aber mir ist nicht nach Reden zu Mute.
Hallo Susan. Nach der Pause ein
kleines Meeting? Bei dir oder bei
mir? Aber bitte nicht böse sein,
ich mag heute über nichts Privates
reden.
Es dauert keine Minute, da trudelt schon eine Antwort ein.
Ok, ich komme dann zu dir.
Susan sieht mich verwirrt wegen meines neuen Haarschnittes an und kommt auf mich zu, um mich in eine herzliche Umarmung zu schließen. Wie automatisch umklammern meine Arme sie und ich suche nach Halt. Wie froh ich doch bin, wenigstens sie zu haben.
Unsere Besprechung ist recht trocken, doch wir sind mit unseren Entscheidungen komplett zufrieden und stimmen überein. Susan erklärt mir, wie man nun die Termine vereinbart. Zuerst sagt sie, sollen wir einen Termin für ein Shooting und einen Videodreh abklären, danach erst die Models anfragen. Die Termine sind schnell gemacht. Schon bereits Anfang Februar soll der Werbedreh stattfinden. Das Shooting ist für ein paar Tage später anberaumt. Susan sieht mich stirnrunzelnd an und ohne einen erkennbaren Grund schießt mein Puls in die Höhe.
»Nun kommt das leidige Thema. Wir müssen zu unserem Chef und ihm das alles kurz berichten. Du musst aber mitkommen, weil du einen Teil alleine gemacht hast, so wie ich auch.«
Mein Kiefer spannt sich an, als ich meine Zähne aufeinander beiße.
»Ok, das schaffe ich irgendwie.«
Da muss ich jetzt durch. Ich kann nicht davor weglaufen. Mit Herzrasen trete ich gemeinsam mit Susan in sein Büro. Meine Beine wollen nicht mehr so, wie ich das gerne hätte und ich bin froh, dass ich kurz darauf den rettenden Stuhl erreiche. Nervös setze ich mich hin und versuche seinen Blicken auszuweichen. Das klappt allerdings nicht wirklich, weil ich ihm direkt gegenüber sitze. Meine einzige Option wäre, mich unter dem Stuhl zu verkriechen, was zu albern wäre. Eine Hitzewelle nach der anderen überrollt mich und ich beginne hibbelig zu werden. Mit jeder Sekunde welche verstreicht, ist es mir unangenehmer und ich flehe hier schnell wieder heraus zu kommen. Die meiste Zeit über redet Susan, ich scheine nur ein schmückendes Beiwerk zu sein.
»Ja, das ist so weit alles in Ordnung. Dann gebt mir nächste Woche bitte Bescheid, ob die Termine in festen Tüchern sind.«
Seine Stimme hört sich an wie immer, was mich sehr bedrückt. Susan und ich erheben uns von den Stühlen, als Dylan um seinen Schreibtisch herum kommt und mich sachte an meinem Arm zurück hält.
»Einen Moment bitte, Zoe.«
Ich erschrecke und blicke ihn verwirrt an.
»Bitte nicht«, meine Stimme ist vielmehr ein flehendes Wimmern, als überzeugend.
Ich sehe ihn wehmütig an und er weicht resigniert einen Schritt zurück. Susan, die alles mitbekommt, beobachtet uns stumm. Als die Tür sich schließt haste ich, gefolgt von Susan in mein Büro.
»Kannst du mir mal sagen, was das soll?!«, sie klingt zum ersten Mal, seit ich sie kenne, erbost.
Perplex wende ich mich ihr zu.
»Sieh mich nicht so an. Du weißt genau, was ich meine. Es sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, dass ihr euch liebt. Also, wo liegt das Problem?!«, stutzt sie mich zurecht.
Unruhe macht sich in mir breit und ich habe keine plausible Erklärung parat. Ich fühle mich in die Enge getrieben und reagiere ein wenig schroffer, als ich es eigentlich möchte.
»Ich will darüber nicht reden! Es hat schon seine Gründe. Es passt einfach nicht und gut ist.«
»Bull Shit! Was hat sie gemacht?«
»Wer bitte, soll was gemacht haben?«
Ihre Mine verfinstert sich und von Susans Nettigkeit ist nichts mehr zu spüren.
»Zoe, verkauf mich nicht für blöde. Du weißt genau, dass ich Melania meine!«
Geschockt zucke ich mit den Schultern und antworte ihr kraftlos.
»Ich glaube es ist besser wenn du jetzt gehst. Wir reden irgendwann mal darüber, aber nicht heute.«
Mit einer Handbewegung deute ich ihr den Weg zum Ausgang. Susan schüttelt verbittert ihren Kopf und lässt mich alleine zurück. Erschöpft von diesem ersten, anstrengenden Arbeitstag, lasse ich mich auf meinen Bürostuhl fallen.
»Wenn das jetzt jeden Tag so laufen wird, kann ich einpacken«, brumme ich in den Raum hinein.
Die restlichen Stunden vergehen wie im Flug. Gerade als ich meine Sachen zusammen packen und Feierabend machen will, vibriert mein Handy. Nicht schon wieder eine Nachricht, denke ich und sehe genervt auf das Display. Oh. Es ist die Erinnerung meines Kalenders. Heute beginnt der Krav Maga Kurs. Den habe ich ja vollkommen vergessen und Lust darauf besteht auch nicht wirklich. Eigentlich will ich nur noch nach Hause und schlafen. Gedankenverloren schlendere ich durch die kalten, grauen Straßen nach Hause. So langsam darf sich der Frühling wieder blicken lassen. Den eisigen Wind kann ich nicht mehr ertragen.
Meine Nase beginnt zu laufen, als der nächste, bittere Windstoß mir ins Gesicht schlägt. Immer wieder schaue ich mich um. Das Gefühl, dass mich jemand verfolgt durchfährt Mark und Bein. Doch so angestrengt ich die gesamte Gegend absuche, ich kann niemanden erspähen. Jedoch als ich fast die Haustür erreiche, löst sich dieses unheimliche Rätsel von alleine. Es war Dylan. Er scheint mir langsam hinterher gefahren zu sein. Zwar würde ich es nie im Leben zugeben, aber ich bin ihm dafür sehr dankbar. Ich erwische mein Herz, wie es einen Freudenhüpfer machen will und ersticke die aufkeimende Hoffnung sofort.
Wag es dich nicht! Diesmal hast du nichts zu melden, ermahne ich es. Ich halte ihm aus Höflichkeit die Tür mit auf, aber ich sage nicht ein einziges Wort, sondern verschwinde schweigend in meine Wohnung. Zum Glück hat auch er nicht den geringsten Versuch gewagt, mich in ein Gespräch verwickeln zu wollen.
Kaum dass ich in meinen vier Wänden bin, fühlt sich alles so beengt an. Hier will ich nicht zu lange verweilen. Ich packe schnell einige bequeme Sachen, Duschgel und ein Handtuch in eine Tasche und mache mich dann doch widerspenstig auf den Weg zu dem Studio. Es ist nur eine knappe halbe Stunde zu Fuß. Gerade als ich dort eintreffe, werde ich auch schon sehr freundlich von einer jungen Frau am Empfang begrüßt.
»Hallo, kann ich Ihnen helfen?«
»Ähm ja. Ich habe heute ein Krav Maga Training. Leider ist mir der Name entfallen, wer diesen Kurs leitet«, druckse ich herum.
Der Empfang wirkt recht winzig. Es ist eine kleine Theke, welche über Eck verläuft. Ein bisschen sieht es so aus, wie in einem kleinen Café. Hinter ihr befinden sich einige Getränkeautomaten, die mit Getränken in diversen Farben aufgefüllt sind. Direkt an dem Empfang stehen drei moderne Barhocker.
Links neben der Theke ist eine Sitzgruppe aus schwarzem Leder. Sie wirkt gemütlich und einladend. Auf einem nicht allzu großen Glastisch in Mitten ihr, liegen verschiedene Zeitschriften ausgebreitet. Rechts neben der Theke gibt es eine geschlossene Tür. Von meinem ersten Besuch her weiß ich, dass sich dahinter die Trainingsräume befinden. Auch wenn alles im Eingangsbereich recht klein wirkt, im Verborgenen gibt es drei große Flächen zum Trainieren. Ein bisschen bin ich doch schon aufgeregt. Hoffentlich halte ich das hier durch und bin danach nicht platt wie eine Flunder.
Sie grinst mich an.
»Kein Problem, das ist der Kurs von Markus Schrolt. Da vorne kommt er auch schon.«
Die Frau deutet mit ihrer Hand auf die gerade noch geschlossene Tür.
Markus kommt mit einem breiten Grinsen auf mich zu. Sein Aussehen ist ihm anscheinend sehr wichtig, denn er verbringt offensichtlich viel Zeit in einem Solarium und mit Sport. Markus ist etwa einen Kopf größer als ich, hat kurzes, hellblondes Haar und ist perfekt durchtrainiert. Seine Gesichtszüge wirken trotz der Muskeln eher weich. So wie er aussieht, könnte er auch Werbung für eine Zahnpasta machen. Weiße, makellose Zähne blitzen mir zwischen seinem breiten Grinsen entgegen.
»Hallo Zoe. Es freut mich, dass du heute hier bist«, sagt er und streckt mir zur Begrüßung seine Hand entgegen.
Er sieht unverschämt gut aus, aber Dylan kann er bei weitem nicht das Wasser reichen.
»Dann komm mit. Ich zeige dir wo du dich umziehen kannst und wo wir uns dann gleich treffen werden.«
Still folge ich ihm und ziehe mich danach flugs um. Es dauert nur wenige Minuten, da finde ich mich auch schon in einer der Trainingshallen wieder. Markus weiß, dass ich mich hier angemeldet habe, weil ich mich im Notfall verteidigen können will und dass es auch schon Übergriffe gab. Daher zeigt er mir direkt nach einer kurzen Aufwärmung die einfachsten Übungen, um jemanden abzuwehren.
Um mich herum trainieren weitere Leute. Meist sind es Frauen. Sie alle haben einen Trainingspartner an ihrer Seite und scheinen schon zur fortgeschrittenen Liga zu gehören. Irgendwie fühle ich mich seltsam, doch er lobt mich und meint, dass ich es für das erste Mal und ohne Vorkenntnisse sehr gut mache. Als die Bewegungsabläufe sitzen, erhöht er das Tempo merklich und auch die Kraft der gespielten Angriffe. Ich habe immer mehr Schwierigkeiten, mich gegen ihn zu verteidigen.
»Ich werde dein Training nach heute auf dich abstimmen. Du musst allerdings noch etwas für deine Kondition und deine Kraft tun. Am besten wird es sein, wenn du dich nachher in eine heiße Wanne legst, wenn du diese Möglichkeit haben solltest. Morgen wirst du einen schönen Muskelkater haben.«
Ich nicke ihm zu und bedanke mich für das Training. Es hat mir wirklich sehr gut getan. Ich bin total platt, doch ich merke in mir drin eine Art Zufriedenheit. All meine Wut und der Hass sind um einiges schwächer geworden.
Zuhause angekommen lasse ich mir sofort ein Bad ein, wie Markus es mir empfohlen hat. Er meinte morgen würde es Muskelkater geben, aber ich kann den Anflug jetzt schon spüren. Es war schwer die Treppen hinauf zu steigen. Hoffentlich kann das heiße Wasser mich so weit entspannen, dass ich mich morgen zumindest etwas bewegen kann.
Trotz des Sportes und der frischen Luft habe ich keinen Hunger. Ich entschließe mich, mir wenigstens einen heißen Kakao zu machen. So habe ich zumindest ein bisschen was in meinem Magen und unterzuckere nicht. Danach verkrieche ich mich unter meine Bettdecke und bin froh, endlich zu liegen.
Der Tag heute war für mich extrem kräftezehrend. Kaum dass ich mich in der Waagerechten befinde, falle ich auch schon in den Schlaf, so sicher und warm in mein Oberbett gehüllt.
Das nervtötende Bimmeln meines Weckers reißt mich abrupt aus meinen Träumen. Ein gewaltiger Schmerz durchfährt mich, als ich versuche aufzustehen.
»Aua!«, jammere ich laut und versuche mir meine schmerzenden Stellen gleichzeitig zu halten, doch es sind einfach zu viele.
Dafür bräuchte ich noch mindestens zehn weitere Hände. Ich krieche förmlich durch meine Wohnung und verlasse das Haus im Schneckentempo. Wie gewohnt und erwartet steht Dylan an sein Auto gelehnt und wartet auf mich.
»Dylan!«, fauche ich ihn an, während ich an ihm vorbei humple.
Innerlich bereite ich mich schon auf eine Diskussion vor, doch es kommt nichts. Nicht einen Mucks lässt er von sich hören. Wortlos steigt er in sein Auto und fährt davon. Ich schleppe mich alleine durch die Straßen. Unterwegs beginnt es auch noch zu regnen.
Mist, warum habe ich keinen Schirm mitgenommen? Die kalten, feinen Wasserperlen legen sich auf mein Haar, bis es allmählich komplett durchweicht ist. Pitschnass und verfroren komme ich bei der Arbeit an. Jetzt kann ich nur hoffen, dass ich keine Erkältung deswegen bekomme. Wobei, eigentlich müsste ich aufgrund meiner vorherigen Jacke abgehärtet sein. Ich spüre, wie mir einige Leute verdutzt hinterhersehen, als ich auf den Weg in mein Büro bin. Ich verstehe nicht was passiert ist, aber ich spreche niemanden darauf an. Noch irritiert schalte ich meinen PC ein. Meine Jacke und Tasche verfrachte ich hinter mir, als auf einmal mein Handy piept. Nanu?
Hey, komm mal bitte dringend in
mein Büro.
Unruhig wippe ich mit meinem rechten Bein auf und ab. Susan will mich schon so früh sehen? Hoffentlich hat es nichts mit den Terminen wegen der Kampagne zu tun. Wenn die jetzt über den Haufen geworfen werden, wird es aber mehr als nur knapp. Soweit ich mich erinnern kann, hat der Regisseur keine freien Termine vor April und bis das alles nachbearbeitet ist. Daran mag ich erst gar nicht denken. Wahrscheinlich würden wir dafür dermaßen einen auf den Deckel bekommen.
Rasch stehe ich von meinem Platz auf und gehe schnellen Schrittes zu den Aufzügen. Bis in die Vierte habe ich keine Lust zu laufen. Ungeduldig warte ich auf das bekannte Bingen. Ich starre auf die Türen, welche sich endlich sehr schwerfällig vor mir auftun. Wer steht natürlich da drin? Klar doch, Dylan. Bitte lass ihn aussteigen. Doch er scheint es sich anders zu überlegen und macht lediglich einen kleinen Schritt zur Seite, damit ich etwas Platz habe. Mir bleibt auch nichts erspart. Theoretisch könnte ich nun auf den nächsten Aufzug warten, doch das wäre kindisch. Er ist und bleibt mein Chef. Ich werde ihm immer wieder über den Weg laufen. Das hättest du dir vorher überlegen müssen. Bevor du euch zerstört hast. Nein, noch bevor du diese Nähe zugelassen hast, schimpfe ich innerlich mit mir selbst.
»Guten Morgen, Frau Felter.«