Zone 30 - Birgit Schlieper - E-Book

Zone 30 E-Book

Birgit Schlieper

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Beschreibung

Frauen zwischen Stimmungshoch und Cellulitistief Wir sind jetzt 30 und kein bisschen weise. Alt genug und doch nicht alt. Und noch immer sind wir uns nicht schlüssig: Sind wir es, die unser Leben aufrollen, oder sind es die Ereignisse, die uns überrollen? Vielleicht sind wir ja auch völlig von der Rolle, kurz: Wir sind in der 30er Zone und wollen alles - nicht sofort, aber für immer. Es sind nicht die großen Probleme, die uns bewegen. Die sind schnell gelöst. Es sind die täglichen Momente, die bewältigt werden wollen - diese Sonntage, diese Samstage und die Zeit dazwischen. Dieses Buch ist kein Ratgeber, keine Bedienungsanleitung, keine Sozialstudie. Für Frauen ist es dieses »Ach ja«. Für Männer dieses »Ach so!«.

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Seitenzahl: 159

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Frauen zwischen Stimmungshoch und Cellulitetief...

Wir sind jetzt 30 und kein bisschen weise. Alt genug und doch nicht alt. Und noch immer sind wir uns nicht schlüssig: Sind wir es, die unser Leben aufrollen, oder sind es die Ereignisse, die uns überrollen? Vielleicht sind wir ja auch völlig von der Rolle, kurz: Wir sind in der 30er Zone und wollen alles – nicht sofort, aber für immer. Es sind nicht die großen Probleme, die uns bewegen. Die sind schnell gelöst. Es sind die täglichen Momente, die bewältigt werden wollen – diese Sonntage, diese Samstage und die Zeit dazwischen. 

Dieses Buch ist kein Ratgeber! Auch keine Bedienungsanleitung, und erst recht keine Gesellschaftsstudie. Für Frauen ist es dieses »Ach ja!«. Für Männer dieses »Ach so!«... 

Edel eBooks Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2015 Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2005 by Birgit Schlieper Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-676-2

facebook.com/edel.ebooks

Inhalt

Cover Page

Kurzbeschreibung

Titelseite

Impressum

Autos

Musik

Urlaub

Sonntag

Saturday Night

Männlich

Farblehre

Geschminkte Schönheit

Frauen und Technik

Ich und du, du und Sie

Alkohol

Verhütung

Alt

Angst

Geld

Klamotten

Träume

Sport

Krankheiten

Reden

Wohnung

Papa

Mahlzeit

Werbung

Bücher

Er

Haustiere

Dokumente

Mama

Wünsche und Versprechen

Beruf

Das erste Date

Feste feiern

Eigenständigkeit

Supermarkt

Taschenformat

Spaziergänge

Ikea

Glück

Erinnerungen

Träume

Der Ex

Affären

Die Schnittmenge

Sabine drückt die Zigarette schwungvoll aus. Vier Züge wären noch dran gewesen. Mindestens. »Das hat doch so keinen Sinn. Ich rauche einfach gar nicht mehr. Ich höre ganz auf. Das kann auch nicht schwieriger sein, als sich auf drei Kippen pro Tag zu beschränken.«

Ich nicke und inhaliere tief. Fast berühren sich die Innenseiten meiner Wangen. Ich hab’s geahnt. Sabine ist nicht nur plötzlich Ehefrau und noch plötzlicher schwanger. Sie ist jetzt auch anders als ich. Sie führt ein neues Leben. Damals, als sie Martin kennen lernte, haben wir uns geschworen, dass das – also er – an unserer Freundschaft nichts ändern würde. Wir haben dieses Versprechen beteuert, immer wieder. Als sie mit Martin zusammenzog, vor dem Standesamt, nach dem Standesamt und auch angesichts des rosa Punktes auf dem Teststreifen. Die Freundschaft hat sich vielleicht auch gar nicht geändert. Sabine hat sich geändert. Und ich bin gleichzeitig gönnerhaft, neidisch, mitleidig und misstrauisch. Ich drücke meine Kippe auch aus. Ich habe eh schon einen Zug zu viel genommen.

Mir ist so vieles fremd an dieser neuen Sabine. Sie hat eine feste Seite im Ehebett, muss einen Kreditantrag nicht mehr alleine unterschreiben. Sie wird sich bald über Angebote für »Mini-Gruppen« freuen und im TUI-Katalog unter »k« wie »kinderfreundlich« gucken. Bald wird sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn sich sonntags früh um sieben zwei Fingerchen in ihre Augen bohren und eine Stimme wissen will »bistduschonwach?« Und wenn sie dann auf dem Weg in die Küche ist, werde ich wahrscheinlich auf dem Heimweg sein. Wir werden beide sehen, wie der Morgen langsam graut – und mir graut Fürchterliches. Sabine wird eine von den Dreier-Frauen sein. Sie ist erstens Ehefrau, wird zweitens Mutter und drittens irgendwann wieder berufstätig sein. Und wenn nicht, wird sie sich als Klassenpflegschaftsvorsitzende verdingen.

Und ich? Ich werde weiterhin nur mitten in der 30er-Zone stehen. Mitte 30, ohne Mann (ohne festen zumindest), ohne Kind, ohne Kombi. Weder als Auto noch als Kostüm.

Ich stecke mir schnell wieder eine Zigarette an, als könne Sabines Entschluss ansteckend sein. Ich sehe mich neben ihr auf einer Bank am Rande eines Spielplatzes sitzen. Ich werde genau wie die kleinen Mädchen im Sandkasten eine rosa Spange im Haar haben, werde ein bauchfreies Shirt tragen, weil da keine Dehnungsstreifen sind, und ich werde unter der Jeans schon Krampfadern haben. Ich werde eine bunte Mischung sein. Vielleicht auch eine lustige.

Sabine verabschiedet sich. Sie muss noch zu Prenatal oder zur Post. Ich hab’s vergessen. »Rauch nicht so viel, Frederieke«, mahnt sie noch und schiebt ihren Bauchansatz zur Tür. Ich sinke wieder auf den Küchenstuhl, trinke den Rest des koffeinfreien Kaffees, den ich extra für sie gebraut habe, und fühle mich wie ein Mädchen in der Menopause. Zwischen Pubertät und PMS.

Aber ich weiß, dass ich kein Unikat bin. Es gibt viele von uns. Frauen, die mitten in der 30er-Zone stehen. In unseren Regalen steht das alte Poesiealbum direkt neben der Pflegeversicherungspolice. In unserem Schrank stehen noch alte Märchenplatten aus Vinyl, auf dem Schreibtisch ein Laptop mit DVD-Laufwerk. Wir tragen abwechselnd Bauch-weg-Slips und Schlüpfer mit Mickey-Mouse-Aufdruck. Wir fühlen uns noch feucht hinter den Ohren und neigen schon zu Wasser im Knie. Ich sehe überall welche von uns. Beim Aerobic, im Büro, beim Einkaufen und auf der Straße. Dort sind wir besonders leicht zu erkennen.

Autos

Wir sind die, die einen klassischen Zweitwagen als Erstwagen fahren. Wir fahren Pandas oder Marbellas, Puntos oder Twingos. Natürlich könnten wir uns größere, schnellere, teurere Autos leisten. Eins, das sogar hinten Aschenbecher hat, vielleicht sogar Kopfstützen. Sabine ist gerade mit so einem weggefahren. Seit sie schwanger ist, bekommt sie Martins Auto. Das hat mehr Knautschzone. Sabine hat locker hinten die Tür geöffnet. Jacke und Tasche auf die Rückbank geschleudert und ist fröhlich vorne eingestiegen. Mein Auto hat hinten noch nicht mal Sicherheitsgurte, geschweige denn Türen. Natürlich könnten auch wir kind- und mannlosen Frauen ein Auto fahren, das nicht nur einen Shopping-Bag im Kofferraum, sondern auch einen Airbag im Fahrerraum hat. Wir haben aber keine Lust, so viel Geld für ein Fortbewegungsmittel auszugeben, das uns schließlich nur von A nach B, manchmal auch via C, bringen soll.

Natürlich haben wir die Kaufsumme auch nicht unter dem Kopfkissen liegen. Wir haben unser Geld auf einem Girokonto oder gar Sparbuch. Ein neues Auto müssten wir leasen oder per Kredit abzahlen. Was aber ist günstiger? Wo ist Geld billiger? Was ist genau effektiver Jahreszins? Unsere Gegenspieler, die kind- und ehelosen Männer um die 30, kennen die Antworten darauf. Oder sie tun so. Sie fahren nicht mit einem alten Fiat oder einem riesigen Taunus durch die Gegend. Sie haben Autos, die wirklich als Wagen gelten. Ich hingegen stehe am Fenster und sehe meinen Clio im Halteverbot oder gar absoluten Halteverbot – was genau war noch mal der Unterschied? – vor der Tür warten. Ich mag ihn richtig. Das würde kein Mann über sein Auto sagen. Dafür haben Männer Angst. Panik vor einer Beule. Die kennen wir Frauen nicht. Wenn es beim Zurücksetzen so ein fieses, knirschendes Geräusch gibt und uns der Poller einfällt, der da zumindest vorhin noch stand, steigen wir im Zweifelsfall noch nicht mal aus. Warum auch? Wie so eine Beule aussieht, können wir uns auch so hervorragend vorstellen. Wird die Beule hübscher, wenn ich transpirierend und mit hektischen roten Flecken am Hals davor stehe und bekümmert gucke? Nein.

Irgendwann gucken zwar auch wir Frauen uns diese Beule mal an. Und natürlich ärgern wir uns auch ein bisschen. Aber wir ändern nichts. Wenn der Poller wenigstens auf uns zugekommen wäre! Dann würden wir natürlich stehenden Fußes die Versicherung benachrichtigen, den Poller anzeigen, 400 Euro einsacken, für 10,95 Euro eine Farbspraydose kaufen und den Rest anderweitig ausgeben. So aber nicken wir nur, wenn uns wieder jemand droht: Das fängt an zu rosten. Natürlich fängt das an zu rosten. Das wissen wir auch. Aber: Ändert das an der Fahrtüchtigkeit eines dreizehn Jahre alten Clios irgendetwas?

Diese Nachlässigkeit setzt sich auch im Inneren des Fortbewegungsmittels fort. Zweifelsohne wäre es schön, ein Radio zu haben, das länger als eine Stunde den Sender halten kann. Klar würde es uns freuen, wenn das Kassettenteil schneller spulen als abspielen könnte. Natürlich erschrecke ich mich jedes Mal, wenn plötzlich die Verkehrsnachrichten in ohrenbetäubender Lautstärke ertönen, weil der senile Clio-Vorbesitzer das so eingestellt hat. Aber wir arrangieren uns. Die Alternative wäre, irgendjemanden zu fragen, der sich damit auskennt. Mir fallen viele ein. Alles Männer. Ich könnte Stefan fragen, der wohnt in der Wohnung unter mir und grüßt im Treppenhaus immer so nett. Dann müsste ich nutzlos daneben stehen, während Stefan bis zur Schulter mit seinem Arm in der Mittelkonsole verschwindet. Wahrscheinlich müsste ich erleben, wie Stefan es schafft, eine Sicherung durchbrennen zu lassen, die sich die vergangenen acht Jahre nicht gerührt hat. Dann wird nichts mehr gehen. Nicht mal der Verkehrsfunk. Und weil ich mich mit einem gänzlich stummen Radio gar nicht arrangieren kann, müsste ich zum Autofachhandel fahren und dort wieder dumm rumstehen. Und während ich Stefan wahrscheinlich noch mit einer Tasse Kaffee und geheucheltem Interesse für seine obskuren Hobbys bezahlen könnte, will der Autofachhändler Bares sehen. Nein danke.

Ich mag mein Auto, auch wenn mir die Staus entgegengebrüllt werden. Mein Wägelchen hat nämlich auch süße Eigenschaften. In ihm finde ich noch Hustenbonbons von 1988, Autokarten, auf denen es die DDR noch gibt, schöne glatte Steine vom letzten Elba-Urlaub (als Sabine noch unverheiratet und unschwanger war), und unter den Fußmatten findet sich im Zweifelsfall genug Tabak, um noch eine Zigarette zu drehen. Und wenn ich wirklich mal dringend Bares brauche, könnte ich einfach den leeren Kasten Sprudel wegbringen, der seit Monaten im Kofferraum scheppert. Doch das Schönste an meinem Auto sind die Kassetten. Sie sind fast ein akustisches Tagebuch vom »Sommer 2001« bis zu den »Sad Songs« aus dem vergangenen Jahr. So klingt das Leben!

Musik

Vor ein paar Tagen habe ich Sabine beim Musik hören überrascht. Ich dachte erst, ihre Waschmaschine sei kaputt, doch die Geräusche kamen eindeutig aus den Musikboxen. Sie wolle nur noch eben ihre Schwangerschafts-Entspannungs-CD zu Ende hören, hatte sie gesagt. Ich glaube, wenn ihr Embryo bei der Musik entspannt, braucht es später zum Einschlafen eine laufende Bohrmaschine. Sabine lauschte entzückt der Kombination aus Walfischbalzrufen und Alphornklängen. Und dabei hat Sabine Musik mal geliebt. Wir haben uns gemeinsam durch alles getanzt und gesungen. Halt gemacht haben wir nur vor Songs, die bei der Vorauswahl zum Grand-Prix-d’Eurovision laufen. Sabine ist eindeutig auf der musikalischen Strecke geblieben, aber ich werde weiter mitsingen bei »I will survive« oder »Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen«. Ich fühle mich alt genug, um in der »Moldau« zu schwelgen, und jung genug, um mich mit »Sexbomb« angesprochen zu fühlen.

Allerdings – ein bisschen neidisch bin ich. Sabines Walfischgegröhle kam nämlich über Eins-a-Boxen ins Wohnzimmer.

Ihr Ehemann hat eine super Anlage mit in die Ehe eingebracht. Frauen wie ich haben immer nur eine klitzekleine Kompaktanlage von Tchibo oder ein raumgreifendes compositum mixtum. Mein Mixtum setzt sich zusammen aus einem alten Verstärker von Papa, einem Secondhand-Plattenspieler und einem CD-Spieler vom Geiz-Markt. Die Verbindung dieser Geräte gleicht einem gordischen Knoten und endet in einem überforderten Dreifachstecker. Krönender Abschluss meiner Stereoanlage (sagt man das überhaupt noch?) sind Lautsprecher, die leistungsschwächer sind als das, was Männer gemeinhin in ihren Autotüren oder Radioweckern haben.

Meinen Musikgenuss hindert das allerdings nicht im Geringsten. Und wenn ich aus Lust oder Frust mal wieder in die Badewanne flüchte, drehe ich die Lautsprecher einfach so laut, dass auch im Bad der Text noch zu verstehen ist. Text ist nun mal wichtig. Schließlich geht es uns bei Musik nicht so sehr um Klang, sondern um Stimme und Stimmung. Und wenn es sein muss, wird noch mal die Single »Seasons in the sun« rausgekramt. Die hört sich mittlerweile zwar definitiv so an, als würde Terry Jacks nicht nur am, sondern auch im Lagerfeuer sitzen, aber das ist unwichtig. Dieses Kribbeln im Bauch gibt es nur mit Kratzern auf Vinyl.

Neben meinen alten Platten mag ich auch die ganzen Kassetten. Die sind Fingerabdruck und DNA-Analyse in einem. Sie verraten mehr als Augen, Zeugnisse oder Schwangerschaftstests. Das fängt mit Titeln wie »Puschelrock« an und ist bei »Depress yourself« noch nicht zu Ende. Folgen Songs wie »Wish you were here« und »Against all odds« oder gar »Missing you« aufeinander, denke ich sofort wieder an diesen blonden Typen; dessen Name mir jetzt nicht einfällt oder den ich vielleicht auch noch nie wusste. Ganz, ganz alte Kassetten zeichnen sich dadurch aus, dass entweder mal Sandock dazwischenquatscht oder eine Stauschau à la »Achtung, auf der A 45 kommt Ihnen zwischen Siegen und Siegen-Eisern« mitten in »Urgent« erklingt. Wann immer »Urgent« irgendwo in der Disco oder Kneipe läuft, warte ich richtig auf die Warnung.

Natürlich ist die Tonqualität der Bänder nicht berauschend, eher nur rauschend. Aber ich könnte mich niemals von ihnen trennen. Schließlich sind sie auch der Soundtrack zu den letzten 17 Urlauben.

Urlaub

Es ist erst ein paar Monate her, da lag ich noch mit einer gänzlich unbefruchteten Sabine und Mona, einer weiteren Uralt-Freundin, am Strand. Und neben uns lagen diese anderen Frauen. Die, mit denen wir vielleicht das Geburtsjahr, aber sonst so gar nichts gemein haben. Sie hatten wirklich alles dabei: den Sonnenschirm, die Kühlbox, eine Luftmatratze (samt Einhakband, mit dem die Matratze zum Sitz umgebaut werden kann), das Strandspiel, den Zweitbikini. Meist auch einen Mann, manchmal auch ein Kind.

Wir 30er-Zone-Frauen haben ein Handtuch und Sonnencreme dabei. Und eben eine Freundin. Manchmal ist auch ein Mann im Gepäck, aber den kennen wir höchstens seit zwölf Stunden und/oder fünf Bier. Natürlich waren Sabine, Mona und ich irgendwann neidisch auf unsere Nachbarinnen. Nach einer Stunde in der prallen Sonne hätten wir auch gerne einen Schatten spendenden Schirm gehabt, nach einer weiteren Stunde sehnten wir uns nach einer Sitzgelegenheit.

Unsereins geht dann eben an die Bar, wo wir im Schatten sitzen und es Bier Nummer sechs bis sieben gibt. Die Familien-Frauen machen so etwas nicht. Die trinken Fruchtsaftgetränke aus der mitgeschleppten Kühlbox und suchen die Strandbar höchstens auf, um einige heiße Blicke mit Petro oder auch Stavros und auf der Toilette den Bikini zu wechseln.

Stopp. Es gibt doch noch eine Gemeinsamkeit zwischen denen und uns: die Cellulitis. Nur auf unsere hat niemand so geschaut. Wir lagen nämlich oben ohne im Sand. Natürlich sind wir nicht ohne Bikini-Oberteil schwimmen gegangen. Das macht keine Frau. Bräunen ohne den Stofffetzen ist okay, schwimmen definitiv nicht.

Grundsätzlich machen wir 30er-Zone-Frauen den gleichen Urlaub wie andere Frauen unseren Alters: Wir buchen Hotelroulette auf Kreta, fahren mit dem Auto nach Italien oder zum Skifahren nach Österreich. Und doch ist alles anders: Wir liegen irgendwie nicht auf, sondern zwischen den Liegestühlen. Wie eben Sabine, Mona und ich vor zwei Jahren in Griechenland. Am Pool lagen wir bei den 17-jährigen Teenies, die den letzten Urlaub mit Mama und Papa verbringen mussten. Beim abendlichen Essen saßen wir zwischen den jungen Eltern mit panischem Blick aufs Babyphone und drei Girlies, die sich diesen Urlaub beim Ferienjob in der Fabrik verdient hatten. Die Girlies haben uns nicht gefragt, ob wir später noch mit in die Disco wollten, die jungen Familien haben nicht mit uns über Kinderhaftpflichtversicherungen oder Hypotheken gesprochen. Wir fühlen wie die einen, sehen aus wie die anderen. Außen 30 plus, innen 20 minus. Wir tragen Glitzershirts Größe 164 und sind noch immer naiv genug, im Hotelzimmer das Portemonnaie zwischen der Unterwäsche zu verstecken. Auch wenn unsere Hausapotheke uns enttarnt. Die ist schon größer als die Wochenration eines Buschkrankenhauses. Aspirin, Kohletabletten, Bronchialspray, Salbe gegen Pilz, Tropfen gegen Halsweh, Hühneraugenpflaster und Tabletten für den Super-Gau in Form einer Blasenentzündung.

Wir sind in den vergangenen dreißig Jahren schon so manchen Schritt gegangen und haben trotzdem das Gefühl, noch ganz am Anfang zu stehen. Und so schlagen wir weiterhin im Urlaub unser Zelt – ob auf Elba oder an der Nordsee – neben Wohnkarawanen auf und staunen, wie sich die Zeltszene ändert. Das Zelten hat bei mir seinerzeit mit der Caritas und Busenfreundin Anja in Jugoslawien angefangen und ist noch lange nicht zu Ende. Ich habe immer noch die Klappstühle, die schon mit Mama und Papa im Urlaub waren, und mich begleitet immer noch die alte braune Rillen-Luftmatratze. Nur die Zeltnachbarn ändern sich.

Das Zelt ist zwar auch noch an Bord, aber nur als Spiel- und Snoezelraum für die Kinder. Der Trend geht zum Wohnmobil (braucht man dafür eigentlich einen Lkw-Führerschein?). Es bietet alles, was die verwöhne Mitteleuropäerin so braucht. Betten mit Daunendecke und bandscheibenfreundlichem Lattenrost. Kühlschrank plus 3-Sterne-Gefrierfach. Toilette, eine Sitzecke für die lustigen Kniffel-Abende und natürlich den Fernseher. Und so sitzen unsere Nachbarn am Abend in ihrer Sitzecke, trinken Dosenbier aus Gläsern, knabbern aus Tüten und gucken genüsslich eine RTL-2-Reportage »Last Minute: Vom Trip zum Tripper«.

Im vergangenen Sommer habe ich eine Postkarte von Anja bekommen. Das Motiv zeigte den Campingplatz aus der Vogelperspektive. Es sah aus wie ein De-Luxe-Ghetto. Gerade Straßen, gerade Kanten, exakte Baumreihen, Wohnwagen an Wohnwagen. Ein Mobil war mit einem blauen Kugelschreiberkreuz markiert. Da wohnten Anja und Anhang. Direkt neben dem Klo!

Zelturlaub in der 30er-Zone sieht anders aus: Wir brühen uns in Hockstellung (stärkt die Oberschenkelmuskulatur für den Toilettengang) auf dem einflammigen Gaskocher einen Kaffee auf und essen dann in der Zeltplatz-Taverne einen »salate à la irgendwas«. Dazu läuft im Fernseher auf dem Tresen ein Fußballspiel: Rotblaugestreift contra Schwarzweißgestreift. Nach dem zweiten »una litro vino per favore« halten wir zu den Rotblauen und amüsieren uns prächtig.

Natürlich sind wir auch neidisch, wenn wir am Strand oder anderswo Paare sehen. Vor allem dann, wenn sie glücklich wirken. Noch ein bisschen mehr, wenn der männliche Part auch noch gut aussieht. Und dann stellen wir uns vor, dass morgen, allerspätestens übermorgen, direkt neben uns zwei attraktive und vor allem allein stehende Surfer, Biker oder auch Railway-Freaks ihr Zelt aufschlagen. Die Wahrscheinlichkeit tendiert natürlich gen null. Denn: Die potenziellen Kandidaten müssen schon mal zu zweit anreisen. Sonst gibt es Ärger. Sie dürften auch zu Hause keine Herzdame sitzen haben, weil sonst unsere Frauensolidarität auf eine zu harte Probe gestellt würde. Dann dürften sie auch keinen tiefbayrischen oder ostdeutschen Akzent haben und uns nicht erzählen, wie viele PS ihr Auto hat und wie viele Tore sie letzten Sonntag geschossen haben. Wir möchten auch nicht wissen, was sie von Frauen halten, die latent zu Orangenhaut neigen. Sie dürften vor vier Uhr nachmittags keinen Alkohol konsumieren – außer wir haben spontan Lust auf ein Sektfrühstück. Und natürlich dürfen sie keine Musik hören, die auf einer der zahllosen Kuschelrock-CDs enthalten ist. Sie dürfen gerne behaart sein, außer auf Rücken, Zehen oder rund um den Mund. Und sie müssten im Fall eines Falles zur richtigen Zeit ein Kondom aus der Badehose zaubern. Die Wahrscheinlichkeit ist damit kleiner als null. Aber gegen Tagträume hatte die Wahrscheinlichkeitsrechnung noch nie eine Chance.

Also haben Sabine und ich seinerzeit auf Elba immer nur mit Angelo geflirtet, der uns mit dem strahlendsten Perl-Weiß-Lächeln zwei Dosen Heineken für ein kleines Vermögen in bar verkaufte, und waren uns einig, dass das Paar neben uns auf dem Handtuch nicht glücklich sein konnte.

»Der ist bestimmt verheiratet«, mutmaßte Sabine.

»Bestimmt. Und sie nicht«, unkte ich.

»Außerdem pupst der bestimmt unter die Bettdecke und telefoniert auf dem Klo«, verkündete sie und rülpste laut.

Solche Phantasien kann ich einfach besser mit einer Freundin besprechen. Männer haben dafür nur bedingt Verständnis. Außerdem kann ich mich mit einer Freundin im Urlaub auch mal verfahren. Und wenn ich die Landkarte drehen muss, um zu gucken, ob der Gardasee jetzt eher links oder rechts von uns liegt, ist das auch kein Anlass für höhnisches Gelächter.