Zur Krönung: Mord - Rhys Bowen - E-Book
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Zur Krönung: Mord E-Book

Rhys Bowen

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Beschreibung

Georgie und Darcy möchten heiraten – aber vorher muss der künftige Familienname reingewaschen werden
Die Cosy-Krimi-Reihe von New-York-Times-Bestsellerautorin Rhys Bowen geht weiter

Lady Georgiana Rannoch und ihr geliebter Darcy O‘Mara sind fest entschlossen zu heiraten und dabei ein paar königliche Regeln zu umgehen. Nichts wird sie von ihrem Plan abhalten – außer vielleicht die Nachricht, dass Georgies zukünftiger Schwiegervater wegen Mordes an eben dem reichen Amerikaner verhaftet wurde, der gerade das Schloss der Familie gekauft hat. Das Durchbrennen muss also warten und die beiden machen sich stattdessen auf den Weg nach Irland, wo der Verdächtige auf seine Unschuld pocht. Nun liegt es an Georgie und Darcy, den wahren Mörder zu finden …

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Erste Leserstimmen
„Endlich ein neuer Fall mit Lady Georgie, und mal wieder in jeder Hinsicht unterhaltsam.“
„Junge Liebe, Mord und adelige Familienverschwörungen – alles, was mich als Leser begeistert.“
„mitreißend, lustig und skurril“
„Ein wunderbar rasanter Krimi mit sehr liebenswerten Protagonisten.“

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Seitenzahl: 506

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Über dieses E-Book

Lady Georgiana Rannoch und ihr geliebter Darcy O‘Mara sind fest entschlossen zu heiraten und dabei ein paar königliche Regeln zu umgehen. Nichts wird sie von ihrem Plan abhalten – außer vielleicht die Nachricht, dass Georgies zukünftiger Schwiegervater wegen Mordes an eben dem reichen Amerikaner verhaftet wurde, der gerade das Schloss der Familie gekauft hat. Das Durchbrennen muss also warten und die beiden machen sich stattdessen auf den Weg nach Irland, wo der Verdächtige auf seine Unschuld pocht. Nun liegt es an Georgie und Darcy, den wahren Mörder zu finden …

Impressum

Deutsche Erstausgabe Dezember 2020

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96087-926-8 Hörbuch-ISBN: 978-3-98778-199-5

Copyright © 2016 by Janet Quin-Harkin Titel des englischen Originals: Crowned and Dangerous

Published by Arrangement with Janet Quin-Harkin. c/o JANE ROTROSEN AGENCY LLC, 318 East 51st Street, NEW YORK, NY 10022 USA.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Übersetzt von: Sarah Schemske Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Veronika, © inarik shutterstock.com: © Raftel, © Vectorpocket, © TEEDA.Y, © Lukasz Pajor depositphotos.com: © brebca, © tiler84 Korrektorat: Dorothee Scheuch

E-Book-Version 24.07.2023, 15:41:06.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Zur Krönung: Mord

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Zur Krönung: Mord
Rhys Bowen
ISBN: 978-3-98778-199-5

Georgie und Darcy möchten heiraten – aber vorher muss der künftige Familienname reingewaschen werdenDie Cosy-Krimi-Reihe von New-York-Times-Bestsellerautorin Rhys Bowen geht weiter

Das Hörbuch wird gesprochen von Arlett Drexler.
Mehr Infos hier

Dieses Buch ist meiner lieben Freundin Barbara Peters gewidmet, der Besitzerin der Buchhandlung Poisoned Pen in Scottsdale und Förderin von allem, was mit Mystery zu tun hat. Barbara, danke für deine Hilfe, Ermutigung, Freundschaft und die Mittagessen in der Wine Bar!

Danke außerdem meinem wundervollen Agentinnenteam Meg Ruley und Christina Hogrebe sowie Jackie Cantor, Danielle Dill und allen Mitarbeitern bei Berkeley und Penguin. Ihr seid die Besten.

Und wie immer danke ich John für sein erbarmungsloses Lektorat!

Kapitel 1

In finsterer Nacht, Donnerstag, 29. November 1934

Unterwegs Richtung Norden in einem Armstrong Siddeley mit dem hochwohlgeborenen Darcy O’Mara.

Ich habe keine Ahnung, wohin wir fahren, aber Darcy ist bei mir, also ist alles gut.

Ich saß neben Darcy in einem Automobil und wir fuhren nordwärts, heraus aus London. Er hatte mich einige Stunden zuvor entführt, nachdem wir beide der Hochzeit zwischen Prinzessin Marina und dem Duke of Kent beigewohnt hatten. Zunächst hatte ich angenommen, dass ich unterwegs zu einem romantischen Dinner wäre. Dann, als wir die Straßen Londons hinter uns gelassen hatten, beschlich mich der Verdacht, dass wir nicht zum Dinner fuhren, sondern zu einem Hotel in einem lasterhaften Ort wie Brighton. Aber wir fuhren in nördlicher Richtung, nicht nach Süden, und mir fielen keine lasterhaften Orte ein, die nördlich von London lagen. Man fuhr doch nicht in die rußigen, schmutzigen Industriegebiete der Midlands, um dem Laster zu frönen? In gewisser Weise war ich wohl erleichtert. So gern ich die Nacht mit Darcy verbringen wollte, und wir hatten weiß Gott lange genug gewartet, machte ich mir doch Sorgen um die Konsequenzen.

Darcy gab sich während der Fahrt geheimnisvoll, trug ein selbstzufriedenen Grinsen zur Schau und beantwortete meine Fragen nicht. Schließlich redete ich mir ein, dass wir wahrscheinlich auf dem Weg zu einer Hausgesellschaft irgendwo auf dem Land waren, deren Gastgeber einer seiner zahlreichen Freunde war. Das war zwar eine vollkommen rechtschaffene Unternehmung, aber weitaus weniger aufregend als eine Nacht in einem Hotel in Brighton als Mr und Mrs Smith. Doch als Londons Lichter verblassten und wir in die völlige Dunkelheit hineinfuhren, hielt ich es keine Minute länger aus.

„Darcy, wohin fahren wir?“, wollte ich wissen.

Er starrte immer noch geradeaus in die Nacht. „Gretna Green“, antwortete er.

„Gretna Green? Ist das dein Ernst?“, stieß ich quietschend aus. „Aber das ist in Schottland. Und man fährt dorthin, um zu –“

„Um gemeinsam durchzubrennen und zu heiraten. Ganz genau.“

Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Er grinste noch immer zufrieden. „Ich kenne dich zu gut, Georgie“, erwiderte er. „Du bist von Grund auf überaus anständig. Du hast zu viel von deiner Urgroßmutter.“ (Die, falls ihr es nicht wusstet, Königin Victoria war.) „Du willst den nächsten Schritt nicht tun, bevor du einen Ring am Finger trägst, und das respektiere ich. Also ist es mir ein Anliegen, diese Sache zu beheben. Wenn wir die Nacht durchfahren, wirst du bereits morgen Mrs Darcy O’Mara sein und ich kann guten Gewissens mit dir ins Bett gehen.“

„Allmächtiger“, erwiderte ich. Nicht gerade die schlagfertigste Antwort, ich weiß, aber ich war überrumpelt. Ich merkte, dass ich ebenfalls grinste. Mrs Darcy O’Mara. Nicht ganz so hochtrabend wie Lady Georgiana Rannoch, aber unendlich befriedigender. Ich konnte es nicht erwarten, das Gesicht meiner Schwägerin Fig zu sehen, wenn ich nach London zurückkehrte und ihr meinen Ringfinger unter die Nase hielt. Der Gedanke an Fig führte mich zu praktischeren Überlegungen. Darcy war ein junger Mann ohne feste Bleibe. Er hatte einen makellosen Stammbaum und war wie ich in einem Schloss aufgewachsen. Eines Tages würde er einen Adelstitel erben. Aber er war ebenso mittellos wie ich. Er schlug sich mehr schlecht als recht durch und nahm geheime Aufträge an, über die er nicht sprechen durfte. Er schlief bei Freunden auf dem Sofa oder passte auf ihre Londoner Stadthäuser auf, wenn sie auf ihren Jachten oder an der Riviera weilten. Dieser Lebensstil mochte für einen ungebundenen Mann angehen, aber ich konnte schließlich nicht ein Sofa in der Wohnung eines befreundeten Junggesellen mit ihm teilen, oder?

Behutsam brachte ich dieses Thema zur Sprache. „Also, Darcy, ich will ja nicht nachbohren, aber welchen Wohnort hattest du für uns vorgesehen?“

„Gar keinen“, sagte er. „Du gehst zurück zu deinem Bruder und ich gehe, wohin auch immer mich mein nächster Auftrag führt. Alles Geld, das ich verdiene, spare ich und wenn ich genug für einen Umzug in eine angemessen respektable Residenz habe, machen wir unsere Ehe publik. Gretna Green ist nur für den Fall, dass etwas Unziemliches passieren würde und du“ – er hielt inne und hüstelte – „in andere Umstände kämst. Dann könnten wir unsere Heiratsurkunde vorzeigen, alles wäre geregelt und deine Ehre intakt.“

Das brachte mich zum Lachen. Ich glaube, ich kicherte sogar nervös, denn es war sehr aufregend, diese Dinge mit einem Mann zu besprechen.

„Und was glaubst du, wie lange es dauern wird, bis wir uns ein eigenes Heim leisten können?“, fragte ich.

„Hoffentlich nicht allzu lange.“ Er seufzte. „Wenn mein Vater nur nicht sein gesamtes Vermögen verloren hätte … Wäre er nicht gezwungen gewesen, das Schloss und den Rennstall zu verkaufen, hätten wir meinen Stammsitz beziehen können. Kilhenny Castle hätte dir gefallen. Es ist weniger wild und abgelegen als Castle Rannoch. Sogar ziemlich zivilisiert.“

„Dein Vater lebt noch immer in der Wildhüterhütte, nicht wahr?“

„Ja, und er bezieht Lohn dafür, dass er den Rennstall für den Amerikaner, der das Schloss mit allem Drum und Dran gekauft hat, betreibt. Er ist nun die bezahlte Hilfskraft auf dem Anwesen, das unserer Familie über Jahrhunderte gehört hat. Ich kann nicht einmal in die Nähe. Zu schmerzhaft.“ Erneut hielt er inne. „Mein Vater würde mich ohnehin nicht sehen wollen. Er mag mich nicht besonders.“

„Ihm sagt dein Lebenswandel nicht zu?“

Darcy schnaubte. „Von seiner Warte aus kann er mich nicht gerade verurteilen, was? Ich bin nicht derjenige, der das Familienerbe verkauft hat. Nein, es ist einfacher als das. Er hat mir nie vergeben, dass ich überlebt habe.“

„Was?“ Ruckartig drehte ich den Kopf zu ihm. Sein Mund war zu einem geraden Strich zusammengepresst.

„Als uns die Spanische Grippe 1920 erreichte, war ich fort, auf der Grundschule in England. Meine Mutter und meine beiden jüngeren Brüder wurden krank und starben. In meiner Schule war es so eisig kalt und trübselig, dass nicht einmal die Grippe dort überdauerte, also überlebte ich. Einmal, nachdem er zu tief ins Glas geschaut hatte, sagte mein Vater, dass mein Anblick ihn jedes Mal daran erinnert, dass meine Mutter starb und ich lebe.“

„Das ist wohl kaum deine Schuld“, sagte ich wütend.

„Mein Vater war noch nie besonders vernünftig. Fuhr immer sehr leicht aus der Haut und war stets nachtragend. Aber lass uns nicht von ihm sprechen. Wir brechen zu einem neuen Abenteuer auf, zum Teufel mit unseren Familien.“

„Ganz recht“, sagte ich und berührte seine Hand, die das Lenkrad umklammerte. „Da sie uns nicht unterstützen, geht es sie nichts an, ob wir heiraten oder nicht.“

Lichter rasten aus der anderen Richtung an uns vorüber und erleuchteten das Innere unseres Wagens für einen Augenblick, bevor uns die Dunkelheit erneut umfing. Ich malte mir aus, wie ich meiner Familie erzählen würde, dass Darcy und ich geheiratet hatten. Binky, mein Bruder, würde sich für mich freuen. Fig würde es missbilligen, weil Darcy mittellos und außerdem römisch-katholisch war und …

„Allmächtiger“, sagte ich erneut und setzte mich mit einem Ruck aufrecht hin. Darcy drehte den Kopf zu mir. „Ich kann dich nicht heiraten, Darcy“, sagte ich. „Ich hatte es völlig vergessen, aber ich habe keine Erlaubnis dafür. Ich bin immer noch Teil der Thronfolge und wir dürfen keine Katholiken heiraten.“

„Ich dachte, wir hätten beschlossen, dass du einfach auf deinen Thronanspruch verzichten kannst, dann wird alles gutgehen“, sagte er. Er sah mich mit einem zaghaften Lächeln an. „Es sei denn, natürlich, du würdest lieber auf die Gelegenheit verzichten, mich zu heiraten, nur für den Fall, dass du eines Tages Königin wirst.“

Ich schmunzelte. „Da ich momentan in der Erbfolge an fünfunddreißigster Stelle stehe, wäre ein weiterer Besuch des Schwarzen Tods nötig, um die Personen zwischen mir und dem Thron auszulöschen“, sagte ich. „Und warum sollte ich je Königin werden wollen? Selbstverständlich möchte ich dich heiraten, aber ich finde, dass es offiziell sein muss. Ich muss meine Bitte dem König vortragen und ich glaube, das Parlament muss sie anhören. Also kehren wir besser um und fahren zurück, bevor wir zu weit gehen.“

Darcy schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht umkehren. Wir fahren nach Schottland und heiraten. Wir werden es keinem erzählen und zu gegebener Zeit kannst du auf deine königlichen Verwandten zugehen und um Erlaubnis bitten, mich zu heiraten. Dann können wir eine richtige Hochzeit in einer standesgemäßen Kirche mit Brautschleier und Brautjungfern feiern und niemand außer uns muss je wissen, dass wir bereits verheiratet sind.“

„Dürfen wir das denn?“, fragte ich.

„Wer sollte davon erfahren?“

„Was, wenn der König und die Königin meine Bitte abschlagen?“

„Warum sollten sie das tun? Und wenn sie das täten, würde ich meiner Religion abschwören, wenn ich dich nur so heiraten kann.“

Ich bekam einen Kloß im Hals. „Darcy, das würde ich nie von dir verlangen. Deine Religion bedeutet dir sehr viel.“

„Ich weiß, dass meine Familie viele Jahrhunderte dafür gekämpft hat, aber wie ich schon sagte, wenn ich dich nur so heiraten kann, soll es so sein. Es wäre nicht so schlimm, Anglikaner zu sein … nur eine verwässerte Form des Katholizismus.“

Nun lachte ich erleichtert auf. Darcy liebte mich so sehr, dass er bereit war, alles für mich aufzugeben. Ich kann euch nicht sagen, wie herrlich sich das anfühlte.

***

Wir fuhren weiter. Es wurde recht kalt und ich fand auf dem Rücksitz eine Decke, die ich mir über die Knie zog. Dann begann es zu regnen, ein starker Schneeregen, der auf die Windschutzscheibe prasselte. Darcy fluchte unterdrückt, als er die Augen zusammenkniff, um zu erkennen, wohin wir fuhren.

„Wir könnten eine Unterkunft für die Nacht suchen, wenn es so weitergeht“, sagte ich. „Bei diesen Bedingungen macht das Fahren keinen Spaß.“

„Nein, wir fahren weiter“, sagte er. „Es wird vorbeigehen.“

Aber das war nicht der Fall. Einer nach dem anderen zogen die Schilder der Midland-Städte an uns vorbei. Wir hielten an, um in einem Pub mitten in der Einöde Fleischpasteten und Bier zu bestellen. Im Kamin röhrte ein großes Feuer und ich sah ihm sehnsüchtig nach, als wir durch den Regen zurück zu unserem Wagen hasteten.

Als wir Yorkshire erreichten, hatte sich der Regen in Schnee verwandelt – ein schwerer, nasser Schnee, der an den Scheibenwischern klebte und sich aufzutürmen begann, als er hin und her geschoben wurde. Keine anderen Autofahrer waren so verrückt, sich auf die Straße zu wagen.

„Wir sollten anhalten“, sagte ich. „Es wird gefährlich.“

„Dieser Wagen ist sehr solide“, gab Darcy zurück. „Er kann diese Bedingungen gut meistern.“

„Ich will nicht von der Straße abkommen und kopfüber im Graben landen“, sagte ich.

Wir passierten Straßen, die nach Leeds und später nach York führten, obwohl keine der beiden Städte zu sehen war. Wir schienen durch triste Hügellandschaften ohne jegliche Spur von menschlichen Behausungen zu fahren. Wir hätten auch mitten im Nirgendwo sein können. Plötzlich trat Darcy auf die Bremse und ich spürte, wie das Heck des Wagens zur Seite rutschte. Ich glaube, ich schrie. Darcy kämpfte darum, uns ins Gleichgewicht zu bringen. Wir wurden herumgeschleudert. Unsere Scheinwerfer zuckten wild über Bäume und Schnee. Dann, wie durch ein Wunder, kamen wir zum Stehen. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass wir verkehrt herum standen.

Kapitel 2

29. November

Mitten in der Nacht irgendwo in Yorkshire.

„Was war das?“, fragte ich mit schrecklich zittriger Stimme.

„Das war ein ganz schön wilder Ritt.“ Darcy klang beinahe, als hätte er es genossen.

Ich funkelte ihn finster an und meine Furcht verwandelte sich in Wut. „Hast du das etwa mit Absicht getan?“

„Natürlich nicht. Hältst du mich für einen Idioten?“

„Aber warum hast du so plötzlich gebremst?“

„Weil ein verdammter Lastwagen die Straße vor uns blockiert.“

Er klang nun ebenfalls gereizt. Er öffnete die Tür, wobei ein eisiger Luftzug hereinwirbelte, der Schnee mit sich brachte, dann trat er hinaus in den Sturm. Ich wickelte mich fester in die Decke und versuchte durch das Schneetreiben zu erkennen, was vor sich ging. Darcy war in dem Wirbel aus Weiß verschwunden. Ich hielt den Atem solange an, bis er mit grimmiger Miene zurückkehrte.

„Tja, das war es für heute Nacht“, sagte er. „Die Straße vor uns ist vom Schnee blockiert. Ich habe gefragt, ob wir eine andere Route nehmen könnten, aber der Bursche meinte, wenn die Great North Road blockiert sei, könnten wir es auf den kleineren Straßen vergessen. Seine genauen Worte waren: ‚Wenn es hier unten so schneit, dann heult oben im Moor ein verdammter Blizzard.‘“ Er seufzte ungeduldig. „Wir werden warten müssen, bis morgen jemand herkommt, um die Straße zu räumen. Oder übermorgen … Die Burschen da vorn scheinen nicht viel zu wissen, nur dass wir nicht weiterkommen. Also fürchte ich, dass wir deinen Vorschlag befolgen und uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit umschauen müssen.“

„Vor etwa einer Meile sind wir an einem Pub vorbeigefahren“, sagte ich.

„Dann versuchen wir das.“ Darcy kratzte die Eisschicht von der Windschutzscheibe, dann klopfte er sich den Schnee von der Kleidung, bevor er wieder in den Wagen stieg und vorsichtig wendete. „Ich hoffe, dort gibt es Gästezimmer. Ich will nicht zu weit zurückfahren müssen.“ Er schlug die Hände gegen das Lenkrad. „Oh, das ist einfach frustrierend. Gerade, als ich dachte, ich hätte alles perfekt geplant. Ich hatte dein unverbesserliches Dienstmädchen überredet, einen Koffer für dich zu packen. Ich hatte es geschafft, mir einen ordentlichen Wagen zu leihen. Und jetzt das.“

Ich legte eine Hand auf seinen Ärmel. „Es ist nur eine Verzögerung, Darcy. Diese Straße wird recht schnell geräumt werden, nicht wahr? Sie ist die Hauptverkehrsader nach Schottland und Nordengland. Was bedeutet schon ein Tag mehr?“

Er nickte. „Du hast recht. Nur eine Verzögerung. Wir haben drei Jahre gewartet. Was macht eine weitere Nacht schon aus?“

„Ich weiß noch, dass du bei unserer ersten Begegnung mit Belinda gewettet hast, dass du mich innerhalb einer Woche ins Bett bekommen würdest. Oder war es innerhalb eines Monats?“ Ich blickte ihn fragend an.

Er grinste. „Ich erinnere mich nicht mehr, aber ich habe die Wette eindeutig verloren und sollte meinen Einsatz bezahlen. Ich hatte nicht mit deiner eisernen Willensstärke und deinem königlichen Anstand gerechnet.“

„Oder damit, dass sich die Umstände gegen uns verschwören, wie jetzt“, sagte ich. „Meine Mutter konnte nicht glauben, dass wir uns so lange Zeit gelassen haben.“

Darcy lachte schnaubend. „Nun, deine Mutter ist nicht gerade ein Vorbild für ein keusches Leben, oder? Wie oft war sie schon verheiratet? Oder nicht verheiratet, um genau zu sein?“

Tatsächlich hatte meine Mutter meinen Vater, den Duke of Rannoch, sitzen lassen, als ich zwei Jahre alt gewesen war, und seitdem mit unzähligen Männern auf sechs der sieben Kontinenten unzählige Abenteuer erlebt. Die Antarktis war nur deshalb verschont geblieben, weil es dort einfach zu verflixt kalt war! Im Augenblick konnte ich das gut nachvollziehen, da sich meine Füße in Eisklötze verwandelt hatten.

***

Wir fuhren wieder Richtung Süden, woher wir gekommen waren. Der Pub, an den ich mich erinnert hatte, hieß „The Pig and Whistle.“ Er sah auf altmodische, ländliche Art einladend aus, aber zu unserem Pech war die Eingangstür verschlossen und alles dunkel. Darcy stieg aus, zerrte und rüttelte an der Tür, dann kam er verärgert zum Wagen zurück und wischte sich Schnee von der Jacke.

„Diese verdammte Sperrstunde“, brummte er, als er wieder den Gang einlegte. „Warum können wir es nicht wie in Frankreich oder Italien machen und die Leute trinken lassen, wann sie wollen?“

„Vermutlich, um zu vermeiden, dass die halbe Bevölkerung sturzbetrunken und arbeitsunfähig ist.“

Er schnaubte. „Sind auf dem Festland etwa alle sturzbetrunken?“

„Ich schätze, dort ist man es von klein auf gewohnt und trinkt eher Wein als Bier und Whisky. Wein schadet angeblich nicht. Und man arbeitet nicht so schwer wie hier. Fahr an einem beliebigen Café in Frankreich vorbei und du siehst morgens Männer bei einem Glas Wein sitzen. Sie nehmen das Leben einfach weniger ernst.“

„Wie kommt es, dass du immer so verflucht vernünftig und gefasst bist?“, zischte er mich an. „Niemand würde glauben, dass du mit mir durchbrennen willst.“ Er hielt inne und drehte sich abrupt zu mir um. „Das willst du doch, oder? Ich habe dich nie direkt gefragt.“

Die Frage überraschte mich. Wollte ich das? Machte ich mir keine Gedanken darüber, was meine königlichen Verwandten sagen würden? Hatte ich mich nicht mein ganzes Leben lang auf das lange weiße Kleid und den Brautschleier gefreut? Dann sah ich Darcy an. Selbst im dunklen Wagen sah er umwerfend aus und ich liebte ihn so sehr. „Natürlich will ich das“, sagte ich.

„Du hast gezögert, bevor du mir geantwortet hast“, erwiderte er.

„Nur weil es zu kalt ist, um meine Lippen zu bewegen.“

„Ich könnte sie aufwärmen“, sagte er, legte eine Hand auf meinen Hinterkopf, zog mich an sich und küsste mich lang und fest. „Also“, sagte er etwas außer Atem, als wir uns voneinander lösten. „Suchen wir uns einen Ort, an dem wir die Nacht verbringen können, bevor wir uns beide zu Tode frieren.“

Wir fuhren weiter, in der Hoffnung wenigstens ein Dorf in der Nähe der Straße zu finden. Ich glaube, wir waren beinahe wieder zurück in York, als wir endlich auf Anzeichen menschlicher Behausungen stießen, zumindest solcher, deren Bewohner noch wach waren. Es gab auch einen Pub, etwas abseits der Straße neben einem Bahnübergang. Auf dem Schild, das in den Sturmböen hin und her schwang, stand „The Drowning Man“, der ertrinkende Mann, und es zeigte eine Hand, die aus einem Teich ragte.

„Nicht sehr einladend“, sagte Darcy trocken. „Aber wenigstens brennt noch Licht und hoffentlich ist jemand wach.“

Er öffnete die Fahrertür, wobei er eine große Ladung Schnee ins Wageninnere ließ, dann kämpfte er gegen den Wind an, um sie schnell wieder zu schließen, bevor er zum Pub rannte. Ich spähte ihm durch die schneebedeckte Windschutzscheibe nach. Er klopfte an und wartete. Zu meiner Erleichterung öffnete sich schließlich die Tür und ein Lichtstrahl fiel auf den Schnee. Während Darcy anscheinend ein längeres Gespräch führte, sah ich, wie mir die andere Person einen prüfenden Blick zuwarf. Dann marschierte er zurück zum Wagen. Einen schrecklichen Moment lang fürchtete ich, er würde mir mitteilen, dass alle Zimmer belegt wären und wir weiterfahren müssten. Aber stattdessen ging er um den Wagen herum und öffnete mir die Tür.

„Sieht so aus, als hätten sie Zimmer frei. Keine besonders einladende Unterkunft, soweit ich es beurteilen kann, aber bei diesem Sturm dürfen wir nicht wählerisch sein.“ Er nahm meine Hand und führte mich durch den Schnee zum Gebäude. Ich hätte gern berichtet, dass er mich ins Warme brachte, aber ehrlich gesagt war es drinnen nicht viel wärmer als im Wagen. Im Flur hing eine nackte Glühbirne, und eine Treppe ohne Teppich führte in die Dunkelheit.

„Seid in den Sturm geraten, was?“, fragte die Wirtin. Nun, da wir sie erkennen konnten, fiel mir auf, dass sie eine kräftig gebaute Frau von der Konstitution eines Ackergauls war, mit teigigem Gesicht, hervortretendem Kinn und kleinen flinken Augen.

Ich warf Darcy einen kurzen Seitenblick zu und hoffte, dass er sich eine humorvolle Bemerkung, etwa, dass wir auf dem Weg zur Riviera falsch abgebogen wären, verkneifen würde.

„Wir waren unterwegs nach Schottland, aber die Straße ist gesperrt“, sagte ich, bevor er antworten konnte.

„Aye. Haben im Radio davon gehört“, sagte sie. „Schätze, es wird ein paar Tage dauern, was? Ihr wollt also ein Zimmer, ja?“

„Genau“, sagte Darcy.

„Hab nur das eine Zimmer“, sagte sie. „Die anderen sind belegt. Ihr seid ein Ehepaar, nehme ich an?“ Sie bedachte uns mit einem strengen Blick und versuchte vermutlich unter meinen Handschuhen einen Ehering auszumachen.

„Selbstverständlich“, sagte Darcy kurz angebunden. „Mr und Mrs Chomondley-Fanshaw. Das wird übrigens ‚Featherstonehaugh‘ geschrieben.“

Ich musste mir Mühe geben, um nicht loszukichern. Sie musterte uns noch immer misstrauisch. „Mir egal, wie es geschrieben wird. In dieser Gegend geben wir nichts auf adligen Dünkel. Solange ehrliche, anständige Leute genug Moneten haben, um uns bezahlen zu können, pfeifen wir darauf, wie viele Bindestriche sie im Namen haben.“

„Nun gut“, sagte Darcy. „Wenn Sie so freundlich wären, uns das Zimmer zu zeigen?“

Sie rührte sich nicht vom Fleck, wies uns aber mit dem Finger die Richtung. „Die Treppe hoch und dann rechts, am Ende des Flurs. Nummer dreizehn.“

Dann griff sie in ein Schubfach und reichte uns einen Schlüssel. „Frühstück von sieben bis neun im Speisesaal. Kostet extra. Oh, und wenn ihr ein Bad nehmen wollt, müsst ihr bis zum Morgen warten. Zwischen zehn und sechs wird das heiße Wasser abgestellt. Baden kostet auch extra.“

Darcy sah mich an, sagte aber nichts. „Ich begleite dich nach oben, dann hole ich die Taschen“, sagte er. „Komm mit.“

Ich folgte ihm die schmale Treppe hinauf. Ein eisiger Luftzug blies uns entgegen.

„Gibt es in den Zimmern Kamine?“ Darcy drehte sich fragend zu der Wirtin um, die noch immer dastand und uns beobachtete.

„Kein Kamin in diesem Zimmer“, sagte sie.

„Und ich nehme an, eine Tasse heiße Schokolade steht außer Frage?“ In seiner Stimme schwang nicht viel Hoffnung mit.

„Die Küche ist ab acht geschlossen.“ Sie wandte uns den Rücken zu und verschwand in der Dunkelheit des Flurs.

„Wir müssen nicht hierbleiben“, flüsterte Darcy mir zu. „In York muss es richtige Hotels geben. Es ist nicht mehr allzu weit.“

„Es ist noch meilenweit entfernt. Und es gibt keine Garantie, dass anderswo noch Zimmer frei sind“, sagte ich. „Wenn alle Straßen, die nach Norden führen, gesperrt sind …“ In Wahrheit war ich den Tränen nahe. Hinter mir lag ein langer Tag, der damit angefangen hatte, dass ich im Kensington Palace der Braut beim Ankleiden geholfen hatte. Danach hatte die Zeremonie für Marina und Prinz George in der St Margaret’s Church in Westminster stattgefunden, anschließend der Empfang im Buckingham Palace und die lange, kalte Fahrt durch den Schnee. Ich wollte mich nur noch zu einer kleinen Kugel zusammenrollen und einschlafen.

Die Dielenbretter knarzten fürchterlich, als wir auf Zehenspitzen den Flur entlang gingen. Nummer dreizehn war zweifellos das trübseligste Zimmer, das ich je gesehen hatte – und ich war in einem schottischen Schloss aufgewachsen, das für seine Tristesse berüchtigt war. Es war klein, mit nicht zusammenpassenden Möbeln vollgestopft und die einzige Wand, die keine Schrägdecke hatte, wurde von einem riesigen geschnitzten Kleiderschrank eingenommen, der den Raum beherrschte. Inmitten dieses Durcheinanders stand ein schmales Messingbett, auf dem eine Patchworkdecke lag. Eine nackte Glühbirne verströmte gerade genug bleiches Licht, um die durchhängenden, fleckigen Vorhänge vor dem Fenster und einen kleinen Flickenteppich auf dem kahlen Boden zu enthüllen.

„Allmächtiger!“ Dieser kindische Ausruf entfuhr mir, bevor mir wieder einfiel, dass ich erst kürzlich den Entschluss gefasst hatte, mich kultivierter zu verhalten. „Das ist wirklich grauenvoll, nicht wahr?“

„Es ist verdammt beschissen“, sagte Darcy. „Entschuldige den Kraftausdruck, aber wenn jemals ein Zimmer den Begriff ‚beschissen‘ verdient hat, dann dieses. Lass uns von hier verschwinden, solange wir noch können. Es würde mich nicht wundern, wenn die Wirtin des Nachts ihre Gäste um die Ecke bringt und sie zu Pasteten verarbeitet.“

Der Gedanke brachte mich zum Lachen. „Oh, Darcy. Was tun wir hier?“

„Meine schöne Überraschung“, sagte er kopfschüttelnd, aber auch er lächelte. „Tja, wenn unser gemeinsames Leben unter diesen Umständen beginnt, kann es ja nur besser werden, oder?“

Ich nickte. „Glaubst du, es gibt hier im Gebäude eine Toilette oder befindet sie sich am Rande des Gartens?“

Wir sahen auf dem Flur nach und zu unserer Erleichterung lagen am anderen Ende eine Toilette und ein Badezimmer.

„Ich gehe unsere Taschen holen“, sagte Darcy. „Wenn du dir wirklich sicher bist, dass du bleiben willst.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Kleider ausziehen sollte. Mir würde eiskalt werden.“ Ich dachte darüber nach. „Aber ich schätze, ich sollte mein gutes Ensemble nicht noch mehr zerknittern. Hast du irgendeine Ahnung, was Queenie für mich eingepackt hat?“

„Ich habe ihr gesagt, sie soll ordentliche Reisekleidung einpacken. Und deine Nachthemden.“

„Wie ich Queenie kenne, bedeutet das ein Abendkleid und Reitstiefel.“

Doch als er mit den Taschen zurückkehrte, war ich angenehm überrascht, als ich herausfand, dass sie meinen Kulturbeutel eingepackt hatte, ein warmes Flanellnachthemd und einen Morgenmantel, außerdem mein Tweedkostüm. Sie stieg in meiner Hochachtung beträchtlich. Ich war wirklich sehr zufrieden mit ihr. Sie schlief sicher schon im Kensington Palace, wo die Zimmer Kamine hatten und man nur läuten musste, um heiße Schokolade zu bekommen, während ihre Herrin … Ich sah mich erneut im Zimmer um, aber mir fehlten die Worte. Darcy hatte sich eilig ausgezogen und sah in seinem kastanienbraunen Seidenpyjama unglaublich gut aus. Erst war ich zu schüchtern, um mich vor ihm umzuziehen, aber dann rief ich mir in Erinnerung, dass wir bald Mr und Mrs werden würden.

Ich drehte mich um und knöpfte meine Jacke auf. Dann fiel mir ein, dass mein Kleid am Rücken mit Haken verschlossen wurde. Ich tastete danach, aber sie waren unmöglich zu öffnen. Dann sagte eine Stimme: „Hier, lass mich das machen“ und er hakte sie für mich auf. Seine Finger auf meiner Haut waren mir nur zu bewusst. Er half mir aus dem Kleid, dann legte er seine Hände auf meine Schultern und küsste meinen entblößten Nacken. Es war eine unglaublich verführerische Geste und zu jeder anderen Gelegenheit wäre ich darauf eingegangen. Aber in diesem Augenblick war mir kalt, ich war müde und ein wenig verängstigt. Ich drehte mich zu ihm um und barg meinen Kopf an seiner Schulter.

„Oh, Darcy, was tun wir nur hier?“, fragte ich halb lachend, halb weinend.

Seine Arme umfingen mich. „Ich wollte, dass unsere erste gemeinsame Nacht ganz anders als das hier ist“, sagte er.

„Wir haben schon früher die Nacht gemeinsam verbracht“, rief ich ihm in Erinnerung. „Wenigstens Teile der Nacht.“

„Unsere erste richtige gemeinsame Nacht“, sagte er. „Du weißt, wie ich es gemeint habe. Und das werden wir uns auf jeden Fall für einen besseren Zeitpunkt aufsparen. Ich wette, diese alte Schachtel wird auf jedes Knarzen der Sprungfedern lauschen.“

Das brachte mich zum Lachen. Nachdem ich mich entkleidet hatte, zog ich den Morgenmantel über mein Nachthemd und legte mich ins Bett. Die Decken waren steif und eiskalt.

„Es ist furchtbar kalt“, sagte ich mit klappernden Zähnen.

Darcy umrundete auf Zehenspitzen das Bett, um das Licht zu löschen, und als er neben mir ins Bett kletterte, gaben die Bettfedern in der Tat ein ohrenbetäubendes Quietschen von sich, das uns beide wie Schulkinder kichern ließ.

„Das schließt jegliches Techtelmechtel aus“, sagte er, noch immer schmunzelnd. Er schloss mich in seine Arme. „Noch immer eiskalt?“, fragte er.

„Schon besser“, flüsterte ich. „Viel besser.“

Kapitel 3

Freitag, 30. November

Eingeschneit irgendwo in der Wildnis von Yorkshire, auf dem Weg nach Gretna Green, um durchzubrennen.

Allmächtiger, das Leben ist gerade so aufregend!

Am nächsten Morgen weckten uns Knarzen und Schritte im Flur. Unter uns wurden Türen zugeschlagen und im Hof startete ein Motor. Ich lag noch immer in Darcys Armen, sein Gesicht nur wenige Zoll von meinem entfernt, und sein warmer Atem streifte meine Wange. Darcy schlug die Augen auf. Er sah mich an und lächelte. „Guten Morgen, Mrs Chomondley-Fanshaw“, sagte er.

„Das wird ‚Featherstonehaugh‘ geschrieben, vergiss das nicht“, erinnerte ich ihn. Durch ein schmutziges Fenster schien eine kraftlose, wässrige Sonne herein, dann ertönte das Horn eines Zuges, der über den ebenerdigen Bahnübergang ratterte.

Darcy setzte sich auf und schüttelte seine Hände. „Mein Arm ist eingeschlafen“, sagte er. „Aber weißt du was – wenn Züge fahren, können wir vielleicht den Wagen am Yorker Bahnhof lassen und einen Zug nach Norden nehmen.“

„Oh ja, tun wir das“, sagte ich. „Und lass uns nicht hier auf das Frühstück warten. Ich wette, es schmeckt grässlich.“

„Gute Idee. Ziehen wir uns einfach an und gehen. In York können wir wenigstens mehr über den Zustand der dortigen Straßen herausfinden und uns erkundigen, ob Züge fahren.“

Von neuer Zuversicht erfüllt kleideten wir uns in aller Eile an. Darcy machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu rasieren, und die Stoppeln ließen ihn noch schurkenhafter aussehen. „Im nächsten Hotel wird dir niemand glauben, dass du Mr Chomondley-Fanshaw bist, wenn du so aussiehst“, sagte ich und streichelte seine raue Wange. „Sie werden dich für einen Piraten halten, der mich verschleppt hat.“

„Der Gedanke gefällt dir, wie ich sehe“, neckte er mich und hob eine Augenbraue, was meine Wangen zum Glühen brachte.

Er trug die Koffer nach unten und legte sie in den Kofferraum, bevor er zurückkam, um die Rechnung zu begleichen.

„Wollen Sie kein Frühstück?“, blaffte die Wirtin. „Nachdem ich mir die Mühe gemacht habe, den Black Pudding aufzuwärmen?“

„Wir haben einen Termin in Schottland“, sagte Darcy taktvoll. „Wir müssen unsere Pläne ändern und versuchen, den Zug von York aus zu erreichen.“

„Bei dem Schnee wohl kaum“, sagte die Frau mit offensichtlicher Genugtuung. „Im Radio hieß es, es könnte tagelang alles stillstehen. Züge, Straßen, alles.“

Mit dieser ermutigenden Nachricht gingen wir. Zu meiner Erleichterung startete der Motor problemlos und wir fuhren zurück Richtung Süden, bis wir den Wegweiser nach York erreichten.

„Da steht vierzehn Meilen“, sagte ich und kämpfte meine aufkeimende Enttäuschung nieder. „Das ist ein weiter Weg.“

„York liegt an der Hauptbahnlinie nach Schottland. Hoffen wir nur, dass die Nebenstraßen nicht blockiert sind. Der Schnee scheint hier nicht so schlimm zu sein.“

Wir bogen von der Autobahn auf eine kleinere Straße ab. Darcy schien recht zu haben, denn der Schnee hier schmolz schon ein wenig in der Morgensonne.

„Ich hoffe, wir kommen bald irgendwo an“, sagte er. „Ich bin am Verhungern. Wie steht’s mit dir?“

„Völlig ausgehungert“, pflichtete ich ihm bei.

An einer Kreuzung fanden wir eine Raststätte, vor der Lastwagen parkten. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Darcy parkte neben dem Lieferwagen einer Reinigung. Drinnen war es warm, verraucht und laut, aber uns wurden riesige Kaffeetassen und ebenso riesige Teller mit Speck, Eiern, gebratenem Brot, Baked Beans und Black Pudding vorgesetzt. Ich muss gestehen, dass wir alles aufaßen. Viel besser gelaunt kamen wir wieder heraus, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie die Morgenzeitungen aus einem anderen Lieferwagen geladen wurden.

„Vielleicht stehen in der Zeitung die aktuellen Neuigkeiten zum Zustand der Straßen und Züge“, sagte Darcy und ging zu dem Austräger, um sich eine zu holen. Er kam zu mir zurück.

Blizzard bringt Verkehr auf der Great North Road zum Erliegen besagte die Überschrift. Er überflog die Zeilen darunter. „Sie scheinen nicht viel mehr zu wissen als wir“, brummte er. „Zumindest, als diese Zeitung gedruckt wurde. Also, wenn du mich fragst …“

Eine lange Pause folgte.

„Wenn ich dich frage?“, wiederholte ich. Dann sah ich seinen Gesichtsausdruck.

Er starrte die Titelseite an, als hätte er einen Geist gesehen. Er war totenbleich geworden.

„Darcy, was ist passiert?“ Ich beugte mich vor, um zu sehen, was er betrachtete. Die Hauptüberschrift und der Leitartikel handelten von dem Sturm, aber direkt darunter, in großen schwarzen Buchstaben, stand: Irischer Adliger wegen Mordes festgenommen.

Darcys Hand zitterte und ich hielt die Zeitung fest, um die kleingedruckte Schrift zu entziffern.

Thaddeus Alexander O’Mara, sechzehnter Baron Kilhenny im Bezirk Kildare, Irland, wurde gestern festgenommen. Ihm wird der Mord an Mr Timothy Roach vorgeworfen. Mr Roach, ein Amerikaner aus Chicago, erwarb Kilhenny Castle und den angeschlossenen Rennstall vor einigen Jahren von Lord Kilhenny. Lord Kilhenny war noch bis zu einem Dopingskandal Anfang dieses Jahres als Verwalter und Trainer des Rennstalls tätig. Mr Roach wurde in der Bibliothek von Kilhenny Castle aufgefunden, nachdem er mit einem antiken Streitkolben, der den O’Maras gehörte, einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen hatte.

„Oh, Darcy.“ Die Worte kamen als Flüstern aus meinem Mund und mein Atem hing wie Rauch in der klaren, kalten Luft.

Darcy sah mit Verzweiflung in den Augen zu mir auf. „Ich muss sofort zu ihm“, sagte er. „Du bist eine gute Fahrerin, nicht wahr? Dieses Auto ist nicht schwer zu steuern. Es hat ein Vorwählgetriebe.“

Er sah meinen verständnislosen Blick und fügte hinzu: „Du brauchst nur den kleinen Hebel auf dem Armaturenbrett zu bewegen und dann das Gaspedal zu drücken. Ganz einfach. Ich kann den Wagen nicht nach Irland mitnehmen. Ich habe ihn mir von einem Freund nur für ein paar Tage ausgeliehen. Wenn du ihn nach London zurückbringen kannst, nehme ich einen Zug aus York.“

Ich zögerte angesichts meiner begrenzten Fahrpraxis und der Frage, ob ich mit einem so großen, leistungsstarken Wagen umgehen konnte. Da ich noch nie ein Automobil besessen hatte, beschränkte sich meine Übung auf den Kombi, mit dem ich auf dem Gelände von Castle Rannoch herumgefahren war und manchmal eines der nahegelegenen Dörfer besucht hatte, wo der Verkehr auf der Straße lediglich aus einem vereinzelten Hochlandrind oder einem Schaf bestand. Ich hatte ein paar Mal unseren uralten Rolls-Royce genommen, aber normalerweise saß der Chauffeur am Steuer, während ich auf dem Rücksitz mitfuhr. Aber ich verdrängte diese Gedanken in aller Eile aus meinem Kopf und versuchte, mich mit allem abzufinden. Ein Gedanke übertönte alles andere in meinem Kopf und ich platzte heraus: „Warum solltest du zu ihm gehen? Du hast mir gesagt, was er von dir hält. Wird er dich überhaupt sehen wollen?“

Darcy stieß ein kurzes, verzweifeltes Lachen aus. „Wahrscheinlich nicht. Ehrlich gesagt … ganz sicher nicht. Er wird mir wahrscheinlich sagen, ich solle zur Hölle fahren, aber jemand muss sich um ihn kümmern. Er ist sich selbst der größte Feind, Georgie. Er wird die Beherrschung verlieren und Dummheiten sagen, die er nicht so meint. Das wird die Geschworenen gegen ihn aufbringen. Jemand muss für ihn einstehen und es gibt außer mir niemanden.“

„Was ist mit deinen Schwestern?“

„Er kann sie kaum besser leiden als mich. Und außerdem ist eine von ihnen gerade in Indien. Sie sind beide mit ihren eigenen Familien beschäftigt und haben kleine Kinder und Ehemänner. Sie können einfach nicht alles stehen und liegen lassen und nach Irland hetzen. Außerdem haben sie keine Ahnung von Gerichten und Verhandlungen und wissen nicht, wie man ein Verbrechen untersucht.“

Ich wollte nicht fragen, ob er seinen Vater für unschuldig hielt. Es war nicht unwahrscheinlich, dass ein aufbrausender Mann, der seinen eigenen Sohn hasste und alles verloren hatte, was ihm teuer gewesen war, der Versuchung nachgab, zu morden.

„Ich habe keine Ahnung, wie man von York nach Holyhead und zur Fähre kommt.“ Er ging bereits voraus zum Wagen und sprach mehr zu sich selbst als zu mir. „In Manchester umsteigen?“ Er drehte sich wieder zu mir um. „Schaffst du es, allein nach London zurückzufahren? Ich glaube nicht, dass auf den Straßen südlich von hier Schnee liegt. Ich schreibe dir die Adresse auf. Sie liegt am Eaton Square. Du kennst sie natürlich, gleich um die Ecke von eurem Haus. Erklär, was passiert ist …“

Die Worte purzelten aus seinem Mund, als könne er sie nicht kontrollieren. Ich holte ihn ein und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Darcy, ganz ruhig. Ich komme mit dir.“

Er schüttelte gehetzt den Kopf. „Nein. Auf keinen Fall. Ich will dich dort nicht haben.“

Er musste wohl den verletzten Ausdruck auf meinem Gesicht gesehen haben. „Du verstehst nicht“, sagte er hastig. „Ich habe auf den richtigen Moment gewartet, um dich meinem Vater vorzustellen und ihm von uns zu erzählen. Jetzt wäre es ein Desaster. Er würde dir nachtragen, dass du ihn in einem schwachen Moment siehst. Das würde ihn sofort gegen dich aufbringen. Außerdem fürchte ich, dass er meinem Namensvetter Darcy aus Stolz und Vorurteil ähnelt: ‚Wer seine gute Meinung einmal verloren hat, gewinnt sie nie wieder.‘ Für seine nachtragende Art ist er berüchtigt.“

„Wie hat es eine so unangenehme Persönlichkeit geschafft, einen so wundervollen Sohn in die Welt zu setzen?“, fragte ich und schaute verliebt zu ihm auf.

„Vermutlich dank meiner Mutter. Sie war in jeglicher Hinsicht ein wundervoller Mensch, äußerlich wie innerlich. Ihretwegen riss mein Vater sich zusammen und verwandelte sich in ihrer Anwesenheit in einen besseren Menschen. Doch dann starb sie, er verlor die Hoffnung und nahm wieder sein früheres mürrisches Wesen an. Ich wünschte, du hättest sie kennenlernen können, Georgie.“

„Das wünschte ich auch. Aber wir müssen die Dinge so akzeptieren, wie sie sind, nicht wahr? Mein Vater starb, so wie deine Mutter, und wir beide mussten versuchen allein zurechtzukommen. Aber das Gute ist, dass wir einander haben. Ich tue, was du willst, Darcy. Was immer dir die Sache erleichtert. Warum fahren wir nicht gemeinsam nach Holyhead? Ich begleite dich zur Fähre und bringe dann den Wagen zurück nach London, wenn du möchtest.“

Er berührte meine Wange. „Du bist ein wundervolles Mädchen, Georgie. Es tut mir so leid, dass alles schiefgelaufen ist, meine schöne Überraschung nicht geklappt hat und wir nicht nach Gretna Green gekommen sind. Aber ich werde es wieder gutmachen, das verspreche ich dir.“

„Mach dir darüber keine Sorgen. Wir heiraten, sobald diese schreckliche Angelegenheit aufgeklärt ist. Wir werden eine große, ausschweifende Hochzeit feiern und deinen Vater einladen.“

„Ja.“ Er nickte, als hätte er Mühe, es zu glauben.

„Wir sollten uns jetzt auf den Weg machen. Es ist eine lange Fahrt nach Holyhead.“

„Ich will dir das alles nicht zumuten, Georgie. Der Zug ist die weitaus einfachere Option und viel schneller. Auf den Mooren zwischen Yorkshire und Lancashire wird Schnee liegen, die Straßen könnten dort ebenfalls gesperrt sein. Nein, wir fahren zusammen nach York. Ich nehme den Zug und du kannst auf der Great North Road direkt nach London durchfahren. Zu wissen, dass du sicher zu Hause bist, wird eine Sorge weniger für mich sein.“

„In Ordnung. Wenn es das ist, was du willst“, sagte ich gepresst.

„Das ist es, glaub mir.“ Er öffnete die Fahrertür des Automobils für mich. „Du fährst. Damit du etwas Übung bekommst, solange ich noch bei dir bin.“ Ich setzte mich hinter das Lenkrad und fuhr vorsichtig los. Die Straßen waren leer und nur mit einer dünnen Schneeschicht überzogen. Schweigend fuhren wir an schneebedeckten Hecken und Trockenmauern vorbei. Auf verschneiten Feldern drängten sich Schafe eng zusammen und aus den Kaminen der Cottages stieg Rauch auf. Es wäre ein bezaubernder Anblick wie aus einer Weihnachtskarte gewesen, wenn ich in der Lage gewesen wäre ihn zu genießen. Stattdessen hatte sich mein Magen eng verknotet. Ich versuchte zuversichtlich zu denken, versuchte mir aufmunternde Worte für Darcy einfallen zu lassen, aber meine Gedanken waren wie leer gefegt.

Er hingegen bemühte sich redlich. „Kennst du die Prinzessin Zamanska?“

Ich fragte mich, ob er übergeschnappt war. „Zamanska? Nie von ihr gehört.“

„Oh, ich dachte, du kennst sie vielleicht, da ihr sozusagen Nachbarn seid. Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, verkehrt deine Familie nicht in denselben Kreisen. Sie heißen ihren Lebenswandel sicher nicht gut und ihr sind sie zu gesetzt und langweilig.“

Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. „Warum unterhalten wir uns über irgendeine Prinzessin aus dem Ausland?“

„Weil sie diejenige ist, die mir den Wagen geliehen hat. Du wirst sie mögen. Sie ist ein lustiger Kamerad. Ziemlich exzentrisch. Lebt gefährlich. Autorennen, Ballonfahrten, Hundeschlitten … Sie hat alles ausprobiert. Nummer sechzehn am Eaton Square.“

„Gibt es einen Prinz Zamanska?“

„Zamanski“, korrigierte er. „Er ist männlich. Oder vielmehr war es, bis er von wütenden Bauern ermordet wurde, weil er mit seiner Jagdgesellschaft über ihre Kohlfelder ritt. Die Prinzessin musste fliehen, um ihr Leben zu retten. Kam hierher mit kaum mehr als den Kleidern, die sie am Leib trug.“

„Und mit genug Geld, um am Eaton Square zu wohnen und einen Armstrong Siddeley zu besitzen“, merkte ich an.

„Nun, das stimmt. Sie nagt nicht gerade am Hungertuch. Der Prinz mag in vieler Hinsicht seine Schwächen gehabt haben, doch er war gerissen genug, all sein Geld in einem Schweizer Bankkonto aufzubewahren. Seine Witwe lebt recht angenehm.“

Wir erreichten die Ausläufer von York. Und dann, viel zu früh, kamen wir am Bahnhof an. Ich wusste nicht, ob es die Furcht war oder das große, reichhaltige Frühstück, das ich gegessen hatte, aber mir war nun speiübel. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis ich Darcy wiedersah. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass er ohne Vorwarnung zu weit entfernten Winkeln der Erde aufbrach, aber das hier war anders.

„Du wirst mir schreiben oder mich anrufen, ja?“, sagte ich leise. „Du wirst mir mitteilen, wie sich die Dinge entwickeln und ob es irgendetwas gibt, das ich tun kann.“

„Natürlich werde ich das. Wirst du bei deinem Bruder im Rannoch House wohnen?“

„Ich denke schon. Da die Hochzeit vorbei ist, nehme ich nicht an, dass man uns auf unbestimmte Zeit in der Wohnung im Kensington Palace beherbergen wird. Binky meinte, ich wäre jederzeit willkommen, egal, was die liebe Fig meint.“

Er nahm meine Hände in seine und sah mich voller Besorgnis und Sehnsucht in den Augen an. „Fahr vorsichtig.“

„Natürlich werde ich das.“ Ich schenkte ihm ein Lächeln und hoffte, dass ich zuversichtlicher aussah, als ich mich fühlte.

„Und pass gut auf dich auf.“

„Du auch.“

Wir standen da und sahen einander an. So viele Dinge hingen ungesagt in der Luft.

Dann gelang ihm ein Lächeln. „Ich liebe dich, Mrs Chomondley-Fanshaw, geschrieben Featherstonehaugh.”

„Ich liebe dich auch.”

Er gab mir einen kurzen keuschen Kuss, dann drehte er sich um und ging. Bald darauf hatten ihn der Lärm und das bunte Treiben der York Station verschluckt.

Kapitel 4

Freitag, 30. November

Ich fahre allein nach London zurück. Mein armer Darcy ist auf dem Weg nach Irland. Ich bete nur, dass sich alles zum Guten wendet, für unser gemeinsames Glück.

Meine Fahrt in den Süden verlief ohne Zwischenfälle. Als ich Yorkshire hinter mir ließ, war der Schnee verschwunden und die Wintersonne trocknete die nassen Straßen. Das Automobil ließ sich recht einfach lenken, aber ich ertappte mich dabei, wie ich das Lenkrad fest umklammerte und die gesamte Anspannung meines Körpers in meine Finger floss. Es hatte ein furchtbares Versehen gegeben, redete ich mir ein. Darcy würde die Wahrheit schnell ans Licht bringen, sein Vater käme frei und würde Darcy dafür danken, dass dieser ihm zu Hilfe geeilt war. Alles würde gut werden. Das sagte ich mir selbst laut wieder und wieder, als würden die Worte wahr werden, wenn ich sie aussprach. Ich gestattete meinen Gedanken nicht, sich ins Reich des Was-wäre-wenn zu begeben.

Als ich nach London hineinfuhr, brach die Dämmerung über der Stadt herein. Hatte ich schon einmal durch den Stadtverkehr fahren müssen? Vermutlich nicht, außer vielleicht ein einziges Mal in der Nähe von Castle Rannoch. Aber ich war noch nicht mal durch Edinburgh gefahren, wo es um einiges weniger hektisch zuging als in London.

Lichter blinkten mir ins Gesicht, Hupen ertönten, Doppeldeckerbusse reihten sich vor mir ein. Und ich hatte wenig Kenntnis von den Straßen in diesem nördlichen Teil der Stadt. Also folgte ich dem Hauptverkehrsstrom und betete, dass alles gutging. Ich hatte es nur meinem Glück zu verdanken, dass ich mich an der Baker Street Station wiederfand. Endlich ein Ort, an dem ich mich besser auskannte. Es war ziemlich dunkel, als ich die Oxford Street erreichte. Dann fuhr ich die Park Lane hinunter bis Knightsbridge und bog schließlich in die Kensington Gardens ein, wo ich den massiven Backsteinbau des Palace vor mir sah.

Ich öffnete die Eingangstür in der Erwartung, von Wärme und einem Dienstmädchen begrüßt zu werden, das sich beeilte, mir meinen Mantel und meine Tasche abzunehmen. Stattdessen stand ich in einem völlig menschenleeren Flur und fühlte einen kalten Luftzug um meine Beine streichen. Das erinnerte mich an meine erste Ankunft im Kensington Palace, als es ebenso kalt und unfreundlich gewesen war. Ein seltsames Gefühl überkam mich, ein Gefühl der Unwirklichkeit, dass die letzten Wochen vielleicht nie passiert waren, außer in meinen Träumen oder meiner Vorstellung. Jeden Augenblick würde eine geisterhafte weiße Gestalt an mir vorbeischweben, den Flur hinunter, genau wie bei meinem ersten Besuch, und ich wäre wieder da, wo ich angefangen hatte. Ich starrte auf den dunklen Flur und mein Herz machte einen Sprung, als ich wirklich eine Gestalt die Treppe hinunter auf mich zukommen sah. Aber sie war nicht weiß und unirdisch. Tatsächlich war sie nur allzu körperlich und sie schwebte nicht. Sie trampelte.

„Sie sind zurückgekehrt?“, fragte die Gestalt, als sie näherkam. Ich seufzte. Marina war zwar abgereist, aber ihre Cousine, die gefürchtete Gräfin Irmtraut von Dinkelfingen-Hackensack, war noch immer hier. Die letzte Person, die ich in diesem Augenblick sehen wollte.

Sie blickte mich mit ihrem prüfenden, hochmütigen Blick an. „Man sagte mir, Sie seien bereits abgereist.“

„Ich war nur für kurze Zeit fort. Nicht endgültig“, sagte ich.

Sie runzelte die Stirn. „Nicht gültig? Also ungültig? Warum sind Sie aus einem ungültigen Grund abgereist?“

Alles, was man auf Englisch sagte, verstand die Gräfin ärgerlicherweise wortwörtlich.

„Nein, ich meinte, ich wollte nur für ein paar Tage verreisen, aber leider wurde die Straße Richtung Norden wegen eines Blizzards gesperrt und ich musste zurückkehren.“

„Ein Blizzard? Was ist das?“

„Ein Schneesturm.“

Sie stieß ein missbilligendes Murren aus. „Ich glaube nicht, dass man in England weiß, was ein Blizzard ist. In Russland haben wir Blizzards. In Deutschland haben wir Blizzards. Echte Blizzards. Mächtige Blizzards.“

„Der Blizzard war stark genug, um eine Hauptstraße unbefahrbar zu machen“, sagte ich und suchte nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln. „Und wie lange haben Sie vor zu bleiben?“

„Ich hatte vor, noch einige Tage in England zu bleiben, um kulturelle Orte zu besuchen, bevor ich zum Schloss meiner Eltern in der Nähe von Berlin weiterreise. Aber jetzt ist ein Mann vom Militär aufgetaucht, der behauptete, dass die Wohnung geräumt werden soll und ich abreisen muss. Er ist sogar noch unangenehmer als der erste Mann vom Militär. Er spricht, als würde er mir Befehle erteilen. Außerdem bin ich eine Gräfin und mit den Königsfamilien verwandt. Das schickt sich nicht, meinen Sie nicht?“

„Ganz und gar nicht“, pflichtete ich ihr bei. Ich spürte ein flaues Gefühl im Magen. „Wann müssen wir denn abreisen?“

„Morgen. Er sagte mir, sie würden die letzten Bediensteten fortschicken und diese Wohnung morgen in der Frühe abschließen.“

„Allmächtiger.“ Auf der Fahrt hierher hatte ich gehofft, mich einige Tage lang erholen zu können, bevor ich Fig unter die Augen treten musste. Darcy würde sicher im Palace anrufen, wenn es Neuigkeiten gab. Wenn er im Haus meines Bruders anrief, würde Fig den Butler wahrscheinlich anweisen, zu sagen, ich sei nicht dort. Das hatte sie schon einmal getan.

„Also sind die meisten Bediensteten abgereist?“, fragte ich.

Sie nickte. „Höchst ungelegen. Ich musste nach einem Dienstmädchen läuten, um mehr Kohlen für das Feuer in meinem Schlafzimmer nach oben bringen zu lassen.“

„Und was ist mit den Mahlzeiten?“ Auf der Herfahrt hatte ich nicht angehalten und war nun ziemlich hungrig.

„Ich habe mein Dienstmädchen losgeschickt, um mir ein Tablett aufs Zimmer zu bringen. Aber zum Lunch gibt es nur kalten Aufschnitt und Essiggurken. Das ist ein Mahl für Bauern, nicht für Aristokraten.“ Sie drehte sich um und starrte finster in Richtung Küche. „Und wissen Sie, was sie mir zum Frühstück hochgeschickt haben? Einen Bückling. Kennen Sie einen Fisch namens Bückling? Er ist höchst unangenehm und voller kleiner Gräten. Wo sind die Eier, die Nierchen und der Speck, fragte ich, aber man sagte mir, das sei nun einmal das, was die Köchin für mich zubereitet habe. Ich glaube, sie wollen mich vertreiben, indem sie mir unangenehmes Essen servieren. Zum Abendessen wird es nämlich Höhlenkröte geben.“

Ich musste lächeln. „Sie meinen Toad in the Hole? Mir schmeckt das recht gut. Es erinnert mich an das Essen aus Kindertagen.“

„Ich finde diesen Ort sehr unangenehm“, sagte sie.

„Aber Marinas Hochzeit war schön, nicht wahr?“ Ich blickte zurück zur Treppe und rief mir in Erinnerung, wie sie mit ihren Schwestern, die ihre Schleppe trugen und viel Aufhebens um ihren Schleier machten, die Treppe herunterkam. War das erst gestern gewesen? Es fühlte sich an wie in einem anderen Leben.

„Ja, die Hochzeit war schön“, stimmte Irmtraut zu. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mit diesem Bräutigam glücklich sein wird. Über den englischen Prinzen gibt es schlimme Geschichten, wie ich höre.“

„Er hat sich ein wenig die Hörner abgestoßen, da gebe ich Ihnen recht“, sagte ich und bedauerte es sofort.

„Er ist ein Viehzüchter gewesen? Er hat mit Rindern gearbeitet?“

Ich versuchte, nicht zu lachen. „Nein, das ist ein englischer Ausdruck. Es bedeutet, dass er in gewisser Weise ein wildes Leben geführt hat.“

„Die englische Sprache ist lächerlich“, brummte sie. „Ich werde sie nie verstehen.“

„Wenn Sie lange genug hierbleiben würden, bekämen Sie den Dreh schon heraus“, antwortete ich, wieder einmal, ohne auf meine Wortwahl zu achten.

„Was würde ich herausdrehen?“, fragte sie. Dann schnaubte sie. „Noch so ein dummer englischer Ausdruck, nehme ich an.“

„Ich fürchte ja. Aber ich glaube, Prinz George scheint Marina wirklich gern zu haben, und ich hoffe, dass er sich bemühen wird, sie glücklich zu machen.“

Irmtraut seufzte. „Es ist die Pflicht königlicher Personen, ihre Ehe zu akzeptieren, egal wie unangenehm sie auch sein mag. Sie wird ihre Pflicht tun, das weiß ich.“ Ruckartig sah sie zu mir auf. „Aber Sie – Sie werden Ihre Pflicht meiner Meinung nach nicht erfüllen. Sie werden versuchen, diesen Mann zu heiraten, der Katholik und damit für Sie verboten ist.“

„Ich bin nur die fünfunddreißigste in der Thronfolge“, sagte ich. „Ich glaube nicht, dass es die gekrönten Häupter Europas kümmert, wen ich heirate. Aber ja, ich habe vor, aus Liebe zu heiraten.“

Ich weiß nicht, wohin dieses Gespräch geführt hätte, doch in diesem Moment öffnete sich eine Tür hinter uns und ein Dienstmädchen betrat die Eingangshalle. Als sie mich sah, blieb sie überrascht stehen.

„Ihre Ladyschaft.“ Sie knickste. „Wie haben Sie nicht erwartet. Uns wurde mitgeteilt, Sie wären bereits abgereist und würden nach Ihrem Dienstmädchen und Ihren Sachen schicken.“

„Ich musste unerwartet zurückkehren“, sagte ich. „Ich sollte den Wagen wieder zu seiner Besitzerin bringen, aber danach würde ich gern etwas essen. Können Sie der Köchin bitte sagen, dass ich das Abendessen gern auf meinem Zimmer einnehmen würde? Etwas Warmes, Nahrhaftes. Ich war den ganzen Tag unterwegs.“

Sie wand sich vor Unbehagen. „Ich fürchte, es gibt nur Reste, Mylady. Wir wurden angewiesen, die Küche leer zu räumen. Das ganze Apartment wird geschlossen, müssen Sie wissen. Es gibt noch genug Eintopf für die Gräfin, aber …“

Ich zögerte. Ich war müde, emotional ausgelaugt und ich wollte keinesfalls noch ausgehen, um etwas zu essen zu besorgen. Ich wusste, dass es andere Wohnungen im Palace gab, die von meinen königlichen Großtanten bewohnt wurden; der Prince of Wales bezeichnete sie sogar als „Tantenhaufen.“ Sie würden heute Abend zweifellos gut speisen. Aber ich wusste auch, dass diese königlichen Ladys großen Wert auf das Protokoll legten und man nicht uneingeladen zu Besuch kam.

„Ich bin sicher, die Köchin wird ihr Bestes tun, um bei meiner Rückkehr etwas für mich aufzutreiben“, sagte ich. Ich wollte sie bitten, mein Dienstmädchen zu rufen, um meinen Koffer auf mein Zimmer zu bringen, aber unter den gegenwärtigen Umständen schien es mir einfacher, ihn selbst zu tragen. Mochte der Himmel wissen, was Queenie während meiner Abwesenheit getrieben hatte. Zwei Tage reichten für ein paar Katastrophen aus. Ich stieg zwei Treppen hinauf und öffnete meine Zimmertür. Ich hatte zwar nicht erwartet, Queenie dort vorzufinden, aber zumindest, dass ein Feuer im Kamin brannte. Stattdessen lag mein Koffer auf dem Bett, die Vorhänge waren zugezogen und im Zimmer war es eiskalt. Ein herzlicher Empfang sah anders aus.

Ich ging zur Wand hinüber und zerrte am Glockenzug. inzwischen war ich wirklich ungehalten. Das Dienstmädchen, das mich in der Eingangshalle angesprochen hatte, tauchte auf – natürlich lange vor Queenie.

„Mylady?“, fragte sie. Dann, bevor ich die Gelegenheit hatte, etwas zu sagen, sprach sie weiter. „Oh je. Man muss natürlich ein Feuer im Kamin entzünden. Ich schicke jemanden hoch, der sich darum kümmert. Und Ihr Bett muss wieder gemacht werden.“ Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln. „Machen Sie sich keine Sorgen. Bis Sie zurückkommen, ist alles erledigt.“

Ich stellte meinen Koffer auf den Boden und wandte mich wieder zum Gehen. Es hatte keinen Sinn, hier zu verweilen. Es war zu trostlos, um es in Worte zu fassen. Nach dem Trubel einer königlichen Hochzeit und meiner anschließenden Flucht nach Gretna Green stand ich nun in diesem kalten, einsamen Raum und war den Tränen nahe. Gerade als ich meine Tür öffnete, hörte ich jemanden näherkommen. Nicht mit sanften Schritten, sondern mit lautem Trampeln. Ich glaube, die Bilder an den Wänden erbebten ein wenig, als Queenie vor Anstrengung keuchend am oberen Ende der Treppe erschien. Sie war ein korpulentes Mädchen und nicht gerade das, was man als leichtfüßig bezeichnet hätte.

„Was zum Geier machen Sie schon wieder hier?“, fragte sie. „Mr O’Mara sagte mir, Sie wären fort. Ich sollte zu Ihrem Bruder zurückgehen und dort auf Sie warten.“

„Ich musste unerwartet umkehren.“

Sie stemmte die Hände in ihre breiten Hüften und seufzte. „Ich nehme an, Sie verlangen, dass ich Ihre Koffer wieder auspacke?“

„Das ist deine Aufgabe, Queenie“, sagte ich. „Wo warst du, als ich dich gerufen habe?“

„Unten in der Küche, eine Tasse Tee trinken“, sagte sie, „und den Kümmelkuchen aufessen.“

„Zum Glück reisen wir bald ab“, merkte ich an. „Deine Uniform platzt sonst aus allen Nähten.“

„Ich musste genug essen, um mich bei Kräften zu halten“, erwiderte sie trotzig. „Immer geht es diese verflixten Treppen rauf und runter. Aber was tun Sie hier eigentlich? Nach dem, was Mr O’Mara erzählt hat, dachte ich, Sie wären jetzt in einem netten Hotel und hätten ein bisschen Spaß.“ Ihre letzten Worte wurden von einem anzüglichen Zwinkern begleitet.

„Ganz gewiss nicht“, antwortete ich kühl, obwohl ich vermutlich rot anlief. „Außerdem geht es dich nichts an, was ich tue, Queenie. Ich habe dir schon oft gesagt, dass eine gute Kammerzofe niemals ihre Herrin oder deren Verhalten in Frage stellt.“ Ich musterte sie. Ihre Blusenknöpfe wölbten sich gefährlich, unter ihrer Haube schaute krauses Haar hervor und die Spuren vergangener Mahlzeiten bedeckten die Vorderseite ihres Kleides. Ihre Miene war wie immer arglos und erinnerte an die einer Kuh. Ich seufzte. „Ich hatte gehofft, du hättest das ein oder andere von den Dienstmädchen hier gelernt.“

„Habe ich doch“, sagte sie, immer noch trotzig. „Haben Sie nicht bemerkt, dass ich ‚zum Geier‘ statt ‚zum Teufel‘ gesagt habe? Eines der anderen Dienstmädchen meinte, Fluchen wäre nich’ angebracht und man würde sie feuern, wenn sie jemals ein Schimpfwort benutzte. Also dachte ich mir, ich achte besser ein bisschen auf meine Ausdrucksweise.“

„Ganz recht“, sagte ich. „Du weißt, dass ich viel zu nachsichtig mit dir war. Ich habe dir zu viele Freiheiten zugestanden, aber ich erwarte, dass du von nun an in Bestform bist, sonst kann ich dich wirklich nicht weiterhin beschäftigen. Ich muss das Automobil jetzt seiner Besitzerin zurückgeben, aber ich erwarte, dass mein Zimmer warm und gemütlich ist, wenn ich zurückkomme.“

„Klar wie Kloßbrühe, Miss“, sagte sie, da sie nach zwei Jahren noch immer nicht gelernt hatte, mich mit meinem richtigen Titel anzusprechen. Dann fügte sie hinzu: „Also, was ist denn passiert? Sie und Mr Darcy hatten doch keinen Streit, oder? Er hat Sie doch nich’ sitzenlassen?“

„Ganz gewiss nicht. Mr O’Mara hatte einen familiären Notfall und musste unerwartet nach Irland zurückkehren.“

„Oh, heißt das, dass wir vielleicht nach Irland reisen? Lieber das, als zu ihrer zickigen Schwägerin zurückzugehen.“

Ich wollte gerade zum hundertsten Mal sagen, dass es ihr nicht zustand, Höhergestellte zu kritisieren, aber sie schien es sich nie merken zu können. „Wir reisen nicht nach Irland. Im Moment möchte mich Mr O’Mara nicht sehen.“

Dann ging ich, da ich Angst hatte, sie könnte die Verzweiflung auf meinem Gesicht bemerken.

Kapitel 5

Freitag, 30. November

Zurück in London übernachte ich zum letzten Mal im Kensington Palace. Sehr aufgewühlt. Ich habe keine Ahnung, was der morgige Tag bringen wird.

Als ich auf der Suche nach der Nummer sechzehn mit dem Wagen auf den Eaton Square einbog, war bereits dichter Nebel aufgezogen. Die dornigen Silhouetten der Bäume inmitten des Squares reckten sich undeutlich und drohend im milchigen Dunst in die Höhe und die Luft hatte einen rauchigen Geruch, der das Atmen erschwerte. Bis Mitternacht wäre der Nebel vielleicht undurchdringlich, ein echter Londoner Erbsensuppennebel. Ich war froh, dass ich nicht weit vom Kensington Palace entfernt war. Es gelang mir, den Wagen abzustellen, ohne irgendetwas zu zerschrammen, dann ging ich durch den Bogengang zur Haustür. Ein Dienstmädchen öffnete mir. Ich hätte ihr liebend gern einfach die Schlüssel überreicht und sie gebeten, ihrer Herrin mitzuteilen, dass ich das Automobil zurückgebracht hatte, aber mir war bewusst, dass sie vermutlich wissen wollte, warum ich es so früh zurückgab. Also stellte ich mich vor und wurde hereingebeten. Sie nahm mir Mantel, Hut und Handschuhe ab, dann führte sie mich in einen reizenden Salon. Bevor ich mehr als das prasselnde Feuer im Kamin und das Eisbärenfell davor ausmachen konnte, erhob sich eine Frau von ihrem Platz auf dem Queen-Anne-Stuhl am Kamin.

Darcys Beschreibung eines „lustigen Kameraden“ hatte eine Erwartung in mir geweckt, die mit der Person vor mir wenig zu tun hatte. Ich konnte ihr Alter nicht schätzen – vielleicht vierzig oder etwas älter. Sie trug einen schwarzen Seidenpyjama und in ihrer Hand befand sich die längste Zigarettenspitze, die ich je gesehen hatte. Darin glomm eine schwarze russische Zigarette. Dunkles Haar fiel ihr in seidigen Wellen über die Schultern, ihr Gesicht war makellos geschminkt, ihre Lippen rot und zu einem Schmollmund verzogen. Sie blinzelte ein paar Mal unter ihren schwarzen, unglaublich langen Wimpern hervor. Als sie mir eine lange, schlanke Hand entgegenstreckte, formte sich in meinem Geist das Wort „lasziv“.

„Komm her. Lass dich ansehen.“

Zögernd trat ich näher.

Sie musterte mich prüfend und mir war nur zu bewusst, dass mein Kostüm zerknittert war und der Hut mein Haar platt gedrückt hatte. „Du also“, sagte sie schließlich. „Interessant. Ich hätte dich niemals für seinen Typ gehalten. Aber wo ist der liebe Junge und warum bist du wieder zurück? Ich dachte, Darcy hätte gesagt, ihr würdet einige Tage fortbleiben.“ Ihre Stimme war tief und kehlig, ihr Englisch eine Spur zu hart und perfekt, um Muttersprachlerin zu sein.

„Ich fürchte, Darcy hatte einen familiären Notfall und musste unerwartet nach Irland reisen“, sagte ich. „Er bat mich, den Wagen zu Euch zurückzubringen und Euch seinen Dank auszusprechen.“

„Ich hoffe, es ist nichts allzu Ernstes?“, erwiderte sie.

„Das hoffe ich auch.“

Sie nahm meine Hand in ihre. „Aber du bist ja eiskalt. Setz dich. Hier ans Feuer. Trinkst du Sherry oder Brandy?“

„Ich sollte Euch nicht länger stören, Hoheit“, sagte ich.

Sie lachte. Ihr Lachen war tief und kehlig und passte zu ihrer Stimme. „Du musst mich Alexandra nennen, oder Zou Zou. So nennen mich alle meine Freunde. Jetzt nimm Platz, ich bestehe darauf.“