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Anfangs noch ein streng in sich geschlossenes Format mit wöchentlich wechselnden Bedrohungen und einer lose über allem schwebenden Quest, avanciert die TV-Serie "Supernatural" schon bald zu etwas anderem. Die Form öffnet sich und übernimmt mehr und mehr Wünsche und Anregungen der Fans. Dabei beginnen die Grenzen zwischen produzierender und rezipierender Seite zu verschwimmen. Intelligent verhandelt die Serie die Frage nach der Notwendigkeit, sich an Fans zu orientieren, reflektiert sich selbst und disktuiert die eignen Möglichkeiten hinsichtlich der Wünsche des Publikums. Im vorliegenden Text wird dieser Prozess näher beleuchtet und die Selbstreflexion der Serie auch vor einem queeren Hintergrund erörtert.
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Seitenzahl: 35
Veröffentlichungsjahr: 2022
Der folgende Text enthält Spoiler.
EINLEITUNG
SUPERNATURAL – what?
EVOLUTION
QUEERE LESART
AUTOR*INNENSCHAFT
EPISODE 200
VON FANS FÜR FANS
SCHLUSSBEMERKUNG
LITERATURVERZEICHNIS
Vielen kleineren und größeren Universen hängen Fangemeinschaften an und innerhalb dieser Gemeinschaften gibt es im Speziellen solche Fans, die sich nicht allein darauf beschränken, das jeweilige Universum zu rezipieren, zu konsumieren. Vielmehr suchen sie nach Anknüpfungspunkten, von denen aus sie selber aktiv werden können. Sie kommentieren die Inhalte des Universums, setzen sie grafisch um, schreiben weiterführende, kritisierende und/oder analytische Texte und vieles mehr. Sie beziehen sich dabei auf Details, gründen ihre Fanworks auf Dingen und Eigenschaften, die sie selber für wichtig halten und erweitern so das kanonische Universum um eine Vielzahl von Faktoren im sogenannten Fanon.1
Der Theoretiker Henry Jenkins argumentiert, dass die Bearbeitung einer TV-Serie durch die Fans stets parallel zum Originalgegenstand verläuft1 und dass dieses Original unberührt bleibt. Er argumentiert mit Michel De Certeau und der Passivität der Rezipierenden2 und erstellt so ein Verhältnis zwischen Produktion und Rezeption, welches nur in eine Richtung wirkt, nämlich von den Produzierenden auf das Publikum, nicht aber in entgegengesetzter Richtung.
Sollten die Fans in einen Konflikt mit einer Serie geraten, können sie sich in ihren Fandom flüchten und dort ausleben.
Allein, sie können die Serie, also den Originalgegenstand, nicht ändern.
Im Folgenden möchte ich dieses Verhältnis auf die Probe stellen und analysieren, ob sich die Machtverhältnisse zwischen den beiden Parteien mittlerweile im Sinne einer Emanzipation des Publikums verändert haben. Ich werde mich dabei an der amerikanischen TV-Serie Supernatural orientieren und exemplarisch überprüfen, ob und in wie weit aktiven Zuschauer*innen, also jene, die abseits des reinen Konsumierens Fanworks erstellen, Einfluss auf die Serie nehmen können.
Ferner soll gezeigt werden, dass Supernatural selber eine Art Fanwork ist.
1 Jenkins, Henry, “Scribbling in the margins: Fan readers/Fan writers” in Textual Poachers. Television fans and participatory culture, New York Routledge 20th anniv. Ed. 2013, S. 152-177
2 Jenkins, S. 154
Bei Supernatural handelt es sich um eine Fernsehserie über zwei Monsterjäger. Im US-amerikanischen Fernsehen wurde sie erstmals zwischen 2005 und 2020 ausgestrahlt3 und besteht aus fünfzehn Staffeln. Basis für die Handlung sind die Abenteuer der Brüder Sam (Jared Padelecki) und Dean Winchester (Jensen Ackles), deren Mutter, als sie noch Kinder waren, von einem Dämon ermordet worden war, weshalb sie in der Folge von ihrem Vater (Jeffrey Dean Morgan) zu Monsterjägern ausgebildet wurden.
Im Zuge des Heranwachsens distanzierte sich Sam von dem, wie es heißt, „Familienauftrag“ und entschied sich stattdessen für ein Jurastudium. Als Dean das Verschwinden seines Vaters bemerkte, meldete er sich bei seinem Bruder und bat ihn um Hilfe bei der Suche.
An dieser Stelle setzt die Serie an.
Konzeptuell ruht Supernatural dabei auf drei narrativen Pfeilern. Zum einen werden die Brüder in der Regel pro Episode mit einem neuen Monster („Monster of the week“) konfrontiert, welches am Ende der jeweiligen Folge in die Flucht geschlagen bzw. vernichtet wird. Des Weiteren wird pro Staffel eine Art Hauptquest implementiert, welche es zu erfüllen gilt.4 Der dritte Pfeiler stellt die Beziehung der Brüder zueinander dar. Beide wurden sie wider Willen in das Leben eines Monsterjägers hineingezogen. Dabei verkörpert Dean die Seite, die die Situation als gegeben akzeptiert und ihr bzw. dem Vater loyal zur Seite steht, während Sam sich dagegen sträubt. Er will keine Monster jagen. Stattdessen versucht er in die normale Welt zu flüchten und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Wiederkehrend führt dies zu Spannungen zwischen den Brüdern, wohl aber auch zu Annäherungen, die ihrem Verhältnis und damit der Serie Tiefe verleihen.
Supernatural pendelt zwischen dem Fantastischen und dem Realdramatischen.
In ihrem Aufsatz über das Verhältnis zwischen der Serie und den Fans5, verdeutlicht Laura E. Felschow die Tiefe der Beziehung zwischen den Brüdern und ihre Bedeutung für die Serie, insbesondere der Identifikation der Fans mit ihr. Auch sie unterscheidet zwischen Normalem und Abnormalem. Letzteres bezeichnet sie als „the Others“. In Abschnitt [3.2] differenziert sie zwischen zwei Ebenen von Normal/Abnormal.
1. Normale Welt vs. Monster, Dämonen, etc.
2. Normale Gesellschaft vs. Monsterjäger