Zwei Morde und die Ex - Irene Dorfner - E-Book

Zwei Morde und die Ex E-Book

Irene Dorfner

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Beschreibung

Die Ermittlungen um eine Tote im Teehaus "Kräuterhexe" am Mühldorfer Stadtplatz führen die Kriminalbeamten auf das Grundstück der Inhaberin Sophia Hager im nahegelegenen Polling. Dort entdecken sie in dem ungepflegten Teich die Leiche eines fünfzehnjährigen Mädchens. Zum Kreis der Verdächtigen zählt nicht nur Sophia Hager, sondern auch der Nachbar und dessen Freunde. Dazu bekommt Leo Schwartz Besuch aus der Vergangenheit, der ihn völlig aus der Bahn wirft…

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Seitenzahl: 207

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Irene Dorfner

Zwei Morde und die Ex

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

VORWORT

ANMERKUNG

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

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20.

21.

22.

23.

24.

Liebe Leser!

Von der Autorin sind bisher folgende Bücher erschienen:

Über die Autorin Irene Dorfner:

Impressum neobooks

Impressum

Copyright © 2022 Irene Dorfner

Lektorat:

Earl und Marlies Heidmann, Spalt

Sabine Thomas, Stralsund

FTD-Script, Altötting

Verlag:

Irene Dorfner, Postfach 1128, 84495 Altötting

www.irene-dorfner.com

All rights reserved

Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder in einem Abrufsystem gespeichert oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet oder auf andere Weise übertragen werden.

VORWORT

Leo Schwartz hat es wieder geschafft – Fall 42 ist gelöst. Diesmal hat er es mit gleich mit zwei Morden zu tun - und mit einem Besuch aus der Vergangenheit, der ihn völlig aus der Bahn wirft…

Herzlichen Dank an Sabine, Kläusle und Marlies, die mich wie immer unterstützt haben.

Und natürlich danke ich meinen Männern Frank und Tommy!

Ein großer Dank geht auch an Jörg!

Ich wünsche allen Leo-Schwartz-Fans ganz viel Spaß mit diesem Fall!

Bleibt gesund und passt auf Euch auf!!

Herzliche Grüße aus Altötting

Irene Dorfner

ANMERKUNG

Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

…und jetzt geht es auch schon los:

1.

Um den Bauernhof der achtzigjährigen Gerda Hiebler vor den Toren der bayerischen Wallfahrtsstadt Altötting schlich mitten in der Nacht eine Person, die hier nicht hingehörte. Leise und vorsichtig wurde ein Fuß vor den anderen gesetzt, was beinahe lautlos vonstattenging. Versuche, Türen und Fenster zu öffnen, schlugen fehl. Einen Briefkasten gab es hier nicht. Nur der angrenzende Stall war offen. Das Licht des Smartphones erhellte das Innere. Hier standen nur alte Gerätschaften, auf denen eine dicke Staubschicht lag. Hinter dem Rasenmäher stapelten sich Gartenmöbel, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Es schien, als wäre hier schon lange niemand mehr gewesen, hier war sie falsch. Ziel war das Haus und vor allem die Post des Hauptkommissars Leo Schwartz, der die obere Wohnung, die über eine Außentreppe zu erreichen war, bewohnte. Er lebte seit einigen Wochen nicht mehr allein hier, seine Verlobte Sabine Kofler war zu ihm gezogen. Auch das war der fremden Person nicht unbekannt. Sie suchte weiter. Leise Flüche verhallten in der sternklaren Nacht. Es folgten weitere Versuche, irgendwie ins Haus zu gelangen, bis sie schließlich aufgab. Die Schritte auf dem Kies waren leise, bis man entfernt einen Motor hörte.

Von all dem bekamen Gerda Hiebler, die alle nur Tante Gerda nannten, sowie ihre siebenundsechzigjährige Mitbewohnerin Christine Künstle nichts mit. Gestern Abend waren die Damen aus gewesen und hatten viel zu viel getrunken, weshalb sie tief und fest schliefen. Auch der siebenundfünfzigjährige Leo Schwartz und seine sieben Jahre jüngere Verlobte hatten von dem, was in der letzten Stunde geschehen war, nichts mitbekommen. Die Vorbereitungen zur bevorstehenden Hochzeit liefen auf Hochtouren, was beiden so langsam an die Substanz ging. Es gab so viel zu beachten und zu organisieren, was die Vorfreude auf das besondere Ereignis vor allem bei Sabine sehr schmälerte. Leo freute sich riesig darauf, ihn konnte auch der Stress nicht von seinem Vorhaben abbringen. Allerdings könnte er auf viele Kleinigkeiten, die ihn wahnsinnig nervten, gerne verzichten. Aber das sagte er seiner Verlobten natürlich nicht, warum sollte er? Er wollte sie glücklich sehen und nur das zählte für ihn.

Nur der kleine Hofhund Felix, der mittlerweile sehr rund geworden war, spitzte die Ohren und knurrte. Das Knurren wurde immer lauter. Als er zu Bellen anfing, schimpfte Tante Gerda und schickte ihn in seinen Korb, woraufhin der sich beleidigt zurückzog. Dass er der Einzige war, der das Unheil vielleicht hätte abwenden können, blieb allen Bewohnern verborgen.

„Und? Hast du den Umschlag?“

„Nein. Diese Hinterwäldler haben nicht mal einen Briefkasten am Haus! Ist das zu fassen? Leo wohnt völlig abgeschieden auf dem Land, was im Grunde genommen überhaupt nicht zu ihm passt. Kannst du dir vorstellen, dass der nächste Hof und somit Nachbarn nur zu erahnen sind? Wie kann man hier nur leben!“ Die Stimme zitterte, was nicht nur der Aufregung, sondern auch der Kälte geschuldet war. Die letzten Tage des Mais waren zwar sehr warm, aber manche Nächte dafür kühl und feucht. „Ich habe keine Ahnung, wie ich an den Umschlag kommen soll. Ich kann mir gut vorstellen, dass mindestens eine der alten Frauen den ganzen Tag vor dem Haus sitzt und die Post persönlich entgegen nimmt.“

„Vielleicht gibt es einen Ablageort für die Post. Hast du daran gedacht?“

„Denkst du, ich habe nicht überall nachgesehen? Ins Haus kam ich nicht. Alle Fenster und Türen waren verriegelt – typisch Leo. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie er am Abend seine Runde dreht und alles mehrfach kontrolliert. Einmal Bulle – immer Bulle.“

„Wir brauchen diesen Umschlag!“

„Denkst du, das weiß ich nicht? Das hier war ein Versuch, von dem ich bereits ahnte, dass er schiefgeht. Jetzt folgt Plan B.“

„Melde dich, verstanden? Und pass auf dich auf!“

„Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bekomme den Umschlag, egal wie.“

2.

Am nächsten Tag…

Das neue Teehaus Kräuterhexe am Mühldorfer Stadtplatz war proppenvoll. Von weit her kamen Kunden, um die erlesenen Teesorten, die aus aller Welt importiert wurden und die von der Inhaberin Sophia Hager persönlich mit einheimischen Produkten gemischt wurden, zu probieren und zu kaufen. Ob der Zustrom vielleicht auch daran lag, dass man endlich keine Masken mehr tragen musste und man sich dazu auch noch zum Probieren einer Teesorte endlich wieder hinsetzen durfte? Sophia Hager war sehr geschäftstüchtig, was man ihr aber nicht ansah. Sie war wie einer der Hippies aus den siebziger Jahren gekleidet und fiel vor allem durch ihre pinkfarbenen Haare auf, die immer aussahen, als wären sie schon seit Monaten nicht mehr gekämmt worden. Aber Sophia war zielstrebig und in manchen Bereichen konservativer, als man es sich vorstellen konnte. Sie hatte als Inhaberin von Anfang an großen Wert darauf gelegt, Kunden in einem angenehmen Ambiente einen umfangreichen Service zu bieten – und das kam gut an. Niemand hatte mit diesem Erfolg gerechnet, nur Sophia war von Anfang an von dem Konzept überzeugt. Da sich die Bank querstellte, als sie um einen Kredit bat, hatte sie sich von Freunden Geld geliehen. Das war nicht viel, aber es reichte. Die Renovierungsarbeiten des alten Ladenlokals hatte sie selbst übernommen, die Möbel hatte sie zusammengebettelt oder über Kleinanzeigen günstig erworben. Nur bei der Ware hatte sie nicht gespart. Nach drei Monaten konnte sie die ersten Raten an ihre Freunde zurückzahlen. Wenn es in diesem Tempo weiterging, wäre sie in einem halben Jahr schuldenfrei – daran änderte auch die Pandemie nichts. Sie hatte bestellte Ware vor der Haustür verkauft. Das war ihr erlaubt worden, da alles kontaktlos ablief. Das Geschäft lief super - aber jetzt war plötzlich alles anders. Eine ihrer Stammkundinnen aus Mühldorf war tot. Sie kippte einfach um. Hilflos musste Sophia Hager mit ansehen, wie der Notarzt vergeblich versuchte, die Frau zu reanimieren. Dass inzwischen die Polizei eingetroffen war, hatte sie nicht mitbekommen. Auch, dass der Arzt mit dem Kopf schüttelte, als er angesprochen wurde, ging an ihr vorbei.

„Herzversagen“, sagte der Notarzt zu Hauptkommissar Leo Schwartz. Da es heute sehr heiß war, verzichtete Leo auf seine obligatorische Lederjacke, weshalb jeder sein dunkelblaues T-Shirt mit dem pinkfarbenen Spruch Mein Anzug ist in der Reinigung sehen und lesen konnte. Dass das in Anbetracht der dramatischen Situation nicht angebracht war, interessierte ihn nicht. Für ihn war das ein Kleidungsstück wie jedes andere auch, das seinem eigenen Stil entsprach. Außerdem hatte etwas Spaß noch nie geschadet. Ja, er hatte in seinem Job mit viel Elend zu tun, trotzdem war es ein Job wie jeder andere auch.

„Herzversagen? Die Frau ist höchstens vierzig Jahre alt.“

„Kann vorkommen“, sagte der Arzt unbeteiligt. Er hatte schon zu viel gesehen, als dass er sich noch wunderte. „Hier ist der Totenschein. Wie immer steht es Ihnen frei, meine Diagnose anzuzweifeln.“ Der Notarzt kannte die Kriminalbeamten, allen voran Leo Schwartz. Der nervige Schwabe war immer skeptisch, weshalb er ihn nicht mochte. Das interessierte Leo herzlich wenig. Er rief die Spurensicherung, da ihm das alles merkwürdig vorkam. Außerdem wies er an, die Leiche der Frau in die Pathologie zu bringen. Das gefiel dem Mühldorfer Polizeichef sicher nicht, aber den Ärger nahm er gern auf seine Kappe.

„Die Tasche der Toten?“, wandte er sich an eine Frau, die sehr betroffen wirkte.

„Wir saßen an diesem Tisch“, zeigte sie auf einen der acht kleinen Tische. „Ihre Tasche hängt über der Lehne.“

„Sie kennen das Opfer?“

„Nicht wirklich. Wir liefen uns hier manchmal über den Weg, wir waren beide Teeliebhaber. Wenn man sich mal des Themas annimmt, was Kräuter und Gewürze mit einem machen, kommt man nicht mehr davon los.“

Leo interessierte sich nicht für Tee, er war Kaffeetrinker mit Leib und Seele. Und dabei war es ihm egal, ob mit oder ohne Milch, nur reichlich Zucker war wichtig.

„Wie ist der Name?“

„Meiner?“

„Ja, den brauche ich auch noch, aber zunächst würde mir der Name des Opfers genügen.“

„Renate Mödl.“

„Verheiratet?“

„Ich?“

„Nein, ich meine Frau Mödl.“

„Das weiß ich nicht. Wie ich schon sagte, kannten wir uns nicht sehr gut. Wenn wir miteinander sprachen, dann nur über Tee und Kräuter.“

Leo notierte sich den Namen der Frau und entließ sie vorerst, dann nahm er sich die Tasche des Opfers vor. Dort fand er neben dem Ausweis auch ein Handy, das zum Glück nicht gesperrt war. Er scrollte durch die Namensliste. Nichts deutete auf einen Ehemann hin, denn es waren nur Vornamen hinterlegt. Leo rief im Präsidium an und bat dort um Informationen über die Tote, die er nach wenigen Augenblicke hatte. Es gab einen Ehemann, aber keine Kinder. Letzteres beruhigte ihn. Wenn es Kinder gäbe, mussten die noch sehr jung sein, denn aus dem Ausweis war ersichtlich, dass Frau Mödl erst vierunddreißig Jahre alt war. Was sie wohl um diese Zeit hier machte? Es war Mittwoch und somit ein ganz normaler Wochentag. Vielleicht hatte sie Urlaub, oder war krank? Schichtarbeit käme auch in Frage. Leo schob den Gedanken zur Seite, die Frage wurde spätestens bei dem Gespräch mit dem Ehemann geklärt.

Sophia Hager sah fassungslos mit an, wie ein Tuch über den leblosen Körper ihrer Kundin gelegt wurde. Ihr versagten die Knie, sie musste sich am nächstbesten Stuhl festhalten. Die Kundin war tot, das hatte sie verstanden. Das war dramatisch, aber ihre Schuld war es nicht. Wie ging es jetzt weiter? Der Laden war voll, davor hatte sich eine riesige Menschentraube versammelt. Viele Blicke waren auf sie gerichtet, außerdem sprach man über sie. Dann bemerkte sie die vielen Handys, die in die Luft gehalten wurden. Es wurden jede Menge Fotos und Videos gemacht. Wie ätzend war es, dass man sich auch noch am Unglück eines Menschen ergötzte und davon auch noch Aufnahmen machte?

Sophia beruhigte sich langsam und begann, die Tische abzuräumen – so, wie sie es immer tat. Jeder Handgriff saß.

„Was machen Sie da? Lassen Sie das!“

Sophia drehte sich erschrocken um und starrte den riesigen Mann vor sich an.

„Ich möchte nur sauber machen“, stammelte sie.

„Das ist ein Tatort, hier darf nichts verändert werden!“ Leo war sauer. Es gab beinahe täglich Krimis im Fernsehen, die er für völlig unrealistisch hielt. Allerdings wurde daraus immer deutlich, dass man an einem Tatort nichts anfassen darf. Warum lernten die Leute nichts daraus? Er zeigte seinen Ausweis und stellte sich vor, was Sophia aber nicht wirklich interessierte. Was hatte der Polizist eben gesagt?

„Tatort? Die Frau wurde doch nicht ermordet, sondern ist einfach umgefallen.“

„Das steht noch nicht fest. Die Kollegen der Spurensicherung sind unterwegs. Bis die grünes Licht geben, bleibt hier alles unverändert. Sie haben mich verstanden?“

Sophia nickte. Sie hatte noch niemals mit der Polizei zu tun, außerdem schüchterte sie die dominante Art des Mannes ein.

Leo bekam ein schlechtes Gewissen. Er war zu hart zu ihr gewesen, aber seine Anweisung musste fruchten. Hans hatte sich bereiterklärt, die Gäste des Teehauses und eventuelle Zeugen zu vernehmen, Leo sollte sich mit der Inhaberin unterhalten. Leo wandte sich wieder der Frau zu, diesmal wählte er seine Worte bedächtiger und daher klangen sie sehr viel freundlicher.

„Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“

„In meinem Büro?“

„Sehr gerne.“

Das Büro war eine winzig kleine Kammer, die zumindest ein Fenster hatte. Die Aussicht auf den Innenhof war nicht berauschend, denn der war mit Kartonagen, Plastiksäcken und mehreren Mülltonnen vollgestellt.

Sophia schilderte mehrmals den Vorfall, der ihr wie ein Alptraum vorkam. Wieder und wieder beteuerte sie, dass sie oder gar ihre Tees nichts mit dem Tod der Kundin zu tun hatten.

„Das werden wir klären, keine Sorge. Woher beziehen Sie Ihre Tees?“

„Von einem Großhändler aus Bremen, der die Tees seinerseits direkt von Herstellern aus verschiedenen Ländern bezieht. Absolute Spitzenware, die nichts mit dem Dreck aus Discountern und Supermärkten zu tun hat. Ich bestelle die hochwertigen Produkte und mixe daraus meine eigenen Mischungen.“

„Nichts Eigenes, das Sie dazugeben?“

„Selbstverständlich! Ich nehme das Übliche: Pfefferminze in diversen Geschmacksrichtungen, Lavendel, Rosmarin und so weiter. Alles, was in meinem heimischen Garten wächst.“

„Ist das erlaubt?“

„Selbstverständlich! Ich mache nichts, das gegen geltendes Recht verstößt. Der Anbau in meinem Garten unterliegt den geltenden Bio-Richtlinien. Außerdem habe ich vor knapp zwei Jahren einen Anbau an mein Haus nach Vorschrift bauen lassen. Dort wird die Ware bei optimalen Bedingungen gelagert. Sie können sich gerne davon überzeugen, dass alles in Ordnung ist.“

„Das werden wir, sofern die Spurensicherung einen Verdacht in diese Richtung ausspricht. Seit wann besteht dieses Geschäft?“

„Seit einem Jahr, davor betrieb ich einen Internethandel. Viele hielten mich für wahnsinnig, dass ich während der Pandemie einen Laden eröffnete. Ich bin ein Bauchmensch und höre immer auf mein Bauchgefühl.“

Das konnte Leo sehr gut nachvollziehen.

„Dieser Laden war immer mein Traum gewesen. Ich habe die Pandemiezeit trotz aller Widrigkeiten sehr gut überstanden, seit dem Ende der Beschränkungen läuft er noch sehr viel besser. Der Tod meiner Kundin ist eine Katastrophe. Ich werde den Laden schließen müssen.“

„Nun malen Sie nicht gleich den Teufel an die Wand“, versuchte Leo die Frau zu trösten.

„Sie haben gut reden! Ich habe die vielen Handys gesehen, Fotos und Videos grassieren sicher schon lange im Internet. Irgendein Idiot informiert ganz sicher die Presse. Ich kann mir die morgigen Schlagzeilen schon lebhaft vorstellen. Das kann mir das Genick brechen! Gerade erst habe ich die Pandemie hinter mir gelassen – und jetzt das!“ Sophia weinte, was bei ihr sehr ungewöhnlich war.

„Fahren Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus. Wir melden uns, wenn Sie den Laden wieder öffnen können.“

„Wie lange wird das dauern?“

„Unsere Spurensicherung arbeitet schnell, keine Sorge.“ Leo vermutete einige Tage, aber das behielt er für sich.

Friedrich Fuchs, der Leiter der Mühldorfer Spurensicherung, hatte den Laden weiträumig absperren lassen. Das wurde unter den Schaulustigen mit Murren aufgenommen, aber trotzdem fügte man sich. Der Besitzer des angrenzenden Ladens reagierte darauf allerdings ungehalten, denn durch die Absperrung wurde den Kunden der Zugang zu seinem Geschäft erheblich erschwert.

„Wie lange soll das hier noch gehen?“, wandte er sich an einen Polizisten, der wortlos auf Fuchs zeigte. Wütend ging der Mann weiter und baute sich vor Fuchs auf. Der aufgestaute Ärger entlud sich.

Fuchs‘ Kollegen zogen die Köpfe ein, denn sie kannten ihren Chef.

„Name?“ Mehr sagte Fuchs nicht.

„Stefan Wadlbrunner. Wie bereits erwähnt, bin ich der Inhaber des angrenzenden Ladens. Mit Ihren Maßnahmen…“

„Ihren Namen merke ich mir. Dass wir hier sind, weil es einen Todesfall gab, scheint Sie offenbar nicht zu interessieren.“

„Das ist tragisch, aber ich kannte das Opfer nicht, schließlich ist dieser schreckliche Vorfall nicht in meinem Laden geschehen. Ich bin ein ehrbarer Bürger, der immer pünktlich seine Steuern zahlt. Und jetzt werde ich durch einen Vorfall, der absolut nichts mit mir zu tun hat, an meiner Arbeit gehindert. Das geht so nicht.“

Fuchs schüttelte nur den Kopf, für diese Reaktion hatte er kein Verständnis.

„Ihr Verhalten wird noch Konsequenzen haben, darauf können Sie sich verlassen. Sie gehen jetzt sofort hinter die Absperrung, die gilt nämlich auch für Sie, Herr Wadlbrunner!“

„Haben Sie nicht verstanden, dass meine Kunden am Betreten meines Ladens gehindert werden? Wer bezahlt mir den Ausfall?“

„Ich sage das jetzt nur noch ein einziges Mal: Wenn Sie nicht sofort verschwinden, werde ich Sie festnehmen lassen.“

„Was fällt Ihnen ein? Ich werde mich über Sie beschweren! Ich kenne den Polizeichef persönlich!“

„Und wenn Sie der Papst wären: Die Absperrung gilt für jeden!“ Fuchs winkte einen Uniformierten zu sich, da er keine Lust hatte, noch länger mit dem Mann zu diskutieren.

Stefan Waldlbrunner erkannte den Ernst der Lage und ging. Den heutigen Tag konnte er vergessen. Wenn er das gewusst hätte, hätte er der Kollegin nicht freigegeben und wäre viel lieber Golfen gefahren.

„Ich habe veranlasst, die Tote in die Gerichtsmedizin zu bringen. Der Arzt hat eine natürliche Todesursache auf dem Totenschein vermerkt, aber das gefällt mir nicht“, sagte Leo zu Fuchs, der daraufhin nur nickte. Wenn der Kollege Schwartz Zweifel hatte, genügte ihm das. „Haben Sie etwas für uns?“

„Das ist noch zu früh. Ich melde mich, sobald ich etwas finde.“

Die Befragungen der Zeugen und Schaulustigen waren zäh und nervenaufreibend. Es war wie immer: Diejenigen, die nichts gesehen hatten, machten sich wichtig, während sich tatsächliche Zeugen vermutlich längst aus dem Staub gemacht haben. Die Ergebnisse waren ernüchternd.

„Das hier gefällt mir nicht“, sagte Leo zu Hans.

„Mir auch nicht. Warten wir ab, was Fuchs findet.“

Fuchs und seine Leute gingen routiniert vor. In mehreren Kunststoffbehältern wurden jede Menge Proben gesammelt, die später untersucht werden mussten. Fuchs machte einige Schnelltests. Ob er etwas herausgefunden hatte? An seinem Gesicht konnte man wie immer nichts ablesen.

„Und? Was haben Sie für uns?“, wandte sich Hans Hiebler schließlich an den Kollegen Fuchs, nachdem er geduldig gewartet hatte. Den sechzigjährigen Kriminalkommissar umhüllte auch heute wieder ein Herrenduft, den Leo als sehr aufdringlich empfand.

„Können Sie nicht warten?“, maulte Fuchs.

„Nein, können wir nicht. Alle Zeugen wurden befragt, wir sind momentan arbeitslos. Sie haben die Wahl, Kollege Fuchs: Entweder geben Sie uns etwas, mit dem wir arbeiten können, oder ich bleibe hier stehen und sehe Ihnen über die Schulter.“

„Gut, Sie haben gewonnen. Ein Schnelltest ergab eine hohe Bleibelastung in dem Tee, den das Opfer getrunken hat.“

„Und daran stirbt man?“

„Plötzlicher Tod ist ausgeschlossen. Eine hohe Bleibelastung verursacht Leberschäden, die nicht selten irreparabel sind. Außerdem ist Blei krebserregend. Das müssten Sie eigentlich wissen, das gehört zur Allgemeinbildung. Obwohl das nicht todesursächlich ist, muss man der Sache unbedingt nachgehen.“

„Das werden wir. Das ist doch schon was, damit können wir arbeiten. Vielen Dank.“

Hans Hiebler suchte seinen Kollegen Leo Schwartz, den er im Gespräch mit einem Uniformierten fand.

„Blei im Tee.“

„Und daran ist die Frau verstorben?“

„Vermutlich nicht.“ Hans wiederholte das, was er von Fuchs erfuhr. Er war zufrieden, dass auch Leo nicht wusste, welche Auswirkungen Blei zugeschrieben werden. „Trotzdem müssen wir uns darum kümmern, denn eine hohe Bleibelastung im Tee ist eine Katastrophe und eine Sache für die Polizei.“

„Die Inhaberin mischt die Tees zuhause zusammen. Sie kauft Tee ein, baut einige Kräuter aber auch selbst an.“

„Wo ist die Frau?“

„Keine Ahnung, eben war sie noch hier.“

Leo suchte nach der Frau und fand sie an einem roten Kleinwagen.

„Gut, dass Sie noch nicht weg sind, so können keine Beweise vernichtet werden. Geben Sie mir Ihren Hausschlüssel.“

„Warum?“

„Weil Ihre Tees nicht ganz so harmlos sind, wie Sie vorgeben. Es gibt Hinweise darauf, dass sie verunreinigt sind.“

„Verunreinigt? Was erzählen Sie denn da? Meine Tees…“

„Hausschlüssel! Sollten Sie mir die Übergabe verweigern, werden wir die Tür aufbrechen müssen.“

Erschrocken gab Sophia dem ungehobelten Mann ihren üppigen Schlüsselbund. Sie dachte zu spät daran, dass daran auch ihr Autoschlüssel hing.

„Halt! Warten Sie! Ich komme mit!“

„Sie sollten hierbleiben. Die Spurensicherung hat etwas gefunden und braucht Sie vielleicht für eventuelle Rückfragen.“

„Was denn jetzt? Vorhin schicken Sie mich nach Hause, jetzt soll ich bleiben.“

Leo zögerte. Vielleicht war es gut, dass die Frau bei der Hausdurchsuchung dabei war.

„Also gut, steigen Sie ein.“

„Kommt nicht in Frage! Ich fahre selbst und Sie folgen mir!“

Leo war einverstanden und gab ihr den Schlüsselbund zurück.

„Dass du dich immer wieder von anderen herumkommandieren lässt, stört mich gewaltig“, maulte Hans, der die kurze Auseinandersetzung der beiden mitbekommen hatte.

Leo sagte nichts darauf. Warum sollte er? Er hatte entschieden und dazu stand er auch. Warum sollte die Frau nicht vorausfahren und bei der Hausdurchsuchung anwesend sein? Dass das Hans nicht passte, interessierte ihn herzlich wenig, schließlich hätte er sich ja einmischen können, was er aber nicht getan hatte. Hinterhermaulen konnte er nicht leiden. Wenn jemand etwas zu sagen hatte, sollte er das sofort tun, oder die Klappe halten.

Die Fahrt ging quer durch Mühldorf bis in die kleine Gemeinde Polling, die nach einigen Äckern und Wiesen fast an die Stadt angrenzte. Sophia Hager stoppte vor einem alten Haus und wies den Polizisten einen Parkplatz zu, der als solcher nicht gleich zu erkennen war, denn der stand voller Pflanzen und Dekomaterial, das Sophia rasch zur Seite räumte und damit den Eingangsbereich des Hauses stark minimierte. Vor allem die Männer mussten höllisch aufpassen, nicht irgendetwas umzuschmeißen oder zu beschädigen. Sophia Hager war klein und wendig, sie ging sehr viel geschickter vor – kein Kunststück bei den kleinen Füßen.

„Ich wohne seit gut zwei Jahren hier. Der alte Bauernhof wurde vom Sohn sofort nach dem Tod der Eltern verkauft. Ich hatte Glück, denn genau so etwas habe ich schon lange gesucht“, erklärte Sophia nicht ohne Stolz.

Leo und Hans folgten der Frau quer durchs Haus, das die neue Eigentümerin an vielen Stellen renoviert und gemütlich eingerichtet hatte. Dann ging es den riesigen, zugegebenermaßen überwiegend verwilderten Garten direkt zu einem Anbau, der ziemlich neu aussah und hier irgendwie nicht hinpasste. Auch vor dem Anbau war alles dekortiert, es grünte und blühte in vielen Töpfen, Wannen und Tonnen. Auf dem Gartengrundstück bemerkten Leo und Hans drei üppig bepflanzte Hochbeete und ein Gewächshaus, Letzteres schon sehr alt.

Die Kriminalbeamten registrierten, dass die Tür des Anbaus nicht abgeschlossen war, denn Sophia ging direkt hinein. Große Fenster erhellten den Raum, trotzdem wurde die Deckenbeleuchtung eingeschaltet. Behältnisse unterschiedlicher Größen und Formen füllten die üppigen Regale an den Wänden, im Zentrum stand ein riesiger Tisch mit einer digitalen Waage. An den Leinen, die quer durch den Raum führten, hingen jede Menge Kräuterbüschel. Hans bemerkte den Plattenspieler direkt neben der Tür, dazugehörige Boxen und eine Reihe Schallplatten. Ein kurzer, prüfender Blick bestätigte seine Vermutung: Die Frau hörte Rockmusik vom Feinsten, genau sein Geschmack. Sofort wurde ihm Frau Hager sympathischer, was er aber für sich behielt.

„Hier lagere ich meine Teesorten, alles natürlich bei perfekter Temperatur, die ich regelmäßig überprüfe.“ Sophia sah die Kriminalbeamten stolz an. Dieser Anbau mit der Klimaanlage beruhte auf ihren eigenen Plänen und hatte ein Vermögen gekostet. Dafür hatte sie den Schmuck ihrer verstorbenen Großmutter verkaufen müssen, was aber nicht gereicht hatte, hierfür musste sie noch einen Bausparvertrag einsetzen und abzahlen.

Leo ging durch den Raum und war zufrieden. Alles ordentlich und sauber.

„Sie dürfen gerne meine Bestände überprüfen, der Laptop liegt in der Schublade des Tisches.“

„Den Laptop nehmen wir mit“, bestimmte Leo.

„Wie Sie meinen, ich habe nichts zu verbergen.“

„Wo wachsen Ihre eigenen Kräuter?“

Sophia ging in den Garten und zeigte auf das Gewächshaus und die drei Hochbeete.

„Ich verwende nur beste Pflanzerde.“

„Welche Dünger?“

„Selbstverständlich verzichte ich auf chemische Dünger, die haben bei mir nichts verloren. Ich benutze Kaffeesatz, Brennnessel- und Algenansatz – letztere selbstverständlich auch aus biologischem Anbau. Für das Gemüse meiner Hochbeete wird regelmäßig Pferdemist vom Hof eines befreundeten Landwirtes geliefert. Ich halte mich nicht nur an die Bio-Richtlinien, sondern überschreite sie deutlich.“

Hans bemerkte die Obstbäume, am Zaun gab es jede Menge Beerensträucher.

„Sind das Bienenstöcke?“

„Ja, aber nur für den Eigenbedarf. Ich lebe so weit wie möglich autark, was mir früher sehr viel besser gelungen ist. Als ich noch keinen Laden hatte, habe ich sogar mein Brot selbst gebacken, dafür fehlt mir jetzt allerdings die Zeit. Ja, der Garten könnte etwas gepflegter sein, aber das Obst wächst auch so, da brauche ich nichts zu tun.“

„Die Spurensicherung wird zu Ihnen kommen und alles untersuchen. Wir möchten Sie bitten, nichts zu verändern.“

„Was sollte ich verändern? Ich bin froh, wenn alles so bleibt wie es ist. Denken Sie wirklich, dass ich meinen Kunden vergiftete Tees verkaufe? Warum sollte ich das tun? Dadurch würde ich mir mein Geschäft kaputtmachen. Ich verbürge mich für meine Tees!“

„Seit wann leben Sie hier?“