24/2 - Eve Bourgeon - E-Book

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Eve Bourgeon

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Beschreibung

Zweimal vierundzwanzig Stunden, Woche für Woche. Zwei Tage, die erfüllt sind von Lust und Leidenschaft, von Dominanz und Unterwerfung. Erfüllte Wochenenden einer tief empfundenen und doch zerbrechlichen Liebe. Diese Geschichte hat sich genau so zugetragen: Irgendwo und irgendwann. Vielleicht waren die Ereignisse auch ein wenig anders, die Details sind immer andere. Es kommt darauf an, wer die Geschichte erzählt.

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Seitenzahl: 56

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Er wachte auf und blieb mit geschlossenen Augen liegen, um die morgendlichen Geräusche ungestört in sich aufnehmen zu können. Unter dem Rascheln der Blätter und dem geschäftigen Zwitschern der Vögel vernahm er deutlich ihre ruhigen Atemzüge. Er drehte sich auf die Seite, zu ihr, um sie anzusehen. Sie schlief noch fest, und er betrachtete sie eine Weile, beobachtete eine Haarsträhne, die sich durch ihren Atem leicht hin und her bewegte. Sie war wunderschön, wenn sie schlief.

Es schien, als würde sie seinen Blick im Schlaf spüren, sie wurde wach – vielleicht waren es auch die tanzenden Sonnenstrahlen auf ihrer Haut, die sie geweckt hatten. Sie lächelte ihn ruhig an, schien das Ritual für einen Moment vergessen zu haben, doch dann wandte sie sich zu ihrer Seite des Bettes und griff nach ihrem auf dem Nachtschränkchen liegenden Halsband.

Doch er hielt ihre Hand fest.

»Heute will ich keine Sklavin.«

Sie blickte ihn an, und in ihrem Gesicht stand für einen Augenblick Erstaunen, bevor sie zu ihrem vorherigen Lächeln zurückkehrte. Nein – es war ein neues Lächeln, in ihren Augen schien ein anderer Glanz zu liegen, als zuvor. Bevor er sie daran hindern konnte, sprang sie mit einer schnellen Bewegung aus dem Bett und huschte aus dem Zimmer. Wie immer, wenn sie das Wochenende bei ihm verbrachte, trug sie eines seiner für sie viel zu großen Hemden. Und obwohl ihm klar war, dass seine Einbildung ihm einen Streich spielte, glaubte er, den weiten Stoff flattern zu hören, als sie durch die offene Tür verschwand. Das Klappern aus der Küche zeigte an, dass seine Befürchtung richtig gewesen war, sie bereitete das Frühstück vor. Enttäuscht drehte er sich wieder auf den Rücken und starrte auf die Tapete an der Decke des Schlafzimmers. Er hatte sie mit einem Frühstück im Bett überraschen wollen – vielleicht, denn es wäre möglicherweise tatsächlich übertrieben gewesen. Auf jeden Fall sollte dieses Wochenende anders werden, als die vielen Wochenenden zuvor.

»Manchmal beneide ich andere Paare.«

Er hatte sie am Vortag, wie an jedem Freitag, vom Bahnhof abgeholt, und auf dem Weg zum Auto waren sie an einem frischverliebten, Händchen haltenden Pärchen vorbei gegangen. Die beiden schienen heillos verliebt, versunken in ihrer eigenen kleinen Realität aus Harmonie und Selbstvergessenheit. Sie hatte sie angesehen, und ihr Blick hatte seltsam traurig gewirkt, als die Worte einige Schritte später aus ihrem Mund gekommen waren. Er hatte nicht darauf geantwortet, aber der Satz hatte sich in seinen Kopf gebrannt, ihn nicht wieder losgelassen, ihn später am Einschlafen gehindert und einen Entschluss in ihm reifen lassen.

Eine ganz normale Beziehung – es war nicht das, was er sich erträumt hatte, es war nicht das, was sie lebten. Was sie lebten, war etwas anderes, war etwas, dass auf sie beide einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt hatte, von dem sie geglaubt hatten, dass er sich niemals im Alltag würde verlieren können. Aber es war anders gekommen. Der gewohnte Ablauf nagte an ihnen, nagte an ihrer Beziehung, an ihrer Liebe zueinander. Er hatte es gespürt, lange bevor jener Satz gefallen war. Würde er sie verlieren? Sie war sein Leben, sie war der Angelpunkt, ohne den er verloren dahin treiben würde, wie ein einsames Stück Holz im trüben Strom des Lebens.

Eine ganz normale Beziehung – mit ihr – ja, verdammt, mit ihr schien auch das möglich.

Er stand auf und ging zu ihr in die Küche. Sie hatte den Tisch sorgfältig hergerichtet, es gab Toast, frisch gepressten Orangensaft und dunklen, verführerisch duftenden Kaffee. Sie schien wie verwandelt, hatte alle Unterwürfigkeit abgelegt, wie ein zu eng gewordenes Kleidungsstück. Ihr Verhalten irritierte ihn, denn er hatte geglaubt, sie sanft zum Ziel führen zu müssen.

In seiner Vorstellung hatte er sich ausgemalt, wie er sie immer wieder aufs Neue davon würde abhalten müssen, ihm auf vielerlei Art ihren Gehorsam, ihre Hingabe zu ihm zu beweisen. Dass sie nun von einem Moment auf den anderen ihre Identität wechselte, war seltsam, beinahe unglaubwürdig. Vielleicht war er noch nicht wach, vielleicht war das hier einer jener realistischen Träume, die einem morgens vor dem Wachwerden durch den Kopf flogen. Kurze Episoden voll mit Bildern, Geräuschen und Gerüchen, die so echt waren, dass man zuckend und orientierungslos erwachte, nur um die Augen wieder zu schließen und in die nächste Geschichte hinein zu dämmern.

Er umschloss mit der Hand seinen Kaffeebecher und löste seinen Griff erst wieder, als das Gefühl von Hitze allmählich in Schmerz überging. Zu real für einen Traum. War das eines ihrer vielen Spiele, mit denen sie ihn so gern in die Irre führte? Er kannte sie nun schon so lange, aber wirklich verstehen würde er sie wohl nie. Immer wenn er glaubte, sie endlich zu kennen, zeigte sie ihm eine neue Seite, überraschte sie ihn.

Nun also ein ganz normales Wochenendfrühstück eines ganz normalen Paares – nicht die schlechteste Art, einen Tag zu beginnen. Sie redeten und lachten, und seine Unsicherheit wich Stück für Stück einer eigenartigen Beschwingtheit, einem Gefühl von Freude und neu erwachtem Optimismus. Das Radio – sie hatte tatsächlich ohne jede Scheu den Sender verstellt – spielte jene Art nichtssagenden Einheits-Pop, den er normalerweise nicht länger als zehn Minuten ertragen konnte, doch der ihm heute melodisch erschien, ihn beinahe zum Mitsummen animiert hätte.

Das hier war gut – es war ungewohnt und erinnerte in unerquicklicher Weise an längst vergangene Beziehungen. An jene Verbindungen, in denen er sich hatte verstellen müssen, da er es nicht gewagt hatte, seine Wünsche zu offenbaren und damit sein inneres Selbst zu entblößen. Aber das war die Vergangenheit. Das hier war anders, denn sie kannte ihn, kannte jede Facette seines Wesens – auch jene triebhafte, wilde Seite, die er vor anderen stets verborgen hatte und die er abseits ihrer Zweisamkeit auch jetzt noch sorgfältig versteckte.

Sie saß mit ihrem Liebsten am Frühstückstisch, während im Hintergrund das Radio vor sich hin dudelte. Sie fand es einfach herrlich bei ihm, denn sie fühlte sich wohl in seiner Nähe, geliebt und geborgen.

Er warf ihr sein unwiderstehliches Grinsen zu, das sie zu jeder Zeit aufmunterte, egal was vorher gewesen war. Sie saßen nun an seinem Tisch wie ein ganz normales Liebespaar. Das erste Mal war dies der Fall. Das erste Mal so ganz ohne ihre übliche Rollenverteilung. Was war geschehen, was hatte er vor? War es dieser beiläufige Satz gewesen, den sie gestern hatte fallen lassen, als dieses verliebte Pärchen an ihnen vorbei lief? Dass sie manchmal andere Paare beneiden würde? Sie hatte diese Episode schon beinahe vergessen gehabt, hatten ihre Worte so einen bleibenden Eindruck auf ihn gemacht?