One Bossy Offer - Nicole Snow - E-Book

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Nicole Snow

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Beschreibung

Jenn hat das Traumleben ihrer Großmutter geerbt – doch leider auch einen gewaltigen Haken: Miles Cromwell.

Miles Cromwell ist grimmig, kontrollsüchtig, Milliardär – und Jenns unausstehlicher Nachbar. Sein Angebot für ihr Grundstück endet in einer Katastrophe. Doch das ist erst der Anfang. Die Wiedereröffnung des Gasthauses ihrer Großmutter kostet ein Vermögen, und als Miles mit einem verlockenden Jobangebot zurückkehrt, bleibt ihr keine Wahl.

Jenn war sich sicher, sie könnte ihn ignorieren: seine Befehle, seinen Blick, sein sündhaft gutes Aussehen. Doch Miles ist ein wandelnder Widerspruch – und je mehr sie gegen ihre Gefühle kämpft, desto mehr zieht er sie in seinen Bann.

Wird sein letztes Angebot ihr Herz gewinnen – oder brechen?


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Seitenzahl: 690

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Jenn hat das Traumleben ihrer Großmutter geerbt – doch leider auch einen gewaltigen Haken: Miles Cromwell.

Miles Cromwell ist grimmig, kontrollsüchtig, Milliardär – und Jenns unausstehlicher Nachbar. Sein Angebot für ihr Grundstück endet in einer Katastrophe. Doch das ist erst der Anfang. Die Wiedereröffnung des Gasthauses ihrer Großmutter kostet ein Vermögen, und als Miles mit einem verlockenden Jobangebot zurückkehrt, bleibt ihr keine Wahl.

Jenn war sich sicher, sie könnte ihn ignorieren: seine Befehle, seinen Blick, sein sündhaft gutes Aussehen. Doch Miles ist ein wandelnder Widerspruch – und je mehr sie gegen ihre Gefühle kämpft, desto mehr zieht er sie in seinen Bann.

Wird sein letztes Angebot ihr Herz gewinnen – oder brechen?

Über Nicole Snow

Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.

Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.

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Nicole Snow

One Bossy Offer

Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

I: KEIN DING (JENN)

II: KEIN KOSTENLOSES MITTAGESSEN (MILES)

III: KEINE GROSSEN VERSPRECHUNGEN (JENN)

IV: SCHWELENDES FEUER (MILES)

V: ALLES UNTER KONTROLLE (JENN)

VI: NICHTS FÜR UNGUT (MILES)

VII: KEINE GEHEIMNISSE UNTER FREUNDEN (JENN)

VIII: KEIN ZURÜCK (MILES)

IX: KEIN ZUCKER MEHR (JENN)

X: AUF DAUER UNWIDERSTEHLICH (MILES)

XI: KEIN ZWEIFEL (JENN)

XII: KEIN BÖSES BLUT (MILES)

XIII: WER A SAGT, MUSS AUCH B SAGEN (JENN)

XIV: KEINE SCHLECHTE PRESSE (MILES)

XV: KEINE AUSNAHME (JENN)

XVI: KEIN ZURÜCK (MILES)

XVII: NUR DU ALLEIN (JENN)

XVIII: KEIN SONNENUNTERGANG (MILES)

XIX: HEIMLICHKEITEN (JENN)

XX: KEINE GUTE TAT (MILES)

XXI: KEIN TROCKENES AUGE (JENN)

XXII: KEINE ZEIT FÜR REUE (MILES)

XIII: KEINE SÜSSEN TRÄUME (JENN)

XXIV: KEINE TRÄNEN (MILES)

XXV: DIE LIEBE IST KEIN SPAZIERGANG (JENN)

XXVI: WIEDERSEHEN MIT EINEM ENGEL (MILES)

XXVII: ICH WERDE DICH NIE VERGESSEN (JENN)

XXVIII: KEIN LETZTES WORT (MILES)

XXIX: NO FINAL OFFER (JENN)

ZEITSPRUNG : NICHTS ZU LACHEN (MILES)

Impressum

I: KEIN DING (JENN)

»Du musst das nicht tun, Jenn. Du musst dir das nicht antun und die Pension weiterführen, das ist dir schon klar, oder?«

Seufzend blicke ich zum dritten Mal an diesem Tag hinaus aufs Meer, das Telefon so fest ans Ohr gedrückt, dass es wehtut.

Das Sonnenlicht verwandelt das Wasser in funkelndes Silber.

Ich habe das Meer schon immer geliebt, und die Aussicht vom Bee Harbor Inn ist einmalig.

Und genau das lässt mich dieses quälende Gespräch aushalten.

Sicher, das Haus ist renovierungsbedürftig, aber wenigstens hause ich nicht mehr in dem winzigen Schuhkarton in Seattle, der sich Apartment schimpfte.

»Dad …«

Er lässt mich gar nicht zu Wort kommen. »Ich kann dir einen Makler besorgen. Angie ist die Beste. Sie hat vor ein paar Jahren die Immobilie deiner Mutter in Bellingham für über eine Million verkauft. Auch wenn das Inn ziemlich heruntergekommen ist und dazu noch am Arsch der Welt liegt, bin ich sicher, dass sie einen potenten Käufer dafür finden kann.«

»Pinnacle Pointe ist nicht am Arsch der Welt.« Meine Finger schließen sich fester um das Telefon. »Ich verstehe nicht, warum du dieses Haus so verabscheust. Weiß Mom eigentlich, wie sehr du ihr Elternhaus hasst?«

Er schnaubt geräuschvoll.

Dumme Frage. Natürlich weiß sie das.

Er hat aus seiner Verachtung nie einen Hehl gemacht. Inzwischen ist sich auch Mom zu fein für Pinnacle Pointe.

Dabei ist es wunderschön hier.

Kein Lärm. Keine Hektik. Kein Stress.

Es ist mir egal, dass es meinen Eltern hier nicht gefällt. Gram hat ihre Oase der Ruhe geliebt, und ich tue es auch.

»Du hast keine Ahnung von Immobilien. Du bist sechsundzwanzig und Single …«

»Himmel, was soll nur aus mir werden?«, entgegne ich mit gespielter Verzweiflung und schlage die Hand vor den Mund. Das ergibt zwar keinen Sinn, da er mich ja nicht sehen kann, aber es entlockt mir ein Lächeln. »Vergiss nicht, dass ich mehrere Jahre für eine internationale Hotelkette gearbeitet habe. Ich verstehe also ein bisschen was von Hotellerie.«

»Das habe ich damit auch nicht gemeint«, entgegnet er ernst. »Du kannst es dir schlicht nicht leisten, dieses Relikt am Laufen zu halten. Allein die dringendsten Reparaturen würden dich ein Vermögen kosten.«

»Umso besser, dass Gram mir auch ihr Geschäftskonto vermacht hat, Dad. Ich erfülle nur ihren letzten Wunsch.«

»Jennifer, dieses Geld wird nicht annähernd reichen, um die Kosten für die notwendigen Arbeiten zu decken, und selber Hand anlegen ist auch keine Option. Was hat sie sich nur dabei gedacht?« Ich sehe förmlich vor mir, wie er seine Brille auf der Nase höher schiebt, so wie immer, wenn er frustriert ist.

»Lottie hätte dir dieses Groschengrab nicht aufbürden dürfen. Vor deiner letzten Gehaltserhöhung bist du gerade so über die Runden gekommen. Ich kapiere einfach nicht, wie sie dir das antun konnte.«

Kälte kriecht durch meinen Körper.

Ich rede mir ein, dass er es nur gut meint und mich beschützen will, und versuche, seine Worte nicht dahingehend zu deuten, dass er mich für zu unfähig hält, das Inn zu leiten.

»Sie hat mir nichts ›angetan‹. Ich betrachte es als Segen. Wart’s nur ab. So schlimm ist es nicht. So wie du redest, könnte man meinen, das Haus wäre akut einsturzgefährdet.« Auf keinen Fall ist es das. Obwohl … ich sollte mich vom Balkon im zweiten Stock fernhalten. Ich glaube fast, er hat sich im Wind bewegt. »Du hast doch bekommen, was du dir erhofft hast, also lass mir meine Freude an meinem Teil der Erbschaft.«

»Ich möchte, dass du das Leben genießt«, brummt er. »Mir wäre es lieber, du würdest die Ruine verkaufen und den Erlös in eine bessere Zukunft investieren, Liebes.«

»Wenn du es für eine solche Schrottimmobilie hältst, müsste ich sie unter Wert verkaufen, um sie loszuwerden.«

»Der Markt boomt«, antwortet er hastig. Bestimmt hat er Dollarzeichen in den Augen. »Es gibt bestimmt Interessenten für das Grundstück. Man könnte dort etwas Neues, Modernes bauen.«

Ich soll zulassen, dass das Haus meiner Großmutter abgerissen wird?

Niemals.

Ich schüttelte den Kopf. »Die Aussicht ist unbezahlbar, und das Haus steht direkt am Strand. Es ist schön und friedlich hier, und ich bin es mir schuldig, es zumindest zu versuchen.«

Hierauf folgt eine lange Stille.

Ich spüre, dass er sich verkneift zu erwidern: Glaubst du, es dir selbst schuldig zu sein oder einer Toten?

»Ich kann immer noch nicht fassen, dass du deine gut bezahlte Stelle gekündigt hast, um dieses Wagnis einzugehen. Du bist mit Brock Winthropes Frau befreundet. Noch ist es nicht zu spät. Ich bin mir sicher, dass er dich sofort wieder einstellt, wenn du mit ihnen sprichst und …«

»Hör auf.« Mir zieht sich alles zusammen bei der Vorstellung. »Ich habe mich entschieden. Ich werde nicht mein ganzes Leben zehn Stunden am Tag an einem Schreibtisch sitzen. Gram hat das Inn mir hinterlassen, weil ich die Einzige in der Familie bin, die es zu schätzen weiß.«

Ich halte die Luft an, als der Frust wieder in mir hochkocht.

Du hast doch bekommen, was du wolltest, Dad.

Geld. Warum kannst du mich also nicht einfach in Frieden lassen?

Nach einer weiteren längeren Pause sagt er: »Ich möchte nur, dass du es dir gründlich überlegst, weil du mir am Herzen liegst, Jenn. Ich kann doch nicht tatenlos zusehen, wie du einen vermeidbaren, verhängnisvollen Fehler begehst.«

»Und doch sind es meine Entscheidung und mein Fehler, richtig?«

»Ja, aber du bist meine einzige Tochter. Ich mache mir Sorgen um dich, ob du es glaubst oder nicht.«

Jetzt muss ich doch lächeln. »Und ob du es glaubst oder nicht: Nicht jeder braucht einen Haufen Kohle auf dem Konto, um glücklich zu sein.«

»Mag sein, aber mit Geld lassen sich Notzeiten leichter überstehen, und man kann davon so viel überteuerte Kaffeekreationen und Törtchen kaufen, wie man will.« Er lacht.

Musste er auch noch von Essen sprechen?

Mein Magen knurrt, als ich an die Riesen-Zimtschnecken von Sweeter Grind denke, mein Lieblingscafé in Seattle. Ich vermisse es.

»Aber vielleicht hast du ja recht«, fährt er leise fort. »Ich sollte mir keine Sorgen machen deswegen.«

Ich lege den Kopf zur Seite und starre das Telefon an. »Was soll das jetzt wieder heißen?«

»Du hängst an dem Haus. Es hat einen sentimentalen Wert für dich. Du hast jedes Jahr im Sommer und an Weihnachten mehrere Wochen dort verbracht. Es war ein Tapetenwechsel. Quality time mit deiner Großmutter, in der sie dich schrecklich verwöhnt hat. Jenn, ich habe mehrere Jahre zusammen mit deiner Mutter dort gelebt. In ein paar Monaten wirst du verstehen, was ich meine. Es wird nicht lange dauern, bis du dich dort langweilst und zurückkommst.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe, entschlossener denn je, ihm zu beweisen, dass er sich irrt.

»Du solltest froh sein, dass ich mich darum kümmere. Jemand muss es ja tun.«

»Lottie hätte den Kasten schon vor Jahren verkaufen und in die Stadt ziehen sollen. Wir haben weiß Gott versucht, sie davon zu überzeugen. Vor allem, als sie älter und gebrechlicher wurde. Wir haben uns immer Sorgen um sie gemacht, weil sie ganz allein dort draußen gewohnt hat …«

»Meilenweit weg von der Zivilisation, meinst du? Der blanke Horror«, spotte ich.

Er räuspert sich.

»Gram hat aus gutem Grund an diesem Ort gehangen. Tatsächlich denke ich, dass sie nur deshalb so alt geworden ist, weil sie hier so glücklich war.«

Wieder eine längere Pause.

Dieses Gespräch ist reine Zeitverschwendung. Meine Eltern hatten noch nie ein Auge für die Schönheit der Natur ohne funkelnde Skyline im Hintergrund mit tausend Annehmlichkeiten in Reichweite. Die Farbenpracht von Grams Rosen hat sie ebenso kalt gelassen wie die gemütlichen Abende in der Küche, in der es so herrlich nach hausgemachter Pastasoße duftete, oder das ausgiebige Frühstück mit frischem Brot und Honig von den eigenen Bienen.

Und auch jetzt nach ihrem Tod schwingt kein Hauch von Sentimentalität in seiner Stimme mit.

Sie begreifen weder, was für ein Paradies das ist, noch, wie viel es mir bedeutet.

Als ich gerade auflegen möchte, erregt ein Wuff! unter mir meine Aufmerksamkeit. Ich blicke hinab.

Cream steht in Habachtstellung am Zaun, hat den schweren weißen Kopf in den Nacken gelegt und bellt aufgeregt.

Auf der anderen Seite des Zauns lugt eine schwarze Nase aus der Erde, dicht gefolgt von einem rabenschwarzen Kopf. Ich stöhne innerlich.

Unter dem Zaun ist eine frisch gebuddelte Kuhle zu sehen, die ich erst vor ein paar Tagen aufgefüllt habe.

Noch ein Grund, weshalb ich hier nicht weg kann.

Jemand muss sich um Grams zentnerschwere Dobermänner kümmern, insbesondere Ausbrecherkönig Coffee.

»Coffee! Schon wieder? Du bist so eine Nervensäge.« Ich wende mich von der Brüstung ab – hat sich da gerade noch ein Brett unter meinen Füßen bewegt?

»Was ist jetzt wieder?«, fragt Dad scharf.

»Coffee gräbt sich gerade wieder unter dem Zaun durch. Ich muss los, bevor er sich ganz zu den Nachbarn durchgebuddelt hat.« Ich nutze die Gelegenheit, um das Gespräch abrupt zu beenden.

Coffee und Cream sind ein weiterer guter Grund, zu bleiben und mich durchzuboxen. In Seattle würde ich nie einen Vermieter finden, der mir die Haltung zweier riesiger Dobermänner gestattet. Überhaupt gibt es dort nur wenige Wohnungen mit Garten. Und die beiden abzugeben, ist für mich schlicht undenkbar, egal, was Dad davon hält.

Ich laufe ins Haus, werfe mein Telefon auf das große Doppelbett und renne die Treppe hinunter, um Coffee zu erwischen, bevor er die Gegend unsicher macht – und Cream es ihm womöglich noch nachmacht und ebenfalls ausbüxt.

Die beiden sind zwei wachsame, übermütige Riesenbabys, und ich muss gestehen, dass ich manchmal mit ihnen überfordert bin.

Als ich den Strand erreiche, wo Coffee inzwischen ausgelassen mit heraushängender Zunge durch den Sand tobt, versucht auch Cream, sich durch das Loch zu zwängen.

Es gelingt mir, Coffee einzufangen, und ich führe ihn am Halsband zurück zum Haus. Ich werde die beiden im Wintergarten einsperren, wo sie sich im Haus am liebsten aufhalten, bis ich das Loch wieder aufgefüllt habe.

Ich habe erst ein paar Schritte getan, als Cream wieder anschlägt und Coffee sich losreißt.

Als ich den Kopf hebe, sehe ich Cream fröhlich im Kreis rennen, dass der Sand nur so spritzt.

Während Coffee zu seiner Schwester läuft, um mit ihr zusammen herumzutollen, verliere ich das Gleichgewicht und lande sanft auf dem Hintern im Sand.

Jetzt sind beide frei und drehen voll auf. Wunderbar.

Ich seufze resigniert, blicke in den Himmel, der sich rasch zusammenzieht, und hoffe auf göttliche Hilfe.

Und wenn Dad doch recht hat?

Was, wenn ich mich mit meinem Vorhaben übernehme?

Prompt bekomme ich meine Antwort von oben.

Von jetzt auf gleich öffnet der Himmel seine Schleusen, und es schüttet wie aus Eimern.

Nicht gerade die Lösung, die ich mir gewünscht hätte, aber sie funktioniert, da beide Hunde es hassen, nass zu werden, sodass der Guss sie kooperativer macht.

Ergeben stehe ich auf, schnappe mir Coffee und gehe mit ihm am Halsband auf Cream zu.

Diesmal lassen sich beide folgsam zum Haus bringen – oder genauer, sie ziehen mich dorthin, da ich deutlich schneller gehe, als ich eigentlich möchte.

Nachdem ich die beiden trocken gerubbelt habe, bringe ich sie in den Wintergarten, während das Wetter draußen zu einem handfesten pazifischen Sturm eskaliert.

»Dann chillt mal schön, ihr zwei. Hoffentlich hört es auf zu regnen, bis ihr wieder raus müsst.«

Ich schließe die Glastür hinter mir und gehe nach oben ins Bad, um mir den Dreck und die Hundehaare abzuwaschen.

Nach einer langen heißen Dusche ist meine Laune deutlich besser, dafür ist mir ganz schwindlig vor Hunger.

Auf dem Weg in die Küche werfe ich einen Blick in den Wintergarten und sehe prompt eine schwarze Nase, die sich ans Glas drückt. Coffee sitzt vor mir und blickt aus traurigen Hundeaugen zu mir auf.

Er weiß wohl, dass er sich danebenbenommen hat, aber er weiß auch, wie schwer es mir fällt, konsequent zu sein.

Als Cream mich bemerkt, kommt sie ebenfalls zur Tür und bleibt schwanzwedelnd neben Coffee stehen. Anders als bei den meisten Dobermännern sind ihre Ohren und Schwänze unkupiert, sodass sie Schlappohren haben und lange, nach oben gebogene Ruten.

»Also gut, aber benehmt euch«, sage ich, bemüht, streng zu klingen.

Im nächsten Moment werde ich von beiden begeistert abgeschleckt.

Ich krame eine Handvoll Leckerlis aus der Tasche, die ich an die beiden verteile, und durchforste dann die Schüsseln im Kühlschrank. Jeder Nachbar im Umkreis von dreißig Meilen hat nach Grams Tod etwas zu essen vorbeigebracht, und es ist noch reichlich übrig, das ich nach und nach auftaue und aufwärme.

Es gibt offenbar nichts, womit man jemandem besser die letzte Ehre erweisen kann als mit gekochten Speisen, und Gram war in Pinnacle Pointe sehr angesehen und beliebt. Ich entscheide mich für mit Käse überbackenes Hähnchen mit Reis.

Aber so angenehm es auch sein mag, nicht kochen zu müssen – nicht, dass ich kochen könnte –, sind diese vielen geschenkten Speisen doch eine traurige Erinnerung an meinen Verlust. Genau genommen erinnert mich alles hier ständig an den Menschen, dessen Tod eine so große Lücke in meinem Leben hinterlassen hat.

Ich wünschte, ich hätte eher bei Winthrope gekündigt und wäre hergezogen, als Gram noch am Leben war. Vielleicht wäre sie ja noch gar nicht gestorben, wenn ich hier gewesen wäre und mich um sie gekümmert hätte.

Sie war siebenundachtzig. Gegen das Alter hättest auch du nichts ausrichten können.

Trotzdem hätte ich bis zu ihrem Tod bei ihr sein sollen.

Ich versuche, mein Bedauern zu verdrängen, wärme das Essen auf und gehe dann damit ins Wohnzimmer, weil ich keine Lust habe, allein an dem riesigen Küchentisch zu essen.

Ich mache es mir auf der Couch gemütlich und betrachte den weißen Umschlag, auf dem in geschwungener, ordentlicher Handschrift mein Name steht.

Ich seufze und versuche, mir nicht den Appetit davon verderben zu lassen.

Der Brief lag bei meiner Ankunft schon da, und ich habe ihn bisher nicht angerührt.

Früher oder später werde ich ihn lesen müssen, oder? Wozu es weiter hinausschieben?

Nachdem ich noch ein paar Bissen gegessen habe, stelle ich den Teller auf dem Couchtisch ab, reiße den Umschlag auf und wappne mich für den Herzschmerz, der mich erwartet.

Schon die ersten beiden Wörter sind ein Schlag in die Magengrube.

Verrückt, dass einem ein alberner Kosename so nah gehen kann.

Meine Königin,

trockne deine Tränen.

Freu dich für mich.

Ich bin nach endlos langen fünfzehn Jahren endlich wieder mit meinem William vereint. Du bist der einzige Mensch auf der Welt, dem ich mein Haus anvertrauen kann, weil du die Einzige bist, die es so sehr liebt wie ich.

Wusstest du, dass hier unberührte Wildnis war, als ich das Land gekauft habe?

Wir waren noch so jung. Mein Vater hat Will nicht besonders gemocht.

Er hatte mir verboten, mich mit ihm zu treffen, und so bin ich mit Wills Hilfe eines Nachts aus meinem Fenster im ersten Stock geklettert und wir sind durchgebrannt. Am nächsten Tag haben wir geheiratet.

Dein Großvater fand eine Stelle als Hausmeister in einem Hotel in Seattle. Damals war es noch nicht üblich, dass Frauen arbeiten gingen, aber ich habe mich zu Hause furchtbar gelangweilt.

Eines Tages, als ich wusste, dass der Hoteldirektor dort sein würde, habe ich Will sein Mittagessen gebracht und seinen Chef davon überzeugt, dass es ein Riesenfehler wäre, mich nicht einzustellen.

Zehn Monate später wurde dein Onkel Henry geboren. Von meinen Ersparnissen habe ich dieses Grundstück in diesem idyllischen kleinen Ort fernab vom Stadttrubel gekauft.

Es war nicht leicht. Damals war es nicht üblich, dass Frauen ganz allein Grundstücke erwarben.

Der alte Spießer, dem es gehörte, sagte, er habe ein schlechtes Gewissen, so viel Geld von einem »Schulmädchen« anzunehmen. Er verlangte, dass mein Ehemann dem Kauf ausdrücklich zustimmte. Dein Grandpa fand die Vorstellung, dass er mich »zur Vernunft bringen« sollte, urkomisch und erbot sich, den Verkäufer aufzusuchen, um ihm zu versichern, dass alles seine Ordnung habe, bevor ich den Mann in einem Bananencreme-Pie erstickte.

Ich lehnte ab.

Ich hatte meinen Daddy nicht um Erlaubnis gebeten zu heiraten, und ich würde mir jetzt von keinem Mann vorschreiben lassen, was ich mit meinem Geld anfangen sollte.

Der Landbesitzer fand keinen anderen Käufer.

Das Land baureif zu machen, würde viel Geld und Arbeit erfordern. Nach ein paar Wochen schrieb ich dem spießigen Grundstücksbesitzer. Ich habe mich als Investor namens L. Risa ausgegeben, der zu beschäftigt sei, um rauszukommen und sich das Grundstück anzusehen und zum Notar zu gehen.

Und so kaufte ich das Land aus der Ferne. Es wurde alles schriftlich geregelt.

Der Verkäufer ließ sich täuschen und ich bekam das Grundstück.

Den Rest kennst du.

Ich habe es geschafft, hier das beste Bed and Breakfast im Umkreis von hundert Meilen aufzubauen und ganz nebenbei noch eine Familie hier großgezogen.

Es hat mich so glücklich gemacht, meine Kinder in diesem Haus aufwachsen zu sehen und später dich jeden Sommer in deinem niedlichen roten Badeanzug mit den Erdbeeren hier spielen zu sehen. Erinnerst du dich noch an den Badeanzug?

Bee Harbor war unser Zuhause, und ich verknüpfe so unendlich viele glückliche Erinnerungen damit. Wie könnte ich es jemandem überlassen, dem es nicht am Herzen liegt?

Aber du bist mir so ähnlich, meine Königin …

Mit Tränen in den Augen hebe ich den Kopf und lache dann freudlos, weil ich tatsächlich nicht annähernd so taff bin, wie es meine Großmutter war.

Ich könnte nicht bis ins hohe Alter ganz allein ein Hotel betreiben, und als ich noch auf der Highschool war, hätte ich niemals den Mut gehabt, nachts aus dem Fenster zu klettern, um mit einem Mann durchzubrennen.

Ich wünschte, ich hätte mehr von meiner Großmutter.

Ich schüttele den Kopf und setze die Lektüre fort.

Du kannst in Pinnacle Pointe deinen Traum leben, so wie ich es getan habe. Bewahre dir ein offenes Herz.

Ein offenes Herz? Meinte sie damit, ich solle offen sein für ein Leben auf dem Land?

Stirnrunzelnd lese ich weiter.

Gram war zum Ende hin etwas verwirrt und hat oft Wörter oder Redewendungen durcheinandergebracht. Es hätte sich jemand um sie kümmern müssen.

»Es tut mir leid«, sage ich leise. Es ist zu spät, um mich bei ihr zu entschuldigen, und das macht es noch schlimmer. Wir haben sie im Stich gelassen. Ich lese den Brief zu Ende und wische mir noch eine Träne von der Wange.

Ich vertraue dir mein Haus und meine Babys an. Vor allem aber möchte ich, dass du gut auf dich selbst achtgibst.

In Liebe

Gram

Wie kann Dad von mir verlangen, das Hotel zu verkaufen?

Nachdem ich Grams Brief gelesen habe, würde ich erst recht eher barfuß über glühende Kohlen laufen, als den letzten Wunsch meiner Großmutter zu missachten.

Gram hat das Land mit zwanzig gekauft und so viel mehr investiert als Geld. Sie hat ihr ganzes Leben in ihren Traum gesteckt. Es ist mir egal, was meine Eltern denken.

Der Brief liegt mir den ganzen Nachmittag schwer auf der Seele. Der Appetit ist mir vergangen, aber ich könnte ein Glas Wein vertragen.

Coffee blickt von seinem Kauknochen aus Hirschhorn auf und kommt zu mir herübergetrabt. Er blickt zwischen mir und meinem nicht ganz geleerten Teller auf dem Couchtisch hin und her.

»Vergiss es. Zu viel Käse und Knoblauch für dich.« Ich stehe auf und entsorge die Reste im Müll, bevor einer der Hunde sie sich einverleibt, und schenke mir ein großes Glas von der Rotwein-Cuvée aus der Flasche ein, die ich gestern Abend geöffnet habe.

Wenigstens verfügt das Hotel über einen gut bestückten Weinkeller.

Als ich nach oben gehe, schließen die beiden Hunde sich mir an. Coffee zwängt seinen muskulösen schwarzen Leib zwischen mich und das Geländer, und prompt springt eine der Streben heraus, schlägt auf dem Boden auf und bleibt kreisend liegen wie eine leere Flasche.

Na toll.

Noch etwas, das repariert werden muss.

Noch ein Problem.

Im nächsten Moment lege ich eine Hand auf mein Herz. Nichts auf der Reparaturliste ist auch nur annähernd so schlimm wie das schwarze Loch in meinem Herzen.

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich Gram vermisse.

Ich kann nur noch versuchen, sie stolz zu machen.

BÄNG!

Gebell.

Dann wieder ein Knall.

Ich öffne die Augen, als ein großer schwarzer Schemen sich auf mich stürzt.

Mir rutscht das Herz in die Hose.

Was ist jetzt wieder?

Coffee ist zu mir aufs Bett gesprungen und legt mir die Pfoten auf die Brust.

Was war das für ein Geräusch? War es das Wetter, oder habe ich geträumt?

Vielleicht nur ein Donner. Cream, die neben ihrem Bruder auf dem Bett sitzt, verfällt in lautes Geheul.

»Okay, okay. Runter mit euch. Gehen wir nachsehen. Ich kann nicht mit euch rausgehen, wenn du mich nicht aufstehen lässt«, sage ich und versuche, Coffee von mir herunterzuschieben.

Bäng! Bäng!

Da ist es wieder.

Ich frage mich, wie spät es ist. Leider liegt mein Telefon irgendwo unter dem massigen Körper eines Dobermanns begraben.

»Möchtest du ein Leckerli, Coffee?«

Mit einem Grunzen hüpft er vom Bett und setzt sich in vorbildlicher Haltung auf den Fußboden.

Lächelnd krieche ich aus dem Bett. Auch wenn die Hunde insgesamt etwas schwer zu händeln sind, hat Gram ihnen über die Jahre immerhin etwas Grundgehorsam beigebracht.

Sie hören tatsächlich. Manchmal.

Erneutes Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich schnappe mir meinen Morgenmantel und ziehe ihn über mein Taylor-Swift-Tanktop. Das schwache Licht, das durch das Fenster hereinfällt, lässt vermuten, dass es früher Morgen ist.

Wer bringt denn um diese Zeit Essen vorbei? Wahrscheinlich jemand, der um Gram trauert und etwas spät dran ist. In den drei Wochen, seit ich hergekommen bin, waren das meine einzigen Besucher.

Ich kann es potenziellen Gästen von außerhalb nicht verdenken. Das Hotel ist in keinem gastlichen Zustand, und ich sehe mich noch nicht in der Lage, Fremde zu beherbergen. Vielleicht hat jemand das zugegebenermaßen suboptimale Geschlossen-Schild übersehen.

»Ich muss ein größeres Schild besorgen«, murmele ich und stapfe mit den Hunden im Gefolge die Treppe hinunter.

Wieder hallt das Hämmern durch das Haus, diesmal noch lauter.

Das ist doch lächerlich. Hat mal jemand darüber nachgedacht, dass ich auch trauere? Was will der Störenfried so früh hier?

Als ich die Haustür aufreiße, bin ich entschlossen, meinem ungebetenen Gast mit meinem abweisendsten Blick zu verstehen zu geben, was ich von seinem Besuch halte.

Aber vor mir steht weder eine lächelnde alte Dame noch ein ernstes Paar von der Kirche mit noch mehr Essen.

Stattdessen habe ich einen großen, breitschultrigen Mann in einem Dreireiher und mit dunkler Sonnenbrille vor mir.

Ich bin so perplex, dass ich ihn nur stumm anstarre.

Als er die Sonnenbrille abnimmt, sehe ich in faszinierende grau-blaue Augen, wie ich sie noch nie gesehen habe.

Er ist schon etwas älter, vielleicht Mitte dreißig.

Sein Blick geht mir durch und durch. Ich weiche unwillkürlich einen Schritt zurück und brauche einen Moment, um mich zu fangen. Sogar die Hunde hinter mir wirken angespannt. Sie stehen reglos mit gespitzten Ohren da.

»Miss Landers? Guten Morgen.« Mir stockt der Atem, als er in sein Jackett greift.

Holt er eine Waffe aus der Tasche? Was, wenn er ein Mafioso ist, der mich beseitigen soll?

Aber es kommt nur ein langer, schmaler Umschlag zum Vorschein.

Ich halte Ausschau nach dem Logo einer Bank, als er mir den Umschlag auch schon hinhält.

Das kann nichts Gutes bedeuten. Vielleicht hatte Gram ein Darlehen aufgenommen, von dem ich nichts weiß und das jetzt fällig wird.

Andererseits waren ihre Bücher tadellos geführt, und ich bin sie mehrmals durchgegangen.

Die Hypothek wurde schon vor dreißig Jahren getilgt, und es war gerade genug Geld auf dem Geschäftskonto, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

»Ist Ihnen nicht gut?«, fragt der Fremde und mustert mich forschend aus seinen Eisaugen. »Sie sind ganz blass, Miss Landers. Wenn ich ungelegen komme …«

Als ich gerade den Kopf schüttele und zu einer Erwiderung ansetze, schießt Coffee bellend an mir vorbei auf den Besucher zu. O nein.

Er verfängt sich dabei im lose geknoteten Gürtel meines Morgenmantels, sodass der Stoff verrutscht und ich in Tanktop und Höschen vor dem Mann stehe. Ich spüre die frische Morgenluft auf den nackten Beinen.

Brennende Röte schießt mir ins Gesicht.

Als ich aufblicke, sehe ich das Grinsen auf dem Gesicht des Bankmenschen. Ein Gentleman hätte sich abgewendet oder zumindest weggesehen. Er jedoch lässt ungeniert den Blick über mich gleiten, sodass ich mir nackt und verletzlich vorkomme.

Zornig ziehe ich den Morgenmantel mit beiden Händen fest zu.

Coffee presst seine feuchte Nase an die Hand mit dem Brief.

»Coffee, sitz!«

Natürlich hat der Hund ausgerechnet jetzt nicht die geringste Lust zu gehorchen, sondern bleibt ungerührt stehen und wedelt mit dem langen, dünnen Schwanz.

Der Mann rührt sich nicht und wirft nur einen belustigten Blick auf den Hund.

Mein Magen zieht sich zusammen.

Ich habe keine Ahnung, wer er ist oder was er will, hoffe aber, dass mein unerzogener Hund ihn nicht über den Haufen rennt.

»Er beißt nicht. Was kann ich für Sie tun?«

Jetzt drängelt auch noch Cream auf die Veranda und schnuppert an der Hand des Fremden. Es ist eine kräftige, schwielige Hand, die nicht so recht zu dem aalglatten Anzugträger passen will.

Er schaut Cream an. »Heute nicht, junge Dame.«

Moment. Er kennt die Hunde?

Ich räuspere mich laut, woraufhin er mir die Hand entgegenstreckt.

»Miles Cromwell. Ihr Nachbar – gewissermaßen.«

Ich blinzle und schüttele ihm zurückhaltend die dargebotene Hand.

»Ich weiß, wer Sie sind«, lüge ich.

Tatsächlich habe ich den Namen aber schon gehört. Er passt nur nicht zu dem kantigen Gesicht, der muskulösen Erscheinung, dem vollen, vom Wind zerzausten Haar und dem Dreitagebart, der einen Mund einrahmt, der aussieht, als wäre er es gewohnt, Befehle zu erteilen.

So habe ich mir den Eremiten von nebenan nicht vorgestellt.

Er lebt seit Jahren hier, aber ich habe ihn bisher nie zu Gesicht bekommen, was nicht so überraschend ist, wenn man die Größe des Grundstücks zwischen den beiden Häusern bedenkt.

Aber sind reiche Eremiten nicht für gewöhnlich Exzentriker über sechzig, faltig, mit grauen Haaren, die die Fensterläden auch tagsüber geschlossen halten und allerlei Kuriositäten horten?

»Ach ja, richtig. Sie sind bestimmt gekommen, um sich zu beschweren, weil die Hunde sich unter dem Zaun durchgebuddelt haben und …«

Er zieht eine Braue hoch, was mich so aus dem Konzept bringt, dass ich den Satz nicht zu Ende bringe.

»Ich würde mich nie über Coffee und Cream beschweren.« Er wirft einen Blick auf die Hunde, um diesen dann langsam wieder an mir aufwärts wandern zu lassen.

Das ärgert mich.

Ich bin es nicht gewohnt, angegafft zu werden, schon gar nicht von fremden Männern mit unfassbar breiten Schultern und grauen Augen, die aussehen, als stammten sie geradewegs aus einem Vampir-Liebesroman.

Das brennen in meinen Wangen nimmt zu, und ich weiß nicht recht, was ich fühlen soll. Obwohl ich den flauschigen Morgenrock wieder zugezogen habe und nicht mehr viel von mir zu sehen ist, spüre ich ein Kribbeln an Stellen, die für Fremde tabu sind.

»Sie scheinen mit den beiden etwas überfordert zu sein«, stellt er unverblümt fest.

Jetzt bin ich diejenige, die die Brauen hochzieht. Soll das ein Witz sein?

Hahaha. Wie witzig, du Scherzkeks.

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Sind Sie gekommen, um sich eine Tasse Zucker zu borgen?«, fragt ich schroff. »Wenn Sie nur gekommen sind, um zu plaudern, ist das nicht der beste …«

»Ich bin gekommen, um Ihnen mein aufrichtiges Beileid auszusprechen. Lottie war ein wunderbarer Mensch. Sie wissen sicher, wie sehr sie alle hier gemocht haben. Sie fehlt uns, aber das ist sicher nichts Neues für Sie.«

Ich sehe ihn stumm an.

Er hat Gran offenbar gut gekannt. Was hat das zu bedeuten?

Er streckt mir wieder die Hand mit dem Umschlag entgegen. »Sonderzustellung. In Anbetracht der Umstände, dachte ich, es wäre das Beste, wenn ich Ihnen das Angebot persönlich unterbreite.«

»Was für ein Angebot?«

Wovon zum Teufel spricht er?

»Ich bin sicher, dass Sie es interessant finden werden. Bitte nehmen Sie es so auf, wie Lottie es gewollt hätte.«

Ich schüttele den Kopf und mache einen Schritt rückwärts. »Was für ein Angebot? Wovon sprechen Sie?«

Er antwortet nicht, sodass ich schließlich den Umschlag entgegennehme.

Seufzend reiße ich ihn auf und nehme den Inhalt heraus. Ist das ein Scheck?

»Moment. Bee Harbor ist nicht zu verkaufen«, sage ich fest und blicke zu ihm auf. »Tut mir leid, aber das kommt so plötzlich. Haben Sie erwartet, dass ich spontan einem Verkauf zustimme?«

Er zieht die vollen dunklen Brauen hoch, was ihn überheblich wirken lässt. »Sie wirken verärgert. Das wollte ich nicht.«

»Wenn Sie das nächste Mal versuchen, das Haus einer kürzlich Verstorbenen zu kaufen, sollten Sie den Anstand besitzen, einen Makler zu beauftragen. Alternativ hätten Sie auch vorher anrufen können, dann hätte ich Ihnen am Telefon schon sagen können, dass ich nicht interessiert bin. Dann wäre mir erspart geblieben, halb nackt vor einem wildfremden Mann zu stehen …«

Wieder verziehen sich seine Lippen zu diesem unverschämten Grinsen.

»Ich versichere Ihnen, dass ich nicht viel gesehen habe«, entgegnet er, und es klingt, als würde er dies zutiefst bedauern.

Lieber Gott, schenke mir Kraft.

Obwohl mein letzter Boss ein echter Stinkstiefel war, bin ich noch nie vor neun Uhr mit dem unwiderstehlichen Drang aufgestanden, jemanden zu erwürgen.

»Sie sollten jetzt gehen«, sage ich schroff.

»Sie sagten doch vorhin, dass Sie wüssten, wer ich bin, Miss Landers.«

»Nicht wirklich, ich habe Ihren Namen schon mal gehört, das ist alles. Und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht, wer oder was Sie sind. Meine Großmutter hat Sie jedenfalls nie erwähnt.«

Mein entschiedenes Kopfschütteln scheint den mörderischen Blick seiner grauen Augen nur noch weiter zu schärfen.

»Sie missverstehen meine Absichten. Ich bin persönlich gekommen, damit Sie wissen, dass das Land in beste Hände kommt. Ich beabsichtige, seine natürliche Schönheit zu erhalten und es nicht weiterzuverkaufen. Außerdem dachte ich, Sie würden sich freuen, die Bürde möglichst bald los zu sein.« Er legt eine Pause ein, wohl wegen des Loderns in meinem Blick. »Warum sind Sie so wütend? Allein der Unterhalt des alten Kastens übersteigt die Einnahmen, die Sie sich vielleicht ausgerechnet haben. Sie können unmöglich vorhaben zu bleiben.«

»Genau das habe ich vor. Möglicherweise«, schleudere ich ihm entgegen.

Er mustert mich belustigt.

»Sie? Ganz allein? Ohne Kapital?«, spottet er dann.

Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Ich mache einen Schritt auf ihn zu. »Was wissen Sie denn von den Unterhaltskosten meines Hotels? Haben Sie herumgeschnüffelt? Und warum kümmert es Sie überhaupt, ob ich bleibe? Ich bin doch gerade erst angekommen!«

Tief durchatmen.

Nicht schreien.

Fast hoffe ich, dass er übertrieben, wütend und unverschämt reagiert und mir so einen Grund liefert, ihn von meinem Grundstück zu jagen oder ihn vielleicht sogar anzuzeigen.

Aber dazu ist er zu schlau. Zu ruhig und gelassen.

»Selbstverständlich hole ich Erkundigungen ein, bevor ich eine Immobilie kaufe. Und diese hier liegt mir persönlich am Herzen, zumal das Haus gleich neben meinem steht. Da macht es umso mehr Sinn, dafür zu sorgen, dass sich hier nicht die falschen Leute breitmachen.«

Ich stöhne.

»Die falschen Leute, ja? Dann gehöre ich für Sie auch dazu? Nun, ich fürchte, Sie werden sich mit meiner Anwesenheit abfinden müssen. Auf Wiedersehen.«

Bevor ich die Tür zuschlagen kann, schießt sein Arm vor.

Cream schiebt sich hechelnd zwischen uns und bleibt schwanzwedelnd in der Tür stehen.

Perfektes Timing.

»Warten Sie. Ich erhöhe mein Angebot auf glatte zwei Millionen, aber mehr ist nicht drin. Das liegt weit über dem Marktwert, Sie brauchen also gar nicht erst zu versuchen, noch mehr rauszuschlagen«, knurrt er.

»Zwei Millionen?«, frage ich wie vor den Kopf geschlagen.

Ich habe vorhin gar nicht auf die Nullen geachtet, als er mir den Scheck unter die Nase gehalten hat.

Ich starre ihn fassungslos an. Er nickt.

»Was haben Sie denn ursprünglich geboten?« Ich bin wütend auf mich, dass ich in meiner Wut gar nicht hingesehen habe.

»Eine mehr als großzügige Summe.«

Ich hebe die Hand, in der ich immer noch den Scheck halte, und beiße die Zähne zusammen, um zu verhindern, dass mir die Kinnlade herunterklappt.

Ja, das sind tatsächlich viele Nullen.

Verdammt viele Nullen.

So unfassbar viele Nullen, dass das hier unmöglich wahr sein kann. Das Hotel und das Grundstück sind maximal eine Million wert.

Und er bietet mir das Doppelte.

Es verschlägt mir die Sprache, und ich kann nicht mehr klar denken – bis er siegessicher lächelt.

Es ist wieder dieses unverschämte, süffisante Lächeln, das das ansonsten beinahe schon zu perfekte Gesicht weniger attraktiv erscheinen lässt.

»Machen Sie sich die Entscheidung nicht zu schwer, Miss Landers. Sie wären überrascht, wie weit mein Instinkt mich in geschäftlichen Dingen gebracht hat. Was sagt Ihr Bauchgefühl?« Seine Stimme ist samtweich, aber die Absicht dahinter knallhart.

Nein, verdammt.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, zerreiße ich den verfluchten Scheck in kleine Fetzen. Eine kräftige Windböe weht ihm die Papierschnipsel ins Gesicht, das jetzt aussieht wie in Stein gemeißelt.

»Dann haben Sie Ihr Vermögen offensichtlich nicht mit Immobilien gemacht«, sage ich böse.

Die Schnipsel rieseln auf seine teuren schwarzen Schuhe.

Er betrachtet sie desinteressiert. Es ärgert mich, dass er nicht mit der Wimper zuckt.

»Das war ein Fehler. Sie werden kein zweites auch nur annähernd so großzügiges Angebot bekommen. Wahrscheinlich sind Sie früher oder später gezwungen, unter Wert an einen zweitklassigen Spekulanten mit einer Schwäche für goldene Uhren zu verkaufen. Und der wird Bee Harbor abreißen und hier eine Neubausiedlung mit langweiligen, identischen kleinen Reihenhäuschen hinstellen. Gratuliere, Miss Landers.«

Ich tue seine Worte mit einem Achselzucken ab. Das wird nicht passieren. Nicht, solange ich lebe – und die Rechnungen bezahlen kann.

»Das klingt immer noch besser, als an Sie zu verkaufen.«

Einen Sekundenbruchteil leuchten seine Augen blau wie Quecksilber.

»Verdammt«, brummt er und wendet sich ab. »Lottie hat zwar vorausgesagt, dass ich es nicht leicht haben würde mit Ihnen, aber ich habe ja nicht geahnt, dass ich es mit einer solchen Kratzbürste zu tun bekomme.«

Ich will gar nicht wissen, was das zu bedeuten hat.

Ich greife in die Tasche meines Morgenmantels und hole den Stressball heraus, den ich Coffee gestern abgenommen habe.

»Hol den Ball, Coffee.« Ich werfe den Ball über meine Schulter ins Haus, um die Hunde dahin zu befördern, wo sie hingehören.

Während die beiden dem Ball nachjagen, schenke ich dem Möchtegern-Immobilien-Hai, den ich eiskalt habe abblitzen lassen, ein falsches Lächeln. »Ich wünsche noch einen guten Tag. Und halten Sie sich von meinen Hunden fern.«

Bäng.

Ich knalle ihm die Tür vor der Nase zu und versuche, nicht darüber nachzudenken, dass ich womöglich gerade aus Stolz den größten Fehler meines Lebens gemacht habe.

II: KEIN KOSTENLOSES MITTAGESSEN (MILES)

Ich presse die Schultern gegen das Lederpolster meines Autositzes. Ich finde einfach keine bequeme Position, obwohl ich schon unzählige Male im Fond dieses Wagens gesessen habe.

»Von allen bescheuerten, dickköpfigen, unüberlegten Dingen, die sie hätte tun können …«

»Darf ich Ihnen einen Rat geben, Boss?«, fragt mein Chauffeur Benson schmunzelnd, als wir losfahren. Wütend erwidere ich seinen Blick im Rückspiegel. »Vielleicht war es ein taktischer Fehler, davon auszugehen, dass sie jetzt schon würde verkaufen wollen. Immerhin ist ihre Großmutter erst kürzlich verstorben. Sie ist noch in der Trauerphase. In dieser sehr emotionalen Zeit fühlt es sich für sie sicher falsch an, das Erbe ihrer Gram an den Erstbesten zu verkaufen.«

»Unsinn. Eine Million über Marktwert sind ein ordentliches Trostpflaster. Ich an ihrer Stelle hätte nicht gezögert.«

Er mustert mich einen Moment schweigend. »Es sind aber nicht alle wie Sie, Mr. Cromwell. Sie sind eiskalt.«

Endlich ein Kompliment nach meinem Geschmack.

Ich seufze.

»Ich habe den Brief von Lotties Anwalt Waldo drei Tage nach ihrem Tod erhalten. Lottie war selbst der Meinung, dass ihr altes Inn eine Last für ihre Enkelin wäre. Ich bin davon ausgegangen, dass sie erleichtert sein würde. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich so tief in die Tasche würde greifen müssen, um diese Kratzbürste zum Verkauf zu bewegen.«

Ich bin es nicht gewohnt, dass Leute sich so irrational verhalten.

Mich lässt man nicht abblitzen.

Manche Verhandlungen sind schwieriger als andere, aber bis heute hat noch niemand einen Millionenscheck zerrissen und mir ins Gesicht geworfen.

Als sich wegen des Hundes der Gürtel ihres Morgenmantels gelöst hat und sie plötzlich halb nackt vor mir stand, dachte ich, ich wüsste, womit ich es zu tun habe.

Eine verzweifelte zierliche Schönheit mit kastanienbrauner Mähne, langen Wimpern und sündhaft langen Beinen.

Und dann hat sich das vermeintlich bedürftige Wesen als Wildkatze entpuppt, die mein dummes Gesicht genossen hat, als sie mein fürstliches Angebot rundweg abgelehnt hat.

Ich habe nicht mit Widerstand gerechnet.

Benson lacht. »Lottie war immer für einen Spaß gut, was?«

»Unter Spaß verstehe ich etwas anderes.« Trotzdem war Lottie Risa die einzige Einheimische, der ich den Zugangscode für mein Tor verraten habe. Ich werde den Apfelkuchen und den frischen Honig vermissen, die sie mir bei jedem ihrer Besuche mitgebracht hat. »Sie hätten sie mal sehen sollen, Benson. Wie sie mit glühenden Wangen das Haar zurückgeworfen und mich angegiftet hat, als wäre ich ein dahergelaufener Ganove, der sie übers Ohr hauen will, und das, nachdem ich ihr für den alten Kasten das Doppelte seines aktuellen Werts geboten habe.«

Ich balle unwillkürlich die Hand auf dem Knie zur Faust.

»Nachdem die Verhandlungen im ersten Anlauf gescheitert sind, werden Sie die hübsche Lady noch einmal aufsuchen müssen. Wie furchtbar.«

Ich werfe ihm wieder einen vernichtenden Blick zu, aber er zeigt sich auch diesmal hiervon wenig beeindruckt.

»Wie kann man bockig mit hübsch verwechseln?«

Insgeheim muss ich zugeben, dass Miss Landers eine Augenweide ist und ich zu meinem Ärger für ihre Reize sehr wohl empfänglich bin.

Ich wusste vorweg, dass sie hübsch ist, aber die Fotos von ihr, die Lottie mir gezeigt hat, werden ihr nicht gerecht. Ich habe vorab über sie recherchiert. Auf dem Foto ihrer neuen Website sieht sie professionell aus, proper und schick zurechtgemacht, inklusive türkisfarbener Cat-Eye-Brille.

Ich hatte erwartet, dass sie sich ebenso professionell benehmen würde, anstatt sich an ein altes Haus mitten im Nirgendwo zu klammern, weit weg von den trendigen Großstadt-Cafés und Yogastudios, in denen sie bestimmt verkehrt.

Verflucht, ich dachte wirklich, die Sache wäre geritzt.

Benson grinst so breit, dass sich Falten um seine Augen bilden, und ich frage mich, warum ich ihn nicht längst gefeuert habe. »Sie vergessen, dass ich schon öfter erlebt habe, wie Deals geplatzt sind. Normalerweise lassen Sie sich dann wüst schimpfend über irgendwelche Blutsauger aus, die den Hals nicht voll kriegen. Ganz ehrlich, Sir … ich kann mich nicht erinnern, dass Sie je das Haar oder die ›glühenden Wangen‹ eines Verhandlungspartners erwähnt hätten.«

Ich drehe abrupt das Gesicht zum Seitenfenster und suche nach einer passenden Erwiderung. »Ich gebe zu, dass sie eine Schönheit ist«, sage ich schließlich langsam. »Aber sie ist auch eine Furie, die Aussicht auf weitere Verhandlungen mit ihr ist also alles andere als reizvoll.«

»Erzählen Sie«, fordert er mich auf und wirft mir im Spiegel einen skeptischen Blick zu.

»Warum habe ich Sie eigentlich nicht längst gefeuert?«

»Weil sonst niemand Lust hat, Sie zu fahren und Ihre Launen zu ertragen, schätze ich.«

Ich nicke knapp.

Er hat recht.

Doug Benson hat es lange genug mit mir ausgehalten, um sich gewisse Freiheiten herausnehmen zu können. Ich erwarte viel von meinen Angestellten.

Im Übrigen bin ich weniger wütend auf ihn als auf meinen Misserfolg.

Ich verstehe nicht, wie es sein kann, dass dieses heruntergekommene Hotel am Arsch der Welt immer noch nicht mir gehört.

»Was kann ich ihr bieten, um mir den alten Schuppen unter den Nagel zu reißen?«, murmele ich geistesabwesend.

»Sie sollten damit anfangen, sich nicht so herablassend über Miss Risas Haus zu äußern, wenn Sie ihre Enkelin für sich einnehmen wollen.«

»Was meinen Sie damit?«

»Naja, ›den alten Schuppen unter den Nagel reißen‹ … offenbar hat sie an ihrer Großmutter gehangen. Wenn sie deren Haus zu einer reinen Investition degradieren, zu einem Feld eines Monopolyspiels, verletzen Sie damit ihre Gefühle.«

Ich verdrehe die Augen. »Warum müssen alle so furchtbar sentimental sein? Außerdem ist es kein Spiel. Ich brauche das Grundstück, um mich auch zur letzten Seite hin vor den Leuten aus dem Ort und Touristen abzuschotten. Ich will nur meine Ruhe, das wissen Sie doch.«

»Ja, das weiß ich«, antwortet er leise. »So wie ich weiß, dass Sie vermutlich der mit Abstand eingefleischteste Einzelgänger auf dem Planeten sind.«

Ich halte mit einer Hand die Leinwand fest und führe mit der anderen den extrafeinen Pinsel darüber.

Das ist meine Oase.

Göttliche Ruhe, in der ich mit jedem Pinselstrich neue Welten erschaffe, in denen es weder unschöne Überraschungen gibt noch sturköpfige Schönheiten, die mich in den Wahnsinn treiben.

Ausnahmsweise denke ich nicht einmal an meinen Vater, während ich mit flüssigen, langen Pinselstrichen die Leinwand bearbeite.

Bis unvermittelt mein Handy auf dem Schreibtisch klingelt und mich aus meiner Tiefenentspannung reißt.

Ich werfe einen Blick auf das Display und sehe den Namen einer Assistentin.

Verdammt, habe ich nicht erst vor ein paar Tagen mit ihr gesprochen?

Seufzend stelle ich den Pinsel in das Wasserglas und wische mir mit einem Papiertuch die kobaltblaue Farbe von der Hand, bevor ich nach dem Telefon greife.

»Louise.«

»Hallo, ich rufe nur an, um Sie planmäßig auf dem Laufenden zu halten, Mr. Cromwell. Wir haben einen Anstieg der Werbeeinnahmen verzeichnet, dank spezieller Interessengruppen, die in das Rennen um den Stadtrat von Seattle investieren. Dieser Aufwärtstrend dürfte bis zu den Wahlen anhalten. Wie Sie wissen, ging es bei der letzten Fernsehdebatte hoch her. In Anbetracht der Tatsache, dass die Situation so spannend ist wie eine Folge Haus des Geldes, werden die Lobbyisten noch eine Schippe drauflegen.«

Was sie mir berichtet, sollte mich eigentlich interessieren. Immerhin kann schon eine geringe Änderung in der politischen Ausrichtung sich extrem positiv oder eben extrem negativ auf meine Firma auswirken.

Tatsächlich aber geht mir das gerade am Allerwertesten vorbei.

»Weiter«, sage ich ausdruckslos.

»Also, die kurzen Videos, die wir über die Robbenstation von Bainbridge gedreht haben, um das Interesse jüngerer Besucher zu wecken, sind auf TikTok viral gegangen. Sie wollten ja wissen, wie sich das entwickelt …«

»Ich mache mir Sorgen um die neue Generation«, entgegne ich seufzend.

Sie lacht. »Freuen Sie sich doch, Boss! Die Videos haben uns viele Klicks eingebracht, also genau das, was Sie beabsichtigt haben. Alle lieben niedliche Tiere. Ein weiterer Hinweis dafür, dass wir einen Volltreffer gelandet haben, ist, dass Pacific-Resolute uns das nur wenige Tage später nachgemacht haben, mit Beiträgen über Otter …«

»Sprechen Sie diesen Namen nicht aus.« Mein Magen zieht sich zusammen. »Und warum sollte mich das interessieren?«

»Nun, zum Einen, weil sie mit ihrem Nachahmungsversuch elendig gescheitert sind …«

Normalerweise würde ich es genießen, einen Trend gesetzt zu haben, auch wenn es ärgerlich ist, wenn Wettbewerber aus der Medienbranche ein Erfolgsmodell kopieren, aber diesmal geht es um Pacific-Resolute.

Es genügt mir, zu hören, dass sie baden gegangen sind.

»Louise, Sie rufen in meiner Freizeit an. Lassen Sie uns künftig nur noch zweiwöchentlich telefonieren, ja? Es sei denn, es gibt einen Notfall, der umgehend meines persönlichen Eingreifens bedarf.«

»Zweiwöchentlich?« Pause. »Heißt das jetzt zweimal die Woche oder nur alle zwei Wochen?«

»Definitiv seltener als jetzt. Also alle zwei Wochen.«

»Sie möchten, dass ich Ihnen nur alle zwei Wochen berichte?« In ihrer Stimme schwingt ein unsicherer Tonfall mit.

Soweit mir bekannt ist, bin ich immer noch der Boss von Cromwell-Narada Media, und ich mache die Regeln. Und wenn ich beschließe, den Rest des Sommers nicht der arbeitswütige Roboter zu sein, der ich sonst bin, sollten meine Angestellten sich daran gewöhnen, und zwar pronto.

»Wenn ein Kunde nach mir verlangt oder der Mount Rainier in die Luft fliegt, dürfen Sie mich anrufen. Ansonsten betrachten Sie es als Vertrauensbeweis. Sie führen ein strenges Regiment, Sie schaffen das«, rede ich ihr gut zu und bete, dass ich damit richtigliege.

»Kann der Kreativdirektor mit seinem Team vorbeikommen?«

»Der Kreativdirektor?«

»Sie haben die Abteilung doch angewiesen, Content über Pinnacle Pointe zu drehen, erinnern Sie sich?«

»Richtig«, unterbreche ich sie.

Richtig.

Ich habe mich vom Stadtrat dazu breitschlagen lassen, um den Tourismus anzukurbeln. Ich brauche ein positives Image hier, wenn ich möchte, dass man mich in Frieden lässt.

Ich möchte als der reiche Typ angesehen werden, den man verehrt wie den Weihnachtsmann und der gleichzeitig die Abgeschiedenheit genießt wie dieser am Nordpol. Offenbar werde ich um das eine oder andere Meeting mit dem Kreativ-Team nicht herumkommen.

»Sie sollen vorbeikommen, wenn sie hier sind. Ach ja. Recherchieren Sie bitte alles, was Sie über eine kleine Marketingfirma in Seattle herausfinden können. Inhaberin ist Jennifer Landers.«

Es dauert einen Moment, bis sie antwortet.

»Möchten Sie kleine externe Marketingunternehmen aufkaufen? Ich weiß ja, dass unsere eigene Marketingabteilung sich in letzter Zeit nicht mit Ruhm bekleckert hat, aber dass es so schlimm ist …«

Kaum.

Allein die Tatsache, dass ich meine Zeit auf diese zickige Wildkatze verschwende, die mich so mir nichts, dir nichts hat auflaufen lassen, sitzt wie ein Stachel in meinem Fleisch.

»Es ist etwas Privates. Ich möchte ihr ein Haus abkaufen, muss aber erst herausfinden, wie sie tickt und wie ich sie dazu bewegen kann, mir die Immobilie zu überlassen.«

»Oh, das gefällt mir. Ein kleiner Machtkampf. Mal sehen, was ich herausfinden kann.«

»Gut.« Ich gehe nicht weiter auf ihren Kommentar mit dem Machtkampf ein.

Ich lege das Telefon zurück auf den Tisch und blicke aus meinem bodentiefen Fenster.

Heute ist ein traumhafter Sommertag, der gar nicht zu meiner düsteren Laune passt.

Der tiefgrüne Rasen erstreckt sich vor mir wie ein Teppich, geschmückt mit bunten Wildblumen, und in der Ferne sind gerade eben die Umrisse des alten Gasthauses mit roten Fensterläden auszumachen.

Das Haus daneben ist groß und etwas heruntergekommen, fügt sich aber wunderbar in die Landschaft ein. Ich glaube, der Bruchstein ist aus der Gegend und war vermutlich billig zu haben zu der Zeit, als das Inn gebaut wurde.

Es gleicht einer Mischung aus einem verträumten Cottage und dem Besten, was der Kleinstadt-Charme der Fünfzigerjahre zu bieten hatte mit seiner verspielten Architektur, und thront hoch oben auf einer Klippe mit Blick auf den Pazifik.

Ich betrachte meine kobaltblaue Leinwand.

Jetzt weiß ich, warum ich mich für diesen Blauton entschieden habe. Und ich weiß jetzt, was mit dem Bild nicht stimmt.

Ich trete wieder an die Staffelei, mische auf der Palette Schwarz und Weiß zu einem stimmungsvollen Grau, wie es aus einem Schornstein aufsteigen würde. Ich trage Rauch auf dem Kobaltblau auf, bis der Hintergrund nicht mehr blau ist, aber auch nicht völlig grau.

Es ist dunkel, und doch schimmert eine gewisse Helligkeit hindurch.

Als Louise eine Stunde später zurückruft, führe ich gerade die letzten Pinselstriche an einer verwitterten, efeuberankten gotischen Burg oben auf einer Klippe aus.

»Sagte ich nicht vorhin, dass Sie sich nur noch zweiwöchentlich melden sollen, Louise?«

»Ich habe die Infos, um die Sie gebeten haben. Ich dachte, Sie würden sie sofort haben wollen.«

»Richtig.« Sie hätte das Material auch mailen können, aber so ist sie eben. Immer wenn sie spürt, dass ich angespannt bin, greift sie lieber zum Telefon.

Verdammt. Lasse ich mich wirklich von dieser unausstehlichen Frau ärgern? Und das nur, weil sie mir eine Abfuhr erteilt hat?

Das muss ein Ende haben.

»Schießen Sie los.«

»Die Firma ist noch recht neu. Sie bietet verschiedene Dienstleistungen an und kann ein paar Referenzen vorweisen. Außerdem hat sie eine Facebook-Gruppe, der aber keine hundert Leute angehören. Scheint sich um ein neues Start-up zu handeln. Ich habe ein bisschen auf LinkedIn recherchiert, und dort steht, sie hätte eine Führungsposition in der Marketingabteilung von Winthrope International gehabt.«

»Winthrope? Schicken Sie mir alle Links zu ihr, die Sie finden können.« Offenbar war ich bei meiner Recherche nicht gründlich genug.

Ich wüsste gerne, welche Position sie dort tatsächlich innehatte. Möglicherweise hat sie ja mehr Geld, als ich dachte. Das würde erklären, warum sie mein Angebot nicht beeindruckt hat.

»Mache ich, Chef. Sonst noch etwas?«, fragt Louise fröhlich.

»Nein. Schicken Sie mir nur alles, was Sie über diese Marketingfirma finden, um alles weitere kümmere ich mich selbst.«

Die E-Mail geht ein, kurz nachdem ich unser Gespräch beendet habe. Im Anhang finde ich Miss Landers’ Profile in den sozialen Medien und den Link zu ihrer Website.

Ich werfe einen Blick auf ihren Insta-Account voller Zitate über die Freuden des Marketings, das Träume wahr werden lässt.

Ich hasse dieses zuckersüße Geschwurbel.

Ich fahre mir mit der Hand durch das Haar und frage mich, warum heutzutage gefühlt jeder Zweite freiberuflich Marketing macht. Es hat fast den Anschein, als träumten alle davon, das große Geld zu machen, ohne hart dafür arbeiten zu wollen.

Nachdem ich mich durch einige kurze Videos mit oberflächlichen »inspirierenden« Zitaten gescrollt habe, stoße ich auf ein Video, das sie im Bikini am Strand zeigt.

Allmächtiger.

Sofort sehe ich wieder den großen Dobermann vor mir, der sich im Gürtel ihres Morgenmantels verhedderte, sodass dieser für einen Moment aufklaffte. Ich konnte den Blick nicht losreißen. Ich wollte sie nicht anglotzen.

Eine Frau anzugaffen, die durch ein Missgeschick plötzlich halb nackt vor einem steht, ist nicht die feine Art und sieht mir eigentlich nicht ähnlich.

Aber ihre Kurven sind wirklich atemberaubend, und ich bin auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Und genau dieses Blut gerät ordentlich in Wallung, als ich mir das Video der halb nackten Jennifer Landers anschaue.

Allein dass sie sich lachend mit der Hand durch das zimtrote Haar fährt, genügt, um mir eine beinharte Erektion zu bescheren.

»Das ist der beste Teil meines Arbeitstages«, sagt sie. »Ja, Sie haben richtig gehört, meines Arbeitstages! Draußen an der frischen Luft zu sein, regt meine Kreativität an. Wenn Ihre Kunden von Ihnen schwärmen und Sie trotzdem mehr schlecht als recht über die Runden kommen, liegt das nicht daran, dass Ihnen eine weitere Zertifizierung fehlt. Sie brauchen Marketing. Sie müssen dafür sorgen, dass Ihre Produkte gesehen werden. Und wenn Sie nicht wissen, wie Sie das erreichen können, helfe ich Ihnen gerne. Und wenn Sie denken, Sie könnten sich keine Werbung leisten, lassen Sie sich gesagt sein, dass Sie es sich nicht leisten können, KEINE Werbung zu machen.«

Ein Wassertropfen rinnt über die Rundung ihrer Brust und hebt diese raffiniert hervor.

Gott.

Es sollte verboten sein, dass eine Amazone wie sie mich allein mit ihrer Schönheit in die Knie zwingt.

Als Nächstes schaue ich mir noch mal ihre Website an. Auf der linken Seite der Homepage ist ein Foto, auf dem diese Teufelin aussieht wie ein Engel in einem türkisfarbenen Kleid und mit ebenfalls türkisfarbener Brille, die sie vermutlich nur vor der Kamera trägt, um seriöser zu wirken.

Die Farbe hebt das Grün ihrer Augen noch zusätzlich hervor.

Sie wirkt professionell, seriös und harmlos. Wer sie nicht besser kennt, könnte sie glatt für einen Unschuldsengel halten.

Und wenn sie nicht gerade Gift und Galle spuckt wegen eines unerwarteten Kaufangebots, ist sie das vielleicht auch.

Es gibt auf ihrer Seite noch ein Video, in dem sie dasselbe türkisfarbene Kleid trägt und an einem Schreibtisch sitzt.

»Ich weiß. Ich weiß, dass Sie alles versucht haben. Instagram, Twitter, Facebook, TikTok und Reddit. Sie haben unzählige Stunden darauf verwandt, Videos zu drehen. Und wofür? Wenn es Ihnen wie den meisten meiner Kunden geht, haben Sie damit nur mäßigen Erfolg. Was, wenn ich Ihnen sage, dass Sie nicht noch härter arbeiten müssen, sondern tatsächlich bereits zu hart arbeiten?«

»Was, wenn ich dir sage, dass ich mir plötzlich sogar vorstellen könnte, mit einer zickigen Kratzbürste ins Bett zu gehen?«, murmele ich zu ihrem lächelnden Gesicht auf meinem Bildschirm.

»Ich habe eine Vorgehensweise in drei Schritten entwickelt, damit Sie mühelos neue Kunden generieren können.« Sie hält die Hand hoch und zählt daran ab. »Erstens: reduzieren. Sie brauchen nicht auf neun verschiedenen Plattformen aktiv zu sein. Konzentrieren Sie sich auf eine, vorzugsweise auf jene, mit der sie sich am ehesten identifizieren können. Das hilft auch bei der SEO. Wenn Sie neue Kunden akquirieren möchten, sollten Sie vor allem leicht zu finden sein. Und Sie haben keine Zeit, sich Marketingwissen anzueignen. Das übernehme ich für Sie, damit Sie sich weiter um die Dinge kümmern können, von denen Sie wirklich etwas verstehen. Der nächste Punkt heißt Netzwerken. Beschäftigen Sie sich mit Content, der Ihnen gefällt. Nehmen Sie sich die Zeit, auf persönliche Nachrichten zu antworten. Ein solcher Austausch erzeugt einen bleibenden Eindruck, sodass ein Kunde im Bedarfsfall zuerst an Sie denkt. Ich weiß, das ist ziemlich viel Input. Darum nehme ich mir gerne die Zeit, Ihnen das alles näherzubringen. Rufen Sie einfach bei Odd Little Bee an und fragen Sie nach Landers!«

Odd Little Bee? Komische kleine Biene? Das ist der Name ihrer Firma?

Das mit dem Stachel stimmt immerhin.

Obwohl ihre Ratschläge insgesamt nicht schlecht sind, erinnert das alles an ein klassisches Start-up, das nicht viel zu tun hat und förmlich um Kunden bettelt.

Nachdem ich mich durch ihre Accounts in den sozialen Medien geklickt habe, bin ich mir meiner Sache sicher: Ihre Firma scheint eine Herzensangelegenheit zu sein, auch wenn sie offenbar weiß, was sie tut, und das könnte ein Ansatzpunkt sein.

Vielleicht bringt es mich ja in meinen Bestrebungen, ihr Land zu kaufen, weiter, wenn ich ihrer wenig erfolgreichen Firma unter die Arme greife. Ich klicke mich zurück zu ihrer Website und wähle dann zähneknirschend die angezeigte Telefonnummer.

Anrufbeantworter. Natürlich.

Ich frage mich, ob sie gerade damit beschäftigt ist, mit ihren knappen Bikinis andere Männer zu quälen.

Angespannt warte ich auf den Piepton, um eine Nachricht zu hinterlassen.

Wenn ich damit nicht ans Ziel komme, werde ich richtig sauer.

»Jennifer, hier spricht Miles Cromwell. Meine Assistentin ist auf Ihre Website gestoßen, und ich habe da ein Projekt, bei dem ich Ihre Hilfe brauchen könnte. Rufen Sie mich doch bitte zurück, damit wir die Einzelheiten besprechen können. Ich würde mich freuen, wenn wir unser unerfreuliches Gespräch von heute Morgen vergessen und noch einmal von vorn anfangen könnten.«

Bestimmt meldet sie sich bald.

Immerhin scheinen sich die Kunden ja bei ihr nicht die Klinke in die Hand zu geben.

Bevor ich duschen gehe, um mich auf einen entspannten Abend einzustimmen, werfe ich noch einen Blick aufs Handy. Nichts.

Verflucht.

Ich habe ihr doch die richtige Nummer durchgegeben, oder?

Aber sie meldet sich auch am nächsten Tag nicht. Ob sie meine Nachricht doch nicht erhalten hat?

Entweder das oder sie ist immer noch eher in Stimmung, mir den Kopf abzureißen, als mein Geld zu nehmen.

Mir gehen noch tausend andere Möglichkeiten durch den Kopf, bis ich es nicht länger aushalte.

Widerwillig rufe ich noch einmal an.

Wieder der AB.

Wieder hinterlasse ich eine Nachricht.

Und wieder keine Antwort.

Miss Landers scheint ihre Firma doch nicht so sehr am Herzen zu liegen, sonst würde sie sich nicht mit mir anlegen. Sie hat ja keine Ahnung …

An diesem Punkt zweifle ich das erste Mal an meiner Zurechnungsfähigkeit.

Zeit, meine Strategie zum Erwerb von Bee Harbor zu überdenken, auch wenn ich es hasse, andere vorzuschicken. Aber dass sie meine Anrufe einfach ignoriert hat und nicht das geringste Interesse daran zeigt, für mich zu arbeiten, empfinde ich als persönlichen Affront.

Was braucht es denn noch, um diese Frau dazu zu bringen, Geld von mir anzunehmen?

Und wie kann eine Texterin, die bisher nur mittelmäßig verdient hat, leicht verdientes Geld eines Milliardärs ablehnen?

Anders als die meisten Menschen glauben, führt Geld nicht zwingend immer schneller ans Ziel, aber jeder steckt doch gerne Kohle ein, ohne sich dafür krummlegen zu müssen, oder?

Grimmig greife ich erneut zum Handy und wähle ihre Nummer. Während ich darauf warte, dass der AB anspringt, trommele ich ungeduldig mit den Fingern auf meinen Schreibtisch.

»Jennifer, noch einmal Miles Cromwell. Ich will offen zu Ihnen sein. Wenn Sie an einem Auftrag interessiert sind, ist das Ihre letzte Chance. Rufen Sie mich bis heute Abend zurück, ansonsten suche ich mir jemand anderen. Danke.«

Das letzte Wort bringe ich nur mit Widerwillen über die Lippen.

Tatsächlich bin ich hinsichtlich meiner ganzen Vorgehensweise unsicher, und ich bin sonst nie unsicher.

Super, Miles. Das bringt dich sicher weiter in deinem Bestreben, einer Frau, die dich für Bärenkotze hält, das Haus ihrer Großmutter abzukaufen.

Als ich schon sicher bin, mich zum Narren gemacht zu haben, leuchtet mein Display auf, und im nächsten Moment ertönt der Klingelton.

Ich muss grinsen. Meine kleine Drohung scheint gewirkt zu haben.

Ich nehme ab, ohne auf die Nummer zu achten.

»Freut mich, dass Sie zur Vernunft gekommen sind, Miss Landers.«

»Äh … ich weiß, dass es noch zu früh ist für unser zweiwöchiges Gespräch. Entschuldigung. Ich hatte Angst, dass Sie wütend werden, wenn ich Sie anrufe, obwohl kein wirklicher Notfall vorliegt.« Louise. Verdammt.

»Ich dachte, es wäre … egal. Was gibt es? Ist etwas passiert?«

»Ihnen auch einen wunderschönen guten Tag, Mr. Cromwell«, entgegnet sie mit einem nervösen Lachen. »Einer unserer Kunden möchte seine Werbestrategie neu ausrichten und …«

»Dann verweisen Sie ihn an Clarence vom Marketing. Er ist für unsere Großkunden zuständig.«

»Das ist richtig, aber die Leitung der Marketingabteilung hat gesagt, dass der Mann ausdrücklich Sie sprechen will. Sie wissen ja, wie penetrant verzweifelte Leute sein können, und nach dem Börsencrash und der blöden Virtual-Reality-Geschichte, in die sie Milliarden gesteckt haben, wollen sie kein Risiko eingehen. Sie wollen Ihre persönliche Freigabe der neuen Kampagne.«

Mein Magen zieht sich zusammen. Ich weiß genau, welche Firma sie meint.

»Schicken Sie alles rüber«, erwidere ich schroff.

Ich sollte eigentlich genervter sein, aber das ist nur eine kleine Unannehmlichkeit verglichen mit dem lodernden Zorn, den ich jedes Mal verspüre, wenn ich mir vorstelle, wie Jennifer Landers sich über meine Nachrichten amüsiert und diese gleich nach dem Abhören löscht.